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Voraussetzungen einer Verwertungskündigung

LG Köln – Az.: 9 S 18/18 – Urteil vom 21.03.2018

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 20.12.2016 (Az. 219 C 343/16) teilweise abgeändert und der Beklagte verurteilt, das Einfamilienhaus F-Straße, … K., zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.

1. Der Beklagte ist zur Räumung und Herausgabe des Hauses F-Straße gem. § 546 Abs. 1 BGB verpflichtet, nachdem die Klägerin das Mietverhältnis mit Kündigung vom 03.06.2016 wirksam beendet hat.

a. Durch formell ordnungsgemäßes Kündigungsschreiben vom 03.06.2016 (Anlage LLR 13 zur Klageschrift vom 01.09.2016) hat die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis wirksam zum Ablauf des 28.02.2017 beendet.

b. Die Voraussetzungen einer Verwertungskündigung gem. § 573 Abs. 1 S. 1, 2 Nr. 3 BGB sind erfüllt. Nach dieser Vorschrift ist ein berechtigtes Interesse des Vermieters an einer Beendigung des Mietverhältnisses anzunehmen, wenn der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert ist und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde.

aa. Der von der Klägerin geplante Abriss des vorhandenen Gebäudes und seine Ersetzung durch einen Neubau stellt grundsätzlich eine wirtschaftliche Verwertung des Grundstücks dar (vgl. BGH, Urt. v. 24.03.2004, Az. VIII ZR 188/03, NJW 2004, 1736; Urt. v. 28.01.2009, Az. VIII ZR 8/08, NJW 2009, 1200).

bb. Die seitens der Klägerin beabsichtigte Verwertung ist auch angemessen i.S.d. § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Angemessen i.S.d. § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB ist eine wirtschaftliche Verwertung dann, wenn sie von vernünftigen, nachvollziehbaren Erwägungen getragen wird (BGH, Urt. v. 28.01.2009, Az. VIII ZR 8/08, NJW 2009, 1200). Hiervon ist auszugehen, wenn der Erhalt des bestehenden Gebäudes unrentabel ist und einem Neubau keine Gründe des Denkmalschutzes oder bauordnungsrechtlichen Hindernisse entgegenstehen (vgl. Blank in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Aufl., § 573 Rn. 166 m.w.N.).

Das Grundstück weist derzeit eine Wohnflächenbebauung von 268 m² auf. Nach dem Neubauvorhaben der Klägerin, für welches bereits eine Baugenehmigung vorhanden ist (Anlage BKL LLR 3 zum Schriftsatz der Klägerin vom 31.03.2017, Bl 418 ff. d.A.) sollen 24 Wohnungen mit einer Gesamtwohnfläche von über 1.800 m² entstehen (s. Förderzusage der Stadt Köln vom 12.12.2016, Anlage BKL LLR 2 zum Schriftsatz der Klägerin vom 31.03.2017, Bl 408 ff. d.A.). Der bislang vorhandene Wohnraum soll mehr als versechsfacht werden. Das Bauvorhaben wird mit öffentlichen Mitteln zur Förderung von Wohnraum für Flüchtlinge und Asylbewerber gefördert (s. Förderzusage der Stadt Köln vom 12.12.2016, Anlage BKL LLR 2 zum Schriftsatz der Klägerin vom 31.03.2017, Bl 408 ff. d.A.). Ein mit der Stadt Köln abgeschlossener Mietvertrag liegt bereits vor (Anlage LLR 17 zum Schriftsatz der Klägerin vom 06.12.2016, Bl 185 ff. d.A.). Die wirtschaftliche Rentabilität dieser drastischen Erweiterung des Wohnraums hat die Klägerin, was unbestritten geblieben ist, mit der Klageschrift vom 01.09.2016 (Bl 14 ff. d.A.) umfassend dargelegt. Im Falle der Realisierung des Neubauvorhabens wäre der Klägerin die Erzielung eines Jahresüberschusses in Höhe von 47.671,12 EUR (s. S. 17 der Klageschrift vom 01.09.2016, Bl 17 d.A.) möglich. Demgegenüber ist der Erhalt des bestehenden Gebäudes schon ohne Berücksichtigung etwaiger notwendiger Sanierungskosten bereits deswegen unrentabel, weil die Klägerin bei einem Fortbestand der Bebauung im vorhandenen Zustand überhaupt keinen Jahresüberschuss zu erwirtschaften vermag. Es wird insoweit auf den Schriftsatz der Klägerin vom 01.09.2016 (Seiten 13 ff., Bl 13 ff. d.A.) Bezug genommen (Jahresnettomiete 18.765,96 EUR abzgl. nicht umlagefähiger Nebenkosten Grundsteuer B und Versicherungen 546,11 EUR + 866,07 EUR abzgl. Bewirtschaftungskosten 2.572,80 EUR = 14.780,98 EUR abzgl. Finanzierungskosten ohne Sanierung (770.500 EUR x 1,859% p.a. = 14.323,59 EUR) = 457,39 EUR Betriebsergebnis p.a. vor Tilgung (Tilgung 2% bei 770.500 EUR: 15.410 EUR)). Vor diesem Hintergrund entspricht die geplante Neubebauung vernünftigen wirtschaftlichen Überlegungen.

Auch handelt es sich bei dem Bauprojekt nicht etwa um ein rechtlich missbilligtes Vorhaben, bei welchem gegebenenfalls eine unangemessene Verwertung anzunehmen wäre. Dies mag unter Umständen anzunehmen sein, wenn im Falle der gewerblichen Immobilienentwicklung Grundstücke aufgekauft werden, um intakte Bausubstanz zum Zwecke der besseren Renditeerzielung durch neue Bausubstanz zu ersetzen (vgl. LG Berlin, Urt. v. 25.09.2014, Az. 67 S 207/14, NJW-RR 2015, 334), ferner bei Spekulations- und Risikogeschäften (vgl. Blank in: Schmitt-Futterer, Mietrecht, 13. Aufl. 2017, § 573 BGB Rdnr. 161). Im vorliegenden Fall soll jedoch nicht vorhandene Bausubstanz lediglich ersetzt, sondern im Wesentlichen neue Wohnfläche geschaffen werden. Auch handelt es sich, wie sich aus den Berechnungen der Klägerin sowie dem Umstand der bewilligten öffentlichen Förderung ergibt, nicht um ein Risikogeschäft. Es handelt sich im Ergebnis nicht um ein rechtlich missbilligtes, sondern ein (mit öffentlichen Mitteln) förderungswürdiges Vorhaben.

cc. Bei Fortbestehen des Mietverhältnisses ist die Klägerin an der beabsichtigten Verwertung des Grundstücks verhindert.

dd. Hierdurch würde sie ferner erhebliche Nachteile erleiden.

(1) Die Beurteilung der Frage, ob dem Eigentümer durch den Fortbestand eines Mietvertrags ein erheblicher Nachteil entsteht, ist vor dem Hintergrund der Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) und damit des grundsätzlichen Bestandsinteresses des Mieters, in der bisherigen Wohnung als seinem Lebensmittelpunkt zu verbleiben, vorzunehmen (BGH, Urt. v. 28.01.2009, Az. VIII ZR 8/08, NJW 2009, 1200; Urt. v. 09.02.2011, Az. VIII ZR 155/10, NJW 2011, 1135). Das Eigentum gewährt dem Vermieter vor diesem Hintergrund keinen Anspruch auf Gewinnoptimierung oder auf Einräumung gerade der Nutzungsmöglichkeiten, die den größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil versprechen (BGH, Urt. v. 28.01.2009, Az. VIII ZR 8/08, NJW 2009, 1200; Urt. v. 09.02.2011, Az. VIII ZR 155/10, NJW 2011, 1135). Auch das Besitzrecht des Mieters an der gemieteten Wohnung ist Eigentum i.S. von Art. 14 Abs. 1 GG und deshalb grundgesetzlich geschützt (BVerfG, Beschl v. 26.05.1993, Az. 1 BvR 208/93, NJW 1993, 2035). Auf der anderen Seite dürfen die dem Vermieter entstehenden Nachteile jedoch keinen Umfang annehmen, welcher die Nachteile weit übersteigt, die dem Mieter im Falle des Verlustes der Wohnung erwachsen versprechen (BGH, Urt. v. 28.01.2009, Az. VIII ZR 8/08, NJW 2009, 1200; Urt. v. 09.02.2011, Az. VIII ZR 155/10, NJW 2011, 1135). Die im Rahmen des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB erforderliche Abwägung zwischen dem grundsätzlichen Bestandsinteresse des Mieters und dem Verwertungsinteresse des Eigentümers ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und der konkreten Situation des Vermieters vorzunehmen (BGH, Urt. v. 28.01.2009, Az. VIII ZR 8/08, NJW 2009, 1200; Urt. v. 09.02.2011, Az. VIII ZR 155/10, NJW 2011, 1135).

(2) Auf Seiten der Klägerin ist zunächst zu berücksichtigen, dass eine Beibehaltung der derzeitigen Bewirtschaftungsform des Grundstücks im Vergleich zu der geplanten Bebauung mit einem ganz erheblichen wirtschaftlichen Nachteil einhergeht, selbst wenn man die Einwände des Beklagten gegen den seitens der Klägerin insbesondere mit Schriftsatz vom 02.10.2017 (Bl 481 ff. d.A.) dargelegten Sanierungsbedarf als wahr unterstellt. Die Klägerin beabsichtigt mit Mitteln der öffentlichen Wohnraumförderung die derzeit vorhandene Wohnfläche von 268 m² auf über 1.800 m² zu erweitern. Die Klägerin hat dargelegt, dass sie im Falle der Realisierung des Neubauvorhabens mit einem Jahresüberschuss in Höhe von 47.671,12 EUR rechnen kann, wobei eine Tilgung von 3% bereits berücksichtigt ist. Hinsichtlich der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 01.09.2016 Seite 16 f. (Bl 16 f. d.A.) Bezug genommen. Dem steht eine derzeit unrentable Bewirtschaftung des Grundstücks gegenüber (vgl. Ziff. 1. b. bb.). Dies zeigt, dass der Unterschied zwischen der derzeit vorhandenen und der geplanten Bebauung nicht nur hinsichtlich einer Vergrößerung der Wohnfläche um das über sechsfache, sondern auch hinsichtlich der wirtschaftlichen Folgen gravierend ist. Der Klägerin geht es nicht darum, einen Anspruch auf Gewinnoptimierung oder auf Einräumung der Nutzungsmöglichkeit mit dem größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil durchzusetzen, sondern um die grundsätzliche Möglichkeit einer Gewinnerzielung. Diese soll nicht durch Umgestaltung oder Ersetzung vorhandenen, sondern durch die Schaffung neuen Wohnraums ermöglicht werden. Insoweit weicht der vorliegende Sachverhalt entscheidend von der Konstellation ab, in denen die Rechtsprechung auf das Erfordernis einer umfänglichen Sanierung abstellt. So lag der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28.01.2009 (Az. VIII ZR 8/08, NJW 2009, 1200) etwa ein Sachverhalt zugrunde, nach dem durch die Neubebauung die Wohnflächenzahl von 280 m² (lediglich) auf 610 m² erhöht werden sollte, unter Beibehaltung der Anzahl der Wohneinheiten.

(3) Die – erhebliche – wirtschaftliche Nachteilhaftigkeit der derzeitigen Bebauung besteht auch trotz der Möglichkeit der Mieterhöhung. Dieser sind durch die Kappungsgrenze des § 558 Abs. 3 BGB enge Grenzen gesetzt, die sich durch den Umstand verschärfen, dass der Beklagte alleiniger Mieter des Objekts ist und dieses an mehrere Parteien untervermietet hat. Ferner ist nicht ersichtlich, dass der dargelegten wirtschaftlichen Nachteilhaftigkeit mit einer Teil- oder Vollsanierung des Objekts begegnet werden könnte. Selbst wenn diese mit Modernisierungsmaßnahmen verbunden wäre, wären einer Mieterhöhung durch § 559 BGB wiederum Grenzen gesetzt.

(4) Darüber hinaus ist in die Gesamtabwägung mit einzubeziehen, dass es sich um ein bereits über 90 Jahre altes Haus handelt. Selbst wenn man mit Rücksicht auf das substantiierte Bestreiten eines aktuellen Sanierungsbedarfs durch den Beklagten (insbesondere mit dessen Schriftsatz vom 20.10.2017, Bl 522 ff. d.A.) das Vorhandensein eines solchen verneint, ist nicht zu verkennen, dass Bestandteile des Gebäudes die technische mittlere Lebensdauer bereits erheblich überschritten haben. Dies gilt etwa für die 22 Holzfenster, für welche der öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige T – insoweit unwidersprochen – die Überschreitung der technischen mittleren Lebensdauer von 40-50 Jahren angenommen hat (Gutachterliche Stellungnahme des Privatsachverständigen T vom 02.10.2017 Seite 2, Bl 508 d.A.), sowie für die Putzfassade, deren mittlere technische Lebensdauer von 40 Jahren ebenfalls bereits überschritten ist (Gutachterliche Stellungnahme des Privatsachverständigen T vom 02.10.2017 Seite 3, Bl 509 d.A.). Ferner mag hinsichtlich der gemauerten Einfriedung zur Straße hin unterstellt werden, dass diese gegen Umsturz ausreichend gesichert ist und keine Gefahr für die Sicherheit für Leib und Leben bedeutet. Allerdings ist auch hier die mittlere technische Lebensdauer von 40-90 Jahren überschritten (Gutachterliche Stellungnahme des Privatsachverständigen T vom 02.10.2017 Seite 4, Bl 510 d.A.). Ferner ist die mittlere technische Lebensdauer des Parkettbelags in der Mietwohnung EG (Dorfmüller) von 60 Jahren sowie die mittlere technische Lebensdauer des PVC-Bodenbelags von 20 Jahren in der Souterrainwohnung (S) überschritten (Gutachterliche Stellungnahme des Privatsachverständigen T vom 02.10.2017 Seiten 5 und 7, Bl 511 und 514 d.A.). In der Souterrainwohnung findet sich an allen Wandsockeln auch nach dem Vorbringen des Beklagten „leichte, normale alters- und bauartbedingte Feuchtigkeit“. Daneben ist der Beklagte auch nicht der Feststellung des Privatsachverständigen T entgegengetreten, dass die oberste Geschossdecke zum unbeheizten Dachraum neben dem ausgebauten Dachgeschoss keine Wärmedämmung aufweise und insoweit eine Nachrüstpflicht nach der EnEV 2014 bestehe (Gutachterliche Stellungnahme des Privatsachverständigen T vom 02.10.2017 Seite 12, Bl 518 d.A.).

Auch wenn kein aktueller Sanierungsbedarf bestünde, ist nicht zu verkennen, dass die Alternative zu einem Neubau nicht etwa die Bewirtschaftung eines Wohngebäudes „in den besten Jahren“ ist. Kostenträchtige Gebäudebestandteile haben die mittlere technische Lebensdauer bereits weit überschritten, so dass umfängliche Sanierungsmaßnahmen jedenfalls mittelfristig vorprogrammiert sind. Bereits diese Umstände, die auf das fortgeschrittene Alter der Immobilie zurückzuführen sind, führen dazu, dass ein nicht unerheblicher Sanierungsbedarf des Gebäudes jedenfalls innerhalb des bereits bestehenden Finanzierungszeitraums auf die Klägerin zukommen wird. Eine Außerachtlassung dieser Umstände würde tief in die unternehmerische Freiheit des Vermieters eingreifen, der ein Interesse daran hat, nicht erst den Eintritt akuten Sanierungsbedarfs abwarten zu müssen. Selbst wenn man im Streitfall lediglich von einem kurzfristig notwendigen Minimalsanierungsaufwand ausginge, ist bei dem streitgegenständlichen Objekt nach allgemeiner Lebenserfahrung von einem erheblichen Risiko auszugehen, dass alsbald die Notwendigkeit weiterer, in keinem angemessenen Verhältnis zur Restnutzungsdauer stehenden Instandsetzungsmaßnahmen zu Tage tritt. In einer solchen Situation kann dem Eigentümer ein anerkennenswertes Interesse daran nicht abgesprochen werden, eine angesichts des Gebäudezustands bereits gebotene nachhaltige Verbesserung oder dauerhafte Erneuerung seines Eigentums alsbald und nicht erst bei vollständigem Verbrauch der bisherigen Bausubstanz zu realisieren (vgl. BGHZ 179, 289 ff., juris Rn. 18).

(5) Der Umstand, dass die Klägerin das Grundstück in Kenntnis der derzeitigen Bebauung sowie des bestehenden Mietverhältnisses erwarb, ist demgegenüber im Rahmen der Abwägung lediglich von eingeschränkter Bedeutung. Dass dem mit Blick auf die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG besondere oder gar entscheidende Bedeutung beizumessen wäre, ist nicht ersichtlich und insbesondere nicht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu entnehmen. Mit Beschluss vom 12.11.2003 (Az. 1 BvR 1424/02, NJW-RR 2004, 371) führte der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts aus, dass das erkennende Gericht nicht gehindert sei zu berücksichtigen, dass der Vermieter das Objekt in Kenntnis des Mieters und des Mietvertrags und damit in Kenntnis der eingeschränkten Möglichkeiten der Mieterhöhung, die offenbar Anlass und Grund für die Verwertungskündigung gewesen seien, erworben habe. Wenn hiernach die grundsätzliche Möglichkeit besteht, einen Eigentümerwechsel bei der vorzunehmenden Abwägung zu berücksichtigen, kann diesem jedoch im vorliegenden Fall keine entscheidende Bedeutung zukommen. Bei einer Kündigung gem. § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB kann es keine Rolle spielen, ob die Beendigung einer unrentablen Situation vom Veräußerer oder vom Erwerber erfolgt. Der Mieter wird nur vor solchen Verwertungen geschützt, die unabhängig von der Person des Verwerters als unangemessen zu bewerten sind (Blank in: Schmitt-Futterer, Mietrecht, 13. Aufl. 2017, § 573 BGB Rdnr. 175; vgl. auch BGH, Urt. v. 28.01.2009, Az. VIII ZR 8/08, NJW 2009, 1200). Ist eine Verwertung aber angemessen, so muss die Person des Verwerters gleichgültig sein, da § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB weder dem Erhalt veralteter Mietwohnungen dient noch verhindern soll, dass unwirtschaftliche Objekte veräußert werden (Blank in: Schmitt-Futterer, Mietrecht, 13. Aufl. 2017, § 573 BGB Rdnr. 175). Wäre auch der Veräußerer zur (Abriss- oder Sanierungs-)Kündigung berechtigt gewesen, gibt es keinen Grund, dem Erwerber dieses Recht zu versagen, da ansonsten ein vom Gesetzgeber nicht beabsichtigter Zwang zur Durchführung der Baumaßnahmen durch den bisherigen Eigentümer entstünde (Häublein in: MünchKomm BGB, 7. Aufl. 2016, § 573 BGB Rdnr. 90). Für den vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, dass sich an der Frage der Rentabilität des geplanten Neubauvorhabens etwas ändern würde, wenn dies von der Voreigentümerin in Angriff genommen worden wäre. Der Umstand, dass nicht geklärt ist, ob auch die Voreigentümerin das Objekt noch finanzierte, ist für die Rentabilitätsbetrachtung nicht von Bedeutung, da kein Grund dafür besteht, eine etwaige vollständige Lastenfreiheit des Grundstücks dem Mieter zu Gute kommen zu lassen.

(6) In die Abwägung mit einzustellen ist der Umstand, dass das Neubauvorhaben nicht nur zur Schaffung von neuem Wohnraum führt (und nicht lediglich bestehenden Wohnraum ersetzt), sondern dies auch der sozialen Wohnraumförderung zur Erfüllung der kommunalen Aufgabe der Flüchtlings- und Asylbewerberunterbringung dient (vgl. § 1 Wohnraumförderungsgesetz NRW). Die vorzunehmende Abwägung hat zwar in erster Linie die Interessen des Vermieters sowie des Mieters zu berücksichtigen. Hierbei sind jedoch zwei durch Art. 14 GG geschützte Positionen gegeneinander abzuwägen. Bei dieser Abwägung ist die jeweilige Sozialpflichtigkeit der Grundrechtsposition zu berücksichtigen. Zwar werden durch Art. 14 Abs. 2 GG Dritten, die von der Sozialbindung des Eigentums begünstigt werden, nicht unmittelbar verfassungsmäßige Rechte eingeräumt (BVerfG, Beschl v. 06.06.1989, Az. 1 BvR 921/85, juris Rdnr. 54). Die Ausgestaltung der Eigentumsordnung ist dem Gesetzgeber überlassen (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG), so dass subjektive Rechtspositionen Dritter insoweit erst nach Maßgabe der Vorschriften entstehen, die der Gesetzgeber aufgrund der „Richtschnur“ erlassen hat (BVerfG, Beschl v. 06.06.1989, Az. 1 BvR 921/85, juris Rdnr. 54; Papier in: Maunz-Dürig, Art. 14 GG Rdnr. 305). Allerdings ist bei einer Auslegung der die Eigentumsordnung des Grundgesetzes ausfüllenden einfachgesetzlichen Normen, bei welcher sich zwei aus Art. 14 GG ergebende Rechtspositionen zur Abwägung gegenüberstehen, die Sozialpflichtigkeit des Eigentums auf beiden Seiten zu berücksichtigen. Ebenso, wie sich der Vermieter die Allgemeinwohldienlichkeit seines Eigentums bei der Anwendung des § 573 Abs. 1 BGB entgegenhalten lassen muss (vgl. BGH, Urt. v. 28.01.2009, Az. VIII ZR 8/08, NJW 2009, 1200; Staudinger/ Rolfs, (2018), § 573 BGB Rdnr. 150 mwN: Die geplante Verwertung muss mit der Sozialpflichtigkeit des Eigentums zu vereinbaren sein), gilt dies auch für den Mieter. Bei Auslegung des § 573 Abs. 1 BGB ist auch dessen durch Art. 14 GG geschütztes Besitzrecht im Lichte der Allgemeinwohldienlichkeit zu betrachten. Auch wenn das Verhalten der Klägerin selbst auf Gewinnerzielung gerichtet ist, ist daher nicht unbeachtet zu lassen, dass die Verwirklichung des Bauvorhabens einem öffentlichen Interesse, der Schaffung von sozialem Wohnraum für Flüchtlinge und Asylbewerber, dient (vgl. BGH, Urt. v. 24.03.2004, Az. VIII ZR 188/03, NJW 2004, 1736: in dieser Entscheidung wurde eine durch die Vorinstanz bei Anwendung des § 573 Abs. 1 BGB vorgenommene Mitberücksichtigung eines öffentlichen Interesses gebilligt; vgl. ferner BGH, Urt. v. 24.01.2002, Az. I ZR 102/99: in dieser Entscheidung stellte der Bundesgerichtshof bei einer Auslegung der auf der Sozialbindung des geistigen Eigentums beruhenden Schrankenbestimmung des § 59 UrhG ebenfalls auf ein „gesteigertes öffentliches Interesse“ ab).

(7) Auf Seiten des Beklagten war im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung zunächst dessen grundrechtlich geschütztes erhebliches Interesse an der Beibehaltung seines bisherigen Lebensmittelpunktes zu berücksichtigen, dem angesichts einer über 32-jährigen Mietdauer sowie dem Alter des Beklagten von 59 Jahren besondere Bedeutung zukommt. Die Schwierigkeit der Wohnraumbeschaffung auf dem Kölner Wohnungsmarkt fiel ebenfalls ins Gewicht.

(8) In diesem Zusammenhang ebenfalls zu berücksichtigen ist jedoch der Umstand, dass die Klägerin dem Beklagten zahlreichen Ersatzwohnraum ganz überwiegend verbindlich angeboten hat (Schriftsatz der Klägerin vom 01.09.2016, Bl 9 d.A. Anlage LLR 8 zu diesem Schriftsatz, Bl 52 d.A. sowie Schriftsatz der Klägerin vom 31.03.2017, Bl 403 f. d.A. sowie Anlagen BKL LLR 3 – 6, Bl 430 ff. d.A.), worauf der Beklagte insbesondere eingewandt hat, dass er einen Ersatzwohnraum verlange, in welchem er „seine familiäre Gemeinschaft mit den anderen Angehörigen des Hauses“ weiter leben könne. So führte der Beklagte etwa im Termin vor dem Amtsgericht persönlich angehört aus, dass die bis dahin von der Klägerin angebotene Ersatzwohnung deshalb nicht in Betracht komme, da er dort nicht mit seinen ganzen Leuten einziehen könne. Er wolle mit seiner 5er-WG umziehen, ebenso mit seiner Lebensgefährtin und seinem Sohn, die in dem Haus separate Wohnungen bewohnten. Die gehörten ebenfalls zur Familie, so dass sie eine Wohnung für sieben Leute finden müssten (s. Terminsprotokoll der Sitzung vom 22.11.2016, Bl 145 d.A.).

Hierbei übersieht der Beklagte jedoch, dass die von ihm gelebte Gemeinschaft bei der vorzunehmenden Abwägung lediglich einen eingeschränkten Schutz genießt. Die Voreigentümerin vermietete das Haus an den Kläger sowie dessen damalige Ehefrau. Zwar ist mit dem Amtsgericht davon auszugehen, dass der Beklagte die Mietsache nicht unbefugt Dritten überlassen hat. Er war vielmehr ausweislich des schriftlichen Mietvertrages zur Untervermietung des Objekts berechtigt. Ferner ist davon auszugehen, dass das Mietverhältnis konkludent auch nach Ablauf der Befristung mit dem bisherigen schriftlichen Inhalt des Mietvertrages fortgesetzt wurde. Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts ergibt sich dies aus der Korrespondenz über die Fortsetzung des Mietverhältnisses nach der im Jahre 2003 durch die Voreigentümerin ausgesprochenen Kündigung. In dem Schreiben der Voreigentümerin Frau D heißt es u.a. (Anlage LLR 22 zum Schriftsatz der Klägerin vom 06.12.2016, Bl 284 d.A.): „hierdurch kündige ich den mit Ihnen geschlossenen Mietvertrag vom 11.06.1985 gemäß § 3 des Mietvertrages zum 30.06.2004“. Die Voreigentümerin erklärte in diesem Schreiben weiter: „Hierdurch bestätige ich, D, dass die Kündigung aufgehoben wird und der Mietvertrag vorläufig zu gleichen Bedingungen aufrecht erhalten wird, wenn … „. Der Beklagte erklärte in diesem Zusammenhang schriftlich: „Hiermit bestätige ich, Albert Sünder, dass ich die Kündigung meines Vertrages vom 11.06.1985 heute, am 27.11.2003, erhalten habe. ( … .)“. Diese Passagen verdeutlichen, dass die vormalige Eigentümerin sowie der Beklagte von einer Fortwirkung des schriftlichen Mietvertrages vom 11.06.1985 ausgingen.

Die grundsätzlich mietvertraglich erlaubte Untervermietung stand ausweislich § 11 Ziffer 2 des Mietvertrages allerdings unter dem Vorbehalt des Widerrufs aus wichtigem Grund. Auch unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 553 Abs. 1 BGB, wonach die Gebrauchsüberlassung an Dritte ebenfalls unter dem Vorbehalt ihrer Zumutbarkeit für den Vermieter steht, kann sich der Beklagte nicht mit dem gleichen Gewicht darauf berufen, die bestehende „familienähnliche Gemeinschaft“ (s. dessen Schriftsatz vom 07.03.2017, Bl 356 d.A.) als Wohnform beizubehalten, wie wenn das Haus von vornherein von dieser bezogen worden wäre. Der Beklagte hat selbst eingeräumt, dass es sich bei den übrigen Untermietern nicht um Familienangehörige im engeren Sinne handelt, sondern diese lediglich von ihm als familiäre Gruppe angesehen werden, im Übrigen aber eine klassische Untervermietung vorliegt. Die Kammer verkennt nicht, das der Beklagte ein durchaus schutzwürdiges und in die Abwägung mit einzustellendes Interesse daran hat, die bisherige Wohnform mit einer möglichen Untervermietung fortzusetzen. Nicht in diesem Maße schutzwürdig sind jedoch seine individuellen sozialen Beziehungen zu den übrigen Untermietern. Sein schutzwürdiges Interesse als Mieter besteht gerade nicht darin, mit konkreten Personen aus einem vertraglich zulässigen Untermietverhältnis in unveränderter Art und Weise zusammenwohnen zu können, sondern lediglich in der grundsätzlichen Freiheit zur Nutzung seines Wohnraums ggf. auch zur Untervermietung. Die ganz erhebliche Schwierigkeit, einen passenden Ersatzwohnraum in demselben Stadtgebiet zu finden, in dem das bisherige Wohnkonzept verwirklicht werden kann, weil der Beklagte mit vier weiteren Personen in einer Wohngemeinschaft lebt und seine Lebensgefährtin sowie sein Sohn im selben Haus in jeweils getrennten Wohneinheiten wohnen, kann vor diesem Hintergrund nicht entscheidend zu Lasten der Klägerin gehen.

(9) Im Ergebnis ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände davon auszugehen, dass die Klägerin einen erheblichen Nachteil erleiden würde, wenn sie das Neubauvorhaben nicht realisierte. Eine wirtschaftliche Nutzung des Grundstücks kann bei der derzeitigen Bebauung nicht erfolgen, dies insbesondere auch unter dem Aspekt, dass zumindest in absehbarer Zeit mit einem erheblichen Sanierungsaufwand zu rechnen ist. Der Klägerin entgeht voraussichtlich ein jährlicher Überschuss von nahezu 48.000 EUR, an dessen Realisierung ein öffentliches Interesse besteht und dass zudem angesichts der vorgelegten Unterlagen (Bau- und Abbruchgenehmigung, Kreditzusage, Mietvertrag mit der Stadt Köln) „zum Greifen nahe“ ist. Diesem ganz erheblichen Interesse der Realisierung des Bauvorhabens steht auf Seiten des Beklagten zwar dessen Bedürfnis gegenüber, sein Lebensumfeld beizubehalten. Dieses ist jedoch hinsichtlich der Aufrechterhaltung der derzeitigen Wohnsituation nur beschränkt schutzwürdig. Insgesamt überwiegt daher der erhebliche wirtschaftliche Nachteil der Klägerin die schutzwürdigen Belange des Beklagten.

2. Soweit die Klägerin Auskunft begehrt, wann der Beklagte die entsprechenden Untermietverträge abgeschlossen bzw. den Personen in sonstiger Weise den Gebrauch überlassen hat, ist die Klage unbegründet. Dadurch, dass der Beklagte der Klägerin die Namen der Untermieter mitgeteilt hat, ist das Informationsinteresse der Klägerin befriedigt, da sie nunmehr diese gegebenenfalls um Auskunft ersuchen bzw. gegebenenfalls verklagen kann.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10 S. 1, 711, 713 ZPO.

III.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Zulassung der Revision ist auch nicht i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, da nicht über streitige oder zweifelhafte Rechtsfragen zu entscheiden war. Es handelt sich vorliegend um eine Einzelfallentscheidung. Die im Rahmen des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB erforderliche Abwägung entzieht sich einer generalisierenden Betrachtung; sie lässt sich nur im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und der konkreten Situation des Vermieters treffen (BGH, Urt. v. 28.01.2009, Az. VIII ZR 8/08, NJW 2009, 1200).

Streitwert für beide Instanzen: 19.265,96 EUR (18.765,96 EUR + 500 EUR Auskunftsantrag).

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