Skip to content
Menü

Gewerberaummietvertrag – welche Pflichtverletzung ist ein Kündigungsgrund?

Stromstreit im Gewerbeobjekt: Das OLG Dresden spricht Recht

Eine klärende Entscheidung wurde kürzlich vom Oberlandesgericht Dresden in einem komplexen Mietrechtsstreit getroffen. Es ging um eine Gewerbeimmobilie in Leipzig und den Konflikt zwischen einem Mieter, der ein Fleischereifachgeschäft betrieb, und seinem Vermieter. Kern des Streits war die Elektroanlage des Objekts.

Zu Beginn des Mietverhältnisses im April 2017 bemerkte der Mieter, dass die vorhandene Elektroanlage für seinen Betrieb unzureichend war. Er forderte den Vermieter auf, die notwendigen Instandsetzungsarbeiten durchzuführen. Der Vermieter hingegen bestand darauf, dass keine Mängel an der Anlage vorlagen, und lehnte die Durchführung von Arbeiten ab.

Daraufhin beauftragte der Mieter selbst ein Unternehmen mit den seiner Meinung nach notwendigen Installationsmaßnahmen. Später wurde dieser Vorfall zum zentralen Punkt des Streits, als beide Parteien den jeweils anderen auf Zahlung verschiedener Kosten aus diesem Mietverhältnis verklagten.

Direkt zum Urteil Az: 5 U 1239/22 springen.

Mietvertrag und Beginn des Streits

Der Mietvertrag für das Ladengeschäft, das Büro, das Lager, eine kleine Imbissstube und eine überdachte Freifläche wurde im Februar 2017 geschlossen. Der Mieter begann sein Geschäft im April desselben Jahres. Bald darauf stellte er fest, dass die Elektroanlage nicht den Anforderungen seines Geschäfts genügte und forderte den Vermieter zur Instandsetzung auf.

Ablehnung der Instandsetzung und eigenmächtige Handlungen des Mieters

Der Vermieter wies die Forderungen des Mieters jedoch zurück. Er argumentierte, die Elektroanlage sei in einem guten Zustand und es bestünden keine Mängel, die eine Instandsetzung erforderlich machten. Da keine Einigung erzielt werden konnte, entschied sich der Mieter, die notwendigen Arbeiten auf eigene Kosten durchführen zu lassen.

Gerichtliche Auseinandersetzung und Urteil

Die Parteien gingen schließlich vor Gericht, wobei beide Geldbeträge vom jeweils anderen forderten. Das Oberlandesgericht Dresden traf schließlich eine Entscheidung. Es wurde entschieden, dass beide Parteien jeweils einen Teil der Kosten des anderen übernehmen sollten. Der Kläger, also der Vermieter, wurde dazu verurteilt, dem Beklagten (Mieter) 421,20 EUR zu zahlen, während der Beklagte dem Kläger 1.677,90 EUR schulden sollte. Bei den Kosten des Rechtsstreits trug der Kläger den Löwenanteil in beiden Instanzen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass dieser Fall ein klares Beispiel dafür ist, wie komplex und streitanfällig Mietverhältnisse sein können, insbesondere wenn es um Fragen der Instandhaltung und der Verantwortlichkeiten geht. Es unterstreicht die Bedeutung klarer Vereinbarungen und Kommunikation zwischen Vermietern und Mietern, um solche teuren und zeitaufwändigen Streitigkeiten zu vermeiden.


Das vorliegende Urteil

OLG Dresden – Az.: 5 U 1239/22 – Urteil vom 25.01.2023

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig vom 27.05.2022 (05 O 2434/20) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.677,90 EUR nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.04.2020 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an den Beklagten 421,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.05.2020 zu zahlen. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen der Kläger 82% und der Beklagte 18%, von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 87% und der Beklagte 13%.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beide Parteien können die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Gewerberaum: Pflichtverletzung als Kündigungsgrund
Das Oberlandesgericht Dresden hat in einem Mietstreit um eine Gewerbeimmobilie entschieden. Im Kern ging es um Uneinigkeiten bezüglich der Instandhaltung der Elektroanlage. (Symbolfoto: Faizal Ramli/Shutterstock.com)

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung auf rückständiger Miete aus einem inzwischen beendeten Mietverhältnis über Gewerberäume auf dem Grundstück H…-Straße 00 in L… in Anspruch, während der Beklagte mit der Widerklage die Erstattung von Ersatzvornahmekosten und die Zahlung von Schadensersatz begehrt.

Die Parteien schlossen am 09.02.2017 einen Mietvertrag (Anlage K 1) über das Ladengeschäft, das Büro, das Lager, die kleine Imbissstube und die überdachte Freifläche auf dem streitgegenständlichen Grundstück zum Betrieb eines Fleischereifachgeschäftes. Der Vertrag wurde für eine Mietzeit von 5 Jahren, beginnend ab dem 01.04.2017 mit Option auf die Verlängerung um weitere 5 Jahre zu einer Gesamtmiete von monatlich 1.865,92 EUR geschlossen, die sich aus der Grundmiete von 1.200,00 EUR, den Vorauszahlungen auf die Betriebskosten von 368,00 EUR und der Umsatzsteuer zusammensetzte.

Der Beklagte nahm die Räume am 31.03.2017 in Besitz und installierte die von ihm für seinen Betrieb benutzten Geräte durch die Fa. … Er kam zu dem Ergebnis, der Leistungsumfang der im Objekt befindlichen Elektroanlage genüge nicht den Erfordernissen des Betriebs eines Fleischereifachgeschäftes. Er forderte deshalb den Kläger mit dem Schreiben vom 29.05.2017 (Anlage B 1) auf, die Elektroanlage bis zum 12.06.2017 im notwendigen Umfange instandzusetzen. Der Kläger wies diese Forderung mit Anwaltsschreiben vom 08.06.2017 (Anlage B 2) unter Hinweis darauf zurück, die Elektroanlage des Mietobjektes sei nicht mangelbehaftet, so dass dem Beklagten keinerlei Ansprüche auf Durchführung und Vornahme irgendwelcher Arbeiten zur Instandsetzung der Anlage zustünden. Eine weitere Aufforderung durch den Beklagten mit Schreiben vom 16.06.2017 zur Herstellung eines vertragsgemäßen Zustandes der Mietsache in Bezug auf die Elektroanlage mit Frist bis zum 23.06.2017 wies der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 26.06.2017 zurück.

Der Beklagte ließ im Mai 2018 die aus seiner Sicht erforderlichen Installationsmaßnahmen an der Elektroanlage durch die Fa. Zils Elektroinstallation aus Leipzig durchführen, wofür diese ihm einen Gesamtbetrag i.H.v. 2.606,90 EUR brutto mit ihrer Rechnung vom 09.05.2018 (Anlage B 11) berechnete. Mit Rechtsanwaltsschreiben vom 27.06.2018 (Anlage B 3) forderte der Beklagte den Kläger erfolglos auf, diesen Zahlungsbetrag bis zum 13.07.2018 zu erstatten.

Mit der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2017 vom 18.12.2018 (Anlage K 4), die ein Guthaben zugunsten des Beklagten ergab, übersandte der Kläger dem Beklagten den „1. Nachtrag zum Mietvertrag vom 09.02.2017“, nach welchem ab dem 01.01.2019 unter Beibehaltung der Höhe der Grundmiete die monatliche Vorauszahlung auf die Betriebskosten von 368,00 EUR netto auf 210,00 EUR netto abgesenkt wurde, woraus sich eine monatliche Gesamtmiete von 1.677,90 EUR errechnete. Die Parteien vereinbarten den „1. Nachtrag zum Mietvertrag vom 09.02.2017“, unterschrieben aber den schriftlichen Text der Vereinbarung (Anlage K 2) jeweils nicht.

Der Beklagte gewann den Eindruck, dass der Stromverbrauch der Klimaanlage des Tattoo-Studios „G… T…“ im Hinterhaus des Gebäudes auf dem streitgegenständlichen Grundstück über den Stromanschluss des Beklagten lief und demzufolge diesem vom Stromversorgungsunternehmen in Rechnung gestellt wurde. Er bat mit den WhatsApp-Nachrichten vom 01.08. und 14.11.2019 (Anlage B 4), welche vom Kläger jeweils nicht beantwortet wurden, um einen Termin zur Klärung der Angelegenheit.

Mit E-Mail vom 28.03.2020 (Anlage B 5) bat der Beklagte den Kläger um Beendigung der Nutzung seines Stromzählers durch das Tattoo-Studio innerhalb der nächsten 14 Tage und um Benennung von drei möglichen Terminen für eine gemeinsame Begutachtung vor Ort. Der Kläger reagierte mit Rechtsanwaltsschreiben vom 07.04.2020 (Anlage B 6), in dem er erklärte, der Energieverbrauch des Mitmieters, des Tattoo-Studios, laufe keineswegs über den Stromzähler des Beklagten. Im Sinne einer endgültigen Klärung biete der Kläger dem Beklagten an, die Mietsache und die dort vorhandene Elektroinstallation durch einen Fachmann in einer gemeinsamen Begehung prüfen und durchsehen zu lassen, wobei ein entsprechender Termin nach Lockerung der aktuellen infektionsschutzrechtlichen Beschränkungen zur Eindämmung der Corona-Epidemie vereinbart werden könne, wofür sich der Kläger mit Terminsvorschlägen melden werde.

Der Beklagte kündigte daraufhin mit seinem Schreiben vom 14.04.2020 (Anlage K 3) das Mietverhältnis zwischen den Parteien zum 30.04.2020, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Er fühle sich durch das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit der Nutzung des Stromzählers des Beklagten durch das Tattoo-Studio vom Kläger arglistig getäuscht.

Der Beklagte beauftragte die S… GmbH aus L… (im Folgenden S… GmbH) mit der Zustandsermittlung in Bezug auf die elektrotechnische Anlage des Mietobjektes. Aufgrund einer Begehung vom 28.04.2020 erstellte die S… GmbH am 04.05.2020 ein schriftliches Gutachten (Anlage B 7), welches der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 14.05.2020 zur Verfügung stellte. Im Gutachten vom 04.05.2020 kam die S… GmbH zu dem Ergebnis, dass die Stromversorgung für die Klimaanlage des Tattoo-Studios über den Stromzähler des Beklagten läuft und sich als Ergebnis einer Kalkulation ergebe, dass die vom Beklagten über drei Jahre Mietzeitraum zu Unrecht getragenen Kosten für die Klimaanlage des Tattoo-Studios sich auf 1.684,80 EUR belaufen. Der Beklagte forderte daraufhin den Kläger auf, ihm bis zum 29.05.2020 den Betrag von 1.684,80 EUR zu erstatten.

Ab dem Monat April 2020 zahlte der Beklagte keine Miete mehr an den Kläger.

Der Kläger hat mit seiner Klage vom 20.10.2020 die Zahlung rückständiger (Gesamt-)Miete i.H.v. 11.745,30 EUR für die Monate April bis Oktober 2020 sowie die Feststellung begehrt, dass der Mietvertrag der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 14.04.2020 nicht beendet worden sei und unverändert fortbestehe.

Er hat vorgetragen, der bis zum 31.03.2022 befristete Mietvertrag sei nicht durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 14.04.2020 (vorzeitig) beendet worden, weil kein Grund für eine außerordentliche Kündigung des Beklagten bestanden habe. Die fehlerhafte Zuordnung der Stromversorgung für die Klimaanlage des Tattoo-Studios zum Stromzähler des Beklagten werde bestritten. Falls es eine solche fehlerhafte Zuordnung gebe, sei unklar, ob diese durch die vom Beklagten im Mai 2018 durchgeführte Ersatzvornahme herbeigeführt worden sei. Die Berechnung der angeblichen Mehrkosten des Beklagten i.H.v. 1.684,80 EUR sei unsubstantiiert in einem Privatgutachten enthalten. Einen Anspruch auf Erstattung der Ersatzvornahmekosten i.H.v. 2.606,90 EUR habe der Beklagte nicht, weil die Elektroanlage des streitgegenständlichen Objektes keinen Mangel aufgewiesen habe. Demzufolge sei die Widerklage des Beklagten unbegründet.

Beklagte hat vorgetragen, ein Anspruch auf Zahlung rückständiger Miete bestehe nicht, weil das Mietverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 14.04.2020 mit Wirkung ab dem 30.04.2020 beendet worden sei. Der Beklagte sei zur außerordentlichen Kündigung berechtigt gewesen, weil das Vertrauensverhältnis der Parteien dadurch zerstört worden sei, dass sich der Beklagte seit dem Beginn des Mietverhältnisses im Jahre 2017 beharrlich geweigert habe, ein vertragsgemäßes Mietobjekt zur Verfügung zu stellen. Dies betreffe sowohl den unzureichenden Leistungsumfang der Elektroanlage des Mietobjektes als auch den Umstand, dass über den Stromzähler des Beklagten der Stromverbrauch eines Dritten, nämlich des Tattoo-Studios im Hinterhaus, gelaufen sei. Der Kläger habe sich jeweils beharrlich geweigert, dem Abhilfeverlangen des Beklagten Folge zu leisten. Eine Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum 31.03.2022 sei dem Beklagten deshalb nicht zumutbar gewesen.

Mit der Widerklage hat der Beklagte die Erstattung der Ersatzvornahmekosten i.H.v. 2.606,90 EUR und der geschätzten Kosten für den Stromverbrauch des Tattoo-Studios i.H.v. 1.684,80 EUR durch den Kläger begehrt. Der Anspruch auf Erstattung der Ersatzvornahmekosten bestehe, weil der Beklagte mit der Ersatzvornahme einem Mangel des Mietobjektes abgeholfen habe. Der Beklagte könne auch die Erstattung der geschätzten Kosten für den Strombezug des Tattoo-Studios verlangen, weil dieser auf die Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht durch den Kläger zurückginge.

Wegen des Sachvortrags im Übrigen und der in der I. Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Bezug genommen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben zur elektrotechnischen Anlage im Mietobjekt durch die uneidliche Vernehmung der Zeugen K… K…, R… M… und K… P… Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 03.05.2022 Bezug genommen.

Mit dem Urteil vom 27.05.2022 hat das Landgericht den Beklagten verurteilt, an den Kläger 1.677,90 EUR nebst Zinsen zu bezahlen, die weitergehende Klage abgewiesen, den Kläger verurteilt, auf die Widerklage an den Beklagten 2.606,90 EUR nebst Zinsen sowie 1.684,80 EUR nebst Zinsen zu bezahlen und die weitergehende Widerklage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger könne die Zahlung rückständiger Miete nur in Bezug auf den Monat April 2020 verlangen, weil das Mietverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 14.04.2020 mit Wirkung zum 30.04.2020 beendet worden sei. Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung für den Beklagten habe vorgelegen. Der Kläger habe trotz Kenntnis des Umstandes, dass der Stromverbrauch des Tattoo-Studios über den Stromzähler des Beklagten abgerechnet werde, dieses geleugnet und dem Beklagten damit einen Schaden in Höhe der Stromkosten des Tattoo-Studios beigefügt. Ab dem Monat Mai 2020 könne der Kläger demzufolge keine Miete vom Beklagten mehr verlangen, so dass die weitergehende Zahlungsklage und der Feststellungsantrag unbegründet seien.

Die Widerklage sei weitergehend begründet, weil der Beklagte die Erstattung der Ersatzvornahmekosten i.H.v. 2.606,90 EUR verlangen könne. Infolge des zu geringen Leistungsumfanges der Elektroanlage sei das Mietobjekt mit einem Mangel behaftet gewesen, dem der Beklagte mit der Ersatzvornahme abgeholfen habe. Zudem könne der Beklagte die Erstattung der geschätzten Kosten des Stromverbrauches des Tattoo-Studios vom Kläger verlangen, weil der Kläger schuldhaft eine vertragliche Pflicht gegenüber dem Beklagten verletzt habe. Den Schadensumfang könne das Gericht auf der Grundlage des Gutachtens der S… GmbH vom 04.05.2020 gemäß § 287 ZPO schätzen.

Gegen das ihm am 31.05.2022 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29.06.2022 Berufung eingelegt und diese – nach entsprechender Fristverlängerung – am 01.09.2022 begründet.

Er trägt vor, das fehlerhafte Urteil des Landgerichts beruhe auf unzutreffenden Tatsachenfeststellungen und auf fehlerhafter Rechtsanwendung. Zu Unrecht habe das Landgericht seine Überzeugung vom Bestehen eines wichtigen Grundes zur außerordentlichen Kündigung des Mietvertrages für den Beklagten darauf gestützt, dass der Stromverbrauch des Tattoo-Studios über den Stromzähler des Beklagten gelaufen sei. Das Landgericht sei dabei zu Unrecht dem Einwand des Klägers nicht nachgegangen, die Elektroarbeiten des Beklagten aus den Jahren 2017 und 2018 könnten Ursache für die fehlerhafte Stromerfassung gewesen sein. Zudem lägen selbst dann, wenn man die vom Landgericht getroffenen Feststellungen als zutreffend unterstellte, die Voraussetzungen für die Annahme eines wichtigen Grundes zur außerordentlichen Kündigung des Mietvertrages nicht vor, weil es zum einen an der Erheblichkeit der Pflichtverletzung von Seiten des Klägers fehle und zum anderen es dem Beklagten im Ergebnis einer Abwägung der beiderseitigen Interessen zumutbar gewesen sei, das Mietverhältnis noch bis zum Ende März 2022 fortzusetzen. So sei zum einen zu berücksichtigen, dass der Kläger noch im Schreiben vom 07.04.2020 eine Untersuchung der Elektroanlage angeboten habe und dass der Beklagte das Mietobjekt bereits im Jahre 2018 vorzeitig geräumt habe.

Das Landgericht habe dem Beklagten zu Unrecht auf die Widerklage die Erstattung des Betrages i.H.v. 2.606,90 EUR zuerkannt, weil das Landgericht zu Unrecht zu der Auffassung gelangt sei, es habe in Bezug auf die elektrotechnische Anlage des Mietobjektes ein Mangel i.S.v. § 536 BGBvorgelegen. Ein solcher Mangel bestehe aber nicht, weil die Elektroanlage des Mietobjektes nicht unterdimensioniert gewesen sei. Die angebliche Unterdimensionierung der Elektroanlage des Mietobjektes habe auch von den vom Landgericht vernommenen Zeugen K… und M… nicht bestätigt werden können.

Auch den Betrag von 1.684,80 EUR habe das Landgericht zu Unrecht dem Beklagten zugesprochen. Unabhängig davon, dass die fehlerhafte Erfassung des Stromverbrauches des Tattoo-Studios über den Stromzähler des Beklagten nicht nachgewiesen worden sei, habe das Parteigutachten der S… GmbH vom 04.05.2020 dem Landgericht keine hinreichende Grundlage für eine Schätzung nach § 287 ZPO geliefert.

Nachdem der im erstinstanzlichen Verfahren gestellte Feststellungsantrag, wonach der Mietvertrag bis zum 31.03.2022 fortbestehe, aufgrund Zeitablaufes nicht (mehr) zulässig sei, sei die Umstellung auf einen Zahlungsantrag erforderlich und auch im Berufungsverfahren möglich. Der Kläger begehre deshalb im Berufungsverfahren mit dem Zahlungsantrag die Zahlung der rückständigen Miete nicht nur für den vom Landgericht nicht zugesprochenen Zeitraum von Mai bis Oktober 2020, sondern auch für den restlichen Zeitraum der Befristung des Mietverhältnisses von November 2020 bis März 2022.

Der Kläger beantragt,

1.das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 27.05.2022 zum Az. 05 O 2434/20 insoweit abzuändern, dass der Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 40.269,60 EUR nebst Zinsen i.H.v. 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 1.677,90 EUR seit dem 04.04.2020, dem 06.05.2020, dem 05.06.2020, dem 04.07.2020, dem 05.08.2020, dem 04.09.2020, dem 06.10.2020, dem 05.11.2020, dem 04.12.2020, dem 07.01.2021, dem 04.02.2021, dem 04.03.2021, dem 08.04.2021, dem 06.09.2021, dem 06.10.2021, dem 04.11.2021, dem 06.12.2021, dem 06.01.2022, dem 04.02.2022 und dem 04.03.2022 zu zahlen,

2.den Beklagten weiter zu verurteilen, an den Kläger weitere 805,20 EUR nebst Zinsen i.H.v. 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, und

3.die Widerklage abzuweisen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil des Landgerichts mit der darin enthaltenen Begründung. Es habe eine Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses der Parteien vorgelegen, welche sich als wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses zugunsten des Beklagten darstelle. Der Kläger sei zu einer gemeinschaftlichen Klärung nicht bereit gewesen, und das Landgericht habe seiner Entscheidung eine zutreffende Interessenabwägung zugrunde gelegt.

Jedenfalls aber sei das Mietverhältnis durch die im Schreiben des Beklagten vom 14.04.2020 hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung wirksam spätestens zum 31.12.2020 gekündigt worden. Die ursprüngliche Befristung des Mietvertrages bis zum 31.03.2022 sei durch den Verstoß gegen das Schriftformerfordernis des § 550 BGB entfallen, der darin liege, dass die Parteien mit dem „1. Nachtrag zum Mietvertrag vom 09.02.2017“ die monatliche Vorauszahlung auf die Betriebskosten abgesenkt hätten, ohne dass dieser Nachtrag der gesetzlichen Schriftform aus § 550 BGB entsprochen habe. Der als Anlage K 2 vorgelegte Entwurf der Vereinbarung trage die Unterschrift keiner der Parteien.

II.

Die Berufung ist zulässig.

Der Kläger wendet sich mit ihr gegen die teilweise Abweisung seines Zahlungsantrages und gegen seine Verurteilung aufgrund des Zahlungsantrages aus der Widerklage, während er die Abweisung seines erstinstanzlichen Feststellungsantrages hinnimmt, was er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 11.01.2023 klargestellt hat. Die Erweiterung des klägerischen Zahlungsantrages im Berufungsverfahren ist gemäß § 533ZPO zulässig, weil der Beklagte ihr zugestimmt hat und sie auf Tatsachen gestützt werden kann, die der Senat seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat.

In der Sache hat die Berufung nur in Bezug auf die Widerklage teilweise Erfolg.

Ohne Erfolg bleibt die Berufung, soweit der Kläger die Zahlung der rückständigen Miete durch den Beklagten für den Zeitraum von Mai 2020 bis einschließlich März 2022 begehrt (dazu 1.).

Erfolg hat die Berufung in Bezug auf den Widerklageantrag zu 1., denn dem Beklagten steht der von ihm geltend gemachte Anspruch auf Erstattung von Ersatzvornahmekosten in Höhe von 2.606,90 EUR nicht zu (dazu 2.).

In Bezug auf den Widerklageantrag zu 2. hat die Berufung teilweise Erfolg, nämlich insoweit, als dem Beklagten ein Erstattungsanspruch im Umfang von mehr als 421,20 EUR zugesprochen wurde (dazu 3.).

Die geltend gemachte Nebenforderung ist dem Kläger mangels erfolgreicher Hauptforderung nicht zuzuerkennen.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von Miete gegen den Beklagten für den Zeitraum vom 01.05.2020 bis zum 31.03.2022 aus dem zwischen den Parteien ursprünglich ab dem 01.04.2017 bestehenden Mietverhältnis gemäß § 535 Abs. 2 BGB, weil dieses Mietverhältnis durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 14.04.2020 wirksam zum 30.04.2020 beendet wurde (dazu a).

Es kommt danach nicht entscheidend auf die Frage an, ob mit der im Schreiben des Beklagten vom 14.04.2020 hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung das Mietverhältnis der Parteien mit Wirkung zum 31.12.2020 beendet worden wäre, was aber der Senat bejahen würde, weil die Parteien mit dem „1. Nachtrag zum Mietvertrag vom 09.02.2017“ gegen die gesetzliche Schriftform aus §§ 550, 578 Abs. 1, Abs. 2 BGB mit der Folge verstoßen haben, dass der Mietvertrag als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gilt (dazu b) und deshalb unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist aus § 580a Abs. 2 BGB zum 31.12.2020 beendet werden konnte.

a) Die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 14.04.2020 hat das mit dem Vertrag vom 09.02.2017 zwischen den Parteien begründete Mietverhältnis mit Wirkung zum 30.04.2020 beendet, weil zugunsten des Beklagten ein wichtiger Grund i.S.v. § 543 Abs. 1 BGB für die außerordentliche Kündigung gegeben war.

Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung liegt gemäß § 543Abs. 1 Satz 2 BGB vor, wenn dem Kündigenden, hier also dem Beklagten, die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder einer sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann, auch wenn alle Umstände des Einzelfalles insbesondere ein Verschulden der Vertragsparteien berücksichtigt und die beiderseitigen Interessen abgewogen werden. Seine Grundlage kann der wichtige Grund in jedweder Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag haben (vgl. BGH, Beschluss vom 05.10.2010, VIII ZR 221/09, BeckRS 2010, 30934 Rn. 3; Urteil vom 15.04.2015, VIII ZR 281/13, NJW 2015, 2417 Rn. 21).

Im vorliegenden Fall ist dem Kläger als Vermieter vorzuwerfen, dass er nach Kenntnisnahme von dem Umstand, dass der Stromverbrauch der Klimaanlage des Mitmieters im Objekt, nämlich des Tattoo-Studios im Hinterhaus, über den Stromabnehmer des Beklagten in der Elektroanlage des Mietobjektes lief, diesem Zustand nicht abhalf, sondern untätig blieb.

41Auf der Grundlage des Sachvortrages der Parteien ist der Senat davon überzeugt, dass die Stromversorgung für die Klimaanlage des Tattoo-Studios über den Stromabnahmezähler des Beklagten lief.

Der Beklagte hat dazu substantiiert vorgetragen, indem er seinem Vorbringen das von ihm eingeholte Gutachten der S… GmbH vom 04.05.2020 beigefügt hat, in welchem die Nutzung des Stromabnahmezählers des Beklagten durch die Klimaanlage des Tattoo-Studios nach Begutachtung der Elektroanlage des Mietobjektes bestätigt wird. Zudem bestätigte der Projektleiter der S… GmbH, der Zeuge P…, in seiner Aussage vor dem Landgericht am 03.05.2022, dass er die entsprechende Vermischung der Leitungsnetzbereiche in der Elektroanlage des Mietobjektes vor Ort selbst festgestellt habe.

Der Kläger ist diesem substantiierten Vorbringen nicht in erheblicher Weise gemäß § 138 ZPO entgegengetreten, indem er die entsprechende Schaltung der Elektroanlage lediglich bestritten hat. Es handelt sich nämlich beim Zustand der in dem vom Kläger vermieteten Objekt befindlichen Elektroanlage um eine Tatsache, die in den eigenen Geschäfts- oder Verantwortungsbereich des Klägers fällt und deshalb seinen eigenen Handlungen oder Wahrnehmungen i.S.v. § 138 Abs. 4 ZPO gleichgestellt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 05.11.2014, III ZR 559/13, NJW-RR 2015, 125 Rn. 12; Greger in Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 138 Rn. 16 m.w.N.). Hinsichtlich solcher Tatsachen kann der Kläger gemäß § 138 Abs. 4 ZPO nicht lediglich Bestreiten, sondern muss die dafür erforderlichen Information einholen und auf dieser Grundlage den Sachvortrag des Gegners substantiiert bestreiten. Dies aber hat er im vorliegend zu beurteilenden Fall nicht getan, weswegen sein bloßes Bestreiten unbeachtlich und der substantiierte Vortrag des Beklagten zugestanden ist. Unbeachtlich ist deshalb auch der Umstand, dass der Kläger neben dem bloßen Bestreiten Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bzw. durch Inaugenscheinnahme von Seiten des Senates angeboten hat. Beweisbedürftig ist lediglich eine strittige erhebliche Tatsache, nicht aber der gemäß § 138 Abs. 4 ZPO zugestandene substantiierte Sachvortrag des Beklagten. Es kommt deshalb nicht entscheidend darauf an, ob von der Inaugenscheinnahme durch den Senat ein Erkenntnisgewinn hätte erwartet werden können und ob für die Begutachtung durch einen Sachverständigen die erforderlichen Anknüpfungstatsachen vorlagen.

Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung genügt nach Auffassung des Senates der dargelegte Pflichtverstoß des Klägers für die Annahme eines wichtigen Grundes zur außerordentlichen Beendigung des Mietverhältnisses. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Kläger als Vermieter das Begehren des Beklagten als Mieter auf Abhilfe der fehlerhaften Schaltung der Elektroanlage zunächst über Monate ignorierte, indem er auf die WhatsApp-Nachrichten des Beklagten vom 01.08. und 14.11.2019 überhaupt nicht reagierte und schließlich in seinem Schreiben vom 07.04.2020 das Bestehen der Fehlschaltung leugnete. Infolge dieser Handlungsweise des Klägers war ein Grad von Verschulden erfüllt, welcher es für den Beklagten als unzumutbar erscheinen ließ, an dem bestehenden Mietvertrag festgehalten zu werden. Angesichts des Verhaltens des Klägers konnte der Beklagte nicht (mehr) erwarten, dass der Kläger seinem Einwand bezüglich der Fehlerhaftigkeit der Schaltung der Elektroanlage noch sachgerecht und innerhalb angemessener Frist nachgehen würde.

Die außerordentliche Kündigung des Beklagten erfolgte zudem erst, nachdem die vom Beklagten in der E-Mail vom 28.03.2020 gesetzte Abhilfefrist verstrichen war und der Kläger in seinem Schreiben vom 07.04.2020 ausdrücklich das Bestehen einer Fehlschaltung geleugnet hatte. Es ist zwar richtig, dass der Kläger im Schreiben vom 07.04.2020 am Ende ausführt, er biete einen gemeinsamen Begehungstermin an, wofür er sich mit Terminsvorschlägen noch an den Beklagten wenden wolle. Es kann dabei aber nicht übersehen werden, dass der Beklagte bereits seit dem 01.08.2019 um eine Abhilfe ersucht hatte und das Angebot des Klägers aus dem Schreiben vom 07.04.2020 keinerlei Zeithorizont enthielt, so dass aus Sicht des Beklagten vollkommen vage war, wann es zu einem entsprechenden Terminsvorschlag kommen würde, während der Stromverbrauch des Tattoo-Studios weiter über den Zähler des Beklagten lief. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ist das Verhalten des Klägers deshalb aus Sicht des Beklagten dahin zu verstehen gewesen, dass die Aussicht auf einen konkreten gemeinsamen Begehungstermin und eine Abhilfe des Zustandes der Elektroanlage nicht bestand. Im Ergebnis lag deshalb zum Zeitpunkt der Kündigung des Beklagten vom 14.04.2020 ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung aus § 543 Abs. 1 BGB mit der Folge vor, dass die Kündigung des Beklagten das Mietverhältnis der Parteien mit Wirkung zum 30.04.2020 beendet hat.

b) Der Mietvertrag der Parteien vom 09.02.2017 unterlag der gesetzlichen Schriftform aus §§ 550, 578 Abs. 1, Abs. 2 BGB, weil er nach der Regelung in seinem § 2a ursprünglich auf fünf Jahre fest abgeschlossen war und zudem eine Verlängerungsoption um weitere fünf Jahre beinhaltete.

Die gesetzliche Schriftform ist nur dann gewahrt, wenn sich die für den Abschluss des Vertrages notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen, insbesondere über den Mietgegenstand, die Miete sowie die Dauer und die Parteien des Mietverhältnisses aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergeben. Von der Schriftform ausgenommen sind lediglich solche Abreden, die für den Inhalt des Vertrages, auf den die Parteien sich geeinigt haben, von nur nebensächlicher Bedeutung sind. Für Vertragsänderungen gilt nichts anderes als für den Ursprungsvertrag. Sie müssen daher ebenfalls der Schriftform des § 550BGB genügen, es sei denn, dass es sich nur um unwesentliche Änderungen handelt (vgl. BGH, Urteil vom 25.10.2015, XII ZR 114/14, NJW 2016, 311Rn. 12).

Nach diesen Kriterien war die Einigung der Parteien auf den ersten Nachtrag zum Mietvertrag, mit welchem die Höhe der monatlichen Nebenkostenvorauszahlungen unbefristet von 368,00 EUR netto auf 210,00 EUR netto abgesenkt wurde, beurkundungsbedürftig. Die Nebenkostenvorauszahlungen sind nämlich Bestandteil der Miete (vgl. BGH, Urteil vom 23.07.2008, XII ZR 134/06, NJW 2008, 3210 Rn. 31) und die dauerhafte Änderung der Miethöhe ist immer als vertragswesentlich anzusehen und unterliegt demzufolge der gesetzlichen Schriftform des § 550 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 25.11.2015, a.a.O., Rn. 16 ff.; ebenso OLG Brandenburg, Urteil vom 07.07.2020, 3 U 82/19, BeckRS 2020, 17761 Rn. 35 ff. zur Änderung der Höhe der Nebenkostenvorauszahlungen).

Die lediglich mündlich bzw. konkludent zwischen den Parteien vereinbarte Regelung im „1. Nachtrag zum Mietvertrag vom 09.02.2017“ stellt sich deshalb als nicht beurkundete Vereinbarung einer wesentlichen Vertragsbedingung dar.

Soweit der Kläger unter Berufung auf den Beschluss des BGH vom 15.09.2021 (XII ZR 60/20, NZM 2021, 929) geltend macht, die Änderung der Betriebskostenvorauszahlungen im „1. Nachtrag zum Mietvertrag vom 09.02.2017“ unterfiele nicht der gesetzlichen Schriftform, weil sie nicht Geltung für einen Zeitraum beanspruche, der über ein Jahr hinausgehe, trifft dies nicht zu.

Im „1. Nachtrag zum Mietvertrag vom 09.02.2017“ wird die monatliche Betriebskostenvorauszahlung mit Wirkung ab dem 01.01.2019 von 368,00 EUR netto auf 210,00 EUR netto abgesenkt, ohne dass die zeitliche Gültigkeit eingeschränkt wird. Die Regelung beansprucht deshalb eine Geltung mindestens bis zum Ablauf der ursprünglichen Befristung des Mietvertrages auf fünf Jahre, also bis zum 31.03.2022, was vom Inkrafttreten des 1. Nachtrages am 01.01.2019 an einen Zeitraum von zwei Jahren und drei Monaten ausmacht. Demzufolge beansprucht die Regelung Geltung über einen ein Jahr übersteigenden Zeitraum.

Der Kläger macht auch zu Unrecht geltend, die Berufung des Beklagten auf den Schriftformmangel sei treuwidrig. Es kann zwar gegen § 242 BGBverstoßen, wenn der Mieter aus einer ihn lediglich begünstigenden Änderung den weiteren Vorteil ziehen will, sich nunmehr ganz von dem ihm lästig gewordenen Mietvertrag zu lösen (vgl. BGH, Urteil vom 25.11.2015, a.a.O., Rn. 27). Diese Voraussetzungen sind im vorliegend zu beurteilenden Fall nicht erfüllt, weil die hier relevante Vereinbarung für den Beklagten nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Dem Kläger bleiben seine Zahlungsansprüche in Höhe der abrechenbaren Nebenkosten voll erhalten, während nur die Vorauszahlungen geringer ausfallen mit der Folge, dass sich die Nachforderungsbeträge entsprechend erhöhen (i.d.S. auch OLG Brandenburg, Urteil vom 07.07.2020, a.a.O., Rn. 38). Unabhängig davon spricht es gegen ein treuwidriges Verhalten des Beklagten, dass die Initiative zum (formlosen) Abschluss des „1. Nachtrag zum Mietvertrag vom 09.02.2017“ vom Kläger ausging, der den Vertragstext dem Beklagten übersandte, ohne ihn selbst unterzeichnet zu haben.

Im Ergebnis liegt damit ein Verstoß gegen die gesetzliche Schriftform aus §§ 550, 578 Abs. 1, Abs. 2 BGB vor, mit der Rechtsfolge aus § 550 Satz 1 BGB, dass das Mietverhältnis aufgrund des Vertrages vom 09.02.2017 als ab der Vereinbarung zum „1. Nachtrag zum Mietvertrag vom 09.02.2017“ auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt.

2. Der Beklagte kann den von ihm geltend gemachten Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen für die Ersatzvornahme im Umfang von 2.606,90 EUR nicht auf § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB stützen, weil dies voraussetzen würde, dass ein Mangel der Unterdimensionierung der Elektroanlage des Mietobjektes vorlag, was aber bereits der Beklagte nicht schlüssig vorgetragen hat.

Ein Mangel des Mietobjektes i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB ist die für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustandes der Mietsache (Ist-Beschaffenheit) von dem vertraglich Vereinbarten (Soll-Beschaffenheit).

Zu dem vertraglich vereinbarten Zustand der Mietsache gehören über deren physische Beschaffenheit hinaus die tatsächlichen Zustände und rechtlichen Verhältnisse, die mit der Mietsache zusammenhängen und ihre Gebrauchstauglichkeit beeinträchtigen. Dazu gehören auch Störungen, die außerhalb der Mietsache liegen. Um eine Ausuferung des Fehlerbegriffes zu vermeiden, führen außerhalb der Mietsache selbst liegende Umstände allerdings nur dann zu einem Mangel, wenn sie deren Gebrauchstauglichkeit unmittelbar beeinträchtigen. Maßgeblich für die Beantwortung der Frage, ob eine unmittelbare Beeinträchtigung der Mietsache vorliegt, ist danach in erster Linie der von den Parteien vereinbarte vertragsgemäße Gebrauch, welche maßgeblich durch den vereinbarten Nutzungszweck bestimmt wird. Aus dem zur Erfüllung des vertragsgemäßen Gebrauches erforderlichen Zustand der Mietsache ergibt sich deren geschuldeter Zustand (vgl. BGH, Urteil vom 23.09.2009, VIII ZR 300/08, NJW 2010, 1133 Rn. 11; Urteil vom 10.10.2012, XII ZR 117/10, NJW 2013, 44 Rn. 30 f.; Senatsurteil vom 24.02.2021, 5 U 1782/20, BeckRS 2021, 2461 Rn. 25).

In diesem Sinne ist es zwar zutreffend, wenn das Landgericht im angefochtenen Urteil vom 27.05.2022 maßgeblich mit dem Vertragszweck aus § 1 Nr. 2 des Mietvertrages vom 09.02.2017 argumentiert, wonach die Räume an den Beklagten zur Betreibung eines Fleischereifachgeschäftes vermietet wurden. Aus dem vereinbarten Mietzweck ergibt sich nämlich unmittelbar der vertragsgemäße Gebrauch (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB), welcher der Definition des Mangels gemäß § 536 Abs. 1 S. 1 BGB zugrunde liegt. Für die (weitergehende) Auslegung zu Bestimmung der Sollbeschaffenheit des Mietobjektes bildet der Mietzweck aber (nur) einen Rahmen bzw. legt einen Mindeststandard fest (vgl. Alberts WuM 2022, 73, 78). Fehlen – wie im vorliegend zu beurteilenden Fall – insoweit Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache, ist für den technischen Standard des Mietobjektes und damit auch seiner Elektroanlage nach der Verkehrsanschauung grundsätzlich der Standard der technischen Normen maßgeblich, der bei Errichtung des Gebäudes galt (vgl. BGH, Urteil vom 05.06.2013, VIII ZR 287/13, NJW 2013, 2417 Rn. 15; Urteil vom 18.12.2013, XII ZR 80/12, NJW 2014, 685 Rn. 20; Senatsurteil vom 10.02.2009, 5 U 1336/08, NZM 2009, 703).

Der für das Vorliegen eines Mangels des Mietobjektes darlegungs- und beweisbelastete Beklagte trägt vor diesem Hintergrund nicht schlüssig zum Vorliegen eines Mangels der Elektroanlage des Mietobjektes vor.

Er legt weder dar, welchen konkreten Leistungsstandards die Elektroanlage des streitgegenständlichen Mietobjektes nach diesen Kriterien genügen müsste, noch legt er im Einzelnen dar, welche Leistungsanforderungen sich für den von ihm in den Mieträumen betriebenen Fleischereibetrieb ergaben, welche Elektrogeräte er also im Einzelnen mit jeweils welcher Leistungsanforderung in Bezug auf die Elektroanlage betrieben hat. Auf der Grundlage dieses unzureichenden Vortrages von Seiten des Beklagten ist dem Senat ein Vergleich des Ist-Zustandes beim Betrieb des Fleischereigeschäftes durch den Beklagten einerseits und der Soll-Beschaffenheit der Mietsache nach dem Mietvertrag vom 09.02.2017 andererseits nicht möglich, so dass das Vorliegen eines Mangels des Mietobjektes nicht festgestellt werden kann.

Insoweit war auch die vom Landgericht durchgeführte Beweisaufnahme unergiebig, denn der Zeuge M… konnte lediglich bestätigen, dass beide Parteien beim Mietvertragsschluss davon ausgingen, die Dimensionierung der Anlage wäre ausreichend. Angaben zu einer übereinstimmenden Auffassung der Parteien dazu, welche konkret vom Beklagten zu nutzenden Geräte von der Elektroanlage abgedeckt werden sollten, konnte der Zeuge M… nicht machen. Auch die Zeugin K. konnte dazu keine Angaben machen.

Mangels ausreichenden Vortrages des Klägers zur nach dem Vertrag vorgesehenen Soll-Beschaffenheit des Mietobjektes in Bezug auf die Elektroanlage kann der Senat nicht feststellen, dass in der tatsächlichen Dimensionierung der Anlage ein Mangel des Mietobjektes i.S.v. § 536 Abs. 1 BGBlag. Nach Hinweis des Senates auf die unzureichende Darlegung in Bezug auf das Vorliegen eines Mietmangels im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 11.01.2023 hat der Beklagte seinen diesbezüglichen Sachvortrag nicht ergänzt.

Im Ergebnis kann deshalb der vom Beklagten geltend gemachte Erstattungsanspruch aus § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB bereits mangels schlüssiger Darlegung eines Mangels nicht bejaht werden.

3. Der vom Beklagten geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen für die Unterhaltung der Stromzufuhr für die Klimaanlage des Tattoo-Studios ist dem Grunde nach aus § 280 Abs. 1 BGB begründet, weil der Kläger eine Nebenpflicht aus dem Mietvertrag verletzt hat, indem er nach Kenntnisnahme von der fehlerhaften Schaltung der Elektroanlage des Mietobjektes eine entsprechende Abhilfe unterließ. Auf die Ausführungen oben unter II.1.a) wird Bezug genommen.

Der Höhe nach umfasst der Anspruch (nur) diejenigen Aufwendungen des Beklagten, die entstanden sind, nachdem der Kläger von der Fehlschaltung der Elektroanlage Kenntnis erhielt bzw. sich dieser Kenntnis verschlossen hat, weil er erst ab diesem Zeitpunkt durch seine Untätigkeit den Anfall der Stromkosten des Tattoo-Studios beim Beklagten schuldhaft verursacht hat.

Nach Auffassung des Senates hat der Beklagte demzufolge nur einen Anspruch auf Erstattung derjenigen Stromkosten des Tattoo-Studios, die ab dem Zeitpunkt seiner ersten Mitteilung an den Kläger mit der WhatsApp vom 01.08.2019 angefallen sind. Es handelt sich danach um einen Zeitraum von neun Monaten von August 2019 bis einschließlich April 2020. Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichtes, dass die Kostenkalkulation aus dem Gutachten der S… GmbH vom 04.05.2020 einer Schätzung des dem Beklagten entstandenen Schadens gemäß § 287 ZPO zugrunde gelegt werden kann. Der Kläger zeigt insofern nicht auf, dass die S… GmbH bei ihrer Kalkulation von unzutreffenden Annahmen in Bezug auf die Dauer des Betriebs der Anlage und den zu zahlenden Preis für den Strom ausgegangen wäre.

Legt man aber die Kalkulation der S… GmbH zugrunde, ergibt sich ein Schaden des Beklagten in Höhe von 46,80 EUR pro Monat, so dass sich für die neun Monate zwischen August 2019 und April 2020 ein Betrag von 421,20 EUR errechnet. Diesen Betrag legt der Senat seiner Schadensschätzung nach § 287 ZPO zugrunde.

III.

Die Nebenforderungen ergeben sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß §§ 286, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10 Satz 2, 711, 709 Satz 2 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 543Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht gegeben sind.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Mietrecht & WEG-Recht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Mietrecht und Wohneigentumsrecht. Vom Mietvertrag über Mietminderung bis hin zur Mietvertragskündigung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Rechtstipps aus dem Mietrecht

Urteile aus dem Mietrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!