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Gewerberaummietvertrag – Indexierungsklausel Mieterhöhungsverlangen

LG Arnsberg – Az.: 8 O 101/16 – Urteil vom 22.12.2016

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.164,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.08.2016 zu zahlen. Die Zinsmehrklage wird abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Zahlungsansprüche aus einem zwischen den Parteien abgeschlossenen Mietvertrag über Gewerberäume geltend.

Die Klägerin ist Eigentümerin eines mit einer Pflegeeinrichtung bebauten Grundstücks in C, die Beklagte betreibt auf diesem Grundstück eine Pflegeeinrichtung. Klägerin und Beklagte schlossen am 27.06.2005 einen Mietvertrag über Gewerberäume ab, wegen dessen gesamten Inhalts auf Anlage K 1 zur Klageschrift Bezug genommen wird. § 5 Abs. 1 dieses Vertrages hat unter der Überschrift „Mietzins, Fälligkeit“ folgenden Inhalt:

„Der Mietzins beträgt monatlich 17.000,00 EUR, jährlich 204.000,00 EUR. Sollte die vereinbarte Miethöhe den Höchstwert der Bestimmungen des PfG NRW überschreiten, so bemisst sich die Pacht nach diesem Höchstwert. Dies ist durch geeigneten Nachweis zu dokumentieren.“

§ 6 Abs. 1 dieses Mietvertrages hat unter der Überschrift „Wertsicherung“ folgenden Inhalt:

„Die in vorst. § 5 Abs. 1 vereinbarte Miete wird dadurch wertgesichert, dass sie an die Entwicklung des vom Statischen Bundesamt festgestellten Verbraucherpreisindex für Deutschland (Basis 2000 = 100) in der Zeit nach Übergabe der Mietsache angepasst wird. Die Anpassung erfolgt alle zwei Jahre. Maßgeblich ist der Index, der für den ersten vollen Monat festgesetzt wird, der auf die Übergabe der Mietsache folgte. Die Anpassung beläuft sich der Höhe nach auf die Hälfte der prozentualen Veränderung des Index.

Die veränderte Miete wird ab dem ersten vollen Kalendermonat geschuldet, der auf den Monat folgt, in die die maßgebliche Indexveränderung eingetreten ist.“

Unter Berücksichtigung dieser Klausel hatte die Beklagte zuletzt eine indexierte monatliche Miete von 17.867,75 EUR, somit eine indexierte Jahresmiete in Höhe von 214.413,00 EUR zu zahlen. Auf Grund der Erhöhung des Verbraucherpreisindexes im Mai 2014 stieg dieser Index von 103,8 % auf 106,8 %, so dass die Beklagte ab dem 01.01.2015 verpflichtet gewesen wäre – wie die Klägerin meint -, eine monatliche Miete von 18.125,95 EUR, somit eine Jahresmiete in Höhe von 217.511,45 EUR zu zahlen, wobei die entsprechende Indexveränderung und die rechnerische Richtigkeit der sich daraus ergebenden Mietzinsberechnung der Klägerin zwischen den Parteien unstreitig ist. Einem entsprechenden Verlangen der Klägerin, das diese mit vorprozessualem Schreiben vom 10.06.2016 unter Fristsetzung von 10 Tagen aussprach, kam die Beklagte jedoch nicht nach; diese zahlte weiterhin lediglich die zuvor gezahlte Monatsmiete in Höhe von 17.867,75 EUR.

Die summierten Differenzbeträge von 258,20 EUR pro Monat ergeben für die Zeit von Januar 2015 bis einschließlich August 2016 einen Betrag in Höhe der Klageforderung.

Dementsprechend beantragt die Klägerin, die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.164,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.08.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte beruft sich auf eine ihrer Ansicht nach fehlende Verpflichtung zur Zahlung des mit der Klage geforderten Betrages. Sie vertritt die Ansicht, das Fehlen einer solchen Verpflichtung ergebe sich aus dem Aspekt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Sie beruft sich zur Begründung dafür darauf, dass seit dem 01.10.2014 in Nordrhein-Westfalen das neue Gesetz zur Entwicklung und Stärkung einer demographiefesten, teilhabeorientierten Infrastruktur und zur Weiterentwicklung und Sicherung der Qualität von Wohn- und Betreuungsangeboten für ältere und pflegebedürftige Menschen sowie für Menschen mit Behinderung und deren Angehörigen (GEPA NRW) nebst der entsprechenden Durchführungsverordnung (APG GVO NRW) in Kraft getreten sei, während zuvor die Verordnung über die gesonderte Berechnung nicht geförderter Investitionsaufwendungen für Pflegeeinrichtungen nach dem Landespflegegesetz als eine Ausführungsverordnung zum Landespflegegesetz die Refinanzierung von Investitionskosten geregelt habe. Infolge dieser gesetzlichen Neuregelung seien negative Änderungen der vorher geltenden Rechtslage im Bereich der Geltendmachung von Ansprüchen auf Erstattung von Investitionskosten, die gegenüber dem Land NRW bzw. den Pflegebedürftigen von Heimbetreibern geltend gemacht werden könnten, eingetreten, weil mit Inkrafttreten der APG DVO NRW wesentliche Berechnungsgrundlagen hinsichtlich der Erstattung von Investitionskosten neu geregelt worden seien. Denn wesentlicher Regelungsinhalt des neuen APG NRW sei, dass eine Pauschalierung der Beträge für Investitionskosten, mithin auch für die Zuschüsse für Miete und Pacht, nicht mehr zulässig sei; vor diesem Hintergrund werde sich die Refinanzierungsstruktur von Pflegeheimen grundlegend verändern, insbesondere sei mit dem Inkrafttreten der APG DVO zum 02.11.2014 die Möglichkeit weggefallen, die im Mietvertrag vereinbarte Wertsicherung über die Investitionskosten refinanzieren zu lassen. Die Beklagte meint vor diesem Hintergrund, sie sei aus dem Aspekt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage lediglich verpflichtet, die vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe anerkannte Miete in Höhe von 17.867,75 EUR monatlich zu zahlen. Wegen der Einzelnen der rechtlichen Argumentation der Beklagten wird insbesondere auf die Ausführungen auf Seite 4 der Klageerwiderungsschrift vom 04.11.2016 (Bl. 11 d. A.) Bezug genommen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat in der Sache – abgesehen von einem geringen Teil der Zinsforderung – Erfolg.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass auf Grund des Abschlusses des Mietvertrages unter Zugrundelegung der in § 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 1 niedergelegten Regelungen der geltend gemachte Zahlungsanspruch zu Gunsten der Klägerin in Höhe von 18.125,95 EUR monatlich für die Zeit ab dem 01.01.2015 entstanden ist (§ 535 Abs. 2 BGB). Mangels Zahlung durch die Beklagte ist dieser Anspruch in Höhe der Klageforderung nicht gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen, er ist auch durchsetzbar.

Streitig ist zwischen den Parteien allein, ob für die Zeit ab dem 01.01.2015 auch die unter Zugrundelegung der Regelung in § 6 Abs. 1 des Mietvertrages indexierte, d. h. auf einen Betrag in Höhe von 18.125,95 EUR monatlich erhöhte Miete zu zahlen ist oder ob die Beklagte unter Zugrundelegung ihrer Argumentation lediglich zur Zahlung eines monatlichen Mietzinses von 17.867,75 EUR verpflichtet ist. Letzteres könnte zu bejahen sein, wenn die Beklagte sich zu Recht auf eine Störung der Geschäftsgrundlage auf Grund der von ihr dargelegten Änderung der Gesetzeslage, wie sie im Jahr 2014 eingetreten ist, beruft; dann könnte sich ein Anpassungsanspruch der Beklagten aus § 313 Abs. 1 BGB ergeben mit der Rechtsfolge, dass die Beklagte nicht zur Zahlung der gemäß § 6 Abs. 1 Mietvertrag indexierten Miete von 18.125,95 EUR, sondern lediglich zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 17.867,75 EUR verpflichtet wäre. Auch unter Zugrundelegung des Vortrages der Beklagten kann eine Störung der Geschäftsgrundlage im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB mit der Folge eines Anpassungsanspruchs im dargelegten Sinne aber nicht festgestellt werden:

Als Geschäftsgrundlage eines Vertrages kann anerkanntermaßen auch die bei Vertragsschluss vorhandene Vorstellung der Parteien in Betracht kommen, dass die bei Vertragsschluss geltende Gesetzeslage während der Dauer der vertraglichen Bindung der Parteien unverändert fortbesteht. Das Vorliegen eines solchen Falles ist vorliegend aber mehr als fraglich: Es ist schon nicht ersichtlich, dass die Fortgeltung der Regelungen der Verordnung über die gesonderte Berechnung nicht geförderter Investitionsaufwendungen für Pflegeeinrichtungen nach dem Landespflegegesetz (als Ausführungsverordnung zum Landespflegegesetz gemäß §§ 9, 82 SGB XI) zur gemeinsamen Grundlage des Geschäftswillens der Parteien bei Abschluss des Mietvertrages vom 27.06.2005 geworden ist. Dabei kann zu Gunsten der Beklagten davon ausgegangen werden, dass das auf ihrer Seite der Fall gewesen ist. Vortrag der Beklagten dazu, dass dieser Geschäftswille bei Abschluss des Mietvertrages vom 27.06.2005 auch bei der Klägerin vorlag, fehlt aber. Das mag vor dem Hintergrund verständlich sein, dass der Beklagten der Geschäftswille der Klägerin, wie er bei Abschluss des Vertrages vorhanden war, im Einzelnen nicht bekannt sein dürfte. Es sind aber auch keinerlei objektive Umstände ersichtlich, die für einen solchen Geschäftswillen der Klägerin sprechen.

Zwar mag es bei weiter Auslegung für die Anwendung des § 313 Abs. 1 BGB ausreichen, dass eine Partei den Geschäftswillen der anderen Partei bei Vertragsabschluss erkannt und nicht klargestellt hat, dass sie einen entsprechenden Geschäftswillen selbst nicht hat. Es sind aber keinerlei Umstände ersichtlich, die dafür sprechen, dass die Klägerin einen solchen Geschäftswillen der Beklagten erkannt hätte. Insbesondere werden die Regelungen der genannten Verordnung über die gesonderte Berechnung nicht geförderter Investitionsaufwendungen für Pflegeeinrichtungen nach dem Landespflegegesetz im Vertrag an keiner Stelle erwähnt. Dies alles spricht dagegen, dass die Fortgeltung der dargestellten, nach dem Vortrag der Beklagten am 27.06.2005 geltenden Gesetzeslage gemeinsamer Wille und damit Geschäftsgrundlage des zwischen den Parteien des Rechtstreits abgeschlossenen Mietvertrages war. Es kommt hinzu, dass im Vertrag ausweislich der Regelung in § 5 Abs. 1 allein das „PfG NRW“ genannt wird. Aufgrund der Bezugnahme in § 6 Abs. 1 auf die Regelung in § 5 Abs. 1 – in der auf die Bestimmungen des PfG NRW Bezug genommen wird – war aber bei Vertragsabschluss klar, dass der Höchstwert der Bestimmungen des PfG NRW durch die in § 6 Abs. 1 des Mietvertrages geregelte Befugnis zur Indexierung des zu zahlenden Mietzinses überschritten werden konnte. Auch dies spricht dafür, dass die Fortgeltung der im Jahr 2005 geltenden Rechtslage nicht Geschäftsgrundlage des zwischen den Parteien abgeschlossenen Mietvertrages sein sollte.

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass eine Störung der Geschäftsgrundlage dann zu verneinen ist, wenn der Vertrag schon Regelungen für den Fall des Wegfalls, der Änderung oder des Fehlens bestimmter Umstände enthält (vgl. dazu Palandt/Grüne- berg, BGB, 75. Aufl., § 313 Rdnr. 10 m. w. N.). Eine solche Regelung kann in § 5 Abs. 1 S. 2 des Mietvertrages gesehen werden, wonach sich dann, wenn der Höchst- wert der Bestimmungen des PfG NRW überschritten werden sollte, die Pacht nach diesem Höchstwert bemessen sollte, allerdings unter Berücksichtigung der Indexierungsklausel in § 6 Abs. 1 des Mietvertrages. Auch dieser Umstand spricht dagegen, dass zugunsten der Beklagten ein Anspruch auf Anpassung des zu zahlenden Mietzinses aus dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB entstanden sein könnte.

Als Ergebnis ist festzuhalten, dass die Klägerin zu Recht für die Zeit ab dem 01.01.2015 einen monatlichen Mietzins in Höhe von 18.125,95 EUR fordert, so dass die Klage in vollem Umfang begründet ist.

Der Zinsanspruch folgt vor dem Hintergrund der erfolglos gebliebenen Mahnungen der Klägerin, wegen deren Inhalts auf die als Anlagen K 4 und K 6 zur Klageschrift zur Akte gereichten vorprozessualen Schreiben der jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 13.07. und vom 11.08.2016 Bezug genommen wird, aus den §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 2 BGB, nachdem es sich bei den von der Beklagten zu zahlenden Mietzinsen um „Entgeltforderungen“ im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB handelt. Allerdings verlangt die Klägerin zu Unrecht unter Berufung auf die durch Neuregelung gemäß Gesetz vom 22.07.2014 (BGBl. I 1218) festgelegte Zinshöhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz diesen Zinssatz. Das ergibt sich aus der Übergangsregelung gemäß Art. 229 § 34 EGBGB. Demnach kann auf die zuerkannte Hauptforderung nur eine Verzinsung zu einem Zinssatz von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz verlangt werden, während die Zinsmehrklage der Abweisung als unbegründet unterliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

 

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