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Asbestbelastung einer Mietwohnung – Schadensersatzanspruch des Mieters

LG Dresden, Az.: 4 S 73/10, Urteil vom 25.02.2011

I. Auf die Berufung des Klägers und der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichtes Dresden vom 19.01.2010 (142 C 7044/08) abgeändert und klarstellend wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.254,48 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 5.345,75 EUR ab dem 01.06.2002, aus 334,11 EUR ab dem 03.06.2002, aus 406,60 EUR ab dem 03.07.2002 und aus 168,02 EUR ab dem 03.08.2002 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld von 20.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (08.07.2008) zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger jeden künftigen Schaden aus der Belastung seiner Gesundheit durch Asbest der Wohnung Königsstraße 10, 01097 Dresden, zu ersetzen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Berufungen des Klägers und der Beklagten im Übrigen werden zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtstreites erster Instanz haben der Kläger 52 % und die Beklagte 48 % zu tragen. Von den Kosten des Rechtstreites zweiter Instanz haben der Kläger 48 % und die Beklagte 52 % zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Asbestbelastung einer Mietwohnung – Schadensersatzanspruch des Mieters
Foto: tab62/Bigstock

Die Parteien streiten um die Rückzahlung von Miete für den Zeitraum November 1990 bis Juni 2004, Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen der Asbestbelastung der vom Kläger bis zum 21.02.2005 innegehaltenen Atelierwohnung in Dresden.

Der Streit bildet den Gegenstand der vor dem Amtsgericht Dresden unter dem Aktenzeichen 142 C 5525/05 erhobenen Widerklage vom 07.07.2008 (Bl. 272 d. A.) des dortigen Beklagten und hiesigen Klägers, die das Amtsgericht mit Beschluss vom 20.10.2008 (Bl. 297 d. A.) abgetrennt und unter dem Aktenzeichen der vorliegend angegriffenen Entscheidung (142 C 7044/08) fortgeführt hat. Die Klage über insgesamt 6.254,48 EUR gegen den hiesigen Kläger – rückständige Kaltmiete von einschließlich Juli 2004 bis anteilig Februar 2005 (3.159,25 EUR) und Schadensersatz (2.693,56 EUR) wegen des Zustandes der Mietsache bei Rückgabe – ist mit Urteil vom 28.10.2008 (142 C 5525/05) abgewiesen worden. Dort hat sich der hiesige Kläger mit Schriftsatz vom 06.10.2005 unter anderem mit einer „Aufrechnung“ in Höhe von insgesamt 44.678,48 EUR wegen überzahlter Mieten ab dem Jahr 1991 verteidigt. Das Urteil ist durch Berufungsrücknahme vor dem Landgericht rechtskräftig geworden (Beschluss vom 28.01.2009, Bl. 323 d. A. – 4 S 597/08).

Die tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichtes, auf die nach § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO verwiesen wird, sind wie folgt zu ergänzen: Der Kläger beauftragte am 24.06.2004 das Institut Fresenius mit einer Schadstoffuntersuchung der Atelierwohnung. Nach dem Privatgutachten vom 24.06.2004 lag eine erhebliche Asbestbelastung infolge der dort vor „der Wende“ verbauten Asbestplatten („Baufathermplatten“) vor. Nach dem Mietvertrag wäre zuletzt von einschließlich Januar 1999 bis Mai 2002 653,46 DM (334,11 EUR) und ab Juni 2002 795,24 DM (406,60 EUR) monatliche Kaltmiete zu zahlen gewesen. Im Zeitraum von einschließlich August 2002 bis Juni 2004 behielt der Kläger 7.107,96 EUR ein. Diese Summe ist erstmals im Berufungsverfahren durch Abzug von dem ursprünglichen Betrag aus dem Klageantrag zu 1) berücksichtigt worden. Die auf Zahlung dieses Einbehaltes gerichtete Klage hat das Amtsgericht mit Urteil vom 03.12.2008 (140 C 2835/03) abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung ist ohne Erfolg geblieben (Urteil vom 26.06.2009 – 4 S 2/09).

Das Amtsgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Rückzahlung von 6.254,48 EUR Miete und zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 12.000,00 EUR (jeweils nebst Zinsen) verurteilt sowie eine Einstandspflicht der Beklagten von 60 % für jeden weiteren eintretenden Schaden festgestellt. Es ist dabei – wie jeweils in den vorherigen Verfahren – von einer vollständigen Minderung der Gebrauchstauglichkeit der Atelierwohnung ausgegangen. Soweit die Rückzahlung von Mieten verlangt wurde, hat es allein einen bereicherungsrechtlichen Anspruch bejaht und diesen im Wesentlichen als verjährt angesehen. Eine Hemmung sei nur eingetreten, soweit sich der Kläger bereits in der Klageerwiderung vom 06.10.2005 im Verfahren 142 C 5525/05 hilfsweise mit überzahlten Mieten verteidigt habe (Bl. 32 d. A.). Hinsichtlich des Schmerzensgeldes hat das Amtsgericht den Zeitpunkt des Eigentumserwerbes der Beklagten und das Inkrafttreten der Asbestrichtlinie der Sächsischen Bauordnung berücksichtigt. Ausgehend von der Gesamtwohnzeit vom 01.11.1988 bis zum 21.02.2005 sei der Beklagten sinngemäß ein zeitlich anteiliger Verursachungsbeitrag von 60 % zuzuordnen. Die gleichen Überlegungen sind für den Feststellungsantrag maßgeblich gewesen.

Hiergegen wenden sich beide Parteien mit ihren jeweils form- und fristgerecht eingelegten Berufungen.

Der Kläger ist der Auffassung, dass ein vertraglicher Schadensersatzanspruch auf Rückzahlung von Mieten wegen eines zurechenbaren anfänglichen Mangels und wegen des zurechenbaren und eigenen Verschuldens (Missachtung von Asbestschutzvorschriften) bestehe. Dieser Anspruch sei ebenso wenig verjährt wie ein bereicherungsrechtlicher Anspruch wegen vollständiger Mietminderung. Er ist der Ansicht, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (NJW 2010, 1292 f.) für den Verjährungsbeginn der Auszugstermin maßgeblich sei. Nach seiner Auffassung stellten die überzahlten Mieten auch einen Schaden dar, der nach § 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB (Gesundheitsbeschädigung bzw. Missachtung von Asbestschutzvorschriften) zu ersetzen sei. Die Umzugskosten habe das Amtsgericht als Schaden berücksichtigen und ihre Höhe nach § 287 ZPO schätzen müssen. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes seien maßgebliche Faktoren außer Acht gelassen worden. Die wohnzeitanteilige Betrachtung des Amtsgerichtes sei schon deshalb unzutreffend, weil sich die Beklagte auch die vom Vorvermieter missachtete Verantwortung zurechnen lassen müsse. Entsprechend sei auch die Begrenzung des Feststellungsantrages fehlerhaft.

Der Kläger beantragt,

1. Unter Teil-Aufhebung des Urteiles des AG Dresden – Az.: 142 C 7044/08 – vom 19.01.2010, in Ziff. I die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 32.666,83 EUR; nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz aus 1.293,29 EUR seit dem 01.01.1991, aus 3.736,08 EUR seit dem 01.01.1993, aus 5.909,29 EUR seit dem 01.01.1994, aus 9.310,96 EUR seit dem 01.06.1995, aus 9.541,06 EUR seit dem 01.07.1995, aus 20.160,76 EUR seit dem 01.08.1998, aus 22.165,38 EUR seit dem 01.01.1999 und aus 32.666,83 EUR seit dem 01.06.2002 zu zahlen.

2. Unter Aufhebung des Urteiles des AG Dresden vom 19.01.2010, soweit die Umzugskosten betroffen sind, die Beklagte zu verurteilen an den Kläger 500,80 EUR, nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz zu zahlen.

3. Unter teilweiser Aufhebung des Urteiles des AG Dresden vom 19.01.2010, Ziff. II, die Beklagte zu verurteilen ein weiteres – über 12.000,00 EUR liegenden – Schmerzensgeld in angemessener vom Gericht festzusetzenden Höhe, nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz aus dem festgesetzten Gesamtbetrag seit der Erhebung der Widerklage, an den Kläger zu zahlen.

4. Unter teilweiser Aufhebung des Urteils des AG Dresden vom 19.01.2010, Ziff. III, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger weitere 40% – also insgesamt 100% – eines jeden weiteren Schadens, insbesondere des Schadens aus der gesundheitlichen Belastungen, den der Kläger aus der asbestbelasteten Wohnung in Zukunft erleidet, zu ersetzen hat.

Die Beklagte beantragt:

1. Die Berufung des Klägers zurückzuweisen sowie (widerklagend),

2. unter teilweiser Abänderung des Urteils des Amtsgerichtes Dresden vom 19.01.2010 (152 C 7044/08), die Klage vollständig abzuweisen.

Der Kläger beantragt:

5. Die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte vertritt zur aufrecht erhaltenen Einrede der Verjährung den Standpunkt, dass § 204 Abs. 1 Ziffer 5 BGB nicht greife, weil der Kläger seine Hilfsaufrechnung nur gegenüber der Schadensersatzforderung erklärt und seine Gegenforderung nicht ausreichend konkretisiert habe. Schadensersatzansprüche aus Vertrag und Delikt schieden dem Grunde nach aus, weil die Beklagte das Objekt nur in dem vorgefundenen Zustand übernommen und kein eigenes oder zurechenbares Verschulden vorgelegen habe. Überhaupt sei die Annahme eines Mangels wegen der Freisetzung von Asbestfasern für den Zeitraum vor Einholung des Gerichtssachverständigengutachtens spekulativ. Einem Schmerzensgeldanspruch stehe schon das Fehlen eines objektivierbaren Krankheitsbildes entgegen. Die Bestürzung, in der Vergangenheit einem Risiko ausgesetzt gewesen zu sein, genüge nicht. Alle denkbaren Ansprüche seien jedenfalls nach § 254 BGB, § 814 BGB oder wegen Verwirkung ausgeschlossen: Der Kläger habe spätestens ab dem 29.08.1991 dem Grunde nach eine Asbestbelastung für möglich gehalten und selbst Konsequenzen ziehen müssen.

Wegen des Berufungsvortrages der Parteien im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässigen Berufungen beider Parteien haben nur teilweise Erfolg. Auf die Berufung des Klägers waren lediglich der Feststellungsantrag zu berichtigen und die Höhe des Schmerzensgeldes abzuändern; die Berufung der Beklagten gab allein Anlass, die Verzinsung zu korrigieren.

1. Hinsichtlich der in der Vergangenheit gezahlten Mieten sind beide Berufungen – von der Verzinsung abgesehen – unbegründet.

a) Das Amtsgericht ist entgegen der Berufung des Klägers zu Recht davon ausgegangen, dass insoweit nur ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung in Betracht kommt, dieser jedoch überwiegend verjährt ist.

aa) Ein vertraglicher Schadensersatzanspruch wegen der Missachtung von Asbestschutzvorschriften oder wegen einer Schutzgesetzverletzung i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB scheidet bereits deshalb aus, weil alle Voraussetzungen dieser Anspruchsgrundlagen unterstellt ein Schadensersatzanspruch inhaltlich nicht die in der Vergangenheit gezahlten Mieten umfassen kann.

Die gezahlte Miete stellt keinen kausal auf die unterstellte Pflichtverletzung rückführbaren Schaden dar, weil sie ohne Pflichtverletzung ebenfalls hätte gezahlt werden müssen. Die Vermögenslage stellt sich ohne Pflichtverletzung in gleicher Weise dar, wie sie sich gegenwärtig verhält. Sie kann mithin hinweggedacht werden ohne dass sich die Vermögenslage ändert.

Weiterhin fehlt es am Zurechnungszusammenhang (haftungsausfüllenden Kausalität). Nach der vom Bundesgerichtshof für Schadensersatzansprüche aller Art anerkannten Schutzzwecklehre besteht eine Schadensersatzpflicht nur, wenn der geltend gemachte Schaden nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm oder Pflicht fällt. (Palandt, 70. Aufl., vor § 249 BGB, Rn. 62 ff. mit umfangreichen Rechtsprechungsnachweisen). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Zahlung der Miete stellt keinen Vermögensschaden dar, vor dem die Asbestschutzvorschriften bewahren wollen. Deren Zweck besteht in der Erhaltung der Gesundheit exponierter Personen und umfasst Vermögensnachteile nur, soweit sie der Wiederherstellung der Gesundheit oder der Kompensation dienen.

bb) Ein Anspruch auf überzahlte Miete nach § 823 Abs. 1 BGB käme nur in Frage, wenn die Mietzahlung als geltend gemachter Vermögensschaden adäquat kausale Folge der Gesundheitsverletzung wäre: die Vorschrift schützt nicht das Vermögen an sich, sondern gewährt Ausgleich für Schäden an dort namentlich aufgeführten absoluten Rechten, zu denen vorliegend die Gesundheit des Klägers zählt.

Die Mietzahlungen der Vergangenheit sind nicht adäquat kausale (nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge regelmäßig anzunehmende) Folge der – für den Gesamtzeitraum unterstellten – Gesundheitsgefährdung. Die Rechtsgutsverletzung kann hinweg gedacht werden, ohne dass sich an der Vermögenslage etwas ändert. Dem Kläger wäre auch ohne den geltend gemachten Vermögensschaden – etwa im Fall kostenlosen Wohnens – dieselbe Gefahr zuteil geworden. Der Aufenthalt in den Räumen war unabhängig von Mietzahlungen gesundheitsgefährdend. Auch hier würde es im Übrigen am Zurechnungszusammenhang fehlen.

b) Es bestehen wegen einer Minderung auf „Null“ indes bereicherungsrechtliche Ansprüche nach § 812 BGB, weil Kaltmieten wegen der Asbestbelastung ohne Rechtsgrund gezahlt worden sind. Diese sind jedoch im Wesentlichen – von der Hemmung in Höhe von 6.254,48 EUR abgesehen – verjährt.

aa) Bei einem – an dieser Stelle nur unterstellten – Mietmangel, wären ohne Hemmungstatbestand sämtliche Ansprüche auf Rückzahlung rechtsgrundlos gezahlter Mieten verjährt.

(1) Ansprüche aus § 812 BGB verjährten auch nach altem Recht nicht grundsätzlich in der damals geltenden Regelfrist. Vielmehr war die Verjährung an die Verjährung des Anspruchs angelehnt, dessen Rechtsgrundlosigkeit einen Bereicherungsanspruch auslösen soll. Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung auf Rückzahlung regelmäßig wiederkehrender Leistungen wie der Miete unterlagen daher der vierjährigen Verjährungsfrist des § 197 BGB a.F. (BGH, Urteil vom 07.07.2004, VIII ZR 192/03, Rn 15; Urteil vom 14.12.2004, XI ZR 11/04, Rn. 23; zitiert nach Juris). Rückforderungsansprüche wegen überzahlter Miete verjährten nach § 197 BGB a.F. i.V.m. § 201 BGB a.F. demnach innerhalb von vier Jahren ab Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstand, wobei allein die objektiven Tatbestandsmerkmale maßgeblich waren. Auf die Kenntnis des Anspruchsinhabers kam es – im Unterschied zu deliktischen Ansprüchen – nicht an. Ausgehend hiervon sind alle Ansprüche bis einschließlich Dezember 1999 mit dem Ablauf des Dezembers 2003 oder früher verjährt. Ansprüche des Klägers von Januar bis Dezember 2000 waren trotz der Erlangung der Kenntnis von der Asbestbelastung der Wohnung am 05.06.2004 (Privatgutachten des Institutes Fresenius) mit dem Ablauf des Dezembers 2004 verjährt. Die Schuldrechtsreform mit ihrer kenntnisorientierten Verjährung hat hieran nicht geändert, weil nach Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB stets die kürzere Verjährungsfrist maßgeblich war. Damit verjährten auch Ansprüche von Januar bis Dezember 2001 grundsätzlich mit Ablauf des Dezembers 2005.

Ansprüche ab Januar 2002 verjährten demgegenüber nach neuem Recht nach § 199 Abs. 1 i.V.m. § 197 BGB in drei Jahren ab dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und in dem der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen erfährt. Maßgeblich war damit der 31.12.2004, weil das Privatgutachten des Institutes Fresenius am 05.06.2004 erstellt worden ist. Damit verjährten Ansprüche von Januar bis Dezember 2002 mit Ablauf des Dezembers 2007. Gleiches gilt für die Jahre 2003 und 2004, weil für 2003 das Datum der Kenntniserlangung entscheidet und im Jahr 2004 beide nach § 199 Abs. 1 BGB maßgeblichen Daten auf den 31.12.2004 zusammen fallen.

(2) Die Rechtsauffassung des Klägers zur Verjährung beruht auf einem falschen Verständnis der Rechtsprechung. Die zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofes behandelt die originäre Gebrauchsüberlassungspflicht und nicht die daneben bestehenden Rechtsfolgen im Falle ihrer Verletzung (Minderung und Schadensersatz). Sie bezieht sich auf den Anspruch auf Mangelbeseitigung, der jede juristische Sekunde des Dauerschuldverhältnisses fortlaufend neu entsteht. Vorliegend geht es jedoch um Rückzahlungsansprüche wegen Minderung, die als Spiegelbild der Zahlungsansprüche auf Miete monatlich zu festen Terminen entstehen bzw. entstanden sind. Nach der Argumentation des Klägers müsste auch der Anspruch auf rückständige Miete im laufenden Mietverhältnis unverjährbar sein.

(3) Die Widerklage vom 07.07.2008 konnte die Verjährung bereicherungsrechtlicher Ansprüche nicht mehr hemmen, da sämtliche Ansprüche, auch die nach dem Jahr 2004, bereits verjährt waren. Gehemmt werden kann nur, was bei Eintritt des Hemmungstatbestandes noch nicht verjährt war. Eine Hemmung durch die Hilfsaufrechnung konnte wie vom Amtsgericht angenommen nur in Höhe der damals maßgeblichen Klageforderung eintreten (Palandt, 70. Aufl., § 204 Rn. 20). Dies sind 6.254,48 EUR. Wie sich aus (1) ergibt, ergreift die Hemmung Bereicherungsansprüche ab Januar 2001, weil nur diese zum Zeitpunkt des maßgeblichen Hemmungstatbestandes noch nicht verjährt waren.

(a) Eine Hilfsaufrechnung liegt auch ohne Verwendung dieses Begriffes vor, weil der anwaltlich damals nicht vertretene Kläger die Forderung der Beklagten in erster Linie in Abrede gestellt und argumentativ bestritten hat. Erst in zweiter Linie hat er seine Verteidigung auf eine Gegenforderung gestützt, die die Klageforderung der damaligen Klägerin und hiesigen Beklagten übersteigt. Dies ist für die Annahme einer Hilfsaufrechnung bei einem juristischen Laien ausreichend.

(b) Soweit die Beklagte rügt, dass der Kläger nur gegen die Schadensersatzforderung hilfsaufgerechnet habe, verkennt sie den Aufbau des von einem juristischen Laien verfassten Schriftstückes und den Kontext der Darstellung der Gegenforderungen. Nach Auslegung werden diese der Klageforderung vollständig entgegen gesetzt. Für eine Begrenzung der Hemmungswirkung auf den „Schadensersatzanteil“ von 2.693,56 EUR ist damit kein Raum.

(c) Der Einwand unzureichender Konkretisierung der mit der Hilfsaufrechnung geltend gemachten Gegenforderungen nach Reihenfolge und Höhe ist ebenfalls unbegründet. Der Kläger weist zwar eine Summe aus, ordnet die jeweiligen Beträge jedoch den verschiedenen Jahren zu und gibt mit der natürlichen Reihenfolge der Auflistung zugleich die Aufrechnungsreihenfolge vor. Mehr bedarf es bei einem juristischen Laien nicht.

bb) Für den danach maßgeblichen Zeitraum der Jahre 2001 und 2002 ist die Rüge der Berufung unbegründet, wonach ein Mangel gar nicht vorliege, hilfsweise aber retrospektiv nicht sicher feststellbar sei.

(1) Die Kammer hält die Argumentation der Berufung der Beklagten für unzutreffend, wonach deshalb kein Mangel vorliegen soll, weil im Zeitpunkt der Renovierung der Wohnung asbesthaltige Baustoffe allgemein üblich gewesen seien und kein Bewusstsein für deren Gefährlichkeit bestanden habe. Bei gesundheitsgefährdenden Schadstoffbelastungen ist für die Frage der Unbedenklichkeit und der Anwendbarkeit etwaiger Grenzwerte nicht der Zeitpunkt des Mietvertragsschlusses oder der Renovierung maßgeblich. Dies entspricht der obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG Hamm, Urteil vom 13.02.2002, Az.: 30 U 20/01, Rn. 69; BayObLG, Rechtsentscheid vom 04.08.1999, Rn. 18 ff.; zitiert nach Juris) und steht auch mit der Kommentierung im Einklang (Schmitt/Futterer, Mietrecht, 10. Auflage, § 536, Rn. 23 ff.; Sternel, Mietrecht, 4. Auflage, Rn. VIII 105; Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Auflage, § 535, Rn. 335). Diese Auffassung ist indirekt auch vom Bundesverfassungsgericht gebilligt worden (Kammerbeschluss vom 04.08.1998, 1 BvR 1711/94).

(2) Auch die Annahme, wonach rückwirkend verlässliche Feststellungen zur Asbestbelastung nicht getroffen werden könnten, erweist sich als unzutreffend.

Zwar kann es für die Vergangenheit – in der Natur der Sache liegend – keine Messergebnisse für Raumluftkonzentrationen ab 1990 geben. Nach der Begutachtung lassen sich gleichwohl ausreichend sichere Aussagen jedenfalls für den Zeitraum ab einschließlich 2001 treffen. Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei der Feststellung des Gerichtssachständigen Dipl.-Ing. xxx, wonach die Atelierwohnung in der höchsten Kategorie asbestbelastet ist („Sanierungsdringlichkeitsstufe I“), nicht lediglich um eine Momentaufnahme zum Zeitpunkt des Ortstermins. Dies würde allenfalls für bestimmte Messdaten gelten. Die Asbestbelastung resultiert nämlich aus den verbauten Baufathermplatten, die nach den Darlegungen des Sachverständigen ein „schwach gebundenes Asbestprodukt“ darstellen. Bei diesen werden durch den natürlichen Vorgang der Faserspaltung und bei bestimmungsgemäßer Beanspruchung des Baustoffes (Vibration durch Trittschall und dergleichen) feinste atembare Fasern freigesetzt. Aus der Natur dieses Baustoffes folgt mithin eine kontinuierliche Faserfreisetzung, die mit zunehmenden Alter und Beanspruchung der Baufathermplatten noch zunimmt. Weit 10 Jahre nach Einbau ist damit eine Asbestbelastung zwangsläufig. Diese Schlussfolgerungen, die auf der Grundlage einer Bewertung der Baustoffe und der ermittelten Messergebnisse getroffen wurden, fanden sich nach dem Gutachten zusätzlich durch optische Wahrnehmungen bestätigt. So wurden in den Deckenhohlräumen asbesthaltige Liegestäube (Ablagerungen freigesetzter Asbestfasern bzw. Asbeststaub) sowie Bruchstücke und Splitter der Baufathermplatten (vermutlich aus der Bauzeit) festgestellt.

Der nachträglichen – tatsächlich auch nicht seriös durchführbaren – Schätzung der Schadstoffkonzentrationen in der Vergangenheit bedurfte es nicht. Die Berufung der Beklagten verkennt, dass es nach den Darlegungen des Sachverständigen keinen Schwellenwert im Sinne einer unbedenklichen Asbestkontamination der Raumluft gibt. Damit kommt es auf die genaue Höhe der Schadstoffbelastung gar nicht an, solange die Schadstoffbelastung als solche für den maßgeblichen Zeitraum feststeht.

cc) Diese stellt einen Mietmangel dar. Nach Auffassung der Kammer muss daher nach den Feststellungen des Sachverständigen jedenfalls für den vorliegend maßgeblichen Zeitraum ab 2001 von einer vollständigen Aufhebung der Gebrauchtauglichkeit ausgegangen werden. Die Beklagte verkennt, dass es bei einer Asbestfaserfreisetzung in Wohnräumen mangels Schwellenwertes keine zeitliche Unterteilung in einen unbedenklichen, einen mäßig bedenklichen und einen nicht mehr hinnehmbaren Zustand gegeben kann.

Nach den Feststellungen des Sachverständigen und seiner Beschreibung der auch sichtbaren Wahrnehmung von Asbeststaub geht die Kammer ab 2001 von der vollständigen Aufhebung der Gebrauchstauglichkeit der Atelierwohnung als Wohnstätte und Arbeitsplatz aus. Das Einatmen der Asbestfasern ist mit einem erhöhten Risiko assoziiert, an Bronchialkarzinomen, Mesotheliomen oder sonstigen Lungenleiden zu erkranken. Dabei variiert zwar die Latenzzeit. Das Risiko des manifesten Ausbruchs einer tödlich verlaufenden Erkrankung steigt jedoch mit der Dauer der Schadstoffexposition und der Schadstoffkonzentration. Angesichts dessen war die Atelierwohnung als privater und beruflicher Lebensmittelpunkt nicht geeignet, den vertraglich vorausgesetzten Zweck zu erfüllen.

dd) Entgegen der Auffassung der Beklagten stehen einem Anspruch des Klägers weder § 814 BGB noch das Institut der Verwirkung entgegen.

(1) Das Schreiben des Klägers vom 29.08.1991 an den damaligen Vermieter rechtfertigt die Annahme anspruchsvernichtender Kenntnis im Sinne von § 814 BGB nicht. § 814 BGB setzt die positive Kenntnis der Rechtslage im Zeitpunkt der Leistung voraus (Palandt, 70. Aufl., § 814 Rn. 2). Die daraus folgende Kenntnis der Rechtslage bzw. -folge dahingestellt, kann bereits von einer Kenntnis des Mangels frühestens ab Erstellung des Gutachtens des Fresenius-Instituts im Juli 2004 ausgegangen werden. Mit Schreiben vom 29.08.1991 hatte der Kläger lediglich einen vagen Verdacht geäußert. Das Ausmaß der Asbestbelastung und die davon ausgehende Gesundheitsgefahr waren dem Kläger 1991 nicht bekannt und hätte ihm – da ihn als Mieter keine Pflicht zu Nachforschungen trifft – nicht einmal bekannt sein müssen.

(2) Auch der Einwand der Verwirkung ist unbegründet. Der Kläger hat durch vorbehaltlose Mietzahlungen in der Vergangenheit nicht konkludent auf Minderung bzw. den dadurch entstandenen Rückzahlungsanspruch verzichtet. Der Kläger hat erst im Juli 2004 von dem Mangel Kenntnis erlangt. Mit den Zahlungen hat der Kläger mithin keinen Rechtsscheinstatbestand geschaffen, auf den die Beklagte hätte vertrauen dürfen.

Ebenso wenig schadet es dem Anspruch des Klägers, dass er zu keinem früheren Zeitpunkt einen Mangel angezeigt hat. Der Mieter ist zu einer Mängelanzeige lediglich dann verpflichtet, wenn sich der Mangel „zeigt“ (so der Wortlaut von § 536 c BGB). Ein Mangel zeigt sich jedoch erst, wenn er sichtbar zu Tage tritt oder wenn er von einem durchschnittlichen Mieter ohne weiteres wahrgenommen werden kann (Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Auflage, § 536, Rn. 2).

c) Im Einzelnen ergibt sich damit folgende Berechnung: Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung für das Jahr 2001 – unstreitig wurden 4.009,31 EUR an Kaltmiete gezahlt – sind in voller Höhe in ihrer Verjährung gehemmt. Der Restbetrag von 2.245,17 EUR hat mithin die Verjährung der Rückforderungsansprüche für Januar bis Mai 2002 in Höhe von 1.670,55 EUR, für Juni 2002 in Höhe von 406,60 EUR und anteilig für Juli 2002 in Höhe von 168,02 EUR gehemmt. Unstreitig wurden nämlich für Januar bis Mai 2002 1.670,55 EUR und für Juni und Juli 2002 je 406,60 EUR an Kaltmiete gezahlt.

Da mit den Zahlungen bis Juli 2002 der gehemmte Betrag aufgezehrt ist, kommt es nicht darauf an, wie sich die Einbehalte ab August 2002 monatlich im Einzelnen zusammensetzen.

d) Die Verzinsung folgt aus § 288 Abs. 1 i.V.m. § 286 Abs. 2 BGB. Der Betrag von 4.009,31 EUR und von 1.336,44 EUR war antragsgemäß ab 01.06.2002 zu verzinsen. Im Übrigen waren die Fälligkeitsdaten des Mietvertrages zu berücksichtigen. Danach war die Maimiete von 334,11 EUR erst ab 03.06.2002, die Junimiete von 406,60 EUR erst ab 03.07.2002, und der Anteil an der Julimiete von 168,02 EUR erst ab 03.08.2002 zu verzinsen. Auf diese Änderung beschränkt sich zugleich der Erfolg der Berufung der Beklagten.

2. Das Amtsgericht hat den geltend gemachten Anspruch auf Erstattung von Umzugskosten zu Recht abgewiesen, weil der Vortrag des Klägers zu einem entstandenen Schaden unsubstantiiert war. Der Vortrag des Klägers war schon in erster Instanz gerügt worden. Der Kläger hat allein eine Zahl von „Helferstunden“ in den Raum gestellt und behauptet, für den Umzug sieben mal jeweils eine bestimmte Strecke zurückgelegt zu haben. Die Beklagte hat dies zulässigerweise mit Nichtwissen bestritten und ebenso zu Recht darauf hingewiesen, dass eine rechtfertigende Begründung für die herangezogenen Stunden- und Kilometerpauschalen fehlt. Entgegen seiner Darstellung hat der Kläger nur die von ihm zu Grunde gelegten Stunden- und Kilometerpauschalen unter Beweis gestellt. Dies ersetzt keinen Sachvortrag. Damit fehlte allen Faktoren der Schadensberechnung des Klägers eine hinreichende tatsächliche Grundlage.

Auch im Berufungsverfahren ist der Vortrag nicht substantiiert worden. Ausgeräumt wurden allein die sich bereits aus dem Unterschied zwischen Umzugsort und Meldeanschrift ergebenden Zweifel daran, ob überhaupt ein Umzug nach Langenwolmsdorf stattgefunden hat. Der Hinweis darauf, dass eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO erfolgen kann, ersetzt den Vortrag der Grundlagen nicht, aufgrund derer eine Schätzung erfolgen soll. Entgegen der Berufung des Klägers ist der Kammer damit auch eine Schadensschätzung verwehrt. Eine solche wäre schlicht willkürlich.

3. Weiterhin steht dem Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld zu, weil er von der Beklagten rechtswidrig und schuldhaft in seiner Gesundheit verletzt wurde, § 823 Abs. 1 BGB.

a) Der Tatbestand von § 823 Abs. 1 BGB ist erfüllt.

aa) Eine Verletzung der Gesundheit ist eine medizinisch erhebliche Störung der körperlichen, geistigen oder seelischen Lebensvorgänge. Unerheblich ist, ob bereits eine tiefgreifende Veränderung der Befindlichkeit eingetreten ist. Die Kammer geht von einer massiven psychischen Belastung des Klägers, nicht jedoch von einem physischen Krankheitsbild aus.

(1) Die Asbestexposition begründet eine Risikoerhöhung asbestbedingter Krankheitsbilder, stellt jedoch selbst noch kein physisches Krankheitsbild dar. Zwar ist anerkannt, dass bereits die Übertragung des Human-Immundefizienz-Virus (HIV) eine Gesundheitsverletzung darstellt, ohne dass es bereits zum Ausbruch der Immunschwächekrankheit gekommen sein muss (BGH, Urteil vom 30.04.1991, VI ZR 178/90, Rn. 28; Urteil vom14.06.2005, VI ZR 179/04, Rn. 9, jeweils zitiert nach Juris). Allerdings ist dort die Ursache des späteren Ausbruchs der Krankheit medizinisch gesichert, wohingegen sie vorliegend letztlich spekulativ bleibt (hierzu LAG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 10.07.2009, 9 Sa 348/08, zitiert nach Juris). Ob die Asbestfasern eine Schadensursache gelegt haben, ist offen. Daher sieht die Kammer keine Veranlassung, die Rechtsprechung zu den HIV-Fällen auf die vorliegende Konstellation zu übertragen.

(2) Allerdings geht die Kammer von einer psychischen Beeinträchtigung des Klägers aus. Das Einatmen der Asbestfasern ist mit einem erhöhten Risiko verbunden, an Lungenkrebs oder anderen Krankheitsbildern der Lunge zu versterben. Der Kläger muss mit der Gewissheit leben, dass bei ihm mit Blick auf die Dauer der Schadstoffexposition in seinem Wohnungs- und Arbeitsumfeld ein deutlich erhöhtes Risiko dieser Erkrankungen besteht.

Die Kammer sah hierbei keinen Anlass für eine medizinische Etikettierung der verschiedenen Ausprägungen der geschilderten Stimmungslagen und wechselnden Umschreibungen des Klägers (Todesangst, depressive Stimmungslage, Lethargie, Verlust an Lebensfreude, kreative Blockaden). Maßgeblich ist für die Kammer das – über das Wissen um die eigene Endlichkeit hinausgehende – ständige Bewusstsein der Möglichkeit, fremdverursacht zu einem ungewissen Zeitpunkt bösartig zu erkranken und deshalb verfrüht zu sterben.

bb) Die Rechtswidrigkeit wird durch die Erfüllung des Tatbestandes indiziert. Die Beklagte hat auch schuldhaft gehandelt. Ihr liegt ein grob fahrlässiges Organisationsverschulden zur Last, weil sie zu einer umfassenden Untersuchung der Baumaterialien und davon ausgehender Gefahren verpflichtet gewesen wäre.

Die Beklagte war nicht nur Adressat des Schreibens des Klägers vom 29.08.1991, in dem er erstmals den Verdacht einer Schadstoffbelastung äußerte und auf asbesthaltige Baustoffe verwies. Sie fungierte nach den Feststellungen des Amtsgerichtes 1991 sogar offiziell als Hausverwalterin der damals noch im Eigentum der Landeshauptstadt Dresden stehenden Wohnung. Es entlastet die Beklagte damit nicht, dass sie bzw. ihre Mitarbeiter anlässlich des Eigentumswechsels im Jahr 1997 den Inhalt der Mieterakte und damit das Schreiben des Klägers vom 29.08.1991 ignoriert hatten.

Eine Untersuchung der vor „der Wende“ renovierten Altbausubstanz hätte aber auch deshalb stattfinden müssen, weil die besondere Asbestproblematik in den neuen Bundesländern bekannt war. Nach den Ausführungen des Sachverständigen wurden dort in großem Umfang bis zur „Wende“ schwach gebundene Asbestprodukte wie Spritzasbest und nicht oberflächenbehandelte Asbestplatten verwendet.

b) Der erhobene Einwand eines Mitverschuldens (§ 254 BGB) des Beklagten – mit dem sinngemäß ein Bemessungsfaktor („Null“) eines Schmerzensgeldes dargelegt wird – ist unbegründet. Die Argumentation der Beklagten verkennt das mietvertragliche Pflichtgefüge. Die Beklagte schuldet die Gewährung des Gebrauchs einer mangelfreien Wohnung. Mit Schreiben vom 29.08.1991 hat der Kläger einen Verdacht geäußert. Zu Nachforschungen war daraufhin allein der Vermieter verpflichtet. Die Kenntnis des Klägers kann frühestens ab Erstellung des Gutachtens des Fresenius-Instituts angenommen werden. Dass er daraufhin nicht sofort ausgezogen ist, kann allenfalls dem Verhalten der Beklagten angelastet werden.

c) Der zeitanteiligen Betrachtungsweise des Amtsgerichtes, mit der der Haftungsumfang der Beklagten beschränkt wird, kann die Kammer nicht folgen.

Derzeit geht es um das physische Erkrankungsrisiko und die damit einhergehende psychische Belastung. Letztere ist von einer ohnehin nur abstrakt bestimmbaren Risikoerhöhung unabhängig, weil das Erkrankungsrisiko bereits bei einer Schadstoffexposition von nur wenigen Jahren besteht. Für die psychische Belastung kommt es daher nicht darauf an, ob der Kläger seit sieben oder vierzehn Jahren der Asbestbelastung ausgesetzt war. Es spielt daher keine Rolle, dass die Beklagte formal erst seit 1997 in den Mietvertrag eingetreten ist.

Davon unabhängig gibt es keinen ungefährlichen Schwellenwert. Eine zeitliche Unterteilung in bedenkliche und unbedenkliche Wohnzeiträume ist nicht möglich. Damit scheidet mangels Abgrenzbarkeit eine zeitraumbezogene (Ursachen-)Zuordnung und damit auch eine Haftungsbegrenzung anhand der abstrakt denkbaren (zeitraumabhängigen) Erhöhung des Risikos einer physischen Erkrankung aus. In der Dauer der von den Vermietern jeweils zu „verantwortenden“ Zeiträume kann mithin kein haftungslimitierender Umstand gesehen werden. Sie würden als Gesamtschuldner jeweils in vollem Umfang haften.

d) Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes hat die Kammer mithin die grob fahrlässige Untätigkeit der Beklagten und die psychische Beeinträchtigung berücksichtigt, unter denen der Beklagte nunmehr schon seit über sechs Jahren leidet. Zu befürchtende Krankheiten der Zukunft sind vom Feststellungsantrag umfasst und waren daher bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht zu berücksichtigen.

Ebenfalls nicht berücksichtigt hat die Kammer die Darlegungen des Klägers zur Erwerbsminderung (misslungener Portraitzyklus usw.); nach Klarstellung durch den Kläger lag hier ein Versehen in der Einordnung der Schadensfolgen vor, weil die Ausführungen einen zukünftigen und vom Feststellungsantrag erfassten potentiellen Vermögensschaden begründen sollten.

4. Der Feststellungsantrag, der sich nach Klarstellung auf materielle und immaterielle Folgeschäden weiterer psychischer und physischer Gesundheitsfolgen bezieht, ist zulässig und begründet.

a) Es besteht ein Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO). Dies gilt auch für die Einstandspflicht für bislang lediglich befürchtete physische Erkrankungen. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es nicht erforderlich, dass sich bereits eine physische Erkrankung manifestiert hat.

Ein Feststellungsinteresse ist bei einem Schadensersatzanspruchs, der noch nicht abschließend mit der Leistungsklage geltend gemacht werden kann, bereits dann zu bejahen, wenn der Anspruchsgegner seine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit in Abrede stellt und einer drohenden Verjährung entgegengewirkt werden soll. Geht es um den Ersatz erst künftig befürchteter Schäden aufgrund einer nach Behauptung des Klägers bereits eingetretenen Rechtsgutsverletzung, setzt das Feststellungsinteresse nur die Möglichkeit dieses Schadenseintritts voraus. Diese ist nur zu verneinen, wenn bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, dass mit dem Eintritt eines derartigen Schadens wenigstens zu rechnen ist (vgl. z.B. BGHZ 116, 60, 75 und BGH NJW 2001, 1431-1433, jeweils m.w.N.).

Damit ist vorliegend von einem umfassenden Feststellungsinteresse hinsichtlich möglicher psychischer und physischer Folgeschäden auszugehen, die auf die Asbestbelastung zurück geführt werden können. Das Einatmen der Asbestfasern ist – wie ausgeführt – mit einem erhöhten Risiko von Lungenkrankheiten verbunden. Angesichts der Dauer des Aufenthaltes des Klägers in der Atelierwohnung besteht Grund für die Annahme, dass auch mit physischen Gesundheitsschäden gerechnet werden muss.

b) Der Feststellungsantrag ist weiterhin begründet, weil die sachlich-rechtlichen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs vorliegen (BGH NJW 2001, 1431-1433 m.w.N). Hierzu kann auf 3. verwiesen werden. Es liegt ein haftungsrechtlich relevanter Eingriff in ein nach § 823 Abs. 1 BGB geschütztes Rechtsgut vor. Ob in einem solchen Fall für die Begründetheit des Feststellungsantrages eine „gewisse Wahrscheinlichkeit“ des Schadenseintritts zu verlangen ist (vgl. BGH VersR 1997, 1508, 1509, BGH NJW 1991, 2707, 2708, von Gerlach: VersR 2000, 525, 531 f.) kann hier deshalb dahinstehen, weil dieser Grad der Wahrscheinlichkeit feststeht. Nach allgemeiner Erkenntnis geht das Einatmen von Asbestfasern mit einem erhöhten Risiko einher, eine potentiell tödliche Lungenkrankheit davon zu tragen. Dabei steigt das Risiko mit der Dauer der Schadstoffexposition Der Kläger hat allein seit die Beklagte Vermieterin ist, sieben Jahre in der Atelierwohnung gewohnt und gearbeitet.

e) Den Tenor des Feststellungsantrages hat die Kammer streitgegenstandsneutral präziser gefasst. Der Berufungsantrag („… jeden weiteren Schadens, insbesondere des Schadens aus den gesundheitlichen Belastungen, die der Kläger aus der asbestbelasteten Wohnung in Zukunft erleidet, zu ersetzen hat“) enthält eine missverständliche Doppelung: Zu ersetzen sind nicht insbesondere die Schäden, die aus der Asbestbelastung herrühren, sondern nur solche. Anderes war nach Klarstellung in mündlicher Verhandlung auch nicht gemeint, weshalb die andere Fassung des Tenors nicht mit einer Teilklageabweisung verbunden ist.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Dabei hat sich die Kammer hinsichtlich des Wertes des jeweiligen Obsiegens am Streitwertbeschluss der Kammer vom heutigen Tag orientiert. Der Verlust des Klägers in zweiter Instanz hat danach einen Wert von 43.167,43 EUR und der der Beklagten von 46.254,48 EUR. Die Kostenquote für die erst Instanz weicht hiervon ab, weil dort mit dem Klageantrag zu 1 noch 46.028,87 EUR geltend gemacht worden waren. Dies ergibt bezogen auf die erste Instanz ein wertmäßiges Unterliegen des Klägers von 50.275,19 EUR bei einem mit 96.529,67 EUR entsprechend höheren Streitwert.

Das Urteil ist nach § 708 Nr. 10 ZPO vorläufig vollstreckbar. Die Abwendungsbefugnis folgt für beide Parteien – für den Kläger hinsichtlich bei ihm vollstreckbarer Kosten – aus § 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Der angeregten Klärung der Frage, woran sich die Verjährung bereicherungsrechtlicher Ansprüche bei Minderungen in der Vergangenheit orientiere, bedarf es nicht. Die hierzu zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann nicht übertragen werden. Eine über diesen Aspekt hinausgehende Zulassung der Revision ist nicht angeregt; Anhaltspunkte für eine Revisionszulassung bestehen auch insoweit nicht.

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