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Berechtigtes Interesse an Untervermietung aus humanitären Gründen

Recht auf Untervermietung aus humanitären Gründen: Auslegung des berechtigten Interesses im Mietrecht

Das Urteil des Landgerichts Berlin (Az.: 65 S 39/23) vom 06. Juni 2023 befasst sich mit der komplexen Frage, wann ein Mieter ein berechtigtes Interesse an der Untervermietung hat. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob humanitäre Gründe oder persönliche ethische Überzeugungen ausreichend sein können, um ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB zu begründen. Der Kläger forderte die Zustimmung zur Untervermietung, doch das Amtsgericht wies die Klage ab, da es die Meinung vertrat, dass nicht jedes Interesse des Mieters ausreichend sei.

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Relevante Gesetzgebung und Hintergründe

Das Urteil beschäftigt sich mit dem Spannungsverhältnis zwischen den geschützten Interessen des Vermieters und dem Wunsch des Mieters, sein Privatleben nach seinen Vorstellungen zu gestalten. Die gesetzliche Regelung des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB sieht vor, dass der Vermieter der Untervermietung zustimmen muss, wenn der Mieter ein berechtigtes Interesse daran hat. Die höchstrichterliche Rechtsprechung gibt den Rahmen für die Auslegung dieses berechtigten Interesses vor.

Die Argumentation des Amtsgerichts

Das Amtsgericht lehnte die Klage ab, da es die Auffassung vertrat, dass nicht jedes beliebige Interesse des Mieters ausreichen könne. Berechtigt sei das Interesse nur dann, wenn es um die Bildung von Lebensgemeinschaften geht, in denen wechselseitig Verantwortung übernommen wird. Es sei nicht ausreichend, aus persönlicher Sympathie oder finanziellen Motiven zusammenzuleben.

Der Standpunkt des Landgerichts Berlin

Das Landgericht Berlin widersprach dem Amtsgericht und stellte fest, dass als berechtigt jedes Interesse des Mieters von nicht ganz unerheblichem Gewicht anzusehen ist, das mit der geltenden Rechts- und Sozialordnung in Einklang steht. Dies beinhaltet auch die Entscheidung, mit Dritten eine auf Dauer angelegte Wohngemeinschaft bilden zu wollen. Auch die Absicht des Zusammenlebens unverheirateter Personen in einer eheähnlichen oder einer Wohngemeinschaft wurde unter diesem Gesichtspunkt betrachtet.

Die Bedeutung des Urteils

Dieses Urteil erweitert das Verständnis des berechtigten Interesses im Mietrecht, indem es humanitäre Gründe und ethische Überzeugungen in den Fokus rückt. Es zeigt, dass die Entscheidung des Mieters, sein Privatleben nach seinen Vorstellungen zu gestalten, grundsätzlich zu respektieren ist, solange er die Grenzen des Vertrages nicht überschreitet. Die Betonung der Freiheit des Mieters, sein Leben nach seinen Vorstellungen zu gestalten, und die Anerkennung von humanitären Gründen könnten weitreichende Auswirkungen auf zukünftige Fälle im Mietrecht haben.


Das vorliegende Urteil

LG Berlin – Az.: 65 S 39/23 – Urteil vom 06.06.2023

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Wedding vom 30. Januar 2023 – 7 C 451/22 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin zu erlauben, ein Zimmer ihrer Wohnung in der … an … unterzuvermieten.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil mit nachfolgenden Ergänzungen Bezug genommen:

Die Klägerin mietete mit Mietvertrag vom … die von ihr inne gehaltene Wohnung mit einer Fläche von 85,17 qm, bestehend aus 3 Zimmern, Küche, Bad und Balkon von der Beklagten.

Mit E-Mail vom … erbat die Klägerin von der Beklagten die Erlaubnis, an die im Klageantrag benannte Frau …, geboren am … ab dem 1. Mai 2022 ein Zimmer der von ihr gemieteten Wohnung untervermieten zu dürfen.

Sie teilte mit, dass sie selbst weiterhin in der Wohnung wohnen werde und mit der Untervermietung einer Geflüchteten aus dem ukrainischen Kriegsgebiet Unterstützung anbieten möchte.

Mit E-Mail vom 11. Mai 2022 übersandte die Beklagte der Klägerin eine Nachtragsvereinbarung mit der Bitte, zwei unterschriebene Exemplare zurückzusenden.

Die übersandte Nachtragsvereinbarung sah neben der Genehmigung der Untervermietung eine Änderung der im Mietvertrag getroffenen Staffelmietvereinbarung in eine Indexmietvereinbarung vor.

Die Klägerin lehnte die Unterzeichnung der Nachtragsvereinbarung wegen der vorgesehenen Indexmiete ab.

Mit Schreiben vom 11. Juli 2022 forderte der von der Klägerin hinzugezogene Berliner Mieterverein die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 30. Juli 2022 auf, die Untervermieterlaubnis zu erteilen.

Mit Schreiben vom 21. Juli 2022 lehnte die Beklagte über ihre Hausverwaltung deren Erteilung erneut mit der Begründung ab, dass weder die Klägerin noch der Mieterverein ein berechtigtes Interesse substantiiert dargelegt hätten. Sie wies darauf hin, dass für den Fall, dass die Klägerin seit der Anfrage „den Flüchtling bereits ohne Genehmigung des Vermieters bei sich aufgenommen“ habe, dies eine fristlose Kündigung begründen könne und riet der Klägerin, die Untervermietung umgehend zu beenden.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass nicht jedes beliebige Interesse des Mieters ausreichen könne, da sonst die erforderliche Zustimmung und auch die Möglichkeit der Kündigung bei deren Versagung inhaltlich entleert würden und dies nicht mehr mit den geschützten Interessen des Vermieters aus Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar wäre. Das berechtigte Interesse umfasse zwar auch die grundsätzliche Entscheidung des Mieters, sein Privatleben nach seinen Vorstellungen zu gestalten, auch dann, wenn er mit dem Dritten eine auf Dauer angelegte Wohngemeinschaft bilden möchte; es reiche aber nicht jede Art von Gemeinschaft aus. Berechtigt sei das Interesse immer dann, wenn es um die Bildung von auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaften ginge, in welcher wechselseitig Verantwortung füreinander übernommen werde. Maßgeblich sei dabei der Zeitpunkt der Aufnahme. Allgemeine humanitäre oder sonst öffentliche Interessen, die der Mieter lediglich fördern möchte, reichten nicht aus.

Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen (Bl. 85 f. d.A.).

Gegen das sie ihr am 30. Januar 2023 zugestellte Urteil hat die Beklagte über das beA am 1. Februar 2023 Berufung eingelegt und diese am 21. März 2023 (Eingang über das beA) begründet.

Die Klägerin macht geltend, dass die humanitäre Grundeinstellung eines Mieters, der einen vor dem Krieg geflüchteten Menschen aufnehmen will, um diesem in seiner Notlage zu helfen, nicht weniger schützenswert sei als sein Interesse, mit einem anderen Menschen aus persönlicher Sympathie zusammenzuleben oder dies nur aus finanziellen Motiven zu tun. Nichts sei höchstpersönlicher als die Befolgung eigener ethischer Grundüberzeugungen, seien sie religiöser oder humanistischer Natur. Sie verweist darauf, dass der Zweck der Regelung des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB (§ 549 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F.) nach der Rechtsprechung des BGH nicht nur darin bestehe, das Mietverhältnis aufrechtzuerhalten, wenn die Untervermietung notwendig ist, um dem Mieter die Wohnung zu erhalten, sondern auch darin, sein Mietverhältnis nicht zu gefährden, wenn er den Wunsch hat, einen Teil der Wohnung einem Dritten zu überlassen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Amtsgericht Wedding vom 30. Januar 2023 – 7 C 451/22 – abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin zu erlauben, ein Zimmer ihrer Wohnung in der … an … unterzuvermieten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Sie meint, seitens der Klägerin liege kein nach Abschluss des Mietvertrages entstandenes berechtigtes Interesse im Sinne des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB vor. Es treffe keinesfalls zu, dass die Belange des Vermieters ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit gemäß § 553 Abs. 1 Satz 2 BGB zu berücksichtigen wären. Die Zumutbarkeitsprüfung käme erst dann zum Tragen, wenn der Mieter ein berechtigtes Interesse an der Untervermietung habe. Genau das habe die Klägerin jedoch nicht dargelegt. Das Gesetz, aus welchem die Klägerin meint, den fraglichen Anspruch herleiten zu können, fordere ein höchstpersönliches berechtigtes Interesse. Eine grundsätzliche Motivation, eine humanistische Gesinnung, und sei sie noch so nobel, allein und ohne persönliche Beziehung zur aufzunehmenden Person, könne kein berechtigtes Interesse sein. Der Grundsatz, dass dem Mieter eine Überlassung von Wohnraum an Dritte grundsätzlich untersagt sei, liefe anderenfalls leer. Der Mieter müsse eine Veränderung seiner persönlichen Situation im Vergleich zu derjenigen dartun, die bei Abschluss des Mietvertrages vorgelegen habe.

II.

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist begründet. Die der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung, §§ 513, 529, 546 ZPO.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis zur Untervermietung eines Zimmers der von der Klägerin gemieteten Wohnung mit einer Größe von mehr als 85 qm aus § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Die Voraussetzungen des § 553 Abs. 1 BGB liegen vor; der Anspruch ist nicht nach Satz 2 der Vorschrift ausgeschlossen.

Nach § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Mieter vom Vermieter die Erlaubnis verlangen, einen Teil des Wohnraums einem Dritten zum Gebrauch zu überlassen, wenn für ihn nach Abschluss des Mietvertrags ein berechtigtes Interesse dafür entsteht. Nach Satz 2 gilt das nur dann nicht, wenn in der Person des Dritten ein wichtiger Grund vorliegt, der Wohnraum übermäßig belegt würde oder dem Vermieter die Überlassung aus sonstigen Gründen nicht zugemutet werden kann.

a) Nach der Rechtsprechung des BGH ist ein Interesse des Mieters im Sinne des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB schon dann anzunehmen, wenn ihm vernünftige Gründe zur Seite stehen, die seinen Wunsch nach Überlassung eines Teils der Wohnung an Dritte nachvollziehbar erscheinen lassen. Als berechtigt im Sinne der Vorschrift ist jedes – auch höchstpersönliche – Interesse des Mieters von nicht ganz unerheblichem Gewicht anzusehen, das mit der geltenden Rechts- und Sozialordnung in Einklang steht. Hierzu gehört grundsätzlich die Entscheidung des Mieters, sein Privatleben „innerhalb der eigenen vier Wände“ nach seinen Vorstellungen zu gestalten, dies auch dann (nicht etwa nur dann), wenn er mit Dritten eine auf Dauer angelegte Wohngemeinschaft bilden möchte (st. Rspr. BGH, Beschl. vom 3. Oktober 1984 – VIII ARZ 2/84, NJW 1985, 130, [131], zu § 549 Abs. 2 a.F.; Urt. vom 23. November 2005 – VIII ZR 4/05, NJW 2006, 1200; Urt. vom 11. Juni 2014 – VIII ZR 349/13, NJW 2014, 2717; Urt. vom 31. Januar 2018 – VIII ZR 105/17, Rn. 53 f.).

Der Entschluss, in Gemeinschaft mit anderen zu leben, genießt – so der BGH – als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts den Schutz der Grundrechte (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG), solange er nicht die Schranken überschreitet, die die Verfassung selbst der Ausübung des allgemeinen Freiheitsrechts setzt. Zu dieser Feststellung sah der BGH sich veranlasst, weil die Vorinstanzen im Rahmen der Vorlagefrage auch geklärt sehen wollten, ob die Absicht des Zusammenlebens unverheirateter Personen gleichen oder verschiedenen Geschlechts in einer eheähnlichen oder einer Wohngemeinschaft die Annahme eines berechtigten Interesses unter dem Gesichtspunkt des gegen das nach Art. 2 Abs. 1 GG zu beachtende Sittengesetz ausschließen könne, was der BGH klar verneinte.

Soweit das Amtsgericht meint, nur bei der beabsichtigten Bildung einer auf Dauer angelegten Wohn- bzw. Verantwortungsgemeinschaft könne ein berechtigtes Interesse an der Untervermietung angenommen werden, so lässt sich diese Anforderung weder der Rechtsprechung des BGH noch den Gesetzesmaterialien entnehmen (vgl. BT.-Drs. IV/806; IV/2195, S. 3; 14/4553, S. 49). Es ist vielmehr nicht einmal erforderlich, dass der Mieter überhaupt beabsichtigt, mit dem Untermieter eine Wohngemeinschaft zu bilden (vgl. BGH, Urt. vom 23. November 2005 – VIII ZR 4/05, Rn. 12; Urt. vom 11. Juni 2014 – VIII ZR 349/13, NJW 2014, 2717).

Dies zugrunde gelegt, beanstandet die Klägerin zu Recht, dass das Amtsgericht ihren Wunsch, ein Zimmer der von ihr inne gehaltenen Wohnung an eine (konkret benannte) Person unterzuvermieten, die die „Besonderheit“ aufweist, dass sie aus dem ukrainischen Kriegsgebiet geflüchtet ist, dies, um diese Person zu unterstützen, nicht als berechtigtes Interesse im Sinne des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB angesehen hat.

Zu Recht macht sie geltend, dass wohl kaum ein Interesse als höchstpersönlicher angesehen werden kann als das, sein (Privat-)Leben und Handeln nach den eigenen ethischen Grundüberzeugungen auszurichten und zu gestalten, dies auch und gerade in dem geschützten Bereich der „eigenen vier Wände“.

Dass die Motivation der Klägerin mit der Rechts- und Sozialordnung im Einklang steht, stellt wohl auch die Beklagte nicht in Frage.

Der BGH betont in seiner Grundentscheidung aus dem Jahr 1984, dass es geboten sei, bei der Ausfüllung des Begriffs des berechtigten Interesses in besonderem Maße die Wertordnung der Grundrechte zu berücksichtigen, die die Auslegung des Bürgerlichen Rechts beeinflusse, wo dieses sich – wie im Fall der Untervermieterlaubnis – unbestimmter Rechtsbegriffe bediene (BGH, Beschl. vom 3. Oktober 1984 – VIII ARZ 2/84, NJW 1985, 130, [131], m.w.N. zur diesbezüglichen Rechtsprechung des BVerfG).

Dass der Wunsch der Klägerin, mit einem aus einem Kriegsgebiet geflüchteten Menschen eine häusliche Gemeinschaft zu begründen, um ihn zu unterstützen, nicht unter den Schutz der nach der BGH-Rechtsprechung maßgeblichen Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG fallen soll, lässt sich auch deshalb nicht begründen, weil das unsere Rechtsordnung prägende Grundgesetz aus der Erfahrung (und dem Leid) zweier Weltkriege mit gigantischen Flüchtlingsströmen entstanden und diese in die im Grundgesetz getroffenen Wertentscheidungen eingeflossen ist.

Soweit in der Literatur teilweise die Auffassung vertreten wird, dass „allgemeine humanitäre Erwägungen“ oder „Interessen“ nicht ausreichen (sollen), weil es sich immer um ein Interesse gerade des Mieters selbst handeln müsse (vgl. Staudinger/V. Emmerich BGB [2021] § 553 Rn. 4a; Schmidt-Futterer/Flatow, 15. Aufl. 2021, BGB § 553 Rn. 4; a.A. Blank/Börstinghaus/Siegmund/Siegmund, Miete, 7. Aufl. 2023, § 553 Rn. 5, ebenso wie bereits Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus, 6. Aufl.; BeckOK BGB/Wiederhold, 66. Ed. 1.5.2023, BGB § 553 Rn. 5; wohl auch: Hinz, WuM 2023, 65, [72]), mag dem zuzugeben sein, dass sich bezüglich humanitärer Gesichtspunkte ein Bezug zu dem Mieter ergeben muss, der die Untervermieterlaubnis begehrt, etwa dadurch, dass er sich diese Erwägungen und Interessen zu eigen macht, diese seine konkrete Motivation im Sinne der BGH-Rechtsprechung begründen (differenzierend: Hinz, WuM 2023, 65, [72]).

Der Auffassung ist – jedenfalls in einem Fall wie dem hier gegebenen – entgegenzuhalten, dass sich der Bezug zum Mieter ohne Weiteres daraus ergibt, dass sein Wunsch auf eigenen (höchst)persönlichen ethischen Grundüberzeugungen beruht.

Hinzu kommt, dass das Argument, § 553 Abs. 1 BGB verfolge den Zweck, dem Mieter die Wohnung zu erhalten, in einer Fallkonstellation wie der hier gegebenen zu kurz greift. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, der es rechtfertigen kann, danach zu unterscheiden, ob der beabsichtigten Untervermietung der Wunsch des Mieters zugrunde liegt, in der Wohnung nicht (mehr) allein zu leben (vgl. BGH, Urt. vom 31. Januar 2018 – VIII ZR 105/17, Rn. 54) oder der Wunsch, in der angemieteten Wohnung sein Leben nach den eigenen Wertvorstellungen und ethischen Grundüberzeugungen zu gestalten, ohne gezwungen zu sein, das Mietverhältnis zu beenden, um diesen Wunsch in einer anderen Wohnung zu realisieren. In beiden Fällen würde der „Verlust“ der Wohnung nicht auf einer wirtschaftlichen Notlage beruhen, sondern auf der dem Mieter versagten Möglichkeit der Gestaltung seines Privatlebens nach eigenen Vorstellungen, wozu auch Überzeugungen gehören.

Soweit das Amtsgericht die Darlegung einer (bereits bestehenden) engen persönlichen Beziehung zwischen der Klägerin und der in Aussicht genommenen Untermieterin vermisst, ergibt sich nicht, woraus es dieses Erfordernis herleitet.

Weder dem Gesetz noch seinen Materialien, der Rechts- und Sozialordnung oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung lässt sich ein Anhaltspunkt entnehmen, dass eine bereits bestehende persönliche Beziehung zum Untermieter in das Tatbestandsmerkmal des berechtigten Interesses „hineinzulesen“ wäre.

b) Das berechtigte Interesse der Klägerin ist (offenkundig) auch zeitlich nach Vertragsschluss entstanden.

Maßgeblich ist insoweit, ob nach Vertragsschluss Umstände eintreten, die den Entschluss des Mieters zur Aufnahme des Dritten gerechtfertigt erscheinen lassen (Schmidt-Futterer/Flatow, Mietrecht, 15. Aufl. 2021, BGB § 553 Rn. 12; Blank/Börstinghaus/Siegmund/Siegmund, Miete, 7. Aufl. 2023, § 553 Rn. 16).

Die zeitliche Einschränkung soll (allein) verhindern, dass der Mieter, der einen – zumindest latent – vorhandenen Wunsch zur Überlassung eines Teils des Wohnraums mit Dritten bei Vertragsabschluss verschweigt, die durch den Vertrag gesetzten Grenzen des vertragsgemäßen Gebrauchs unter Berufung auf eine zu gestattende Untervermietung unterläuft (BGH, Beschl. vom 3. Oktober 1984 – VIII ARZ 2/84, NJW 1985, 130, [131]; Urt. vom 31. Januar 2018 – VIII ZR 105/17).

Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin die hier gegenständliche Wohnung bei Mietvertragsschluss im Mai 2014 mit dem Motiv angemietet hat, sie unterzuvermieten, sind hier weder vorgetragen noch ersichtlich. Nach fast 10 Jahren Mietzeit ist der nach der BGH-Rechtsprechung einen Verdacht begründende enge zeitliche Zusammenhang zum Vertragsschluss ersichtlich nicht (mehr) gegeben (BGH, Beschl. vom 3. Oktober 1984 – VIII ARZ 2/84, NJW 1985, 130, [131]).

Ganz anders lag der Fall in der vom Amtsgericht zitierten Entscheidung des Amtsgerichts München (AG München, Urt. vom 20. Dezember 2022 – 411 C 10539/22, WuM 2023, 94).

Das AG München hat das vom dortigen Kläger geltend gemachte Interesse, geflüchtete Personen unterstützen zu wollen, als nicht nach Mietvertragsschluss entstanden angesehen, weil zwischen dem Abschluss des Mietvertrages über ein Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von ca. 240 qm für einen Erwachsenen und zwei Kinder (sowie einen Hund) und der Anfrage zur Erteilung einer Untervermieterlaubnis lediglich 3 Monate lagen.

c) Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der – insoweit darlegungs.- und beweisbelasteten – Beklagten (BT-Drs. IV/806 S. 9) die Gestattung der Gebrauchsüberlassung nicht zumutbar wäre, § 553 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Gegen eine Unzumutbarkeit spricht vielmehr der von der Beklagten erstellte Entwurf einer Nachtragsvereinbarung zum Mietvertrag. Danach hätte die Beklagte die Untervermieterlaubnis ohne Weiteres erteilt, wenn die Klägerin einer Änderung der Staffel- in eine Indexmietvereinbarung zugestimmt hätte.

Ein solches Zumutbarkeitskriterium bzw. einen entsprechenden Vorbehalt zugunsten des Vermieters sieht das Gesetz nicht vor.

Es lässt sich auch nicht aus § 553 Abs. 2 BGB herleiten. Unabhängig davon hat die Beklagte nicht einmal andeutungsweise vorgetragen, dass ihre ohne diese weitgehende Vertragsänderung die Untervermietung nicht zumutbar wäre.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

3. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 1, 2 ZPO nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern. Die maßgeblichen Rechtsfragen sind höchstrichterlich geklärt, ohne dass die Kammer davon abweicht.

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