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WEG – Anfechtung eines Negativbeschlusses hinsichtlich der Erhöhung einer Balkonbrüstung

AG Bremerhaven – Az.: 55 C 2091/11 – Urteil vom 30.10.2012

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

WEG - Anfechtung eines Negativbeschlusses hinsichtlich der Erhöhung einer Balkonbrüstung
Symbolfoto: Von U.J. Alexander /Shutterstock.com

Der Kläger ist als Eigentümer der Wohnung Nr. 51 Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft … in Bremerhaven. Er begehrt mit seiner Anfechtungsklage vom 28.11.2011 die Erklärung der Ungültigkeit des Beschlusses zum Tagesordnungspunkt „Geländer auf der Balkonbrüstung“ (TOP 6) der Eigentümerversammlung vom 26.10.2011.

Der Wohnungseigentümergemeinschaft liegt die Teilungserklärung vom 16.11.21977 (Bl. 26 ff. d. A.) zugrunde. Der Kläger und seine Ehefrau sind Eigentümer der Wohnung Nr. 51 des Aufteilungsplanes. Die Wohnung des Klägers befindet sich auf 8. Ebene, mehr als 12 Meter über dem Boden. Sie verfügt über einen oben verglasten Balkon, der unten mit einer Betonbrüstung abschließt. Wegen der örtlichen Verhältnisse wird auf die Fotografien Bl. 88 d. A. Bezug genommen. Bei Errichtung der Wohnungseigentumsanlage erreichte die Balkonbrüstung eine Höhe von mindestens 1,10 Meter. Es wurde dann aber – noch bevor der Kläger die Wohnung erwarb – auf dem Balkonbodenbelag ein Podest aufgebracht. Von diesen aus gemessen ist die Balkonbrüstung weniger hoch. In dem notariellen Kaufvertrag, auf dessen Grundlage der Kläger und seine Ehefrau die Wohnung erwarben, vom 23.09.2010 (Bl. 89 ff. d. A.) heißt es hierzu unter § 4 „Mängelhaftung“: „Die baurechtlich möglicherweise unzulässige Erstellung von Podesten innerhalb der Wohnung und auf dem verglasten Balkon ist dem Erwerber bekannt“. Der Kläger montierte, ohne zuvor eine Beschlussfassung der Eigentümerversammlung herbeizuführen, ein Geländer aus Edelstahl auf der Balkonbrüstung. Als er von der Notwendigkeit einer Beschlussfassung erfuhr, stellte er auf der Eigentümerversammlung vom 26.10.2011 den unter TOP 6. behandelten Antrag, „den Anbau von Brüstungen auf den Betoneinfassungen der Balkone für interessierte Eigentümer (zu genehmigen). Die Brüstungen sollen maximal 25 cm über der Betonbrüstung enden und in einer Edelstahloptik gehalten werden und sich an der bereits installierten Brüstung der Eigentümer (Wohnung 51, Ebene 8) orientieren. Die Vorschriften der Bauordnung sind durch die installierenden Eigentümer stets einzuhalten. Die Eigentümergemeinschaft ist jederzeit von im Zusammenhang mit den Geländern Kosten freizuhalten.“ Der Antrag wurde mit 39 Ja- und 87 Nein-Stimmen abgelehnt. Mit Schreiben vom 15.11.2011 forderte die Verwalterin den Kläger auf, das Geländer auf der Balkonbrüstung zu entfernen.

Der Kläger behauptet, vom Podest aus gemessen betrage die Höhe der Balkonbrüstung nur noch 90 cm. Bei allen oder zumindest den meisten Wohnungen der Anlage seien auf den Balkonbodenbelägen Podeste wie bei ihm aufgebracht. Es verfügten noch 12 weitere Wohnungen über ein vergleichbares Brüstungsgeländer auf dem Balkon. Der Kläger ist der Ansicht, nach öffentlich-rechtlichen Vorgaben müsse bei einer Absturzhöhe ab 12 Metern ein Geländer mit einer Höhe von mindestens 1,10 Metern angebracht sein. Das ursprünglich vorhandene Geländer erfülle diese Anforderungen nicht und sei daher baurechtswidrig. Ein Rückbau des Podestes sei ihm nicht zuzumuten, da er dann nicht mehr im Sitzen über die – intransparente – Balkonbrüstung hinwegschauen könne.

Der Kläger beantragt, den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 26.10.2011 zum Tagesordnungspunkt „Geländer auf der Balkonbrüstung“ für ungültig zu erklären.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten sind der Ansicht, die Balkonbrüstungen wie überhaupt das Gebäude seien nicht baurechtswidrig. Vielmehr sei allenfalls der Einbau des Podestes rechtswidrig. Die nicht mehr ausreichende Balkonbrüstungshöhe sei nur ein Reflex dessen. Insoweit bestehe auch kein Anspruch auf bauliche Veränderung in Form der Erhöhung er Brüstungshöhe, vielmehr müsse der Kläger, wolle er den rechtswidrigen Zustand ändern, das eingebaute Podest entfernen. Die Beklagten erklären sich mit Nichtwissen dazu, dass auf allen anderen Balkonen ein Podest aufgebracht worden sei. Jedenfalls stehe den Wohnungseigentümern ein Ermessensspielraum zu, der Sachverhalt sei vorliegend nicht so weit geklärt und aufbereitet worden, dass die Wohnungseigentümer eine Entscheidungsgrundlage hätten, auf welcher sie eine Ermessensentscheidung treffen könnten. Der Kläger habe vielmehr, anstatt die rechtlich relevanten Grundlagen zu ermitteln und rechtzeitig vor der Versammlung darzulegen, Fakten geschaffen. Schließlich hätte der Beschluss nicht gefasst werden dürfen, weil die beantragte Kostenregelung gegen § 16 Abs. 2 WEG verstoße und eine Änderung des Kostenschlüssels gem. § 16 Abs. 4 WEG nicht generell, sondern nur bezogen auf den Einzelfall durch einen Beschluss mit doppelt qualifizierter Mehrheit abänderbar sei. Die vom Kläger beantragte Kostenregelung wäre daher nichtig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 26.10.2011 zum Tagesordnungspunkt 6 ist nicht gem. §§ 23 Abs. 4, 43 Nr. 4 WEG für ungültig zu erklären.

Bei dem angefochtenen Beschluss handelt es sich um einen sog. Negativbeschluss, da der Antrag des Klägers abgelehnt worden ist. Ein solcher Negativbeschluss ist wegen Verstoßes gegen den Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung dann für ungültig zu erklären, wenn ein Positivbeschluss hätte gefasst worden müssen, weil dem Kläger Anspruch zusteht. Ein solcher kann sich aus § 21 Abs. 4 WEG ergeben, wonach jeder Wohnungseigentümer eine Verwaltung verlangen kann, die den Vereinbarungen und Beschlüssen und, soweit solche nicht bestehen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht. Grundsätzlich können die Wohnungseigentümer hierbei allerdings unter mehreren geeigneten Maßnahmen nach billigem Ermessen auswählen. Ein Anspruch auf ein bestimmte Maßnahme entsteht erst dann, wenn allein diese ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht (BGH NJW 2012, 1724).

Vorliegend entspricht nicht nur die vom Kläger beantragte Genehmigung der Errichtung der Geländer den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung. Zwar entspricht an sich die Herbeiführung eines baurechtmäßigen Zustandes den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung, und wenn der Vortrag des Klägers zur Brüstungshöhe von 90 cm – gemessen ab dem Podest – zutreffen sollte, wäre dieser Zustand baurechtswidrig. Denn nach § 38 Abs. 1 BremLBO sind Flächen, die im Allgemeinen zum Begehen bestimmt sind und unmittelbar an mehr als 1m tiefer liegende Flächen angrenzen, zu umwehren oder mit Brüstungen zu versehen. Gemäß § 38 Abs. 4 Nr. 2 BremLBO muss die Umwehrung eine Mindesthöhe von 1,10 m haben, wenn die Fläche eine Absturzhöhe von mehr als 12 Metern hat. Allerdings gibt es vorliegend zwei Wege, um den baurechtsgemäßen Zustand herzustellen. Der eine ist der vom Kläger bevorzugte Aufbau eines Geländers, der andere ist die Entfernung des auf den Balkonbodenbelag aufgebrachten Podests. Um einen Anspruch auf Genehmigung des Geländeraufbaus zu haben, müsste das Ermessen der Eigentümer insofern dahingehend auf Null reduziert sein, dass lediglich die Genehmigung des Geländers ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen würde. Mit dem Aufbau eines Geländers verändert sich indes die Optik der Außenfassade; es sind daher die Interessen aller Eigentümer betroffen. Wenn diese eine Beibehaltung der originären Optik wünschen und sich ein baurechtsgemäßer Zustand auch durch eine Veränderung innerhalb des Sondereigentums des Klägers umsetzen lässt, ist es von Seiten der übrigen Eigentümer nicht ermessensfehlerhaft, den Kläger hierauf zu verweisen. Hinzu kommt, dass der Kläger bei Erwerb der Immobilie den baurechtswidrigen Zustand des Podests kannte, weil im Kaufvertrag hierzu eine ausdrückliche Regelung aufgenommen worden ist. Dass die Nutzung des Podests unter dem Vorbehalt der Baurechtswidrigkeit stand, war dem Kläger insoweit von Anfang an bekannt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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