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Mietvertrag – Wirksamkeit einer hilfsweise erklärten Mietvertragskündigung

LG Berlin – Az.: 65 S 27/19 – Urteil vom 12.04.2019

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des AG Pankow/Weißensee vom 05.12.2018 – 7 C 181/18 – abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, die ca. 33,40 qm große Wohnung … Str. 12, …Berlin, 1. OG rechts zu räumen und an die Klägerin geräumt herauszugeben.

Der Beklagte hat die Kosten beider Instanzen zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Dem Beklagten wird eine Räumungsfrist von sechs Monaten gewährt.

Gründe

I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 313 a, 540 Abs. 3 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist begründet. Die der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung, §§ 513, 529, 546 ZPO.

Die Klägerin hat Anspruch auf Rückgabe der Mietsache gemäß § 546 Abs. 1 BGB.

Gemäß § 546 Abs. 1 BGB ist der Mieter nach Beendigung des Mietverhältnisses zur Rückgabe der Mietsache verpflichtet.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor, weil die mit Schreiben der Klägerin vom 20.04.2018 erklärte fristlose Kündigung das Mietverhältnis der Parteien beendet hat.

Gemäß § 543 Abs. 1 S. 1 BGB kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem der Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist, § 543 Abs. 2 Nr. 3a BGB.

So liegt es hier.

Der Beklagte hat unstreitig im Zeitraum von Januar bis März 2018 die geschuldete Gesamtmiete in Höhe von 509,94 € nicht entrichtet, sondern lediglich Teilzahlungen geleistet (am 09.01.2018: 60,- €; am 22.02.2018: 280,- € und am 26.03.2018: 100,- €). Damit war von dem für diesen Zeitraum geschuldeten Mietbetrag in Höhe von 1.529,82 € lediglich ein Teilbetrag von 440,- € entrichtet worden, so dass ein offener Restbetrag in Höhe von 1089,82 € verblieb. Damit ist zugleich ein nicht unerheblicher Teil der Miete im Sinne von § 543 Abs. 3a BGB rückständig, weil der Rückstand die Miete für einen Monat übersteigt, § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB.

Die Abweisung der Klage durch das Amtsgericht widerspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 19.09.2018 (zu der vom Beklagten in der Berufungserwiderung zitierten Entscheidung der Zivilkammer 66 vom 16.10.2017 – 66 S 90/17 -) entschieden (BGH, Urteil vom 19. September 2018 – VIII ZR 231/17 –, Rn. 16, juris):

„…Ein Vermieter, der von der Kündigungsmöglichkeit des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB Gebrauch macht und diese mit einer hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung nach § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB verbindet, macht damit nicht nur deutlich, dass die fristlose Kündigung Vorrang haben soll (so aber das Berufungsgericht), sondern erklärt zugleich, dass die ordentliche Kündigung in allen Fällen Wirkung entfalten soll, in denen die zunächst angestrebte sofortige Beendigung des Mietverhältnisses aufgrund einer – entweder bei Zugang des Kündigungsschreibens schon gegebenen oder einer nachträglich gemäß § 543 Abs. 2 Satz 3 BGB (unverzügliche Aufrechnung durch Mieter) oder § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB (Schonfristzahlung oder behördliche Verpflichtungserklärung) rückwirkend eingetretenen – Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung fehlgeschlagen ist. Dies ergibt sich aus einer sachgerechten Auslegung (§§ 133, 157 BGB) der Kündigungserklärung…“

Dabei ist nach der Rechtsprechung des BGH die Erklärung des Vermieters so auszulegen, dass dieser – falls die vorrangig gewollte sofortige Beendigung des Mietverhältnisses nicht eintritt – das Mietverhältnis jedenfalls mit Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist sein Ende finden soll.

Aufgrund verschiedener rechtlicher Möglichkeiten, aufgrund derer eine wirksame fristlose Kündigung nachträglich unwirksam wird (Tilgung der Rückstände durch unverzügliche Aufrechnung, Schonfristzahlung oder Verpflichtung einer öffentlichen Stelle zur Befriedigung des Vermieters) kann es dazu kommen, dass trotz der wirksamen fristlosen Kündigung das Mietverhältnis rückwirkend betrachtet als ununterbrochen fortgeführt gilt (BGH, aaO, zitiert nach juris; dort Rn. 19).

Maßgeblich hat der Bundesgerichtshof insbesondere darauf abgestellt, dass es dem Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraumes unbenommen bleibe, diese Gestaltungswirkung, welche die Kündigung mit ihrem Zugang erfährt, rückwirkend entfallen zu lassen. Der Gesetzgeber hat von diesem Gestaltungsrecht bei der Schaffung der Regelung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB Gebrauch gemacht, in dem er durch eine gesetzliche Fiktion die durch die Kündigung ausgelöste Rechtswirkung der Beendigung des Mietverhältnisses rückwirkend als nicht eingetreten behandelt (BGH aaO, zitiert nach juris; dort Rn. 23 und Rn. 24 mwN). Wenn sich diese gesetzliche Fiktion einer rückwirkenden Unwirksamkeit nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Norm des § 569 Abs. 3 BGB ergibt, folgt dies nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus dem Regelungszweck und der Entstehungsgeschichte dieser Regelung und hat schließlich im systematischen Zusammenhang mit § 543 Abs. 2, S. 3 BGB seine Stütze (BGH, aaO, zitiert nach juris; dort Rn. 26).

Der Bundesgerichtshof weist in der zitierten Entscheidung zudem darauf hin, dass die Schonfristzahlung nur dann gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2, S. 2 BGB nicht zur nachträglichen Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung führt, wenn dieser Kündigung bereits vor nicht länger als zwei Jahren eine nach Satz 1 unwirksam gewordene Kündigung vorausgegangen ist.

So liegt es hier.

Nachdem vorliegend seitens des Jobcenters Berlin die Rückstände des Beklagten im Mai 2018 ausgeglichen wurden, hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass gegenüber dem Beklagten bereits unter dem 22.2.2017 eine fristlose Kündigung wegen Verzuges mit den Mietzahlungen für die Monate Januar und Februar 2017 ausgesprochen worden war, was unstreitig ist.

Die Auffassung des Amtsgerichts, dass diese Kündigung vom 22.02.2017 den Begründungsanforderungen des § 569 Abs. 4 BGB nicht genüge, trägt nicht.

Der Bundesgerichtshof hat bereits in der Entscheidung vom 12.05.2010 zu den Begründungsanforderungen einer Kündigung das nachfolgend Zitierte ausgeführt (BGH Urteil vom 12.05.2010 -VIII ZR 96/09- zitiert nach juris; dort Rn. 26 f):

„…Zum Zweck des § 569 Abs. 4 BGB ist im Gesetzgebungsverfahren hervorgehoben worden, dass dem Kündigungsempfänger die Möglichkeit gegeben werden sollte zu erkennen, auf welche Vorgänge oder auf welches Verhalten der Vermieter die fristlose Kündigung stützt und ob oder wie er sich als Mieter hiergegen verteidigen kann, ohne dass dabei jedoch an den Inhalt der Begründung zu hohe oder übertrieben formalistische Anforderungen gestellt werden sollten (BT-Drs. 14/4553 S. 91; 14/5663 S. 82). Hiervon ausgehend hat der Senat für einfache und klare Fallgestaltungen einer auf Zahlungsverzug des Mieters gestützten Kündigung entschieden, dass das berechtigte Interesse des Mieters es nicht gebietet, dass der Vermieter zur Begründung der fristlosen Kündigung den genauen Zeitpunkt und den konkreten Mietrückstand für einzelne Monate oder sonstige Berechnungszeiträume angibt. Es genügt für die formelle Wirksamkeit einer Kündigung vielmehr, dass der Mieter anhand der Begründung des Kündigungsschreibens erkennen kann, von welchem Rückstand der Vermieter ausgeht, und dass der Vermieter diesen Rückstand als gesetzlichen Grund für die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs heranzieht.

Bei einer einfachen Sachlage reicht es hiernach aus, dass der Vermieter den Zahlungsverzug als Kündigungsgrund angibt und den Gesamtbetrag der rückständigen Miete beziffert. Denn der Mieter ist in einem solchen Fall in aller Regel ohne Weiteres in der Lage, die Berechtigung der Kündigung anhand eines einfachen Vergleichs der geschuldeten mit der gezahlten Miete auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen und in eigener Verantwortung zu entscheiden, wie er hierauf reagieren will (Senatsbeschlüsse vom 22. Dezember 2003 – VIII ZB 94/03, NJW 2004, 850, unter II 2 b; vom 30. Juni 2004 – VIII ZB 31/04, NZM 2004, 699, unter II 1; Senatsurteil vom 4. Februar 2009, aaO). …“

Diesen Anforderungen entspricht das Kündigungsschreiben vom 22.02.2017, weil darin der Gesamtbetrag des Rückstandes mit 991,67 € unter Verweis auf den als Anlage beigefügten Kontoauszug angegeben ist.

Aus diesem Mietkontoauszug ist unschwer zu erkennen, dass unter der Überschrift „Buchungen aus dem Vorjahr“, hier 2016, die zugehörigen Zahlungsbewegungen aufgelistet sind und das Vorjahr mit einem Guthaben des Beklagten in Höhe von 14,79 € endet. Unter der Überschrift „Buchungen aus dem aktuellen Jahr“ – mithin 2017 – ist auf den ersten Blick ersichtlich, dass außer dem Saldovortrag (+14,79 €) für 2017 keine Zahlungen eingegangen sind, mithin für die dort aufgelisteten Mietmonate Januar und Februar 2017 keine Mieten gezahlt wurden, was zwanglos zu dem angegebenen Saldo führt. Es lag mithin ein einfacher Fall im Sinne der vorgenannten höchstrichterlichen Rechtsprechung vor.

Insofern war vorliegend eine wirksame fristlose Kündigung aufgrund des Kündigungsschreibens vom 22.02.2017 gegeben, die weniger als zwei Jahre vor der streitgegenständlichen Kündigung gleichfalls wirksam ausgesprochen wurde, welche hier dem Unwirksamwerden der Kündigung vom 20.04.2018 § 569 Abs. 3 Nr. 2 S. 2 BGB entgegen steht.

Soweit der Beklagte erstmalig im zweiten Rechtszug einwendet, die Miethöhe verstoße gegen § 5 WiStG und § 134 BGB, kann dieses neue Verteidigungsvorbringen gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zugelassen werden, weil die Miethöhe sich zwischen den Instanzen schon nach dem Inhalt des Beklagtenvortrages nicht verändert hat. Gründe, weshalb dieses Vorbringen nicht bereits im ersten Rechtszug erfolgt ist, sind nicht vorgebracht, so dass andere Gründe als Nachlässigkeit der Partei insoweit nicht ersichtlich sind.

Es kommt daher nicht darauf an, dass dieser Vortrag des Beklagten auch nicht von der erforderlichen Substanz ist. Zum einen ist schon das einschlägige Mietspiegelfeld nicht vorgetragen, so dass die Ortsüblichkeit der Ausgangsmiete nach dem Akteninhalt nicht festgestellt werden kann. Darüber hinaus wäre für das behauptete Übersteigen der ortsüblichen Vergleichsmiete um 100 % Tatsachenvortrag zu den wohnwerterhöhenden und/oder wohnwertmindernden Merkmalen erforderlich gewesen, was gleichfalls unterblieb. Schließlich ist nicht dargetan, wann die letzte Indexmieterhöhung erfolgte; eine entsprechende Erklärung ist nicht zur Akte gelangt. Eine Auseinandersetzung mit der Zulässigkeit der Höhe der unbekannten Indexerhöhung fehlt vollständig.

Entgegen der Ansicht des Beklagten führt der Hinweis auf § 19 des Mietvertrages zu keiner anderen Bewertung. Diese vertragliche Bestimmung war in dem vermieterseitig nur auszugsweise eingereichten Mietvertrag nicht enthalten. Selbst bei unterstellter Richtigkeit der mieterseitig zitierten Klausel kann daraus eine Pflicht der Klägerin zur Fortführung des Mietverhältnisses nicht entnommen werden. Diese räumt der Vermieterseite nur das Recht und damit die tatsächliche Möglichkeit zur Einholung einer Schufa-Auskunft den Mieter betreffend ein mit dem Ziel, die wirtschaftliche Situation des Mieters dahingehend zu überprüfen, ob ein Wiederaufleben des Mietverhältnisses erfolgversprechend ist. Eine Pflicht zu einem derartigen Vorgehen ist daraus nicht ableitbar.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern. Eine aktuelle Entscheidung des Revisionsgerichts liegt vielmehr vor.

Dem Beklagten war hier eine Räumungsfrist zu gewähren. Schon in seinem Schreiben an das Gericht vom 18.06.2018 hat der Beklagte angeführt, dass er der Obdachlosigkeit anheimfalle, woraus geschlossen werden kann, dass ihm keine Möglichkeit zur Verfügung steht, zeitweilig bei der Familie oder Freunden eine Unterkunftsmöglichkeit zu erhalten. Aufgrund des erstinstanzlich abweisenden Urteils mag sich der Beklagte zudem in Sicherheit gewogen haben. Im Hinblick auf die Situation auf dem Berliner Wohnungsmarkt kann nicht davon ausgegangen werden, dass es dem Beklagten – der zudem auf staatliche Transferleistungen angewiesen ist – gelingen wird, kurzfristig Wohnraum anzumieten.

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