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WEG – Rückbauverpflichtung bezüglich Treppenlifts

AG Kassel – Az.: 800 C 2118/17 – Urteil vom 06.06.2019

Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 26.04.2017 zum TOP 5A wird für unwirksam erklärt und die vom Kläger erbrachte Sicherheitsleistung i. H. v. 10.000 € auf 4.500 € herabgesetzt.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 1/5 und die Beklagte 4/5 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung i. H. v. 8.000,00 €. Der Kläger dart die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i. H. v. 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leisten.

Tatbestand

Der Kläger begehrt im Wege der kombinierten Beschlussanfechtungs- und ersetzungsklage von der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft die Herabsetzung einer Sicherheit für eine Rückbauverpflichtung.

Die Parteien bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft A in B. Aus Anlass der Erkrankung seiner mittlerweile verstorbenen Ehefrau — vormalige Miteigentümerin — genehmigte die Eigentümerversammlung mit Beschluss vom 10.11.2011 den Einbau eines Treppenlifts mit der Auflage der Stellung einer Sicherheit in Höhe von 10.000,00 € für eventuelle Schäden am gemeinschaftlichen Eigentum und nicht ordnungsgemäßen Rückbau. Der Kläger und seine Ehefrau leisteten die Sicherheit, der Treppenlift wurde errichtet. Zur Eigentümerversammlung vom 26.04.2017 stellte der Kläger den Antrag, den Betrag der Sicherheitsleistung auf 3.000,00 € zu reduzieren. Der zum Tagesordnungspunkt 5A behandelte Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagten Wohnungseigentümer seien übersichert. Unter Bezugnahme auf im laufenden Rechtsstreit eingeholte Kostenvoranschläge meint er, dass eine Sicherheitsleistung von 3.000,00 € ausreichend sei. Folglich sei die Versagung der Beschlussfassung nicht hinzunehmen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 26.04.2017 zum TOP 5A für unwirksam zu erklären und die Sicherheitsleistung i. H. v. 10.000,00 € auf 3.000,00 € herabzusetzen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie bezweifeln, ob der Kläger berechtigt ist, alleine die Klage zu erheben, nachdem nunmehr im Grundbuch nach dem Versterben der Ehefrau der Kläger als Teileigentümer neben der Erbengemeinschaft nach seiner Ehefrau, bestehend aus ihm selbst und seiner Tochter, eingetragen ist. In der Sache meinen sie, die Sicherheit sei in der im Jahre 2011 geforderten Höhe nach wie vor erforderlich. Der Kläger habe auch einen wirtschaftlichen Nachteil für ihn nicht dargetan und müsse sich an seiner Zusage aus dem Jahr 2011 festhalten lassen. Darüber hinaus würden die vom Kläger vorgelegten Kostenvoranschläge nicht sämtliche Rückbaumaßnahmen erfassen. Dies betreffe etwa die Elektroinstallation. Darüber hinaus seien die Entsorgungskosten in Angeboten enthalten, was aber bei einer Demontage durch die Eigentümergemeinschaft nicht korrekt sei, da mangels Eigentum am Treppenlift die Eigentümergemeinschaft diesen nicht zur Entsorgung einem Handwerker überlassen könnten. Schließlich seien Preissteigerungen und eventueller Mehraufwand zu berücksichtigen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die im Sinne von § 46 Abs. 1 S. 2 WEG fristgerecht eingereichte und mit einer Begründung versehene Klage hat überwiegend Erfolg.

WEG - Rückbauverpflichtung bezüglich Treppenlifts
(Symbolfoto: Daisy Daisy/Shutterstock.com)

Der angegriffene Beschluss vorn 26.04.2017 entspricht nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, da er den Kläger in seinen Rechten verletzt mit der Folge; dass das angerufene Gericht gemäß § 21 Abs. 8 WEG befugt ist, auf entsprechenden Antrag nach billigem Ermessen eine geeignete Maßnahme zu ergreifen (so genannte Beschluss Ersetzung).

Der Kläger ist berechtigt, alleine ohne Mitwirkung der Miterbin nach seiner verstorbenen Ehefrau eine Beschlussanfechtungsklage im Sinne des § 46 WEG zu erheben. Denn anfechtungsberechtigt ist jeder Miteigentümer, auch ein solcher, der in einer Bruchteilsgemeinschaft an einer Wohnungseigentumseinheit berechtigt ist. Denn aufgrund der aus § 1011 BGB folgenden Befugnis eines einzelnen Bruchteilseigentümers, die Eigentumsrechte gegenüber Dritten geltend machen zu dürfen, ist er insoweit nicht darauf angewiesen, dass der oder die anderen Bruchteilseigentümer in gleicher Weise vorgehen, sofern nicht die Willensbildung innerhalb der Bruchteilsgemeinschaft dem entgegensteht (Niedenführ, § 46 Rdnr. 10). Für Letzteres haben die Beklagten nichts vorgetragen, entspringt der Anhaltspunkte sind auch im Übrigen nicht ersichtlich. Gleiches gilt bei Bestehen einer Erbengemeinschaft (Niedenführ, § 46 WEG Rdnr. 11 m.w.N.).

Der Kläger hat folglich einen Anspruch auf Herabsetzung der Sicherheitsleistung, wenn deren Höhe unbillig ist und folglich nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) der Sicherungsnehmer— hier die beklagte Eigentümergemeinschaft — übersichert wäre. Eine Übersicherung ist dann anzunehmen, wenn die Höhe der Sicherheit in einer sittenwidrigen Weise den Wert des zu sichernden Anspruches übersteigt. Dies ist – wie auch die Beklagten meinen — dann anzunehmen, wenn der Wert der Sicherheit denjenigen des zu sichernden Anspruches um 100 % übersteigt. Dies ist hier der Fall.

Der Kläger hat durch Vorlage von Kostenvoranschlägen dargetan, dass die Rückbaukosten nach dem derzeitigen Stand der Dinge voraussichtlich den Betrag von gerundet 3.205 € nicht übersteigen, wobei das Gericht die jeweils auf den höchsten Endpreis lautenden Kostenvoranschläge zugrunde legt und im Falle der Lückenhaftigkeit gemäß § 287 ZPO schätzt. Dies führt dazu, dass gemäß dem Angebot der C für die reinen Demontagekosten einschließlich Entsorgung gerundet 1.928 Euro zu veranschlagen sind, wobei im Hinblick auf unvorhergesehene Abweichungen in der tatsächlichen Ausführung ein Sicherheitszuschlag von 10 % vorgenommen wird, so dass insoweit insgesamt 2.120 € zu berücksichtigen sind. Für die erforderlichen Malerarbeiten sind nach dem Angebot der D rund 854 € einzustellen, was bei einem Sicherheitszuschlag von weiteren 10 % zu einem einzustellenden Betrag i. H. v. 940 € führt. Für die Elektroarbeiten hat der Kläger zwar nur einen Kostenvoranschlag vorgelegt. Derjenige der E lautet auf einen Endbetrag in Höhe von rund 132 €, so dass mit einem Sicherheitszuschlag von 10 % weitere 145 € einzustellen sind. Insgesamt ergibt sich somit der vorgenannte Betrag von 3.205 €. Das Vorbringen der Beklagten stellt nicht grundsätzlich infrage, dass die in den Kostenvoranschlägen aufgeführten Arbeit grundsätzlich ungeeignet sind, einen Rückbau des Treppenlifts fachgerecht durchzuführen.

Im Hinblick auf die voraussichtliche Lebenserwartung des Klägers, der aufgrund seines Alters von 85 Jahren und den Umstand, dass dieser aufgrund seines hohen Alters selbst noch in eine Situation geraten könnte, die die Benutzung des Treppenlift erforderlich macht, ist für die zu erwartende Preissteigerungsrate ein weiterer Sicherheitssaufschlag hinzuzusetzen. Nach den vom Kläger vorgelegten und im Übrigen nicht weiter inhaltlich angegriffenen Sterbetafeln ist noch von einer Lebenserwartung des Klägers von weiteren 5,47 Jahren auszugehen. Bei einer angenommenen Preissteigerungsrate von 2 % pro Kalenderjahr, was nach der Einschätzung des Gerichts realistisch ist, führt dies aus heutiger Sicht zu einem Aufschlag von weiteren 11 %, mithin 352 €.

Zu Recht haben die Beklagten darauf hingewiesen, dass sie eigentumsrechtlich nicht ohne weiteres befugt wären, im Falle einer Demontage des Lifts in eigener Regie diesen sofort zu entsorgen und sich hingegen in der Pflicht sehen könnten, dessen Einzelteile zunächst einzulagern, bis die Entsorgungsfrage geklärt ist. Dies führt dazu, dass ein gemäß § 287 ZPO zu bestimmender weiterer Aufschlag für die Einlagerungskosten i. H. v. 500 € hinzuzusetzen ist.

Rein rechnerisch ergibt sich damit ein Gesamtbedarf zur Absicherung der Rückbaukosten 4.057 €. Im Hinblick darauf, dass sich gegebenenfalls noch geringfügige Beschädigungen im Zusammenhang mit der Demontage einstellen könnten und zur Berücksichtigung des Sicherungsinteresses der Beklagten ergibt sich damit ein Sicherungsbedarf der Beklagten, der jedenfalls 4.500 € nicht übersteigt.

Dies hat wiederum zur Folge, dass der momentan vorhandene Betrag der Sicherheitsleistung von 10.000 € den Sicherungsbedarf um mehr als das Doppelte übersteigt und damit eine Übersicherung vorliegt.

Schließlich muss sich der Kläger auch nicht daran festhalten lassen, dass er sich bei der Beschlussfassung im Jahre 2011 auf die Sicherheitsleistung i. H. v. 10.000 € eingelassen hatte. Denn nach den vorstehenden Erwägungen ergibt sich eine sittenwidrige Übersicherung, so dass nach dem Rechtsgedanken des § 138 BGB (Nichtigkeit des sittenwidrigen Rechtsgeschäfts) der Kläger daran nicht festzuhalten ist.

Vor diesem Hintergrund war die Versagung der Herabsetzung der Sicherheitsleistung nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechend. In der Konsequenz kann damit der Kläger eine gerichtliche Entscheidung nach billigem Ermessen gemäß § 21 Abs. 8 WEG verlangen. Aus den vorstehenden Erwägungen heraus ergibt sich zwanglos, dass eine entsprechende Herabsetzung der Sicherheitsleistung auf den Betrag von 4.500 € angemessen und angezeigt ist.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 7.000,00 € festgesetzt.

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