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WEG – Haftung eines Erstehers für Wohngeldrückstände des Voreigentümers

LG München I – Az.: 1 S 4319/10 – Urteil vom 20.12.2010

I. Das Urteil des Amtsgerichts München vom 12.02.2010 wird dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 1.344,44 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01.08.2009 zu bezahlen, und die Klage im übrigen abgewiesen wird.

II. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Das Urteil des Amtsgerichts wird im Kostenausspruch aufgehoben. Die Kosten beider Instanzen trägt die Beklagte.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.346,48 € festgesetzt.

Gründe

I.

Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II, 313a I 1 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das vorliegende Urteil unzweifelhaft nicht in Betracht kommt: Die Revision wurde nicht zugelassen; eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nach § 62 Abs 2 WEG n. F. ausgeschlossen, da es sich vorliegend um eine Streitigkeit nach § 43 Nr. 2 WEG handelt (Spielbauer/Then, WEG, § 62 Rz. 6).

II.

Die zulässige Berufung hat weit überwiegend Erfolg. Die Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Wohngeldzahlung aus der Jahresabrechnung für 2007 in Höhe von 1.344,44 €. Lediglich in Höhe von 2,04 € war die Klage abzuweisen.

1. Die Beklagte hat das Wohnungseigentum durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung erworben und war vom 23.04.2008 bis zum 31.10.2008 und also zur Zeit des Beschlusses über die Jahresabrechnung für 2007 am 11.06.2008 Miteigentümerin der Klägerin.

2. Grundsätzlich gilt, dass der Ersteher in der Zwangsversteigerung nicht für die noch offenen Beiträge aus dem Wirtschaftplan für das Vorjahr (hier 2007) haftet (BGH NJW 1999, 3713 Ls. 3), sondern nur für eine darüber hinausgehende Abrechnungsspitze (BGH NJW 1999, 3713, 3715 a.E.; LG Bonn ZMR 2009, 476).

a) Ein Anspruch gegen den Ersteher auf Bezahlung der noch offenen Beiträge aus dem Vorjahreswirtschaftsplan (2007) besteht nicht.

(1) Aus dem Wirtschaftplan für das Vorjahr bzw. dem Beschluss, durch den dieser genehmigt wurde, ergibt sich eine Haftung des Erstehers nicht. Daran ändert § 10 IV WEG nichts (so BGH NJW 1999, 3713, 3715 für § 10 III WEG a.F.; a.A. Bärmann/Merle, WEG, 11. Aufl., § 28 Rz. 152).

Zwar gilt der Wirtschaftplanbeschluss nach dieser Norm auch gegenüber dem Ersteher, obwohl dieser erst nach der Beschlussfassung das Miteigentum erworben hat.

Jedoch begründet der Wirtschaftsplanbeschluss zunächst einmal lediglich eine Haftung des jeweiligen Miteigentümers (LG Bonn ZMR 2009, 476; Spielbauer/Then, WEG, § 28 Rz. 19; Bärmann/Merle, WEG, 11. Aufl., § 28 Rz. 147; Abramenko, in: Riecke/Schmid, WEG, 3. Aufl., § 28 Rz. 38; Niedenführ, in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Aufl., § 28 Rz. 143): Nach § 16 II WEG knüpft die Wohngeldschuld an diese Miteigentümerstellung. Das ist bis zum Zuschlag ausschließlich der Voreigentümer. Erst danach ist das der Ersteher. Erwirbt der Ersteher erst im Jahr 2008, haftet er mithin nicht mehr für die Wohngelder, die gemäß dem Wirtschaftsplan 2007 im Jahr 2007 fällig geworden sind.

§ 10 IV WEG vermag daran nichts zu ändern. Denn die Norm erklärt lediglich den Beschluss über den Wirtschaftplan auch für den neu hinzugekommenen Ersteher für verbindlich, lässt dabei aber den Inhalt des Beschlusses unberührt.

(2) Auch aus dem Beschluss über die Jahresabrechnung ergibt sich kein Wohngeldanspruch gegen den Ersteher bezüglich der noch offenen Beiträge aus dem Vorjahreswirtschaftsplan. Das ergibt die objektive Auslegung des Beschlusses (BGH NJW 1999, 3713, 3714).

(a) Wegen ihrer Wirkung gegenüber Rechtsnachfolgern (§ 10 IV WEG) sind Beschlüsse der Eigentümerversammlung objektiv auszulegen. Maßgeblich ist der Wortlaut und Sinn des Beschlusses, wie sie sich für den unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Erklärung ergeben (BGH NJW 1998, 3713, 3714; Spielbauer/Then, WEG, § 23 Rz. 26). Dabei ist im Zweifel, bei Fehlen konkreter gegenteiliger Anhaltspunkte davon auszugehen, dass die Eigentümer keinen rechtswidrigen Beschluss fassen wollten (BGH NJW 1999, 3713, 3715; LG Nürnberg-Fürth NZM 2010, 791 f.; Spielbauer/Then, WEG, § 28 Rz. 70).

(b) Nach diesen Grundsätzen ergibt die Auslegung des Beschlusses, durch den ohne weitere Zusätze die Jahresabrechnung genehmigt wird, dass damit eine Haftung des Erstehers für noch offene Beiträge des Rechtsvorgängers aus dem Wirtschaftsplan des Vorjahres nicht begründet werden sollte. Weder kann in dem Beschluss eine befreiende Schuldübernahme durch den Ersteher zugunsten des Voreigentümers gesehen werden (aa) noch die Begründung eines kumulativen Schuldbeitritts des Erstehers (bb).

(aa) Eine befreiende Schuldübernahme durch den Ersteher kann in dem Genehmigungsbeschluss der Jahresabrechnung schon deswegen grundsätzlich nicht gesehen werden, weil der Eigentümerversammlung hierfür die Regelungskompetenz fehlen würde (BGH NJW 1999, 3713, 3715). Der Beschluss wäre also rechtswidrig und sogar mangels Beschlusskompetenz nichtig. Im Zweifel ist aber, wie dargelegt, davon auszugehen, dass die Eigentümer derartig rechtswidrige Beschlüsse nicht fassen wollen. Hinzu kommt, dass einem einfachen Genehmigungsbeschluss über die Jahresabrechnung 2008 nicht ansatzweise entnommen werden kann, dass die Eigentümer den Voreigentümer einfach aus seiner Haftung aus dem Wirtschaftplan für 2007 entlassen wollen.

(bb) Auch eine zusätzliche Haftung des Erstehers in Form eines kumulativen Schuldbeitritts ist in einem Genehmigungsbeschluss der Jahresabrechnung grundsätzlich nicht enthalten.

Ein Beschluss über die Jahresabrechnung hat, soweit es um die bereits durch den Wirtschaftplan begründeten Wohngeldansprüche geht, lediglich bestätigende Wirkung (BGH NJW 1999, 3713, 3714; BayObLG NJW-RR 2002, 1665, 1666; OLG Düsseldorf NZM 2007, 690, 691; OLG Hamm NZM 2009, 820, 821; Spielbauer/Then, WEG; § 28 Rz. 83; Abramenko, in: Riecke/Schmid, WEG, 3. Aufl., § 28 Rz. 86; Niedenführ, in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Aufl., § 28 Rz. 158). Es wird also, soweit der Wirtschaftplan schon die Wohngeldforderung begründet, keine neue Haftung durch die Jahresabrechnung begründet, sondern nur die schon bestehende nochmals bekräftigt.

Die Begründung einer zusätzlichen Haftung des Erstehers für die noch nicht bezahlten Beiträge aus dem Wirtschaftsplan würde hierüber jedoch weit hinausgehen. Denn es würde in diesem Fall gerade eine neue Haftung durch die Jahresabrechnung begründet, nicht lediglich eine schon bestehende Haftung aus dem Wirtschaftplan nochmals bestätigt. Denn der Ersteher haftet, wie ausgeführt, für die Altforderungen aus dem Vorjahreswirtschaftsplan nicht. Er würde also ausschließlich aufgrund der Jahresabrechnung diese Schuld bezahlen müssen.

Für die Begründung einer solch zusätzlichen Haftung durch Beschluss fehlte es den Miteigentümern aber wiederum an der Beschlusskompetenz. Denn in der Sache würde so ein kumulativer Schuldbeitritt des Erstehers erzwungen werden. Letztlich würde so eine Absicherung der schon bestehenden Wohngeldforderung der Gemeinschaft gegen den Voreigentümer erreicht. Ein derartiges Sicherungsmittel mag zwar durchaus im Interesse der Gemeinschaft sein. § 28 V WEG gibt den Eigentümern aber keine Regelungskompetenz hierfür. Denn die Norm dient nur dazu, die zur Deckung der gemeinschaftlichen Kosten erforderlichen Wohngeldforderungen zu begründen. § 28 V WEG ist demgegenüber kein Instrument, diese Forderungen noch zusätzlich abzusichern.

(cc) Die Auslegung des Beschlusses, durch den die Jahresabrechnung genehmigt wird, führt also grundsätzlich dazu, dass der Ersteher aufgrund der Jahresabrechnung nicht für die Forderung einstehen muss, die schon der Voreigentümer aufgrund des Wirtschaftplans schuldet. Alles andere wäre rechtswidrig und ist also von den Eigentümern im Zweifel nicht gewollt.

b) Demgegenüber besteht ein Anspruch gegen den Ersteher bezüglich des Betrages, der sich noch nicht aus dem Vorjahreswirtschaftsplan ergibt, sondern der erstmals durch die Jahresabrechnung begründet wird (sog. Abrechnungsspitze). Auch das ist eine Folge der Auslegung des Beschlusses nach § 28 V WEG.

(1) Grundsätzlich wird durch einen Beschluss, durch den die Jahresabrechnung genehmigt wird, für den nach der Einzelabrechnung auf den jeweiligen Eigentümer entfallenden Betrag, der die nach dem Wirtschaftsplan beschlossenen Vorschüsse übersteigt, originär eine Schuld begründet (BGH NJW 1999, 3713, 3714; OLG Hamm NZM 2009, 820, 821; OLG Düsseldorf NZM 2007, 690, 691; LG Bonn ZMR 2009, 476; Spielbauer/Then, WEG, § 28 Rz. 83; Bärmann/Merle, § 28 Rz. 150; Abramenko, in: Riecke/Schmid, WEG, 3. Aufl., § 28 Rz. 87; Niedenführ, in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Aufl., § 28 Rz. 158).

Es geht insoweit also nicht um eine (von § 28 V WEG nicht gedeckte) Forderungssicherung durch kumulativen Schulbeitritt, sondern um die erstmalige Begründung einer Wohngeldhaftung. Genau für letzteres gibt § 28 V WEG die Beschlusskompetenz.

(2) Durch diese neu begründete Schuld wird derjenige verpflichtet, der zu der Zeit der Beschlussfassung Wohnungseigentümer ist, also der Ersteher, wenn der Zuschlag schon vor Fassung des Genehmigungsbeschlusses über die Jahresabrechnung erfolgte (BGH NJW 1999, 3713, 3715; LG Bonn ZMR 2009, 476). Der Voreigentümer kann hieraus nicht mehr verpflichtet werden, weil das ein grundsätzlich unzulässiges Rechtsgeschäft zu Lasten Dritter wäre. Würde auch der Ersteher hierfür nicht haften müssen, wären die Gemeinschaftskosten in Höhe der Abrechnungsspitze in der Einzeljahresabrechnung des Erstehers nicht mehr umlagefähig. Das widerspräche dem in § 16 II WEG zum Ausdruck kommenden Prinzip, dass sämtliche Kosten der WEG ohne Einschränkung und also vollständig auf die Eigentümer umzulegen sind.

(3) Dem steht nicht § 56, 2 ZVG entgegen (BGH NJW 1999, 3713, 3714). Denn die erstmals durch Beschluss der Jahresabrechnung originär begründete Kostenlast, also die Abrechnungsspitze, ist erst nach dem Zuschlag entstanden, weil auch der Beschluss erst nach dem Zuschlag gefasst wurde.

3. Demnach war die Beklagte hier zur Zahlung von 1.344,44 € zu verurteilen.

a) Dieser Betrag entspricht der sie treffenden Abrechnungsspitze der Jahresabrechnung 2007, die beschlossen wurde, als die Beklagte schon Miteigentümerin war. Die aus der Jahresabrechnung sich ergebende, auf die Wohnung der Beklagten entfallende Kostenlast beträgt nämlich insgesamt 4.356,44 €. Gemäß dem Wirtschaftplan für 2007 musste der Voreigentümer monatlich 251 €, also 12 x 251 € = 3.012 € Beitragsvorschuss zahlen. Die Differenz und also die Abrechnungsspitze beträgt damit 1.344,44 €.

b) In Höhe der darüber hinaus eingeklagten 2,04 € war die Klage abzuweisen. Diesbezüglich handelte es sich um die noch offene Restwohngeldschuld des Voreigentümers aus dem Vorjahreswirtschaftsplan, für die die Beklagte nicht haftet.

4. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 286 BGB.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I, II Nr. 2 ZPO. Die 2,04 €, mit denen die Klagepartei unterliegt, fallenkostenmäßig nicht entscheidend ins Gewicht.

2. Die Revision war gemäß § 543 I Nr. 1, II ZPO nicht zuzulassen, da die vorliegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erforderlich ist.

3. Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit war nicht veranlasst, da ein Rechtsmittel gegen das Urteil nicht mehr gegeben ist. Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß §§ 62 II, 43 Nr. 2 WEG nicht gegeben.

4. Die Streitwertfestsetzung für die Berufungsinstanz ergibt sich aus § 49a GKG.

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