Skip to content
Menü

Mieter behauptet unwahre Tatsachen im Mietprozess – Grund für Mietvertragskündigung?

Mieter lügt im Mietprozess – Kündigungsgrund für Vermieter?

Das Bundesgerichtshof-Urteil hebt hervor, dass die Kündigung eines Mietverhältnisses aufgrund von falschen Behauptungen eines Mieters im Mietrechtsstreit nicht automatisch gerechtfertigt ist. Eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls ist erforderlich, insbesondere unter Berücksichtigung vorangegangenen vertragswidrigen Verhaltens des Vermieters und der Schwere des Pflichtverstoßes des Mieters.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: VIII ZR 147/22   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Aufhebung des Urteils: Das BGH hat das Urteil des Landgerichts Berlin aufgehoben.
  2. Falsche Behauptungen: Der Mieter hatte behauptet, der Vermieter wolle das Haus nur verkaufen, wenn alle Mieter ausgezogen sind.
  3. Schwere des Pflichtverstoßes: Eine Kündigung erfordert eine erhebliche schuldhafte Pflichtverletzung.
  4. Berücksichtigung aller Umstände: Die Gerichte müssen alle Einzelfallumstände, einschließlich des Verhaltens des Vermieters, abwägen.
  5. Rechtsfehler des Berufungsgerichts: Das Berufungsgericht berücksichtigte nicht alle relevanten Aspekte.
  6. Bedeutung des Äußerungsprivilegs: Nicht jede falsche Behauptung im Gerichtsverfahren rechtfertigt eine Kündigung.
  7. Rückverweisung zur neuen Verhandlung: Der Fall wurde an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  8. Wichtigkeit des Mietverhältnisses: Die Bedeutung des Mietverhältnisses spielt eine zentrale Rolle bei der Entscheidungsfindung.

Konflikte im Mietrecht: Die Grenzen der Wahrheit

Das Mietrecht birgt ein komplexes Feld von Rechten und Pflichten für Mieter und Vermieter. Im Kern dieser juristischen Auseinandersetzungen steht oft die Frage nach der Wahrheit und der Rechtsverletzung. Insbesondere wenn es um Kündigungen geht, können falsche Behauptungen im Mietprozess schwerwiegende Konsequenzen haben. Dabei ist die Grenze zwischen zulässigen Aussagen zur Verteidigung eigener Interessen und unzulässigen falschen Behauptungen fließend und juristisch hochrelevant.

Der Bundesgerichtshof als höchstes deutsches Zivilgericht hat in einem Urteil diese Grenzen näher beleuchtet. Dabei ging es um die Frage, ob unwahre Tatsachenbehauptungen eines Mieters im Gerichtsverfahren eine Mietvertragskündigung rechtlich rechtfertigen können. Die Entscheidung des BGH in diesem Fall verdeutlicht, wie komplex die Beurteilung solcher Fälle sein kann und welche Rolle dabei die Abwägung aller Umstände des Einzelfalls spielt.

Tauchen Sie tiefer in die Details dieses spannenden Falles ein und erfahren Sie, wie der BGH die heikle Frage nach der Zulässigkeit von Aussagen im Mietrecht und deren Auswirkungen auf Kündigungen beantwortet.

Der Weg zum BGH: Kündigungen und Falschaussagen im Mietprozess

Der Fall beginnt mit der Anmietung einer Wohnung in einem Berliner Mehrfamilienhaus durch die Beklagten im Jahr 2000. Jahre später, im Juli 2019, erfolgte die erste Kündigung durch die Klägerin, die Eigentümerin der Wohnung, basierend auf einer angeblich vertragswidrigen Hundehaltung. Der eigentliche Konflikt eskalierte jedoch während des Räumungsprozesses, als der Beklagte zu 2 Aussagen tätigte, die von der Klägerin als unwahr und ehrverletzend empfunden wurden. Diese Äußerungen führten zu weiteren Kündigungen durch die Klägerin, sowohl außerordentlich als auch ordentlich, und bildeten den Kern des rechtlichen Streits.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen: Amtsgericht und Landgericht

Das Amtsgericht lehnte die Räumungsklage der Klägerin zunächst ab, doch das Landgericht Berlin hob dieses Urteil später auf und gab der Klage statt. Die zentrale Frage drehte sich um die Behauptung des Beklagten zu 2 im Mietprozess. Er hatte behauptet, dass die Klägerin das Haus verkaufen wolle, was jedoch nur möglich sei, wenn alle Mieter das Haus verlassen hätten. Die Klägerin sah darin eine erhebliche Pflichtverletzung, da sie die Aussage als bewusst falsch und verleumderisch betrachtete. Das Landgericht schien dieser Argumentation gefolgt zu sein und bewertete die Äußerungen als ausreichenden Grund für eine ordentliche Kündigung.

BGH-Urteil: Bewertung von Falschaussagen und Pflichtverletzungen

In seiner Entscheidung hob der Bundesgerichtshof das Urteil des Landgerichts auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung zurück. Der BGH stellte klar, dass bewusst falsche Behauptungen in einem Mietrechtsstreit grundsätzlich eine die ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB begründende Pflichtverletzung darstellen können. Allerdings machte der BGH auch deutlich, dass jede Pflichtverletzung im Kontext aller Umstände des Einzelfalls zu bewerten ist. Dabei betonte der BGH, dass das Verhalten des Vermieters und eventuelle vorangegangene Pflichtverletzungen in die Beurteilung einbezogen werden müssen.

Juristische Feinheiten und der Weg zurück zum Berufungsgericht

Der BGH kritisierte, dass das Landgericht wesentliche Aspekte nicht hinreichend berücksichtigt habe. Dazu gehörte die mögliche Rechtfertigung der Aussagen des Beklagten als Reaktion auf vorheriges Fehlverhalten der Klägerin oder ihres Hausverwalters. Ebenso sei die Frage, ob die erste Kündigung wegen der Hundehaltung berechtigt war, nicht ausreichend geprüft worden. Die Entscheidung des BGH zeigt die Notwendigkeit einer ganzheitlichen Betrachtung der Umstände in Mietrechtsstreitigkeiten, insbesondere wenn es um Aussagen und deren Wahrheitsgehalt geht.

Im Kern dieses Falls steht die Frage, wie weit die Rechte von Mietern reichen, sich im Rahmen eines Gerichtsprozesses zu verteidigen und inwieweit Aussagen, die sich später als falsch herausstellen, rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen können. Der BGH hat deutlich gemacht, dass eine differenzierte Betrachtung jedes Einzelfalls unerlässlich ist. Mit der Rückverweisung an das Berufungsgericht bleibt abzuwarten, wie diese Prinzipien auf den konkreten Fall angewendet werden und welche Schlussfolgerungen für die Praxis des Mietrechts daraus gezogen werden können.

Wichtige Begriffe kurz erklärt

Inwiefern sind falsche Behauptungen eines Mieters im Mietprozess relevant für die Kündigung?

Falsche Behauptungen eines Mieters können in bestimmten Fällen relevant für die Kündigung des Mietverhältnisses sein. Insbesondere wenn diese Behauptungen ehrverletzend sind und die Beziehung zwischen Mieter und Vermieter erheblich stören, kann dies eine fristlose Kündigung rechtfertigen.

Ein Beispiel dafür ist ein Fall, in dem eine Mieterin gegenüber anderen Mietern falsche und ehrverletzende Aussagen über den Vermieter gemacht hat. Sie behauptete, der Vermieter sei geldgierig und habe sie sexuell belästigt. Diese Anschuldigungen waren so schwerwiegend, dass das Gericht entschied, dass dem Vermieter eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr zugemutet werden könne.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass nicht jede falsche Behauptung automatisch zu einer Kündigung führt. Es kommt immer auf die Umstände des Einzelfalls an. So kann beispielsweise ein Verfahren wegen Prozessbetrugs eingeleitet werden, wenn im Rahmen eines Mietprozesses falsche Behauptungen gemacht oder gefälschte Unterlagen vorgelegt werden. Allerdings sind die Erfolgsaussichten eines solchen Verfahrens in der Regel gering.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass falsche Behauptungen eines Mieters im Mietprozess durchaus relevant für die Kündigung sein können, insbesondere wenn sie ehrverletzend sind und das Vertrauensverhältnis zwischen Mieter und Vermieter erheblich stören. Es ist jedoch immer eine Einzelfallentscheidung, ob eine Kündigung gerechtfertigt ist oder nicht.


Das vorliegende Urteil

BGH – Az.: VIII ZR 147/22 – Urteil vom 25.10.2023

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis zum 13. Oktober 2023 für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin – Zivilkammer 63 – vom 3. Juni 2022 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Beklagten sind seit dem Jahr 2000 Mieter einer mittlerweile im Eigentum der Klägerin stehenden Wohnung in einem Berliner Mehrfamilienhaus. Die Klägerin kündigte das Mietverhältnis erstmals ordentlich – wegen einer aus ihrer Sicht vertragswidrigen Hundehaltung – mit Schreiben vom 24. Juli 2019.

Anlässlich der hiesigen, ursprünglich ausschließlich auf diese Kündigung gestützten Räumungsklage hat das Amtsgericht die Beklagten am 25. September 2020 persönlich angehört. Hierbei hat der Beklagte zu 2 unter anderem angegeben:

„Aus unserer Perspektive geht es gar nicht um den Hund. Wir haben vielmehr das Gefühl, dass wir aus dem Haus herausgemobbt werden sollen. Wir werden auch von dem Hausverwalter beleidigt mit Worten wie ‚Scheiß Ausländer‘ und ‚Assis‘. Ich habe ein Gespräch der Eigentümerin zufällig mitbekommen, aus dem sich ergibt, dass das Haus verkauft werden soll. Der Käufer hat jedoch gesagt, dass ein Verkauf des Hauses nur dann in Betracht kommt, wenn alle Mieter aus dem Haus ausgezogen sind.“

Gestützt auf diese – ihrer Meinung nach unwahren und ehrverletzenden – Äußerungen hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2020 (erneut) eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung ausgesprochen. Nach dem Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung hat die Klägerin mit Schreiben vom 8. Oktober 2021 und vom 20. Januar 2022 weitere Kündigungen erklärt.

Das Amtsgericht hat die auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil aufgehoben und der Klage stattgegeben.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehren die Beklagten die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Gründe:

Die Revision hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

Es könne offenbleiben, ob die Kündigung vom 24. Juli 2019 wirksam gewesen sei. Denn jedenfalls die ordentliche Kündigung vom 9. Oktober 2020 habe das Mietverhältnis beendet. Die vorsätzlich falsche Behauptung des Beklagten zu 2 in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht am 25. September 2020, die Klägerin wolle das Haus verkaufen, der Kaufinteressent habe jedoch gesagt, dass ein Hausverkauf nur in Betracht komme, wenn alle Mieter aus dem Haus ausgezogen seien, stelle eine nicht unerhebliche schuldhafte Pflichtverletzung dar.

Der Mieter sei gemäß §§ 535, 241 BGB zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Vermieters verpflichtet. Zwar sei der Mieter in Ausprägung des Grundsatzes des § 193 StGB berechtigt, seine eigenen Interessen im Rahmen eines Prozesses angemessen wahrzunehmen. Bewusst falscher Vortrag sei indessen nicht erlaubt. Die den Beklagten vorgeworfene Hundehaltung stehe überdies in keinem Zusammenhang mit dem angeblich mitgehörten Verkaufsgespräch. Daher bestehe auch kein schützenswertes Interesse, die betreffenden Äußerungen, die allein dazu gedient hätten, die Klägerin in Misskredit zu bringen und eine Abweisung der Räumungsklage wegen Rechtsmissbrauchs zu erreichen, als privilegiert anzusehen.

Der Vortrag der Beklagten sei bewusst unrichtig gewesen. Die Beklagten hätten nicht darzulegen vermocht, wann das angebliche Gespräch zwischen der Klägerin und einem Kaufinteressenten, dessen Inhalt der Beklagte zu 2 in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht geschildert habe, stattgefunden haben solle. Auf die Frage, ob das von den Beklagten in einem späteren (zweitinstanzlichen) Schriftsatz dargestellte Gespräch zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1 sowie einem Begleiter der Klägerin tatsächlich stattgefunden habe, komme es nicht an. Denn insoweit hätten die Beklagten einen anderen Gesprächsinhalt behauptet, namentlich, dass die Klägerin hierbei (lediglich) geäußert habe, sie beabsichtige, die Erdgeschossräume des Hauses zu Wohnungen umzubauen und wolle das Haus verkaufen, falls dies nicht möglich sein sollte. Diesen angeblichen Erklärungen der Klägerin sei nicht zu entnehmen, dass der etwa beabsichtigte Hausverkauf von einem vorherigen Auszug der Mieter abhänge. Insofern seien sie nicht vergleichbar mit denjenigen, die der Beklagte zu 2 im Rahmen seiner Anhörung vor dem Amtsgericht zur Untermauerung seiner Vermutung, die Beklagten sollten aus dem Haus „herausgemobbt“ werden, behauptet habe.

Die in diesem letztgenannten Verhalten liegende Pflichtverletzung wiege wegen des Vorsatzes sehr schwer. Auf eine emotionale Ausnahmesituation könne sich der Beklagte zu 2 deshalb nicht berufen, weil seine Anhörung nicht in Anwesenheit des Hausverwalters, gegen den sich die Vorwürfe gerichtet hätten, stattgefunden habe. Ferner hätten die Beklagten ihren gegen die Klägerin erhobenen Vorwurf in einem späteren Schriftsatz wiederholt.

Eine Abmahnung sei entbehrlich gewesen, weil eine solche ersichtlich keine Erfolgsaussichten gehabt hätte. Dies zeige sich daran, dass die Beklagten in Kenntnis der auf die vorbezeichneten Äußerungen des Beklagten zu 2 gestützten Kündigung des Mietverhältnisses in einem weiteren Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht erneut offensichtlich Unzutreffendes über das Vorgehen der Klägerin gegenüber den Mietern des Mehrfamilienhauses geäußert hätten, namentlich, dass alle Mieter mit Kündigungen bedroht würden.

II.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin auf Räumung und Herausgabe der von den Beklagten gemieteten Wohnung (§ 546 Abs. 1, § 985 BGB) nicht bejaht werden. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Kündigung der Klägerin vom 9. Oktober 2020 habe das Mietverhältnis mit den Beklagten gemäß § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB beendet, beruht auf revisionsrechtlich beachtlichen Rechtsfehlern.

1. Nach § 573 Abs. 1 BGB kann der Vermieter nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Ein solches Interesse liegt etwa dann vor, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat (§ 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Ob der Vermieter angesichts einer schuldhaften Pflichtverletzung des Mieters ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat, ist anhand einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. Senatsurteil vom 2. Februar 2011 – VIII ZR 74/10, NJW 2011, 1065 Rn. 20; Senatsbeschlüsse vom 12. Oktober 2021 – VIII ZR 91/20, NJW-RR 2022, 86 Rn. 31; vom 8. August 2023 – VIII ZR 234/22, Rn. 11 mwN). In diese Würdigung ist ein vorangegangenes vertragswidriges Verhalten des Vermieters einzubeziehen, insbesondere, wenn es das nachfolgende vertragswidrige Verhalten des Mieters provoziert hat (vgl. Senatsurteil vom 4. Juni 2014 – VIII ZR 289/13, NJW 2014, 2566 Rn. 14). Es kann daher auch von Bedeutung sein, ob dem Verhalten des Mieters eine unberechtigte Kündigung durch den Vermieter vorausgegangen ist (vgl. Senatsurteil vom 4. Dezember 1985 – VIII ZR 33/85, WuM 1986, 60 unter II 1 [zur fristlosen Kündigung eines Pachtverhältnisses nach § 554a BGB aF]).

2. Diesen Grundsätzen wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht. Zwar unterliegt die Beurteilung der Erheblichkeit einer Pflichtverletzung im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB, angesichts derer ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses im Sinne von § 573 Abs. 1 BGB zu bejahen ist, der tatrichterlichen Würdigung, die vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden kann, ob die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt und ob die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt worden sind (vgl. Senatsurteile vom 15. April 2015 – VIII ZR 281/13, NJW 2015, 2417 Rn. 19; vom 16. Dezember 2020 – VIII ZR 70/19, NJW-RR 2021, 204 Rn. 21 mwN [zu einer Kündigung nach § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB]). Solche Rechtsfehler sind dem Berufungsgericht hier indes unterlaufen. Es ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass bewusst unrichtiges Vorbringen eines Mieters innerhalb eines Mietrechtsstreits eine die ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB begründende Pflichtverletzung darstellen kann; einen solchen Fall hat es hier jedoch unter Außerachtlassung wesentlichen Streitstoffs und damit gemäß dem aufgezeigten Prüfungsmaßstab rechtsfehlerhaft bejaht.

a) Im Ausgangspunkt gilt, dass es mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) unvereinbar ist, wenn redliche Äußerungen in einem Zivilprozess oder die redliche Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten in einem Strafverfahren aus Gründen des Ehrenschutzes zu straf- oder zivilrechtlichen Nachteilen führen, weil die Behauptung sich später im Prozess oder nach behördlicher Prüfung als unrichtig oder unaufklärbar erweist (BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2008 – 1 BvR 1404/04). Demgemäß dürfen die Parteien in einem Gerichtsverfahren – ohne darauf gestützte straf- oder zivilrechtliche Nachteile befürchten zu müssen – regelmäßig alles vortragen, was sie zur Wahrung ihrer Rechte für erforderlich halten, selbst wenn hierdurch die Ehre des Prozessgegners berührt wird (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2007 – VI ZR 14/07, NJW 2008, 996 Rn. 13). Bei der Beurteilung, ob ehrenrührige oder gar beleidigende Äußerungen, die zur Rechtsverteidigung in einem Mietrechtsstreit gemacht werden, die Kündigung des Mietverhältnisses – sei es nach § 543 Abs. 1 BGB oder nach § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB – rechtfertigen, ist deshalb in den Blick zu nehmen, ob diese Äußerungen im Hinblick auf die konkrete Prozesssituation zur Rechtswahrung geeignet und unter Berücksichtigung der Bedeutung des Mietverhältnisses angemessen sind (vgl. BVerfG, NJW 2000, 3196 Rn. 17 mwN; OLG München, ZMR 1996, 487, 492; ZMR 2019, 266, 267 [jeweils zu einer fristlosen Kündigung eines gewerblichen Mietverhältnisses]; LG Berlin, WuM 2013, 354; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., § 543 BGB Rn. 69).

Grundsätzlich nicht geschützt sind allerdings missbräuchliche Äußerungen, die in keinem inneren Zusammenhang mit dem verfolgten berechtigten Anliegen stehen oder wissentlich unwahre oder leichtfertig unhaltbare Behauptungen aufstellen (BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2008 – 1 BvR 1404/04). Dementsprechend können etwa eine grundlose Strafanzeige gegen den Vermieter und ebenso wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angaben im Rahmen einer Strafanzeige – je nach den Umständen des Einzelfalls und insbesondere auch in Abhängigkeit von dem Verhalten des Angezeigten (vgl. BVerfG, NZM 2002, 61 mwN [zu einer fristlosen Kündigung nach § 554a BGB aF]) – einen zur (fristlosen oder ordentlichen) Kündigung des Mietverhältnisses berechtigenden Umstand darstellen (vgl. Senatsbeschluss vom 8. August 2023 – VIII ZR 234/22, Rn. 25 mwN). Ebenso kann ein Kündigungsgrund vorliegen, wenn sich eine Mietpartei in einem Zivilprozess unredlicher oder unverhältnismäßiger Mittel bedient (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Oktober 2021 – VIII ZR 91/20, NJW-RR 2022, 86 Rn. 40 mwN). Allerdings sind auch hier die Schwere des Pflichtverstoßes des Mieters sowie das Verhalten der Gegenseite zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 4. Dezember 1985 – VIII ZR 33/85, WuM 1986, 60 unter II 1; KG, GE 1987, 571 [jeweils zur fristlosen Kündigung eines Pachtverhältnisses nach § 554a BGB aF]).

b) Gemessen daran rechtfertigen die bisher vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen die Kündigung des Mietverhältnisses nach § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist zwar davon auszugehen, dass es sich bei der anlässlich seiner Anhörung vor dem Amtsgericht – im Zusammenhang mit dem Vorwurf, die Beklagten sollten aus dem Haus „herausgemobbt“ werden – gemachten Angabe des Beklagten zu 2, ein Kaufinteressent habe gegenüber der Klägerin geäußert, ein Hauskauf komme nur im Fall des Auszugs aller Mieter in Betracht, um eine vorsätzlich falsche – und damit nach Maßgabe der aufgezeigten Grundsätze nicht privilegierte – Behauptung handelt (dazu nachfolgend unter aa). Dieser Umstand lässt indes nicht ohne weiteres auf eine im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB erhebliche schuldhafte Pflichtverletzung des Beklagten zu 2 schließen. Vielmehr erfordert die Beurteilung der Erheblichkeit einer Pflichtverletzung des Mieters auch in einem solchen Fall die Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, weshalb insbesondere die Schwere des Pflichtverstoßes des Mieters zu beachten sowie – gegebenenfalls – vorangegangenes pflichtwidriges Verhalten des Vermieters in die Würdigung einzubeziehen ist. Dem ist das Berufungsgericht nicht hinreichend nachgekommen (dazu nachfolgend unter bb).

aa) Die Annahme des Berufungsgerichts, es handele sich bei der zuvor beschriebenen Äußerung des Beklagten zu 2 über den Inhalt eines Gesprächs zwischen der Klägerin und einem Kaufinteressenten um eine bewusst unrichtige und damit – unter den hier gegebenen Umständen – pflichtwidrige Tatsachenbehauptung, ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.

(1) Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe die dieser Annahme zugrundeliegenden Feststellungen verfahrensfehlerhaft unter Übergehung von unter Beweis gestelltem zweitinstanzlichen Vorbringen der Beklagten getroffen, hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet. Von einer näheren Begründung sieht der Senat gemäß § 564 ZPO ab.

(2) Es begegnet revisionsrechtlich gesehen auch keinen Bedenken, dass das Berufungsgericht aus dem Umstand, dass die Beklagten auf einen entsprechenden richterlichen Hinweis „lediglich“ Vortrag über ein zwischen der Klägerin und einem Dritten Anfang des Jahres 2021 geführtes Gespräch gehalten haben, welches weder in zeitlicher Hinsicht noch inhaltlich mit dem von dem Beklagten zu 2 vor dem Amtsgericht geschilderten Gespräch zwischen der Klägerin und einem potentiellen Kaufinteressenten übereinstimmt, den Schluss gezogen hat, die Angabe des Beklagten zu 2, ein Kaufinteressent habe gegenüber der Klägerin geäußert, ein Hauskauf komme nur im Fall des Auszugs aller Mieter in Betracht, sei bewusst unwahr erfolgt.

Denn mit diesem Vortrag zu einem weiteren Gespräch Anfang des Jahres 2021 sind die Beklagten der ihnen obliegenden Substantiierungsbeziehungsweise (zumindest sekundären) Darlegungslast bezüglich des vom Beklagten zu 2 am 25. September 2020 vor dem Amtsgericht behaupteten Gesprächs, das die Klägerin als frei erfunden bezeichnet hat, nicht nachgekommen. Das Vorbringen der Klägerin, das Gespräch sei frei erfunden, gilt daher – ungeachtet dessen, welche Partei hier im Hinblick auf das Vorliegen einer bewusst unwahren Tatsachenbehauptung die primäre Darlegungs- und Beweislast trägt – als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO). Demnach ist das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei von einer insoweit wissentlich falschen und damit – unter den hier gegebenen Umständen – pflichtwidrigen Behauptung durch den Beklagten zu 2 ausgegangen.

bb) Bei der Beurteilung, ob die festgestellte schuldhafte Pflichtverletzung des Beklagten zu 2 nicht unerheblich im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist und daher eine Kündigung nach dieser Vorschrift rechtfertigt, sind dem Berufungsgericht indes revisionsrechtlich beachtliche Rechtsfehler unterlaufen.

(1) Zum einen hat das Berufungsgericht die vorbezeichnete Äußerung des Beklagten zu 2 rechtsfehlerhaft unter Außerachtlassung des Sinnzusammenhangs, in dem sie gefallen ist, bewertet und sich dadurch den Weg zu einer sachgerechten Einordnung ihrer Bedeutung und Tragweite versperrt.

Der Beklagte zu 2 hat ausweislich der Feststellungen des Berufungsgerichts zunächst ausdrücklich die subjektive Wahrnehmung der Beklagten geschildert, wonach der wahre Grund für die (erste) Kündigung nicht in der – aus Sicht der Klägerin vertragswidrigen – Hundehaltung liege, sondern die Beklagten vielmehr aus dem Haus „herausgemobbt“ werden sollten. Er hat hierfür sodann zwei Gründe angeführt, namentlich einerseits die – zwischen den Parteien streitige – mehrfach zum Ausdruck gebrachte ausländerfeindliche Haltung des Hausverwalters der Klägerin und andererseits die – ebenfalls im Streit stehende – Absicht der Klägerin, das Haus zu verkaufen. Im Zusammenhang mit der letztgenannten Behauptung hat der Beklagte zu 2 zusätzlich angeführt, dass ein Kaufinteressent seinen Kaufentschluss explizit von dem Auszug der Mieter abhängig gemacht habe.

Dieses Aussagedetail mag der (weiteren) Untermauerung der zuvor geschilderten – ehrenrührigen, für sich genommen hier aber noch nicht die Grenzen des verfahrensrechtlichen Äußerungsprivilegs überschreitenden – Vermutung, dass die Beklagten unrechtmäßig zu einem Auszug aus dem Haus bewegt („herausgemobbt“) werden sollen, gedient haben. Es darf bei der Würdigung, welches Gewicht diesem Detail beizumessen ist, aber nicht unberücksichtigt bleiben, dass jener subjektive Eindruck auch bereits durch die vorherigen Aussagen getragen wird. Insbesondere ließe eine seitens des Hausverwalters der Klägerin mit Worten wie „Scheiß Ausländer“ und „Assis“ gegenüber den Beklagten deutlich zum Ausdruck gebrachte Ausländerfeindlichkeit es ohne weiteres als nachvollziehbar erscheinen, dass die Beklagten vermuteten, sie sollten – völlig unabhängig von der ihrerseits ausgeübten Hundehaltung – aus dem Haus „herausgemobbt“ werden. Ebenso kann eine bestehende Absicht des Vermieters, das Mietobjekt zu verkaufen, auch für sich betrachtet – ohne dass ein potentieller Käufer sein Erwerbsinteresse explizit an einen Leerstand der betreffenden Immobilie geknüpft hat – subjektiv eine Befürchtung des Mieters begründen, der Vermieter sei zwecks Erzielung eines höheren Kaufpreises daran interessiert, die bestehenden Mietverträge baldmöglichst zu beenden.

Vor diesem Hintergrund kommt dem vom Berufungsgericht isoliert betrachteten Aussagedetail im Hinblick auf den die Ehre der Klägerin berührenden Vorwurf des „Herausmobbens aus dem Haus“ eine eher untergeordnete, jedenfalls keine eigenständige oder sonst hervorgehobene Bedeutung zu.

(2) Zum anderen hat das Berufungsgericht – wie die Revision mit Recht rügt – rechtsfehlerhaft das dem maßgeblichen Fehlverhalten des Beklagten zu 2 vorangegangene – und gemäß dem vorliegenden Streitstoff möglicherweise pflichtwidrige – Verhalten der Klägerin beziehungsweise ihres Hausverwalters im Rahmen seiner Würdigung nicht hinreichend in den Blick genommen.

(a) Das Berufungsgericht hat insoweit allein darauf abgestellt, die Beklagten könnten sich in Bezug auf das pflichtwidrige Aussageverhalten des Beklagten zu 2 nicht auf eine emotionale Ausnahmesituation berufen, weil der Hausverwalter der Klägerin, von dem die Beklagten ihren Angaben nach beleidigt worden seien, bei ihrer Anhörung nicht anwesend gewesen sei und die Beklagten die bewusst unrichtige Behauptung des Beklagten zu 2 in einem späteren Schriftsatz wiederholt hätten. Es hat indes offengelassen, ob das Vorbringen der Beklagten über die beleidigenden Äußerungen des Hausverwalters ihnen gegenüber („Scheiß Ausländer“, „Assis“), das sie – wie die Revision zutreffend geltend macht – unter Beweis gestellt haben, der Wahrheit entspricht. Ebenso hat es ausdrücklich dahinstehen lassen, ob die amtsgerichtliche Beurteilung zutrifft, wonach die erste – auf eine vertragswidrige Hundehaltung gestützte – Kündigung durch die Klägerin unberechtigt erfolgte.

(b) Damit hat das Berufungsgericht gemäß den oben aufgezeigten Rechtsprechungsgrundsätzen wesentlichen Streitstoff bei seiner Würdigung, ob die festgestellte Pflichtverletzung des Beklagten zu 2 die darauf gestützte Kündigung durch die Klägerin nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB rechtfertigt, unberücksichtigt gelassen.

(aa) Die schuldhafte Pflichtverletzung des Beklagten zu 2 könnte zum einen dann in einem milderen Licht erscheinen, wenn das unter Beweis gestellte Vorbringen der Beklagten zuträfe, wonach sie in der Vergangenheit – mithin vor der Anhörung der Beklagten durch das Amtsgericht – von dem Hausverwalter der Klägerin schwer beleidigt worden sein sollen. Denn in diesem Fall rückte nicht nur der zweite Gesichtspunkt, den der Beklagte zu 2 zur Begründung seiner gegenüber dem Amtsgericht geäußerten Vermutung, die Beklagten sollten aus dem Haus „herausgemobbt“ werden, angeführt hat, namentlich der angeblich seitens der Klägerin beabsichtigte Hausverkauf, weiter in den Hintergrund mit der Folge, dass der aus Sicht des Berufungsgerichts kündigungsrelevanten Aussage des Beklagten zu 2 (noch) weniger Gewicht beizumessen wäre.

Vielmehr handelte es sich bei dem behaupteten Verhalten des Hausverwalters der Klägerin auch um eine die Beklagten schwer kränkende und diskriminierende Straftat (§ 185 StGB), die – unabhängig von der Frage, ob das Verwalterhandeln der Klägerin gemäß § 278 BGB zuzurechnen wäre und deshalb eine Vertragsverletzung ihrerseits darstellte – jedenfalls dem Risikobereich der Klägerin zuzuordnen wäre (vgl. Senatsurteil vom 9. November 2016 – VIII ZR 73/16, NJW-RR 2017, 134 Rn. 17 [zu einer Beleidigung des Hausverwalters durch die Mieterseite]; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., § 543 BGB Rn. 51). Mit Blick auf ein solches Vorgeschehen stellte sich die dem Beklagten zu 2 vorgeworfene Pflichtverletzung daher ebenfalls als weniger schwerwiegend dar.

Die Beachtlichkeit der etwa erfolgten Beleidigungen der Beklagten durch den Hausverwalter der Klägerin entfällt insoweit entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung auch nicht deshalb, weil der festgestellte Pflichtverstoß des Beklagten zu 2 mit diesen behaupteten vorangegangenen Vorfällen nicht in einem zeitlichen oder sachlichen Zusammenhang stehe. Dieser Gesichtspunkt mag für die Bewertung der Schwere des hier zu beurteilenden pflichtwidrigen Verhaltens des Beklagten zu 2 eine Rolle spielen. Eine (unmittelbare) sachliche und/oder zeitliche Nähe zwischen den im Raum stehenden wechselseitigen Pflichtverletzungen ist aber nicht Voraussetzung dafür, dass das vorausgegangene, pflichtwidrige Verhalten des Hausverwalters der Klägerin gegebenenfalls in die Würdigung der Einzelfallumstände einzubeziehen wäre.

(bb) Dem Fehlverhalten des Beklagten zu 2 könnte zum anderen auch dann ein geringeres Gewicht beizumessen sein, wenn es der Abwehr einer unberechtigten Kündigung durch die Klägerin gedient haben sollte, weil es dann die Folge einer ihrerseits begangenen Vertragsverletzung wäre (vgl. Senatsurteil vom 4. Dezember 1985 – VIII ZR 33/85, WuM 1986, 60 unter II 1 a; vgl. auch Senatsurteile vom 11. Januar 1984, BGHZ 89, 296, 302; vom 18. Mai 2005 – VIII ZR 368/03, NJW 2005, 2395 unter II 1 [jeweils zur Einordnung einer unberechtigten Kündigung als positive Vertragsverletzung nach altem Schuldrecht]).

Eine Berücksichtigung dieses Umstands im Rahmen der hier vorzunehmenden Gesamtabwägung schiede gegebenenfalls entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht etwa deshalb aus, weil die erste Kündigung (wegen der Hundehaltung) – ungeachtet ihrer materiell-rechtlichen Wirksamkeit – nicht anlasslos oder willkürlich, sondern auf der Grundlage einer – wenngleich, jedenfalls nach der von der Revisionserwiderung nicht geteilten Auffassung des Erstgerichts, unwirksamen – die Hundehaltung betreffenden Vertragsklausel erfolgt sei. Dieser Gesichtspunkt mag wiederum im Rahmen der Würdigung der Schwere der vorangegangenen Vertragsverletzung durch die Klägerin – insbesondere im Hinblick auf ein ihr vorwerfbares Verschulden – zu beachten und sodann die festgestellte Pflichtverletzung des Beklagten zu 2 dazu ins Verhältnis zu setzen sein. Er führt aber nicht dazu, dass die erste Kündigung, sofern sie zu Unrecht ausgesprochen worden sein sollte, von vornherein nicht in die gebotene Gesamtbetrachtung der Einzelfallumstände einzubeziehen wäre.

3. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

a) Ohne Erfolg macht die Revisionserwiderung geltend, die Kündigung der Klägerin vom 9. Oktober 2020 sei jedenfalls deshalb wirksam, weil in die umfassende Würdigung der Umstände des Einzelfalls noch weitere Gesichtspunkte zu Lasten der Beklagten einzustellen, namentlich erst nach der am 9. Oktober 2020 ausgesprochenen Kündigung begangene – und deshalb gemäß § 573 Abs. 3 Satz 2 BGB berücksichtigungsfähige – schwere Pflichtverletzungen durch den Beklagten zu 2 (gegen den Hausverwalter der Klägerin gerichtete Morddrohungen in einem Telefonat am 10. Januar 2022) zu beachten seien.

Abgesehen davon, dass eine Berücksichtigung dieser Umstände hier schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil es an entsprechenden tatsächlichen Feststellungen durch das Berufungsgericht fehlt, verkennt die Revisionserwiderung auch die Reichweite der Vorschrift des § 573 Abs. 3 Satz 2 BGB.

aa) Nach dieser Regelung können Kündigungsgründe, die in dem Kündigungsschreiben nicht angegeben wurden, (ausnahmsweise) dann berücksichtigt werden, wenn sie nachträglich entstanden sind. Nach zutreffender und – soweit ersichtlich – einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur findet diese Ausnahmevorschrift ausschließlich dann Anwendung, wenn die ursprüngliche Kündigungserklärung zum Zeitpunkt ihres Ausspruchs wirksam war. Ihre Anwendbarkeit ist also auf Fälle beschränkt, in denen ein zunächst gegebener, möglicherweise aber später weggefallener Kündigungsgrund nachträglich durch einen anderen ersetzt oder ergänzt wird. Demgegenüber führt eine wegen Fehlens der Voraussetzungen von Anfang an unwirksame Kündigung auch dann nicht zu einer Vertragsbeendigung, wenn nach ihrem Ausspruch neue Kündigungsgründe entstehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. September 1992- 2 BvR 1035/92; OLG Zweibrücken, WuM 1981, 177, 178; LG Düsseldorf, WuM 1990, 505; LG Aachen, WuM 1991, 495, 496; LG Gießen, WuM 1984, 226 [jeweils zu § 564b Abs. 3 BGB aF]; LG Bochum, ZMR 2007, 452, 455; Schmidt-Futterer/Blank/Börstinghaus, Mietrecht, 15. Aufl., § 573 BGB Rn. 279; Staudinger/Rolfs, BGB, Neubearb. 2021, § 573 Rn. 226; BeckOGK-BGB/Geib, Stand: 1. Juli 2023, § 573 Rn. 177; jurisPK-BGB/Tiedemann, Stand: 26. Juni 2023, § 573 Rn. 229; Lützenkirchen/Lützenkirchen, Mietrecht, 3. Aufl., § 573 BGB Rn. 325 ff.; MünchKommBGB/Häublein, 9. Aufl., § 573 Rn. 140).

Diese Einschränkung lässt sich zwar nicht dem Wortlaut der Bestimmung entnehmen. Sinn und Zweck des in § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB enthaltenen Begründungserfordernisses, dem Mieter zum frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition zu verschaffen und ihn so in die Lage zu versetzen, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen (vgl. Senatsurteil vom 28. April 2021 – VIII ZR 6/19, NJW-RR 2021, 1312 Rn. 14; BT-Drucks. VI/1549, S. 6 f. [zu § 556a Abs. 1 Satz 3, § 564a Abs. 1 BGB aF]; 14/4553, S. 66), gebieten aber eine in der genannten Weise einschränkende Auslegung der in § 573 Abs. 3 Satz 2 BGB enthaltenen Bestimmung über die Berücksichtigungsfähigkeit von nachträglich entstandenen Kündigungsgründen. Denn es liefe dem schutzwürdigen Interesse des Mieters an frühzeitiger Klarheit über die Aussichten einer Verteidigung gegen die Kündigung zuwider, wenn nach dem Ausspruch der Kündigung neu entstandene Kündigungsgründe zur Heilung einer anfänglich – aus formellen oder materiell-rechtlichen Gründen – unwirksamen Kündigung führten. Da der Vermieter wegen nachträglich entstandener Gründe jederzeit eine neue Kündigung aussprechen kann, werden seine Interessen durch ein solches Gesetzesverständnis auch nicht in unbilliger Weise beeinträchtigt.

bb) Für den Streitfall bedeutet dies, dass die von der Revisionserwiderung angeführten nachträglich eingetretenen Umstände entgegen ihrer Auffassung bei der Prüfung der (anfänglichen) Berechtigung der Kündigung durch die Klägerin vom 9. Oktober 2020 nach § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB anhand der in dem betreffenden Kündigungsschreiben angegebenen Gründe nicht herangezogen werden können.

b) Aufgrund der aufgezeigten, dem Berufungsgericht bei der Beurteilung der Erheblichkeit der festgestellten Pflichtverletzung des Beklagten zu 2 unterlaufenen Rechtsfehler können auch die Voraussetzungen einer – in dem Kündigungsschreiben der Klägerin vom 9. Oktober 2020 vorrangig ausgesprochenen – fristlosen Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB wegen dieser Pflichtwidrigkeit nicht bejaht werden. Denn insoweit hat gleichermaßen eine Berücksichtigung und Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zu erfolgen.

c) Eine revisionsrechtliche Prüfung der Frage, ob die weiteren Kündigungen der Klägerin vom 8. Oktober 2021 und vom 20. Januar 2022 das Mietverhältnis zwischen den Parteien beendet haben könnten, kommt nicht in Betracht. Soweit die Revisionserwiderung Gegenteiliges andeutet, übersieht sie, dass das Berufungsgericht die auf diese weiteren Kündigungen gestützte (hilfsweise) Klageänderung (vgl. Senatsurteil vom 4. Februar 2015 – VIII ZR 175/14, BGHZ 204, 134 Rn. 14) in der Berufungsinstanz ausweislich des Sitzungsprotokolls nach Maßgabe des § 533 Nr. 2 ZPO als unzulässig erachtet und zu den diesen Kündigungen zugrunde liegenden Sachverhalten schon deshalb keinerlei Feststellungen getroffen hat.

III.

Nach alledem kann das angefochtene Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die nicht entscheidungsreife Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

 

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Mietrecht & WEG-Recht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Mietrecht und Wohneigentumsrecht. Vom Mietvertrag über Mietminderung bis hin zur Mietvertragskündigung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Rechtstipps aus dem Mietrecht

Urteile aus dem Mietrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!