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Mietminderung wegen Schimmelpilzbefalls

AG Bremen, Az.: 9 C 447/13, Urteil vom 16.06.2015

Die Beklagte wird verurteilt, in der Wohnung K…., 1. Etage rechts, folgende Mängel und deren Ursachen fachgerecht zu beseitigen:

Starke Schimmel- und Spakerscheinungen in der Küche an Wand und Decke, sowie am Fenstersturz und an der gesamten Außenwand;

Starke Schimmelerscheinungen im Badezimmer an der Decke über der Dusche;

Starke Schimmelerscheinungen an der Türleibung der Balkontür im Wohnzimmer in erheblicher Ausbreitung.

Es wird festgestellt, dass der Kläger berechtigt ist, betreffend die oben genannten Mängel die monatliche Miete in Höhe von EUR 338,01 um 30 %, mithin EUR 101,40 zu mindern und in Höhe von EUR 236,61 von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch zu machen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 4.500,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger macht Mangelbeseitigung und Feststellung der Mietzinsminderung geltend.

Mietminderung wegen Schimmelpilzbefalls
Symbolfoto: Von Andrey_Popov /Shutterstock.com

Mit Vertrag vom 09.08.2007 mietete der Kläger die im Tenor bezeichnete Wohnung von der Beklagten. Als Grundmiete wurden seinerzeit 187,01 €/Monat zuzüglich Betriebskostenvorauszahlungen in Höhe von insgesamt 103,00 €/Monat vereinbart. Derzeitig beträgt die monatliche  Gesamtmiete 338,01 €.

Im Herbst 2012 rügte der Beklagte Schimmelpilzbildungen in der Mietwohnung. Am 15.11.2012 begutachtete ein von der Beklagten beauftragter Sachverständiger die Wohnung des Klägers; das Privatgutachten vom 20.11.2012 (Bl. 72 ff. d.A.) kam zu dem Ergebnis, dass die Schimmelpilzbildung auf ein unzureichendes Heiz- und Lüftungsverhalten des Klägers zurück zu führen sei.

Daraufhin unterließ die Beklagte die Vornahme von Sanierungsmaßnahmen.

Mit Anwaltsschreiben vom 28.05.2013 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er die Miete wegen Schimmelpilzbildung um 30 % mindern werde; gleichzeitig wurde die Beklagte zur Mangelbeseitigung aufgefordert.

Der Kläger trägt vor, dass die übermäßige Feuchtigkeit in der Wohnung auf bauseitige Umstände zurück zu führen sei. Die Wohnung, in der ein unerträglicher Schimmelgeruch bestünde, könne nur noch sehr eingeschränkt genutzt werden.

Der Kläger beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, in der Wohnung K…, 1. Etage rechts, folgende Mängel und deren Ursachen fachgerecht zu beseitigen:

– Starke Schimmel- und Spakerscheinungen in der Küche an Wand und Decke, sowie am Fenstersturz und an der gesamten Außenwand

– Starke Schimmelerscheinungen im Badezimmer an der Decke über der Dusche

– Starke Schimmelerscheinungen an der Türleibung der Balkontür im Wohnzimmer in erheblicher Ausbreitung.

2. Es wird festgestellt, dass der Kläger berechtigt ist, betreffend die oben genannten Mängel die monatliche Miete in Höhe von EUR 338,01 um 30 %, mithin EUR 101,40 zu mindern und in Höhe von EUR 236,61 von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch zu machen.

Die Beklagte beantragt: Die Klage wird abgewiesen.

Sie behauptet unter Bezugnahme auf das Privatgutachten, dass die Feuchtigkeits- und Schimmelpilzbildung durch unzureichendes Heizen und Lüften des Mieters und zu dicht an die Wände gestellte Möbel (Kommode im Schlafzimmer) verursacht worden sei.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens und Anhörung des Gutachters. Auf den Inhalt des Gutachtens Dr. N… vom 15.12.2015 (Bl. 139 ff. d.A.) und den Inhalt des Terminprotokolls vom 07.05.2015 (Bl. 185 ff. d.A.) wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Leistungsklage ist begründet.

Es besteht gemäß §§ 535I 2 Alt. 2, 536 BGB ein Anspruch des Klägers auf Mangelbeseitigung.

Ein Mangel im Sinne des § 536 BGB liegt vor. Denn die Wohnung ist unstreitig mit Schimmelpilzen befallen. Die mit Schriftsatz vom 26.09.2013 zur Akte gereichten Lichtbilder dokumentieren, dass der Schimmelpilzbefall nicht nur unerheblich ist (vgl. Bl. 11-22 d.A.).

Hinsichtlich der Behauptung der Beklagten, dass das Mieterverhalten für die Mängel ursächlich gewesen sei, ist die Beklagte beweispflichtig (Palandt, 73. A., § 536, Rn. 5 m.w.N.).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht nicht zu der Überzeugung gelangt, dass ein unzureichendes Heiz- und Lüftungsverhalten für den Schimmelpilzbefall alleinursächlich war. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die erhöhte Feuchtigkeit in der Wohnung – zumindest überwiegend – auf bauseitige Ursachen zurückzuführen ist:

Insbesondere führte der Gutachter aus, dass der Anpressdruck der Fenster im Schlafzimmer aufgrund mangelnder Wartung nicht ausreichend justiert worden sei; die äußeren Anschlussfugen seien nicht mehr schlagregendicht und einige Dichtungen seien verschlissen; hierdurch dringe von außen Feuchtigkeit in die Räume ein. Auch im Wohnzimmer sei die Türanlage unzureichend gewartet; die Dichtungen seien teilweise locker und verschlissen bzw. nicht fest sitzend; außenseitig seien die Fensteranschlussfugen versprödet, rissig und wasserdurchlässig. Dies trage wesentlich zur Feuchteerhöhung des Innenraums bei. In der Küche befände sich der Heizkörper an einer Innenwand und erzeuge so eine negative Konvektion mit kalter Fallluft am Fenster. Im innen liegenden Badezimmer befinde sich kein Elektrolüfter. Der Abluftschacht sei technisch veraltet. Die alte Fliesenabdichtung sei wahrscheinlich nicht mehr funktionsfähig, sondern nach 25 Jahren grundsätzlich sanierungsbedürftig; hierauf deute auch der Schimmel in den Mörtelfugen der Wandfliesen hin. Außerdem sei der Fliesenspiegel zu niedrig.

Im Termin führte der Gutachter aus, dass man in der streitgegenständlichen Wohnung mehr heizen und lüften müsse, um die Defizite der geringen Wandstärke auszugleichen. Ein Baumangel der unter Bestandsschutz stehenden Wand liege zwar nicht vor, wohl aber eine baubedingte Ursache für die hohe Schimmelanfälligkeit. Bei Außentemperaturen von -3 bis -5 Grad müsse die Temperatur in der Wohnung wegen der manifesten baulichen Defizite auf mindestens 23 Grad gebracht werden, um eine Kondensatbildung an den Wärmebrücken zu verhindern.

Zwar ließ sich der Gutachter auch dahingehend ein, dass es Indizien dafür gebe, dass die Räume zu wenig gelüftet und geheizt worden seien.

Die Beklagte trug aber nicht hinreichend substantiiert vor, dass der Kläger unzureichend geheizt habe, insbesondere, dass nach Abrechnung über die Betriebsnebenkosten 2012 und 2013 ein (nicht unerhebliches) Guthaben berechnet worden sei. Vielmehr ergibt sich aus der innerhalb der Nachlassfrist mit Klägerschriftsatz vom 22.05.2015 zur Akte gereichten Abrechnung vom 04.08.2014 (Bl. 192 d.A.), dass der Kläger zumindest ab dem 01.01.2013 überdurchschnittlich heizte. Denn für das Betriebsjahr 2013 wurde ein Nachzahlungsbetrag in Höhe von 185,76 € beziffert. Im Übrigen war der Kläger nicht verpflichtet, seine Wohnung über 18 Grad zu beheizen, um Schimmelbefall zu vermeiden (vgl. LG Bonn, WuM 2012, 198). Ein regelmäßiges Stoßlüften von mehr als 1-2 mal am Tag wird nicht ohne Weiteres vom Mieter geschuldet; auch darf der Mieter seine Möbel grundsätzlich bis an die Wand heran stellen (vgl. LG Münster, WuM 2011, 359). Denn der Mieter hat durch überobligatorische Maßnahmen nicht dafür Sorge zu tragen, dass sich in einer bauphysikalisch gefährdeten Wohnung zukünftig keine Mängel bilden. Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass durch den nachträglichen Einbau von Isolierglasfenstern in einen Altbau die Schimmelpilzanfälligkeit gesteigert wurde, zumal die Außenwände nur 24cm dick sind. Dass die Parteien besondere und überobligatorische Obhutspflichten des Klägers ausdrücklich vereinbart hätten, wurde von der Beklagten nicht vorgetragen und ist dem Mietvertrag (Bl. 5-10 d.A.) nicht zu entnehmen. Allein die Überlassung einer Broschüre zum optimalen Lüften begründet noch keine vertragliche Verpflichtung/Obliegenheit. Außerdem steht der Vortrag des Beklagten zu einer „Dauerkipplüftung“ (Bl. 71 d.A.) in einem gewissen Widerspruch zu einem unzureichenden Lüftungsverhalten.

Im Übrigen vermochte der Gutachter im Termin eine Quotierung der Verursachungsbeiträge nicht zu treffen.

Selbst wenn das Verhalten des Klägers für die Schimmelpilzbildung mitursächlich gewesen wäre, ließe dies die Zurechnung des Mangels zum Verantwortungsbereich des Vermieters daher nicht entfallen (vgl. AG Sieburg, ZMR 2005, 543).

Auch die Feststellungsklage ist zulässig und begründet. Dass die Miete vorliegend vom Jobcenter bezahlt wird, lässt das besondere Feststellungsinteresse nicht entfallen (§ 256 ZPO). Angesichts der zur Akte gereichten und im Rahmen der Begutachtung gefertigten Lichtbilder ( Bl. 116 ff. d.A.) erachtet das Gericht eine Minderungsquote von 30 % für angemessen (§ 536 I BGB). Da der etwaige Mitverursachungsbeitrag des Klägers jedenfalls nicht bezifferbar ist, kommt eine Reduzierung des Minderungswerts nicht in Betracht. Hinsichtlich der in Höhe von 70 % des vereinbarten Mietzinses geschuldeten Miete steht dem Kläger gemäß § 320 BGB bis zum Zeitpunkt der Mangelbeseitigung ein Zurückbehaltungsrecht zu (vgl. Palandt, 73. A., § 536, Rn. 6). Das Gericht weist darauf hin, dass der Kläger sozialrechtlich verpflichtet sein dürfte, das Jobcenter auf die reduzierte Mietzinsverpflichtung hinzuweisen; der Kläger dürfte nicht berechtigt sein, den Differenzbetrag zwischen den geschuldeten und vom Jobcenter angewiesenen Mieten für sich zu verwenden.

Gemäß § 709 S. 1 ZPO war eine Sicherheitsleistung in Höhe von – geschätzt –  4.500,00 € zu bestimmen; mangels Vortrags zu den Kosten der Mangelbeseitigung ist im Zweifel auf den Wert der Jahresmiete abzustellen (vgl. 41 GKG). Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

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