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Mietpreisüberhöhung (vorsätzliche) – Bußgeld nach § 5 WiStG

Brennerstraße 30Nach § 5 Wirtschaftsstrafgesetz stellt eine vorsätzliche Mietpreisüberhöhung eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einem Bußgeld in Höhe von 50.000 Euro belegt werden kann:

(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder leichtfertig für die Vermietung von Räumen zum Wohnen oder damit verbundene Nebenleistungen unangemessen hohe Entgelte fordert, sich versprechen lässt oder annimmt.

 (2) Unangemessen hoch sind Entgelte, die infolge der Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen die üblichen Entgelte um mehr als 20 vom Hundert übersteigen, die in der Gemeinde oder in vergleichbaren Gemeinden für die Vermietung von Räumen vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage oder damit verbundene Nebenleistungen in den letzten vier Jahren vereinbart oder, von Erhöhungen der Betriebskosten abgesehen, geändert worden sind. Nicht unangemessen hoch sind Entgelte, die zur Deckung der laufenden Aufwendungen des Vermieters erforderlich sind, sofern sie unter Zugrundelegung der nach Satz 1 maßgeblichen Entgelte nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung des Vermieters stehen.

(3) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

Kann nach § 5 WiStG auch ein Bußgeld verhängt werden, wenn die überhöhten Mieten durch den Träger der Sozialhilfe übernommen werden?

OLG Frankfurt

Az: 2 Ss OWi 470/12

Beschluss vom 16.10.2013

Soweit der Betroffene A verurteilt worden ist, wird das angefochtene Urteil mit den Feststellungen zur Ausnutzung eines geringen Wohnraumangebotes sowie zur subjektiven Tatseite aufgehoben. Die übrigen Feststellungen bleiben bestehen.

Im Umfange der
Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Betroffenen, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Frankfurt am Main zurückverwiesen.

Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird verworfen.

Die den Betroffenen A und B aufgrund der zurückgenommenen Rechtsbeschwerde der Amtsanwaltschaft erwachsenen notwendigen Auslagen sowie die insoweit entstandenen Kosten fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

I.

1. Mit Bußgeldbescheid vom 19.11.2009 hatte der Magistrat – Amt für Wohnungswesen – der Stadt … wegen vorsätzlicher Mietpreisüberhöhung gegen den Betroffenen A hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Mietverhältnisse mit den Parteien C, D/E, F und G Geldbußen in Höhe von 10.000 €, 5.000 €, 8.000 € und 9.000 € sowie gegen den Betroffenen B hinsichtlich des Mietverhältnisses D/E in Höhe von 5.000 € festgesetzt. Darüber hinaus hatte der Magistrat die Abführung und Rückerstattung der Mehrerlöse angeordnet.

Auf die hiergegen gerichteten Einsprüche hat das Amtsgericht mit Urteil vom 07.07.2011 den Betroffenen A „wegen zwei Verstößen gegen § 5 WiStG“ zu Geldbußen in Höhe von 4.000 € (Mietverhältnis C) und 1.000 € (Mietverhältnis F) verurteilt. Es hat nach Maßgabe dieser Verurteilung auf Abführung sowie Rückerstattung der Mehrerlöse erkannt und den Betroffenen A im Übrigen freigesprochen. Der Betroffene B ist in vollem Umfange freigesprochen worden.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene A mit seiner form- und fristgerecht eingelegten sowie auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Rechtsbeschwerde. Indes hat die Amtsanwaltschaft ihr zu Ungunsten der beiden Betroffenen eingelegtes Rechtsmittel mit Zuschrift vom 20.09.2011 wieder zurückgenommen.

2. Soweit der Betroffene A verurteilt worden ist, hat das Gericht im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

Der Betroffene ist Eigentümer des Objekts Straße1, das im Bahnhofsviertel der Stadt … belegen ist. Bedingt durch eine seit Jahrzehnten hohe Kriminalitätsrate infolge der Etablierung der Drogenszene und des Rotlichtbereichs mit Straßen- und Bordellprostitution hat das Viertel „Brennpunktcharakter“. Aufgrund dieser Entwicklung leben dort vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen, das sich oftmals alleine aus staatlichen Sozialleistungen speist.

Das vom Betroffenen innegehaltene Anwesen besteht aus mehreren Gebäuden, die zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts errichtet und – nach schweren Schäden im Zweiten Weltkrieg – wieder aufgebaut worden waren. Zudem veranlasste der Betroffene seit Ende der 90er Jahre Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, darunter die Renovierung der Treppenhäuser und die Erneuerung des Putzes sowie der Wand- und Bodenbeläge. Da sich die Wohnungen nach jahrzehntelanger Abnutzung auf dem technischen Stand der 50er Jahre befanden, handelte es sich nicht um Modernisierungsmaßnahmen, die den Gebrauchswert des Wohnraumes nachhaltig erhöhten.

Mit Vertrag vom 17.07.1998 vermietete der Betroffene A eine Wohnung an den Zeugen C sowie eine weitere Einheit mit Vertrag vom 01.07.1999 an den zwischenzeitlich verstorbenen Mieter F. Vereinbart und gezahlt wurden jeweils Mietpreise, die im verfahrensgegenständlichen Zeitraum mehr als 20 % über dem in der Stadt … üblichen Entgelt lagen.

Dabei habe – so das Amtsgericht – der Betroffene A die auf dem … Wohnungsmarkt bestehende Mangellage und das hiermit einhergehende geringe Angebot an vergleichbaren Räumen vorsätzlich ausgenutzt. Als Vermieter und Immobilienkaufmann seien ihm die Verhältnisse auf dem hiesigen Markt, insbesondere das Mietpreisniveau und die Mietspiegel, ebenso bekannt gewesen wie die grundsätzliche Situation der Familien C und F, die aufgrund ihrer Herkunft, des Bildungsgrades, der Sprachkenntnisse sowie der Einkommensverhältnisse bei der Suche nach preisgünstigem Wohnraum benachteiligt gewesen seien. Insoweit sei die Mangellage auf dem … Wohnungsmarkt für die Anmietung der verfahrensgegenständlichen Wohnungen auch ursächlich geworden, nachdem sowohl C als auch F erfolglose Bemühungen entfaltet hätten, preisgünstigere Wohnungen zu finden.

II.

Zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ist der Senat in der Besetzung mit drei Richtern berufen (§ 80a Abs. 2 OWiG). Die zur Abführung und Rückerstattung des Mehrerlöses festgesetzten Beträge sind vermögensrechtliche Nebenforderungen und übersteigen sowohl zusammen mit den verhängten Geldbußen als auch für sich genommen die Wertgrenze von mehr als 5.000 €.

Die Rechtsbeschwerde hat allein mit der Sachrüge einen vorläufigen Teilerfolg. Demgegenüber können die zugleich erhobenen Verfahrensrügen den Bestand des Urteils nicht gefährden.

1. Die Verfahrensrügen sind bereits unzulässig, weil sie den Darlegungsanforderungen nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG nicht genügen.

a) Mit Blick auf die Verfahrensrüge zu Ziffer I.1. der Begründungsschrift fehlt es bereits an einer aus sich selbst heraus verständlichen Beweisbehauptung, da pauschal auf die verfahrensgegenständlichen Wohnungen verwiesen wird („die Gegenstand des Bußgeldbescheides sind“) und unklar bleibt, was unter den Kosten des „entsprechenden Neubaus“ zu verstehen ist.

b) Ebenso wenig liegt der unter Ziffer I.2. gerügten Ablehnung des Beweisantrages eine konkrete Beweistatsache zugrunde. Die vom Betroffenen begehrte Einholung eines Sachverständigengutachtens darüber, dass „ein geringes Angebot an Wohnraum im Sinne des § 5 WiStG nicht mehr gegeben war“, bezieht sich ersichtlich auf eine dem Beweis nicht zugängliche rechtliche Wertung und damit auf bloße Beweisermittlung, ohne dass dargelegt wird, aus welchem Grund die Amtsaufklärungspflicht die Einholung eines (weiteren) Sachverständigengutachtens erfordert hätte. Auch wenn der Betroffene meint, die Ausführungen im Zurückweisungsbeschluss ließen sich mit der Stellungnahme des Wohnungsamtes nicht in Einklang bringen, bleibt unerörtert, weshalb sich das Gericht zu der beantragten Beweiserhebung überhaupt hätte gedrängt sehen müssen und welches konkrete, dem Betroffenen günstige Beweisergebnis zu erwarten gewesen wäre.

c) Unzulässig ist auch die unter Ziff. I.3. erhobene Rüge, soweit hiermit eine Verletzung der Aufklärungspflicht oder des Beweisantragsrechts geltend gemacht wird. Es mangelt wiederum an ausreichendem Vortrag zu den Verfahrenstatsachen.

Im Übrigen setzt sich die vom Amtsgericht vorgenommene Wahrunterstellung nicht in Widerspruch zu den Urteilsgründen.

Dort ist auf Seite 5 – entsprechend der Beweisbehauptung – ausdrücklich festgestellt, dass der Betroffene A zur Durchführung der Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten einen Betrag von 700 € pro Quadratmeter investierte und die Kosten mit einem Bankkredit fremdfinanzierte, der mit 7 Prozent verzinst wurde.

Sofern sich das Urteil nach Auffassung des Betroffenen nicht mit der Frage auseinandersetze, ob die Kosten der Umbaumaßnahmen zuzüglich der Verzinsung zur Angemessenheit der Mieten führen, um die laufenden Aufwendungen zu decken (§ 5 Abs. 2 Satz 2 WiStG), handelt es sich lediglich um Ausführungen zur Sachrüge. Die Behauptung eines solchen Darlegungs- und Erörterungsmangels geht jedoch fehl. Wie sich den Gründen entnehmen lässt, hat das Amtsgericht auch die Höhe der Renovierungs- und Fremdfinanzierungskosten in die Erwägungen einbezogen und in das Verhältnis zu den vereinbarten Mieten gesetzt.

d) Als unzulässig versagt zudem die unter Ziff. I.4. erhobene Aufklärungsrüge, da sie wiederum auf eine rechtliche Wertung und nicht auf eine konkrete Beweistatsache bezogen ist („dass in dem hier streitbefangenen Zeitraum … kein geringes Angebot im Sinne des § 5 WiStG … vorlag“). Zum Ausdruck gebracht wird damit nur das Beweisziel, mithin die vom Betroffenen aus der begehrten Beweiserhebung erhoffte Schlussfolgerung. Mit der Wiedergabe dessen, was der Sachverständige … im Rahmen der Hauptverhandlung angeblich ausgesagt habe, kann der Betroffene ohnehin nicht gehört werden. Diese – zugleich auf eine Verletzung des § 261 StPO gestützten – Ausführungen sind ohne eine Rekonstruktion der Beweisaufnahme nicht nachprüfbar, die dem Senat als Rechtsbeschwerdegericht jedoch verwehrt ist. Auch ein konkretes, dem Betroffenen günstiges Beweisergebnis wird nicht hinreichend bestimmt dargelegt. Das Vorbringen erschöpft sich in der Behauptung einer unzulänglichen Beweisaufnahme. Dies allein kann aber nicht Angriffsrichtung einer Aufklärungsrüge sein.

e) Sollte die Beanstandung, das Amtsgericht habe die Mietpartei F nicht selbst, sondern lediglich dessen Kinder als Zeugen vernommen (RB S. 8), ebenfalls als Aufklärungsrüge zu verstehen sein, genügt auch sie den Begründungsanforderungen nicht. So teilt der Betroffene schon nicht mit, welche von den übrigen Aussagen abweichenden Bekundungen des – zwischenzeitlich verstorbenen – Mieters zu erwarten gewesen wären.

2. Hingegen führt die Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und eines Teiles der zugrundeliegenden Feststellungen. Die Annahme des Amtsgerichts, der Betroffene A habe in Kenntnis der Marktlage sowie der persönlichen Situation der Mietparteien unangemessen hohe Entgelte vereinnahmt, beruht auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage.

Nach § 5 Abs. 1 WiStG handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder leichtfertig für die Vermietung von Räumen zum Wohnen oder damit verbundene Nebenleistungen unangemessen hohe Entgelte fordert, sich versprechen lässt oder annimmt. Anknüpfend an die Legaldefinition des Absatzes 2 setzt die Unangemessenheit voraus, dass das vereinbarte Entgelt „infolge der Ausnutzung eines geringen Angebots“ an vergleichbaren Räumen das übliche Entgelt um mehr als 20 vom Hundert übersteigt. Neben der objektiven Überhöhung des Mietpreises sind also insbesondere eine „Ausnutzung“ der Marktsituation und deren Ursächlichkeit für die Vereinbarung des Entgelts erforderlich.

Dabei kann die „Ausnutzung“ nicht allein mit dem Verhalten des Vermieters und der Lage auf dem maßgeblichen Wohnungsmarkt begründet werden. Vielmehr muss sich dieses Merkmal auch auf die Person des Mieters beziehen (vgl. BGH, NJW 2004, 1740, 1741; NJW 2005, 2156; Senat, Beschlüsse vom 25.06.2009 – 2 Ss-OWi 82/09 und 83/09). Denn der Bußgeldtatbestand des § 5 WiStG verfolgt insoweit einen doppelfunktionalen Schutzzweck:

Die Vorschrift richtet sich zum einen gegen Störungen der sozialen Marktwirtschaft aufgrund einer unangemessenen Preisbildung (vgl. BT-Drs. 6/1549 S. 11; ferner BT-Drs. 2/2136 S. 3; BVerfG, WuM 1999, 382). Zum anderen soll über diesen ordnungspolitischen Gesichtspunkt hinaus zugleich der Mieter geschützt werden (vgl. BT-Drs. 4/573 S. 3; BT-Drs. 6/1549 S. 6; OLG Frankfurt am Main, NZM 2000, 1219, 1220). Zusammen mit der im Allgemeininteresse liegenden Appel- und Präventivfunktion intendiert § 5 WiStG damit auch und gerade eine Schutzfunktion im Einzelfall (vgl. BT-Drs. 14/4553 S. 78).

Wegen dieser zugleich individualbezogenen Zweckrichtung des Gesetzes können die Situation und die zum Vertragsschluss führende Motivation des Mieters nicht unbeachtet bleiben.

Wer nämlich eine objektiv bestehende Ausweichmöglichkeit nicht wahrnimmt und die geforderte Miete ohne weiteres oder aus persönlichen Gründen zu zahlen bereit ist, wird nicht „ausgenutzt“ (vgl. BGH und Senat a.a.O.; Lampe, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 195. Lfg., § 5 WiStG Rn. 14).

a) Gemessen an diesen Grundsätzen legt das angefochtene Urteil eine Ausnutzung der Mietparteien C und F nicht in ausreichendem Maße dar. Soweit die Familien vor der Anmietung jeweils „vielfältige Bemühungen“ entfaltet hätten, um andere preisgünstigere Wohnungen zu finden, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen, in welchem tatsächlichen Umfange und mit welcher Ernsthaftigkeit die Suche betrieben wurde und ob sich daraus indiziell das Angewiesensein auf die Wohnungen des Betroffenen ergibt. Entsprechendes gilt für die vagen Angaben der Zeugin … F, sie sei bei „mehreren Besichtigungen“ dabei gewesen, doch seien die betreffenden Wohnungen letztlich zu teuer gewesen. Auch mit Blick auf den Zeugen C belegt die erfolglose Wohnungssuche „in der Zeitung“ und die Prüfung von Angeboten „von ein oder zwei Maklern“ nicht das Fehlen anderweitiger, noch unschwer zumutbarer Ausweichmöglichkeiten.

b) Vor allem aber wird hier die Besonderheit ausgeblendet, dass die Mieten vom Sozialamt getragen wurden. Dies lässt sich allein dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen und findet seinen Niederschlag u.a. in der Feststellung, dass die Mieter C, F und D ihre Rückerstattungsansprüche gemäß § 9 WiStG an die Stadt … abgetreten haben. Indes setzt sich das Amtsgericht mit diesem Gesichtspunkt nicht weiter auseinander.

Zwar steht der Umstand, dass die Mieten durch den Träger der Sozialhilfe übernommen werden, für sich genommen noch nicht der Anwendung des § 5 WiStG entgegen. Da der Eintritt eines dem Mieter erwachsenen Vermögensnachteils keine Tatbestandsvoraussetzung ist, ist es unter diesem Gesichtspunkt auch unerheblich, ob der Schaden bei einem Dritten eingetreten ist oder von diesem kompensiert wurde. Dass bei einer Kostenübernahme gleichwohl der Tatbestand des § 5 WiStG erfüllt sein kann, entspricht zudem der zivilrechtlichen Rechtsprechung. Auch wenn das Sozialamt die Mieten trägt, verbleibt es bei einem auf § 5 WiStG i.V.m. §§ 812 Abs. 1, 134 BGB gestützten Bereicherungsanspruch (vgl. LG Berlin, WuM 2001, 609; LG Freiburg, WuM 1992, 550).

Allerdings kann bei öffentlich-rechtlicher Kostenübernahme eine „Ausnutzung“ des Mieters zweifelhaft sein, weil und soweit ihm in Ermangelung einer persönlichen Belastung die Höhe des vereinbarten Entgelts schlichtweg gleichgültig ist. Tritt das Sozialamt – wie hier – für die Kosten ein, kommt eine „Ausnutzung“ regelmäßig nur in zwei Konstellationen in Betracht.

 (1) Ihre Annahme ist zunächst dann gerechtfertigt, wenn das Amt eine – vom Tatrichter festzustellende – Höchstgrenze für die übernommenen Mietkosten vorgegeben hat und sich der Mieter in Anbetracht des geringen Wohnraumangebotes und des ihm gesetzten Kostenrahmens gezwungen sieht, auf eine nach Größe und Ausstattung minderwertige Wohnung auszuweichen. Denn auch in diesem Fall wirken sich das geringe Angebot und die hierdurch bedingte Mangellage auf die Vereinbarung eines unangemessen hohen Entgelts aus:

Der Mieter ist gehalten, eine dem Preis-Leistungs-Verhältnis nicht entsprechende Wohnung zu nehmen und sich damit auf einen übersetzten Quadratmeterpreis einzulassen. Für die Beurteilung der Unangemessenheit des Entgelts ist es ohne Bedeutung, ob für eine nach den individuellen Bedürfnissen ausgewählte Wohnung notgedrungen mehr gezahlt wird oder bei Zahlung einer niedrigeren – da der Höhe nach vorgegebenen – Miete zwangsläufig auf eine minderwertige Wohnung zurückgegriffen werden muss. In beiden Fällen erhält der Mieter im Verhältnis weniger, als es dem Ortsüblichen entspricht, so dass sich jeweils auch die Ursächlichkeit der Marktstörung für die Vereinbarung der Entgelte zeigt.

 (2) Anders liegen die Dinge, wenn das Sozialamt, das zur Prüfung der vom Vermieter erhobenen Forderung in eigener Verantwortung berechtigt ist (vgl. LG Berlin, WuM 2001, 609; AG Frankfurt am Main, WuM 1992, 446), zur Zahlung des überhöhten Entgelts und zur Übernahme nicht geschuldeter Kosten bereit ist, um eine andernfalls drohende Obdachlosigkeit abzuwenden. In einer solchen Konstellation bedarf es der Mitteilung, welche Eigeninitiative zuvor vom Mieter verlangt wurde und welche Anstrengungen dieser unternommen hat.

Ansonsten bliebe offen, ob ihm die Preisgestaltung gleichgültig war und ihn die objektiv bestehende Mangellage überhaupt persönlich betroffen hat.

Nach dieser Variante ist also festzustellen, wie die behördlichen Vorgaben im Rahmen der Wohnungssuche aussahen und welche konkreten Bemühungen das Amt vorausgesetzt hat. Ebenso ist darzulegen, dass der Mieter diesen Anforderungen auch tatsächlich nachgekommen ist, ohne dabei preisgünstigeren Wohnraum gefunden zu haben.

Eine Erörterung dieser Gesichtspunkte ist dem angefochtenen Urteil jedoch nicht zu entnehmen. Aus den Feststellungen lässt sich nicht ersehen, in welcher Höhe das Sozialamt die Mietkosten übernommen hat, an welche Voraussetzungen dies geknüpft war und ob die Mieter C und F entweder aufgrund einer ihnen gesetzten Preisgrenze oder aber nach erfolglosen, von Behördenseite vorgegebenen Bemühungen die Wohnungen des Betroffenen angemietet haben.

c) Spiegelbildlich zu diesen objektiven Umständen stellt das Gericht auch den Vorsatz nicht hinreichend fest. Dazu gehört, dass dem Vermieter die Zwangslage des Mieters bewusst ist oder er diese zumindest für möglich hält und billigend in Kauf nimmt (vgl. BGH, NJW 2005, 2156 f.; Lampe, in: Erbs/Kohlhaas a.a.O., § 5 WiStG Rn. 14). Insoweit teilt das Urteil aber lediglich mit, dass dem Betroffenen aufgrund seiner langen Erfahrung als Vermieter „auch die grundsätzliche Situation“ der Familien C und F bekannt gewesen sei, die aufgrund ihrer Herkunft, des Bildungsgrades, der Sprachkenntnisse und der Einkommensverhältnisse bei der Suche nach preisgünstigem Wohnraum „benachteiligt“ gewesen seien. Lückenhaft ist zugleich die Beweiswürdigung, weil unerörtert bleibt, woraus sich dem Betroffenen diese Tatsachen im Einzelnen erschlossen haben.

d) Aufzuheben waren damit die bisherigen und insoweit unzureichenden Feststellungen zur Ausnutzung eines geringen Angebotes sowie zur subjektiven Tatseite. Dies betrifft namentlich die Ausführungen auf Seite 9 des Urteils, letzter Absatz, bis Seite 11 sowie auf Seite 40, zweiter Absatz, bis Seite 43, vorletzter Absatz. Die übrigen Feststellungen, insbesondere zu der Mangellage und dem mit sachverständiger Beratung ermittelten geringen Wohnraumangebot, den durchgeführten Renovierungsarbeiten sowie der Aufschlüsselung der überhöhten Entgelte, sind rechtsfehlerfrei getroffen und können daher bestehen bleiben.

Dem neuen Tatrichter sind ergänzende Feststellungen, auch zu den persönlichen Verhältnissen, gestattet, sofern er sich zu den bestehenden Feststellungen nicht in Widerspruch setzt.

Da die Urteilsaufhebung zwingend den Rechtsfolgenausspruch erfasst, bedarf auch die Anordnung vermögensrechtlicher Nebenfolgen nach §§ 8, 9 WiStG neuer Verhandlung und Entscheidung.

Abweichend von § 79 Abs. 6 OWiG hielt es der Senat für angebracht, die Sache gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen.

III.

Die Kosten des zurückgenommenen Rechtsmittels der Amtsanwaltschaft und die den Betroffenen insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen waren gemäß §§ 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 StPO i.V.m. §§ 46 Abs. 1, 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG der Staatskasse aufzuerlegen. Dass über den endgültigen Erfolg der Rechtsbeschwerde des Betroffenen A noch nicht entschieden ist, steht dem nicht entgegen, weil beide Rechtsmittel kostenrechtlich getrennt zu behandeln sind.

Da nunmehr der Senat mit der Sache befasst war, hatte er auch über die Kosten der zurückgenommenen Rechtsbeschwerde zu entscheiden.

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