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Eintritt des Hauptvermieters in Mietvertrag nach Vertragsbeendigung mit Zwischenmieter?

LG Berlin –  Az.: 67 S 257/14 –  Urteil vom 02.10.2014

Die Berufung der Kläger gegen das am 28. Mai 2014 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mitte – 118 C 519/13 – wird auf deren Kosten nach einem Wert von bis 65.000,00 € zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils jeweils vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die jeweiligen Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % leisten.

Gründe

I.

Wegen des Vorbringens der Parteien in erster Instanz und ihrer dort gestellten Anträge wird auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Amtsgericht Mitte hat die Klage mit Urteil vom 28. Mai 2014, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Kläger in die zwischen der X e.G. und den jeweiligen Beklagten über ihre Wohnungen in der Y-Straße Berlin, eingetreten seien. Die Voraussetzungen des § 565 Abs. 1 Satz 1 BGB seien zumindest in analoger Hinsicht erfüllt. Zum einen liege eine gewerbliche Weitervermietung vor, da das Handeln der X e.G. keinen rein privaten, karitativen oder gemeinnützigen Zwecken diene. Zum anderen könne unter Beachtung von Art. 3 GG dem Endmieter der Kündigungsschutz nur dann versagt werden, wenn dies durch eine besondere, hier nicht gegebene Interessenlage gerechtfertigt sei. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Die Kläger haben gegen das ihnen am 5. Juni 2014 zugestellte Urteil am 24. Juni 2014 Berufung eingelegt und diese am 18. Juli 2014 begründet. Sie meinen, die Regelung des § 565 Abs. 1 Satz 1 BGB sei weder unmittelbar noch analog anwendbar. Die Einschaltung des Zwischenmieters liege allein im Interesse der Beklagten als Endmieter. Es sei ihnen, den Klägern, nicht zuzumuten, an den Mietverträgen, in denen ein deutlich unter der ortsüblichen Vergleichsmiete liegender Mietzins vereinbart sei, festzuhalten. Die Mietverträge, die auf den 1. Januar 2008 datiert seien, seien erst kurz nach dem Scheitern der Verkaufsverhandlungen zwischen der X. e.G. und den Klägern und damit kurz vor der Rückgabe des Hauses „rückwirkend“ geschlossen worden, um den Beklagten eine dauerhaft niedrige Miete zu sichern.

Die Kläger beantragen, das am 28. Mai 2014 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mitte – 118 C 519/13 – abzuändern und festzustellen, dass zwischen den Klägern und den Beklagten über die jeweilig von diesen innegehaltenen Wohnungen der Y-Straße, Berlin, ab dem April 2013 mietvertragliche Beziehungen nicht bestehen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Sie sind der Ansicht, den Klägern fehle für die Klage bereits ein Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 ZPO. Im übrigen verteidigen sie das angefochtene Urteil vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Schriftsätze und der ihnen beigefügten Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg, da die auf Feststellung des Nichtbestehens mietvertraglicher Beziehungen der Parteien gerichtete Klage unbegründet ist.

Im Ausgangspunkt konnte dahinstehen, ob die Klage bereits deshalb der Abweisung zu unterliegen hatte, weil es den Klägern wegen des grundsätzlichen Vorrangs der Leistungsklage – und der hier eröffneten Möglichkeit zur Erhebung einer Räumungsklage – an dem gemäß § 256 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse fehlte. Denn die Klage ist aus den nachfolgenden Erwägungen zur Begründetheit jedenfalls in der Sache abweisungsreif. In einem solchen Fall aber wäre der Erlass eines bloßen Prozessurteils nicht sachgerecht (Greger, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 256 Rz. 7 m.w.N.). Das Gericht darf daher ausnahmsweise das Vorliegen des Feststellungsinteresses offen lassen und sogleich auf die Begründetheit der Klage eingehen (BGH, Urt. v. 14. März 1978 – VI ZR 68/76, NJW 1978, 2031, 2032; BAG, Urt. v. 12. Februar 2003 – 10 AZR 299/02, NJW 2003, 1755). Von dieser Befugnis hat die Kammer Gebrauch gemacht.

Die Klage ist unbegründet. Im Ergebnis zutreffend hat das Amtsgericht den geltend gemachten Feststellungsanspruch verneint. Die Parteien sind mietvertraglich miteinander verbunden, auch wenn die Beklagten die Mietverträge über die streitgegenständlichen Wohnungen nicht mit den Klägern, sondern mit der X. e.G. geschlossen haben. Denn die Kläger sind gemäß § 565 Abs.1 S. 1 BGB mit Wirkung zum 1. April 2013 in die bestehenden Mietverhältnisse eingetreten. Danach tritt der Vermieter in den Fällen, in denen der Mieter nach dem Mietvertrag den gemieteten Wohnraum gewerblich einem Dritten zu Wohnzwecken weitervermieten soll, bei der Beendigung des Mietverhältnisses in die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis zwischen dem Mieter und dem Dritten ein. Diese Voraussetzungen sind sämtlich erfüllt:

Zwischen der Rechtsvorgängerin der Kläger als Vermieterin und der X. e.G. als Mieterin bestand ein inzwischen beendeter Mietvertrag über die streitgegenständlichen Räume. Der “Vertrag über die Nutzung, Instandsetzung und Modernisierung des Gebäude Y-Str. Berlin” vom 8. November/10. Dezember 1991 ist aufgrund seiner in § 6 getroffenen Befristung mit Ablauf des 31. März 2013 beendet.

Bei der getroffenen Vereinbarung handelt es sich im Lichte der Auslegungsparameter der §§ 133, 157 BGB um einen Mietvertrag i.S.d. § 535 Abs. 1 BGB, da darin die Überlassung von Räumen gegen Entgelt zur Nutzung durch die X. e.G. oder deren Mitglieder vorgesehen ist. Dem steht die mehrdeutige Titulierung im Vertragskopf nicht entgegen, da es im Falle der entgeltlichen Gebrauchsüberlassung für die zu treffende vertragliche Einordnung nicht darauf ankommt, wie die Parteien das Vertragsverhältnis bezeichnen (Blank, in: Schmidt/Futterer, Mietrecht, 11. Aufl. 2013, Vorbemerkung zu § 535 Rz. 3). Dass die Vereinbarung neben den mietvertraglichen Elementen auch Regelungen zu der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geplanten Instandsetzung und Modernisierung enthält, rechtfertigt keine abweichende Bewertung. Die Übertragung des Nutzungsrechts bildet den Kern der Vereinbarung, so dass selbst bei Annahme eines gemischten Vertrages Mietrecht zur Anwendung käme (Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, Einf v § 535 Rz. 36 m.w.N.).

Zwar handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Nutzungsvertrag nicht um einen Wohnungsmietvertrag, weil die Genossenschaft selbst die Räume nicht zu Wohnzwecken nutzen konnte (vgl. BGH, Urt. v. 3. Juli 1996 – VIII ZR 278/95, NJW 1996, 2862 Tz. 16). Der Anwendungsbereich des § 565 Abs. 1 BGB ist jedoch bereits dann eröffnet, wenn der Mietvertrag die Weitervermietung zu Wohnzwecken vorsieht. Dies ist hier der Fall. Die Vereinbarung über den Vertragszweck muss nicht ausdrücklich getroffen werden; es genügt, wenn Vermieter und Mieter übereinstimmend davon ausgehen, dass die Wohnungen vom Mieter an Dritte weitervermietet werden sollen. Dagegen reicht es für die Anwendung des § 565 BGB nicht aus, wenn es dem Mieter nach dem Vertragszweck freigestellt ist, wie er mit der Sache verfährt. Denn dann „soll“ der Mieter nicht weitervermieten (Blank, in: Schmidt-Futterer, MietR, 11. Aufl. 2013, § 565 Rz. 6). In § 6 des Nutzungsvertrages ist die Befugnis der Genossenschaft geregelt, die Wohnungen an ihre Mitglieder zu vermieten. Damit geht zwar keine ausdrückliche entsprechende Verpflichtung einher. Aus der Tatsache, dass die Genossenschaft – für beide Vertragsparteien erkennbar – die streitgegenständlichen Wohnungen jedoch nicht selbst als solche nutzen konnte, folgt die für die Anwendung des § 565 BGB erforderliche Zweckbestimmung indes zumindest aus den Umständen des Vertragsschlusses. Das reicht aus, da besondere Formerfordernisse für die erforderliche Zweckabrede nicht bestehen, so dass es genügt, wenn sich der fragliche Zweck konkludent aus dem Vertrag ergibt (Emmerich, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2014, § 565 Rz. 3a).

Der Vertrag ist auch wirksam geworden. Es bedurfte keiner abschließenden Entscheidung der Kammer, ob die in § 2 des Nutzungsvertrages vereinbarten Bedingungen tatsächlich eingetreten sind. Selbst wenn es dem streitigen Vortrag der Kläger entsprechend nicht zum Bedingungseintritt gekommen sein sollte, ändert dies an der Wirksamkeit des Vertrages nichts. Denn die Vertragsparteien hätten die getroffene Vereinbarung gleichwohl in Vollzug gesetzt und über 20 Jahre beanstandungsfrei gelebt und damit stillschweigend auf die ursprünglich vereinbarte aufschiebende Bedingung verzichtet (vgl. BGH, Urt. v. 25. März 1998 – VIII ZR 185/96, NJW 1998, 2360, 2362; Bork, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2010, § 158 Rz. 16 m.w.N.).

Die Genossenschaft hat bei der Weitervermietung auch „gewerblich“ gehandelt. Erforderlich ist dafür eine geschäftsmäßige, auf Dauer gerichtete, mit der Absicht der Gewinnerzielung oder im eigenen wirtschaftlichen Interesse ausgeübte Vermietungstätigkeit des Zwischenvermieters (BGH, Urt.v. 30. April 2003 – VIII ZR 163/02, ZMR 2003, 816 Tz. 8). Der Zwischenvermieter muss keinen tatsächlichen Gewinn erzielen. Es reicht aus, dass sein Handeln zumindest auf Kostendeckung gerichtet ist (Blank, a.a.O., Rz. 8; Emmerich, a.a.O., Rz. 4). Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen ist das Amtsgericht zutreffend ausgegangen:

Zwar hat die X. e.G als Zwischenvermieterin einen im Verhältnis zur ortsüblichen Vergleichsmiete niedrigeren Mietzins mit den Beklagten vereinbart, doch lag dieser in der Summe deutlich über dem von ihr selbst an die Rechtsvorgänger der Kläger zu leistenden Nutzungsentgelt. Bereits daraus ergibt sich eine Gewinnerzielungsabsicht, erst recht aber ein Handeln, das zumindest auf eine kostendeckende Bewirtschaftung des Mietobjekts gerichtet ist. Es tritt hinzu, dass gemäß § 4 Abs. 3 des Nutzungsvertrages nicht nur die Weitervermietung an Mitglieder der X. e.G., sondern zumindest in Teilen auch der Umbau und die spätere Nutzung zu gewerblichen Zwecken vorgesehen war. Auch dies spricht für eine Gewinnerzielungsabsicht der Zwischenvermieterin, da durch die Vermietung von Gewerbeflächen gerichts- und allgemeinbekannt in der Regel deutlich höhere Mieten und Gewinne zu erzielen sind als durch die Vermietung von Wohnraum. Diese Gewinnerzielungsabsicht deckt sich zudem mit der Einschätzung der Berufung, die geschlossenen Verträge hätten der X e.G. “Millionengewinne” eingebracht.

Es stünde dem gewerblichen Handeln der Zwischenvermieterin auch nicht entgegen, wenn sie die streitgegenständlichen Mietverhältnisse vornehmlich zur Erfüllung ihres satzungsmäßigen Zwecks – der Versorgung ihrer Mitglieder mit Wohnraum – begründet haben sollte. Denn selbst die Anerkennung einer Genossenschaft als gemeinnütziges Wohnungsunternehmen ändert grundsätzlich nichts daran, dass es sich dabei um ein eigenwirtschaftliches, selbstverantwortliches Unternehmen mit – wenn auch begrenzter – Gewinnorientierung handelt (vgl. BGH, Urteil vom 29. Februar 1988 – StbSt (R) 1/87, NJW 1988, 3274, 3275). Davon abgesehen beschränkte sich das Handeln der X e.G. nicht auf die Wohnraumversorgung ihrer Mitglieder im streitgegenständlichen Objekt. Zum hier maßgeblichen Zeitraum des Abschlusses des Nutzungsvertrages hatte die X. e.G., die heute 20 Mietobjekte bewirtschaftet, nicht nur das streitgegenständliche Objekt in ihrem Bestand, sondern war auch Eigentümerin einer weiteren Immobilie, deren Sanierung sie ebenfalls zum Zwecke der späteren Weitervermietung durchführte.

Vor dem Hintergrund des gewerblichen Handelns der X. e.G. bedurfte es keiner abschließenden Entscheidung der Kammer, ob und mit welcher Reichweite § 565 BGB auch auf Zwischenvermieter anwendbar ist, die Wohnungen am Markt satzungsgemäß vorwiegend zu gemeinnützigen, mildtätigen, karitativen oder fürsorgerischen Zwecken anmieten (vgl. insoweit zum Meinungsstand Emmerich, a.a.O., Rz. 4-6 m.w.N.).

Die zwischen der Zwischenvermieterin und den Beklagten geschlossenen Mietverträge sind allesamt nach Beginn und vor Beendigung des streitgegenständlichen Nutzungsvertrages geschlossen worden. Soweit die Kläger erstmals im zweiten Rechtszug behauptet haben, § 565 BGB sei unanwendbar, weil zumindest die auf den 1. Januar 2008 datierten Mietverträge zurückdatiert und tatsächlich später abgeschlossen worden seien, um den Beklagten unmittelbar vor Rückübertragung des Objektes an die Kläger eine günstige Miete zu sichern, sind sie mit ihrem – von den Beklagten bestrittenen und nicht näher substantiierten – Vorbringen gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO ausgeschlossen. Denn sie haben ihren Vortrag, dessen Einführung ihnen bereits erstinstanzlich ohne Weiteres möglich gewesen wäre, im ersten Rechtszug aus Gründen prozessualer Nachlässigkeit nicht erbracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision ist nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hatte und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern.

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