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WEG – rückwirkende Änderung des Verteilingsschlüssels möglich?

AG Hamburg-St. Georg – Az.: 980b C 1/22 WEG – Urteil vom 19.08.2022

1. Die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 09.12.2021 zu TOP 4.1.1., 4.1.2., 4.2.1., 4.2.2., 4.2.3., 4.2.4, 4.3.1., 4.6.1. und zu 4.6.2 (Hauptdach und Vordach) werden für ungültig erklärt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4.%2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung der anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

– Die Parteien streiten über die Gültigkeit mehrerer Beschlüsse einer Eigentümerversammlung.

WEG – rückwirkende Änderung des Verteilingsschlüssels möglich?
(Symbolfoto: Vladimir Gudvin/Shutterstock.com)

Die Klägerin ist seit 2013 Mitglied der Beklagten. Das gemeinschaftliche Grundstück, ein mittleres Teilstück aus einem zusammenhängenden Gebäudekomplex, ist mit einem Baukörper bebaut, in dem sich 18 Wohnungen (jeweils sechs Wohnungen im ersten bis dritten OG der (……) (……) (……), (……) (……) und (……) (……) und weitere vier – im Eigentum der Klägerin stehende und im Erdgeschoss belegene – Ladeneinheiten „A“ bis „D“ ((……) (……)) befinden. Wegen der weiteren Örtlichkeiten wird auf die Lichtbilder gemäß Anlage B3 Bezug genommen. Es gilt die vom mittlerweile verstorbenen Ehemann der Klägerin abgegebene notarielle Teilungserklärung vom 28.06.1993 (Anlage K1) in geänderter Fassung vom 06.02.1997 (Anlage B2). Nach § 11 Abs. 1a) werden die Lasten und Kosten im Verhältnis der Miteigentumsanteile getragen. Weiter heißt es dort: „1b) Die Kosten der in § 3 Abs. 3 b und c) aufgeführten Anlagen tragen abweichend von dem Verteilungsschlüssel in Abs. 1 a die Eigentümer der im Aufteilungsplan mit Nr. 1 bis 18 bezeichneten Einheiten (Wohnungen) zu 90% untereinander wiederum im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile, die Eigentümer der im Aufteilungsplan mit „A“ bis „D“ bezeichneten Einheiten (Läden) zu 10% (untereinander ebenfalls im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile). 1 d) Die Kosten der Treppenhäuser (……) (……) (……) bis (……) (……) einschließlich Eingangstüren, Briefkästen und Klingelanlagen tragen die Eigentümer der im Aufteilungsplan mit Nr. 1 bis 18 bezeichneten Einheiten (Wohnungen). 1 e) Für die Kosten des gemeinsamen Daches gelten die Bestimmungen des Absatzes 1 b) mit der Maßgabe, daß die bezüglich des Vordaches Saling 9 anfallenden Kosten ausschließlich von den Eigentümern der im Aufteilungsplan mit „A“ bis „D“ bezeichneten Einheiten (Läden) getragen werden. (……)“

Mit Schreiben vom 08.11.2021 (Anlage K2) – in der ergänzten Fassung vom 10.11.2021 (Anlage K3) – lud die Verwaltung der Beklagten zur ordentlichen Eigentümerversammlung am 09.12.2021. Dort worden sodann – soweit hier von Interesse – folgende Beschlüsse mehrheitlich gefasst:

„(……) Anträge der Verwaltungsbeirätinnen (……)

Die Anlagen zu den Anträgen der Verwaltungsbeirätinnen (……) wurden mit der Einladung zur Eigentümerversammlung übersandt.

 [1.1.] Änderung der Umlageschlüssel bei Betriebskosten rückwirkend ab dem 01.01.2021, gemäß der Anlage „TOP 4.1.“

[1.1.1.] Beschlussantrag:

Die Kosten für die Treppenhausreinigung 1b – d inkl. der Abtritte, die Leuchtmittel (bisher umgelegt auf 18 Wohnungen), sowie die Reinigung der Dachrinnen von Haupt- und Vorbau (bisher (……)/(……) je 50% und dann nach MEA) werden mit Wirkung ab 01.01.2021 zu 75% auf 1/18 je Wohnung und zu 25% nach Miteigentumsanteilen auf die 4 Gewerbeeinheiten umgelegt.

[1.1.2.] Beschlussantrag:

Die Kosten der Wegepflege im Winter werden wie bisher und mit Wirkung ab 01.01.2021 erweitert um die Sommerpflege von der (……)im Verhältnis von 154m/329m und vom (……)zu 175m/329m getragen und dann jeweils nach Miteigentumsanteilen umgelegt.

 (……) [1.2.] Änderung der Kostenumlage von Erhaltungsmaßnahmen rückwirkend ab dem 01.01.2021, gemäß der Anlage „TOP 4.2.“

[1.2.1.] Beschlussantrag

Die Eigentümerversammlung beschließt, dass die Kosten der Sanierung des gemeinsamen Hauptdaches in Abänderung von § 11 Abs. 1e der Teilungserklärung von 1997 nach Miteigentumsanteilen unter allen Einheiten rückwirkend ab dem 01.01.2021 verteilt werden.

[1.2.2.] Beschlussantrag

Die Eigentümerversammlung beschließt, dass die Kosten für Erhaltungsmaßnahmen für das Treppenhaus in Abänderung von § 11 Abs. 1d der Teilungserklärung von 1997 rückwirkend ab dem 01.01.2021 wie folgt verteilt werden: 75% der Gesamtkosten sollen auf die 18 Wohnung mit je 1/18 umgelegt werden und 25% der Gesamtkosten sollen auf die Läden nach Miteigentumsanteilen umgelegt werden.

[1.2.3.] Beschlussantrag

Entsprechend der Kostentragungspflicht der Eigentümer auf der Wohnungsseite werden die Kosten für Erhaltungsmaßnahmen auf der (……) (……)-Seite für das Vordach mit Regenrinnen, die Hauseingangstüren mit Klingeln und die Eingangspodeste mit Abtritten rückwirkend ab 01.01.2021 auf die 4 Gewerbeeinheiten nach Miteigentumsanteilen verteilt.

[1.2.4.] Beschlussantrag

Die Eigentümerversammlung beschließt, dass in Abänderung von § 11 Abs. 1b der Teilungserklärung von 1997 Erhaltungsmaßnahmen im laufenden Etat, soweit sie nicht durch die o.g. Beschlüsse anders umgelegt werden, nach einem sachgerechten Maßstab unter angemessener Berücksichtigung der Betroffenheit der einzelnen Mitglieder der Gemeinschaft umgelegt werden und im Zweifel nach Miteigentumsanteilen.

 [1.3.] Zu Zuführungen zur Erhaltungsrücklage rückwirkend ab 1.1.2021 gemäß der Anlage „TOP 4.3.“

[1.3.1.] Beschlussantrag

Die Eigentümerversammlung beschließt, dass die Zuführung zur Erhaltungsrücklage rückwirkend ab 1.1.2021 auf einheitlich 1.800 Euro pro Geschossebene angepasst werden.

Die Rücklagenzuführung soll im Einzelnen wie folgt angepasst werden:

Laden C neu: 600,00 Euro p.a.

Laden A neu: 600,00 Euro p.a. Laden B neu: 400,00 Euro p.a. Laden D neu: 200,00 Euro p.a.

Für die 18 Wohnungen bleibt es für 2021 bei 300 Euro p.a.

Die Gesamtzuführung für 2021 erhöht sich damit von 6.240 Euro um 960 Euro erhöhen auf 7.200 Euro.

(……)

4.3.3. Beschlussantrag

Die Eigentümerversammlung beschließt, die Zuführung zur Erhaltungsrücklage ab 1.1.2022 auf einheitlich 7.200 Euro pro Geschossebene angepasst werden.

Die Rücklagenzuführung soll im Einzelnen wie folgt angepasst werden: Laden C neu: 2.400,00 Euro p.a.

Laden A neu: 2.400,00 Euro p.a. Laden B neu: 1.600,00 Euro p.a. Laden D neu: 800,00 Euro p.a.

Je Wohnung neu: 1.200,00 Euro p.a.

Die Gesamtzuführung für 2022 würde sich damit auf 7.200 Euro erhöhen auf 28.800 Euro. (……)

[1.1.1.] Beschlussantrag

Die Eigentümerversammlung beschließt die Sanierung des Haupt- und Vordachs, dem Grunde nach. Die Verwaltung wird angewiesen, die vorliegenden Angebote nach entsprechenden Besichtigungen aktualisieren zu lassen. Hierbei soll auch die Firma (……) berücksichtigt werden.

Die Beschlussfassung über die Beauftragung der Maßnahme erfolgt nach der Vorlage der aktualisierten Angebote per vereinfachtem Umlaufverfahren.

Die Verwaltung wird angewiesen, die Möglichkeiten zur Aufnahme eines Kredites durch die Eigentümergemeinschaft zur Finanzierung der Maßnahme zu prüfen und die Eigentümer zeitnah darüber zu informieren.

 [1.1.2.] Beschlussantrag zur Finanzierung des Hauptdachs:

Die Eigentümerversammlung beschließt zur Finanzierung der Sanierung des Hauptdaches eine Sonderumlage in Höhe von 151.158,32 Euro, entsprechend der Angebotssumme der Firma (……), mit Fälligkeit zum 01.05.2022. Die Verteilung der Sonderumlage erfolgt nach den Miteigentumsanteilen auf alle Einheiten.

Die Verwaltung wird ein Ankündigungsschreiben für die Sonderumlage versenden.

4.6.2 Beschlussantrag zur Finanzierung des Vordachs Die Eigentümerversammlung beschließt zur Finanzierung der Sanierung des Vordachs eine Sonderumlage in Höhe von 36.419,68 Euro, entsprechend der Angebotssumme der Firma (……), mit Fälligkeit zum 01.05.2022. Die Verteilung der Sonderumlage erfolgt nach den Miteigentumsanteilen auf die 4 Gewerbeeinheiten Einheiten.

Die Verwaltung wird ein Ankündigungsschreiben für die Sonderumlage versenden (……).

4.0 Verabschiedung des Wirtschaftsplanes 2022 Beschlussantrag:

Beschlussfassung über die zu leistenden Vorschüsse aus den vorgelegten Einzelwirtschaftsplänen jeweils ergebenden Vorschüsse zur Kostentragung zur Bewirtschaftung/Verwaltung sowie den Erhaltungsrücklagen für den Wirtschaftsseitraum 2022 unter der Berücksichtigung der Beschluss dieser Versammlung zur Kostenverteilung.

Im Zuge des Wirtschaftsplanes für 2022 wird eine VorfälligkeitsregelungVerfallklausel beschlossen:

Der sich aus dem jeweiligen Einzelwirtschaftsplan für den jeweiligen Eigentümer ergebende anteilige Jahreshausgeldvorauszahlungsbetrag ist fällig und zahlbar mit dem Zeitpunkt der Beschlussfassung. Dem jeweiligen Eigentümer wird nachgelassen, den Jahreshausgeldvorauszahlungsbetrag in monatlich gleichen Raten jeweils im Voraus bis zum Ablauf des dritten Werktages eines jeden Monats auf das von der Verwalterin angegebene Konto zu leisten. Für die Rechtzeitigkeit der Zahlung kommt es auf den Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Verwaltungskonto an. Liegt eine SEPALastschrift-Einzugsermächtigung vor, wird die Hausverwaltung zum angegebenen Termin von dieser Gebrauch machen.

Gerät ein Eigentümer mit den Hausgeldvorauszahlungen ganz oder teilweise in Höhe des Betrags zweier monatlicher Hausgeldraten in Verzug, so entfällt die Möglichkeit der Ratenzahlung und der gesamte dann noch ausstehende Jahreshausgeldvorauszahlungsbetrag ist wieder zur sofortigen Zahlung fällig. Dies gilt nicht für den Fall der Veräußerung des jeweiligen Sondereigentums, der Anordnung der Zwangsverwaltung über das jeweilige Sondereigentum, der Anordnung der Zwangsversteigerung über das jeweilige Sondereigentum sowie für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des jeweiligen Sondereigentümers. Erbringen Eigentümer Teilzahlungen auf ihre Beitragspflichten aus dem Einzelwirtschaftsplan, so sind diese Zahlungen zunächst der Rücklage und erst dann auf die Bewirtschaftungskosten zu buchen.

Die Eigentümerversammlung beschließt den Wirtschaftsplan mit Druckdatum vom 09.12.2021.

Der neue Wirtschaftsplan wird von der Verwaltung an alle Eigentümer verschickt.“

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll gemäß Anlage K5/B5 Bezug genommen.

Die Klägerin macht mit ihrer am Montag, d. 10.01.2022 per beA bei Gericht eingegangenen, der Beklagten am 07.02.2022 zugestellten und mit Schriftsatz vom 03.02.2022 – Eingang bei Gericht am selben Tag per beA – weiter begründeten Anfechtungsklage geltend, dass die Beschlüsse vom 09.12.2021 zu TOP 4.1.1., 4.1.2., 4.2.1., 4.2.2., 4.2.3., 4.2.4, 4.3.1., 4.3.3.,

4.6.1., 4.6.2 (Hauptdach und Vordach) und zu TOP 4.0 für ungültig, hilfsweise für nichtig zu erklären seien.

Dazu bringt sie vor, dass sämtliche Beschlüsse – mit Ausnahme der zu 4.2.4, 4.3.3., 4.6.1., 4.6.2 (Hauptdach und Vordach) und zu TOP 4.0 gefassten – eine unzulässige Rückwirkung auf den 01.01.2021 enthalten würden, weswegen sie nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen. Eine rückwirkende Regelung zur Änderung des Umlageschlüssels könne – wie schon nach früherer Rechtslage – auf § 16 Abs. 2 S. 2 WEG n.F. nicht gestützt werden; das sei nur für zukünftige Änderungen möglich. Dem stehe schutzwürdiges Vertrauen in die bisherige Regelung entgegen. Die Abrechnungsperiode sei bei Beschlussfassung Anfang Dezember schon nahezu vollumfänglich abgelaufen gewesen, weswegen sie – die Klägerin – davon habe ausgehen dürfen, dass es bei der bestehenden Kostenverteilung bleibe. Es gebe auch keinen sachlichen Grund für die Änderung des Schlüssels. Die Mehrbelastung der Laden-Einheiten im „Flachdachanbau“ sei willkürlich erfolgt. Selbst wenn den Eigentümern im Rahmen der Entscheidung nach § 16 Abs. 2 S. 2 WEG n.F. ein Ermessen zustehe, sei davon vorliegend fehlerhaft Gebrauch gemacht worden.

Den Beschlüssen zu TOP 4.1.1., 4.1.2., 4.2.1., 4.2.2. und 4.2.3. fehle die hinreichende Bestimmtheit, weil nicht ersichtlich sei, welche Kosten von der Änderung überhaupt erfasst seien.

Betreffend den Beschluss zu TOP 4.1.1. sei zu berücksichtigen, dass eine Zugangsmöglichkeit von den Laden-Einheiten zu den Treppenhäusern (……) (……) (……), (……) (……) und (……) (……), in denen die Wohnungen gelegen seien, nicht gegeben sei, weswegen es nicht rechtmäßig sei, die Laden-Einheiten nunmehr auch an den Kosten der Treppenhausreinigung etc. zu beteiligen. Das gelte auch für die Beteiligung an den Kosten der Dachrinnenreinigung für das Haupthaus. Es sei auch nicht klar, wie der Umfang der Reinigung sei und welche Leuchtmittel ausgetauscht werden.

Bei dem Beschluss zu TOP 4.1.2. sei unklar, was der Unterschied zwischen den Kosten der Wegepflege im Winter und der Sommerpflege sei. Auch das Verhältnis der Kostentragung sei nicht nachvollziehbar und willkürlich festgelegt. Unklar sei ferner, was mit „(……)“ gemeint sei.

Der Beschluss zu TOP 4.2.1. sehe vor, dass sie sich mit den auf sie entfallenden Miteigentumsanteilen – unstreitig insgesamt 32.815/100.000stel – an den Kosten zu beteiligen habe, während die Teilungserklärung lediglich eine Kostenbelastung von 10% vorsehe; das sei willkürlich und ohne sachlichen Grund erfolgt und erkennbar mit dem Ziel, einseitig die Wohnungen zu entlasten.

Gleiches gelte auch für den Beschluss zu TOP 4.2.2., der eine Belastung mit 25% vorsehe.

Aus dem Beschluss zu TOP 4.2.3. gehe nicht klar und eindeutig genug hervor, was mit einer Kostentragungspflicht „der Eigentümer auf der Wohnungsseite“ gemeint sei. Ferner sei nicht nachvollziehbar. Ferner werden die Laden-Einheiten willkürlich exklusiv mit Kosten belastet.

Der Beschluss zu TOP 4.2.4. sei deswegen zu unbestimmt, weil nicht ersichtlich sei, was

„Erhaltungsmaßnahmen aus dem laufenden Etat“ und ein „sachgerechter Maßstab“ sein sollen. Ferner enthalte § 11 Abs. 1 b) der TE auch keine „Kosten des laufenden Etats“ und es sei zudem auch unklar, wer über den „sachgerechten Maßstab“ entscheiden bzw. diesen festlegen solle.

Die Änderung des Schlüssels mit Beschlüssen zu TOP 4.3.1. und 4.3.3. sei willkürlich. Es gebe keinen sachlichen Grund, die Zuführungen für die Laden-Einheiten zu erhöhen, die für die Wohnungen aber unverändert zu lassen (TOP 4.3.1.). Und die Erhöhung ab 2022 basiere auf den unzulässigen Festlegungen zur Kostenbeteiligung der Laden-Einheiten bei Erhaltungsmaßnahmen.

Zu TOP 4.6.1. sei nicht ermittelt worden, ob eine Erhaltungsbedürftigkeit überhaupt vorliege. Auch sei der Grundlagenbeschluss zu unbestimmt, weil nicht geregelt sei, in welcher Art und Weise überhaupt eine Erhaltung durchgeführt werden solle.

Die beiden Beschlüsse zu TOP 4.6.2. – Sonderumlagen betreffend Haupt- und Vordach – seien ordnungswidrig, weil es die Erhaltungsmaßnahmen als solche schon seien. Ferner werde sie, die Klägerin, betreffend das Vordach müsse sie – was willkürlich sei – die Kosten alleine tragen, obwohl sie für die Kosten des Hauptdaches auch nur anteilig herangezogen werde. Es gebe auch noch keinen Auftrag zur Durchführung der Maßnahmen, weswegen die Beschlussfassung über eine Sonderumlage verfrüht sei. Es sei schon unklar, welche Kosten dafür überhaupt anfallen.

Der Beschluss über den Wirtschaftsplan (TOP 4.0) greife die fehlerhaften Verteilungsschlüssel auf, weswegen dieser ordnungsgemäßer Verwaltung widerspreche. Da der Plan erst durch die Verwaltung verschickt werden solle, habe noch gar kein Zahlenwerk vorgelegen, dass Gegenstand einer Beschlussfassung hätte sein können.

Die Klägerin beantragt, die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 09.12.2021 zu TOP 4.1.1., 4.1.2., 4.2.1., 4.2.2., 4.2.3., 4.2.4, 4.3.1., 4.3.3., 4.6.1., 4.6.2 (Hauptdach und Vordach) und zu TOP 4.0 für ungültig, hilfsweise für nicht zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtenen Beschlüsse und macht dazu geltend, dass mit den Beschlüssen zur Änderung der Kostenverteilung keine unzulässige Rückwirkung verbunden sei. Es sei jeweils nur das laufende Abrechnungsjahr 2021 bzw. die Zukunft betroffen. Eines sachlichen Grundes für die abweichende Kostenverteilung bedürfe es nicht; der Gemeinschaft stehe ein weiter Gestaltungsspielraum zu, der nur durch das Willkürverbot begrenzt werde. Die Änderung der Kostenverteilung für die Treppenhausreinigung etc. (TOP 4.1.1.) beseitige den Zustand, dass diese nach dem Inhalt der TE 1997 lediglich von den Eigentümern der Wohnungen zu tragen seien. Überdies sei es möglich, über das Kellergeschoss von den Laden-Einheiten in die Treppenhäuser, die zu den Wohnungen führen, zu gelangen und in einzelne Kellerräume (vgl. Anlagen B4 und B4a). Durch die 25%ige Kostenbeteiligung für die Reinigung der Dachrinnen würden die Laden-Einheiten begünstigt werden, da die Dachrinne des Vorbaus wegen der verwinkelten Bauweise des Vorbaus länger als die Dachrinne an der Front- und Rückseite des Hauptgebäudes sei (40 m zu 77 m). Mit dem Kostenanteil von – lediglich – 25% (und nicht 50%) für die Laden-Einheiten werde der geringere Gebrauchsanteil betreffend der Treppenhäuser berücksichtigt. Der Beschluss zu TOP 4.1.2. sei eindeutig. Bereits in der Versammlung vom 30.05.2011 sei zu TOP 11 – was unstreitig ist – eine Verteilung der Schnee- und Eisbeseitigungskosten nach laufendem Meter beschlossen worden (vgl. Anlage B6); die Adresse „(……)“ beziehe sich auf die Wohnungen, die Adresse „(……)“ auf die Laden-Einheiten der Klägerin. Die Meter-Angaben seien unverändert den Rechnungen der Fa. (……) entnommen worden. Hinzugekommen seien lediglich die Kosten für die Moosentfernung auf den Wegen. Der Beschluss zu TOP 4.2.1. habe den Umstand aufgegriffen, dass die Kostenverteilung nach § 11 Abs. 1 e) TE 1997 von den Wohnungseigentümern als treuwidrig i.S. von § 242 BGB verstanden worden sei; auch nach der TE i.d.F. von 1993 seien die Kosten – wie auch jetzt beschlossen – nach Miteigentumsanteilen umgelegt worden, während die Kostenregelung in der TE 1997 (nur 10% für die Laden-Einheiten) grob unbillig gewesen sei. Gleiches gelte für die Verteilung der Kosten für die Erhaltung des Treppenhauses (TOP 4.2.2.).

Der Beschluss zu TOP 4.2.3. sei gefasst worden, weil nach Ansicht der Wohnungseigentümer eine Regelungslücke in der TE 1997 bestanden habe und eine Verteilung nach Miteigentumsanteilen nicht sachgerecht sei. Der Beschluss zu TOP 4.2.4. erfasse Erhaltungsmaßnahmen, für welche die Verwaltung aufgrund der geringen Höhe keines gesonderten Beschlusses bedürfe. Die Entnahme aus „dem laufenden Etat“ bedeute, dass die Finanzmittel nicht aus der Erhaltungsrücklage entnommen oder dafür keine Sonderumlage erhoben werde. Die verwendeten Begrifflichkeiten seien aus Sicht der Wohnungseigentümer klar und verständlich und insoweit üblich.

Die Zuführung zur Rücklage (TOP 4.3.1.) sei beschlossen worden, weil die Anteile der Laden-Einheiten nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zur zukünftigen Kostenbeteiligung gestanden hätten. Für 2021 seien die Teileigentumseinheiten den Wohnungen gleichgestellt worden. Die Umlegung der Beträge nach Miteigentumsanteilen hätte die Klägerin unangemessen benachteiligt. Eine bloße Teilanfechtung des Beschlusses zu TOP 4.3.3. sei zudem nicht zulässig.

Der Klägerin fehle das Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung des Beschlusses zu TOP 4.6.1., weil sie selbst für den Beschlussantrag gestimmt habe. Ferner sei ihr die Instandsetzungsbedürftigkeit des Daches aufgrund eines von Fa. (……) erstellten Zustandsberichtes bekannt; die Einholung von Angeboten sei – was unstreitig ist – bereits in der Versammlung vom 13.08.2019 zu TOP 4.1. beschlossen worden (vgl. Anlage B7). Es sei diskutiert worden, das Vordach nicht mit einzubeziehen; das sei aber aus ökonomischen Gründen dann verworfen worden. Und die Finanzierung durch die Sonderumlagen (TOP 4.6.2.) folge dem Angebot der Fa. (……).

Die Einzelwirtschaftspläne seien den Eigentümern mit der Einladung vom 08.11.2021 übersandt worden. Auf dieser Grundlage und den zuvor gefassten Beschlüssen zur Kostenverteilung wurden die Wirtschaftspläne mit Druckdatum vom 09.12.2021 angepasst und dann beschlossen. Der Klägerin fehle insoweit das Rechtsschutzbedürfnis, weil sie für den TOP gestimmt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien im Verlauf des Rechtsstreits zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

1. Die Klage ist betreffend den Beschluss zu TOP 4.3.3. nicht deswegen unzulässig, weil die Klägerin diesen lediglich teilweise – bezogen auf ihre vier Laden-Einheiten – angefochten hat. Eine solche Beschränkung ist ihrem Klagebegehren nicht zu entnehmen. Selbst wenn es in ihrem Klageantrag heißt, dass der Beschluss „betreffend die Erhöhung der Rücklagenzufuhr in Bezug auf die Ladeneinheiten A bis D“ für ungültig erklärt werden soll, ist ihrer weiteren Klagebegründung eine Teilanfechtung nicht zu entnehmen; in ihrem Schriftsatz vom 03.02.2022 (S. 8) heißt es auch, dass „dieser Beschluss“ für ungültig zu erklären ist – also nicht lediglich ein Teil davon. Der Klägerin fehlt betreffend die Beschlüsse zu TOP 4.6.1. und TOP 4.0 auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis, weil sie diesen Beschlüssen selbst zugestimmt hat (vgl. BGH, NJW 2012, 2578, Rn. 9 = ZMR 2012, 709; Zschieschack/Orthmann, BeckOK-BGB, 62. Ed. 1.5.2022, § 44 WEG, Rn. 19).

2. Die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 09.12.2021 zu TOP 4.1.1., 4.1.2., 4.2.1., 4.2.2., 4.2.3. und 4.3.1. sind für ungültig zu erklären, weil sie den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums widersprechen. Diese Beschlüsse, die (abgeänderte) Kostenverteilungsregelungen bzw. Verteilungsschlüssel „mit Wirkung ab 01.01.2021“ festlegen, beinhalten eine unzulässige Rückwirkung. Im Grundsatz gilt, dass Umlagebeschlüsse, gestützt auf § 16 Abs. 2 S. 2 WEG n.F. – wie schon nach früherer Rechtslage (vgl. nur BGH, NJW 2011, 2202, 2203, Tz. 10 ff. = ZMR 2011, 652 zu § 16 Abs. 3 WEG a.F.) -, nur dann ordnungsmäßig sind, wenn sie für die Zukunft wirken sollen (vgl. etwa Bartholome, in: BeckOK-WEG, 49. Ed. 1.7.2022, § 16, Rn. 157; Elzer, in: Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, 2021, § 13, Rn. 34; Elzer, ZWE 2021, 297, 307). Soll eine Kostenregelung – wie vorliegend – aber gleichwohl für einen noch nicht abgeschlossenen Vorgang (Abrechnungsjahr 2021) gelten, ist eine Rückwirkung jedenfalls dann hinzunehmen, wenn sich bei typisierender Betrachtung noch kein schutzwürdiges Vertrauen herausgebildet hat (BGH, NJW 2010, 2654, 2655, Tz. 11 = ZMR 2010, 775). Das kann etwa der Fall sein, wenn der in der Teilungserklärung festgelegte Schlüssel von Beginn an nicht angewandt worden ist und die nunmehr beschlossene Kostenregelung der jahrelangen Übung in der Gemeinschaft entspricht (vgl. LG Hamburg, ZWE 2013, 453, 454 = ZMR 2013, 465; LG Rostock, ZWE 2021, 287, 290, Rn. 49 = ZMR 2021, 63). Ein schutzwürdiges Vertrauen hat sich im Übrigen etwa auch dann nicht herausgebildet, wenn für das laufende Wirtschaftsjahr kein auf der Grundlage des alten Schlüssels aufbauender Wirtschaftsplan beschlossen worden ist und die Abrechnung noch in der Schwebe ist; allein der Umstand, dass Vorschüsse auf der Grundlage des alten Verteilungsschlüssels erhoben worden sind, vermag kein schutzwürdiges Vertrauen zu begründen (siehe BGH, NJW 2010, 2654, 2655, Tz. 11 = ZMR 2010, 775). Da auch in bereits abgeschlossene (Abrechnungs-)Zeiträume dann ausnahmsweise rückwirkend durch eine geänderte Kostenverteilungsregelung eingegriffen werden darf, wenn besondere Umstände vorliegen, etwa weil der bisherige Schlüssel unbrauchbar oder in hohem Maße unpraktikabel ist oder dessen Anwendung zu grob unbilligen Ergebnissen führt (BGH, a.a.O.), gilt dies erst Recht für Vorgänge, die – wie hier – noch nicht abgeschlossen sind (Elzer, ZWE 2021, 297, 307).

Gemessen an diesen Anforderungen liegen die Voraussetzungen für eine unechte Rückwirkung in Bezug auf die o.g. Beschlüsse hier nicht vor. Es ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass die Klägerin für das Abrechnungsjahr 2021 nicht auf die Anwendung der in der Teilungserklärung (i.d.F. von 1997) festgelegten Kostenverteilungsregelungen vertrauen durfte. Die neu gefassten Regelungen greifen weder eine jahrelange Übung in der Gemeinschaft auf noch musste die Klägerin schon im Laufe des Jahres 2021 damit rechnen, dass die Kostenverteilung wie beschlossen abgeändert wird; zum Zeitpunkt der Beschlussfassung war das Jahresende schon nahezu erreicht. Auch sind keine „besonderen Umstände“ dargetan oder ersichtlich, die ausnahmsweise eine rückwirkende Geltung der neuen Verteilungsschlüssel rechtfertigen könnten. Dass die bisherigen Schlüssel „unbrauchbar“ oder „in hohem Maße unpraktikabel“ gewesen sind, hat die Beklagte nicht geltend gemacht. Soweit sie darauf abhebt, dass die Anwendung der in der Teilungserklärung (i.d.F. von 1997) festgelegten Kostenverteilungsregelungen angesichts der Umstände „nicht sachgerecht“ bzw. „grob unbillig“ sei, liegen die tatsächlichen Voraussetzungen für eine solche, im Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) wurzelnde Ausnahmekonstellation nicht vor. Bei der Bestimmung dessen, was im Rahmen einer Kostenverteilungsregelung „grob unbillig“ ist bzw. zu einem besonders auffälligen Missverhältnis führt, reicht eine bloße Mehrbelastung einzelner oder mehrerer Eigentümer gegenüber anderen Wohnungs- oder Teileigentümern nicht aus; diese Ausnahmekonstellation ist vielmehr – in Anlehnung an den Anspruch eines Eigentümers auf Abänderung einer vereinbarten Kostenverteilungsregelung – nur auf solche Fälle begrenzt, in denen das Mehrfache dessen zu zahlen ist, was bei sachgerechter Kostenverteilung zu zahlen wäre (vgl. dazu OLG Zweibrücken, NZM 1999, 808, 809). Ferner kann ins Gewicht fallen, dass den Wohnungseigentümern beim Erwerb des Wohnungs- und/oder Teileigentums der Verteilungsschlüssel bekannt gewesen ist und sie sich deswegen auf ihn einstellen konnten; eine Praxis, die Versuche ermutigen würde, die vereinbarte Regelung unter Anrufung von Billigkeitserwägungen in Frage zu stellen, könnte ständige Unruhe in den Gemeinschaften fördern und sie würde den Rechtsgrundsatz aushöhlen, dass das einmal Vereinbarte grundsätzlich bindet (vgl. nur BayObLGZ 1987, 66, 69; OLG Köln, NJW-RR 1995, 973, 974; Wendel, ZWE 2001, 408, 409).

Hinsichtlich der Beschlüsse zu TOP 4.2.1., 4.2.2. und 4.2.3. ist eine – von der Beklagten darzulegende – „grobe Unbilligkeit“ schon deswegen nicht anzunehmen, weil nach ihrem unwidersprochen gebliebenen Vortrag für die „Kosten der Sanierung des gemeinsamen Hauptdachs“ (TOP 4.2.1.), für die „Erhaltung des Treppenhauses“ (TOP 4.2.2.) und für „Erhaltungsmaßnahmen auf der (……) (……)-Seite für das Vordach mit Regenrinnen, die Hauseingangstüren mit Klingeln und die Eingangspodeste mit Abtritten“ (TOP 4.2.3.) im Jahr 2021 keinerlei Kosten angefallen sind. Ein konkreter Vergleich zwischen der Kostenbelastung der Eigentümer aufgrund der Regelungen in der Vereinbarung und der am 09.12.2021 neu beschlossenen Kostenverteilung ist nicht möglich.

Der Beschluss zu TOP 4.1.1. beseitigt nach dem Vortrag der Beklagten keine „grobe Unbilligkeit“. Damit werden die „Kosten für die Treppenhausreinigung 1b – d [gemeint sein dürfte die Adresse „(……)“] inkl. der Abtritte, die Leuchtmittel“ nunmehr zu 75% auf die (18) Wohneinheiten und zu 25% auf die (vier) Gewerbeeinheiten verteilt, während diese Kosten nach Maßgabe von § 11 Abs. 1 1d) TE 1997 nur von den Wohnungseigentümern zu tragen sind. Eine Differenz von 25% zwischen der Neu- und der Altregelung rechtfertigt aber noch keine „grobe Unbilligkeit“, also ein besonders auffälliges Missverhältnis zwischen der früheren und der neuen Kostenbelastung. Und soweit die Kosten für die „Reinigung der Dachrinnen von Haupt- und Vorbau“ statt wie bisher zur Hälfte auf die Wohneinheiten und zur anderen Hälfte auf die Ladeneinheiten zukünftig im Verhältnis 75% (Wohnungen) zu 25% (Laden-Einheiten) verteilt werden sollen, fehlt es schon an einem Nachteil der Wohnungseigentümer, der eine „große Unbilligkeit“ zu tragen im Stande wäre.

Auch die Abweichung betreffend die Kosten der Wegepflege (TOP 4.1.2.), die nach § 11 Abs. 1a) TE 1997 zu 90% von den Wohneinheiten und zu 10% von den Laden-Einheiten getragen werden, ist vor dem Hintergrund, dass diesen Einheiten ein Miteigentumsanteil von 32.815/100.000stel (also 32,85%) zukommt, nicht „grob unbillig“, so dass eine Rückwirkung nicht in Betracht kommt.

Und soweit zu TOP 4.3.1. rückwirkend eine Erhöhung der Zuführung zur Erhaltungsrücklage nur für die Laden-Einheiten beschlossen worden ist, ist eine „grobe Unbilligkeit“ in Bezug auf die zuvor vorgenommene Kostenverteilung aus den zuvor genannten Gesichtspunkten nicht erkennbar.

Ob die Beschlüsse zu TOP 4.1.1., 4.1.2., 4.2.1., 4.2.2., 4.2.3. und 4.3.1. ohne Rückwirkung den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung vor dem Hintergrund einer bloßen Willkürkontrolle (BGH, NJW 2019, 2083, 2084, Tz. 14 = ZMR 2019, 619; Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl. 2021, § 16, Rn. 62) standgehalten hätten, bedarf daher nach alledem keiner weiteren Entscheidung mehr, auch wenn die Beklagte zutreffend geltend macht, dass es für die Abänderung des Kostenverteilungsschlüssels nach § 16 Abs. 2 S. 2 WEG n.F. keines sachlichen Grundes bedarf und das Gestaltungsermessen der Eigentümer sowohl hinsichtlich des „Ob“ als auch des „Wie“ sehr weit ist.

1. Der Beschluss zu TOP 4.3.3. betreffend die Zuführung zur Erhaltungsrücklage ab 01.01.2022 widerspricht nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung. Die Eigentümer haben damit die Rücklagenzuführung einheitlich für jede „Geschossebene“ auf 7.200,00 Euro festgelegt, was sowohl für vier Laden-Einheiten der Klägerin als auch für die drei Ebenen mit Wohnungen gilt. Diese Festlegung ist ebenso wenig willkürlich wie die weitere Aufteilung von 2.400,00 Euro auf die Einheiten „C“ und „A“ sowie von 1.600,00 Euro („B“) und 800,00 Euro („D“), was Ausfluss der unterschiedlich großen Miteigentumsanteile dieser Einheiten ist. In wieweit auf die zugeführten Beträge bei späteren Erhaltungsmaßnahmen zugriffen wird und nach welchem Schlüssel, ist hier nicht von Belang.

2. Der Beschluss zu TOP 4.2.4. ist für ungültig zu erklären. Die Klägerin wendet zu Recht ein, dass der Beschluss nicht bestimmt genug ist. Der Inhalt eines Eigentümerbeschlusses muss inhaltlich bestimmt, klar und widerspruchsfrei sein; der Beschluss muss also „aus sich heraus“ objektiv-normativ auszulegen sein und Umstände außerhalb des protokollierten Beschlusses dürfen dafür nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne Weiteres erkennbar sind (vgl. dazu BGH, NJW-RR 2016, 985, Rn. 9 = ZMR 2016, 638; NJW 2016, 2177, 2180, Rn. 39 = ZMR 2016, 476) . Einem Beschluss fehlt hingegen die notwendige Bestimmtheit, wenn er keine sinnvolle, in sich geschlossene und verständliche Regelung enthält, weswegen er so ausführlich wie nötig beschreiben muss, was gelten soll (Hügel/Elzer, a.a.O., § 23, Rn. 141). Diesen Anforderungen wird der in Rede stehende Beschluss nicht gerecht. Aus der Sicht eines unbefangenen Lesers wird nicht deutlich, was mit „Erhaltungsmaßnahmen im laufenden Etat“ und „einem sachgerechten Maßstab unter angemessener Berücksichtigung der Betroffenheit der einzelnen Mitglieder der Gemeinschaft“ gemeint ist; auf die subjektiven Vorstellungen der (übrigen) Eigentümer der Beklagten kommt es dafür nicht an. Es bleibt ferner – was die Klägerin eingewendet hat – unklar, wie und durch wen dieser Maßstab festgelegt werden soll und in welchen Fällen „im Zweifel“ nach Miteigentumsanteilen verteilt wird.

3. Die Beschlüsse zu TOP 4.6.1. und TOP 4.6.2. sind ebenfalls für ungültig zu erklären. Die Klägerin wendet insoweit mit Erfolg ein, dass es nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, eine Sanierungsmaßnahme zu beschließen, ohne sich vorab eine ausreichende Tatsachengrundlage über die Notwendigkeit der Maßnahme verschafft zu haben. Es ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass die Eigentümer den Beschluss nach sachverständiger bzw. fachmännischer Beratung gefasst haben. Soweit die Beklagte dazu geltend macht, dass bereits auf der Versammlung vom 13.08.2019 zu TOP 4.1. beschlossen worden sei, dass die Verwaltung Alternativangebote einholen soll, genügt das für eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über das „Ob“ einer Erhaltungsmaßnahme nicht. Das gleiche gilt für einen „Zustandsbericht“.

Mangels einer Sanierungsmaßnahme, die zu finanzieren ist, entfällt auch das Bedürfnis für die Erhebung einer Sonderumlage (TOP 4.6.2.). Hinzu kommt, dass die Erhebung einer solchen auch erst dann angezeigt ist, wenn die konkrete Maßnahme, die durchgeführt werden soll, schon beschlossen worden ist, weil andernfalls unklar ist, in welchem Rahmen überhaupt eine Finanzierung erforderlich ist und nur so auch ermessensfehlerfrei darüber entschieden werden kann, ob diese (auch) durch eine Sonderumlage und/oder eine Kreditaufnahme, einen Rückgriff auf die Erhaltungsrücklage oder auf die vorhandene Liquidität des Wohngeldes finanziert wird.

4. Der Beschluss zu TOP 4.0 (Wirtschaftsplan 2022) ist nicht für ungültig zu erklären. Die Klägerin hat innerhalb der Klagebegründungsfrist nach § 45 S. 1 Alt. 2 WEG nicht ausreichend und schlüssig dargetan, wie sich die Beschlussfassung bei Beachtung der zutreffenden Positionen, Beträge, Abrechnungsmaßstäbe, Verteilungsschlüssel etc. auf – wenigstens – ihre eigene Zahlungspflicht ausgewirkt hätten. Seit dem Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes zum 01.12.2020 bzw. der Regelungen in § 28 WEG n.F. ist der „Wirtschaftsplan“ bzw. das ihm zugrunde liegende Zahlenwerk als solches nicht mehr Gegenstand der Beschlussfassung, sondern lediglich die Vorschüsse zur Kostentragung und die nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 WEG oder durch Beschluss vorgesehenen Rücklagen (vgl. § 28 Abs. 1 S. 1 WEG). Durch die Entkoppelung von Zahlenwerk und Beschlussfassung über die Zahlungspflichten soll die Zahl der häufigen Streitigkeiten um den Wirtschaftsplan und die Jahresabrechnung verringert werden; für den Erfolg einer Anfechtungsklage genügt es deshalb nicht mehr, dass lediglich einzelne Teile eines Wirtschaftsplans und der Jahresabrechnung fehlerhaft sind, solange sich dieser Fehler nicht auf die Zahlungspflicht der Wohnungseigentümer auswirkt (vgl. BT-Drs. 19/18791, S. 76). Diese Beurteilung ist dem Gericht anhand der mit der Klageschrift vom 10.01.2022 und der Klagebegründungschrift vom 03.02.2022 gegebenen Einwendungen nicht möglich. An keiner Stelle legt die Kläger darin dar, weshalb und wie konkret sich etwaig fehlerhaft in das Zahlenwerk eingestellte (willkürliche) Verteilungsschlüssel auf ihre eigenen Zahlungspflichten ausgewirkt haben sollen.

5. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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