LG Berlin – Az.: 65 S 120/21 – Urteil vom 28.12.2021
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Neukölln vom 11. Mai 2021 – 18 C 44/21 – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Neukölln vom 1. September 2020 wird aufrechterhalten, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, an die Klägerin 156,66 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 28. März 2020 sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 729,23 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 28. März 2020 zu zahlen.
Im Übrigen wird das Versäumnisurteil aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache hinsichtlich der Klageanträge zu 1a), b) und c) erledigt ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz hat die Beklagte vorab die Kosten ihrer Säumnis im Termin vor dem Amtsgericht am 1. September 2020 zu tragen; im Übrigen tragen die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz die Klägerin zu 20 % und die Beklagte zu 80 %. Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin und die Beklagte dürfen die Vollstreckung durch die jeweils andere Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision der Beklagten wird zugelassen.
Gründe
I.
Wegen des Vorbringens der Parteien in der ersten Instanz und ihrer dort gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung mit nachfolgenden Ergänzungen Bezug genommen:
Das Amtsgericht hat die Beklagte auf die am 27. März 2020 zugestellte Klage im Termin vom 1. September 2020 wegen Säumnis zunächst durch Versäumnisurteil zur Erteilung der von der Klägerin mit den Klageanträgen zu 1 a) bis d) verfolgten Auskünfte sowie zur Zahlung von 234,74 € (überzahlte Miete Oktober 2019) und vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 802,71 € verurteilt. Nach form- und fristgerecht eingelegtem Einspruch der Beklagten hat das Amtsgericht das Versäumnisurteil aufrechterhalten, soweit es die Beklagte zum Ersatz vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 193,97 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 28. März 2020 verurteilt hat; im Übrigen hat es das Versäumnisurteil aufgehoben. Es hat die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache bezüglich der mit den Anträgen zu 1 a), b) und c) verfolgten Auskunftsansprüche festgestellt, die Klage im Übrigen abgewiesen.
Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass die Rückzahlung nicht geschuldeter Miete für den Monat Oktober 2019 nach Inkrafttreten der Mietstaffel zum 1. Oktober 2019 einer erneuten Rüge bedurft hätte. Die Rüge mit Schreiben vom 3. Juni 2019 (Bl. I/25ff d.A.) habe sich nur auf die Ausgangsmiete, nicht aber die Mietstaffel bezogen. Aus dem Wortlaut der Regelung in § 577a Abs. 4 BGB ergebe sich, dass für jede Mietstaffel gesondert geprüft werden müsse, ob sie nicht mehr als 10 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liege oder die weiteren Ausnahmen nach §§ 556e oder 556f BGB vorlägen. Die Ansicht der Klägerin, dass nicht jede Mietstaffel nach erstmaliger Rüge isoliert und stets neu gerügt werden müsse, überzeuge nicht. Der Wortlaut des § 557a Abs. 4 BGB stehe der Einschätzung entgegen, der gerade insgesamt auf die §§ 556d bis 556g BGB verweise und die Regelung des § 556g Abs. 2 BGB nicht davon ausnehme. Das Erfordernis der Rüge mache auch Sinn, da bei Beginn einer neuen Mietstaffel die ortsübliche Vergleichsmiete gestiegen sein kann, so dass hinsichtlich dieser Staffel eine zulässige Miete nach § 556d BGB vorliege. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 20. Mai 2021 zugestellte Urteil am 18. Juni 2021 Berufung eingelegt und diese am 29. Juni 2021 begründet.
Die Klägerin meint, eine Rüge müsse nicht für jede Mietstaffel gesondert erfolgen; dies sei bloße Förmelei. Der Gesetzgeber habe die Regelung in § 577a BGB einzig deshalb für notwendig gehalten, um klarzustellen, dass durch eine Staffelmietvereinbarung die Regelungen der Mietspreisbremse nicht umgangen werden können. Zwar blieben die Staffeln unangetastet, die bis zur Rüge bereits eingetreten seien. Das bedeute aber nicht, dass die ortsübliche Vergleichsmiete ständig neu ermittelt werden müsse. Die Rüge beziehe sich auf das gesamte unbefristete Mietverhältnis. § 557a Abs. 4 BGB stelle lediglich klar, dass es hinsichtlich der Anwendbarkeit der Mietpreisbremse und der Frage des Ermittlungszeitpunktes der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht auf den Mietbeginn, sondern auf die einschlägige Staffel ankomme. Das Erfordernis der Rüge, das im Laufe der Regelungshistorie immer weiter abgeschwächt wurde, verfolge einzig das Ziel, das schützenswerte Vertrauen des Vermieters in die Legalität der vereinbarten Miete zu erschüttern, bevor er Rückforderungsansprüchen ausgesetzt ist. Dieses Schutzbedürfnis entfalle bereits bei der ersten Rüge.
Außerdem sei eine Staffelmietvereinbarung, bei der für eine Staffel der Mietpreisbremsenverstoß feststehe, zwingend in Gänze unwirksam, weil eine teilweise unwirksame Staffelmietvereinbarung den formalen Anforderungen an die Wirksamkeit der Staffelmietvereinbarung nicht mehr entspricht, da die Angaben der Erhöhungsbeträge und der Ausgangsbeträge nicht mehr zutreffend sind.
Sie meint, auch die vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten müsse die Beklagte deshalb in der vollen Höhe erstatten; sie hat insoweit die Klage in der Berufungsinstanz um 155,48 EUR erweitert.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Neukölln vom 11. Mai 2021 – 18 C 44/21 – teilweise abzuändern und die Beklagte unter Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils vom 1. September 2020 zu verurteilen, an sie 234,74 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 958,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist überwiegend begründet. Die der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen – soweit das Urteil mit der Berufung von der Klägerin angefochten wird – in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang eine andere Entscheidung, §§ 513, 529, 546 ZPO.
1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Miete für den Monat Oktober 2019 in Höhe von 156,66 € aus §§ 556d Abs. 1, 2, 556g Abs. 1, 2, 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 557a Abs. 4, 398 BGB iVm der Mietenbegrenzungsverordnung Berlin vom 28. April 2015 (MietBegrV Berlin 2015). Ein weitergehender Anspruch besteht nicht.
Da der Mietvertrag am 15. September 2018 begann, ist § 556g BGB in der bis zum 31. Dezember 2018 bzw. bis zum 31. März 2020 geltenden Fassung anzuwenden, Art. 229 §§ 49 Abs. 2, 51 EGBGB.
a) Die Höhe des Rückzahlungsanspruchs aufgrund der gesetzlich angeordneten Teilunwirksamkeit der zwischen der Beklagten und dem Zedenten getroffenen Vereinbarungen über die Miethöhe richtet sich nach der Differenz zwischen der ortsüblichen Vergleichsmiete zuzüglich 10 % im Zeitpunkt der Fälligkeit der Miete für Oktober 2019 und der ab 1. Oktober 2019 vereinbarten Mietstaffel, § 557a Abs. 4 Satz 2 BGB.
Nach § 557a Abs. 4 Satz 1 BGB sind – unter den weiteren, hier gegebenen (Wirksamkeits-)Voraussetzungen des § 557a BGB – die §§ 556d bis 556g BGB auf jede Mietstaffel anzuwenden. Für die Berechnung der nach § 556d Abs. 1 BGB zulässigen Höhe der zweiten und aller weiteren Mietstaffeln ist statt des Beginns des Mietverhältnisses der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem die erste Miete der jeweiligen Staffel fällig wird. Die in einer vorangegangenen Mietstaffel wirksam begründete Miethöhe bleibt nach § 557a Abs. 4 Satz 3 BGB erhalten.
Dies zugrunde gelegt, geht das Amtsgericht zutreffend davon aus, dass bei einer Staffelmietvereinbarung die nach § 556d Abs. 1 BGB höchst zulässige Miete bzw. deren Überschreitung nicht nur (einmal) für die erste Miete im Zeitpunkt des Beginns des Mietverhältnisses, sondern für jede einzelne Folgestaffel (erneut) festzustellen ist. Dem entsprechend hat der Gesetzgeber § 556d Abs. 1 BGB für die weiteren Mietstaffeln in zeitlicher Hinsicht modifiziert: Ab der zweiten Staffel tritt als maßgeblicher Zeitpunkt für die Ermittlung der höchst zulässigen Miete an die Stelle des Beginns des Mietverhältnisses der Zeitpunkt der Fälligkeit der ersten Miete der Folgestaffel, § 557a Abs. 4 Satz 2 BGB.
Eine einmal zulässig erreichte Miethöhe hat der Gesetzgeber zudem unter Bestandsschutz gestellt. Sinkt die ortsübliche Vergleichsmiete, so bleibt es bei der zulässigen Höhe der vorangegangenen Mietstaffel; eine Senkung der Miete findet nicht statt, § 557a Abs. 4 Satz 3 BGB. Die Regelung wäre ebenso wie die Anordnung in § 557a Abs. 4 Satz 1 BGB überflüssig, wenn nicht für jede einzelne Staffel gesondert die Überschreitung der ortsüblichen Vergleichsmiete um nicht mehr als 10 % festzustellen wäre.
Der Gesetzgeber wollte – wie auch die Klägerin im Ansatz zutreffend sieht – die Umgehung des § 556d BGB durch Staffelmietvereinbarungen verhindern, wobei er ausweislich der Gesetzesbegründung die Möglichkeit in den Blick genommen hat, dass der Vermieter einen – nach § 557a BGB zulässigen – erheblichen Preissprung und damit einhergehend eine Überschreitung der nach § 556d Abs. 1 BGB höchst zulässigen Miete auf einem durch Gebietsverordnung ausgewiesenen angespannten Wohnungsmarkt erst in einer Folgestaffel, nicht aber bereits in der Ausgangsmiete realisiert (BT-Drs. 18/3121, S. 34).
Konsequenz des gesetzlich vorgesehenen Umgehungsschutzes ist das Erfordernis der Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete und – gegebenenfalls – ihrer Überschreitung um mehr als 10 % für jede einzelne Mietstaffel, dies im Übrigen auch mit der Folge, dass soweit – wie in Berlin – vorhanden, unterschiedliche Mietspiegel heranzuziehen sind (vgl. auch BeckOGK/Siegmund, 1.10.2021, BGB § 557a Rn. 40ff; Schmidt-Futterer/Börstinghaus, 15. Aufl. 2020, § 557a Rn. 70a; Staudinger/J Emmerich (2021) BGB § 557a Rn. 13a; Kammer, Urt. v. 20. Mai 2021 – 65 S 25/21, juris).
Die detaillierte Regelung zur Überprüfung der weiteren Mietstaffeln und die Einbeziehung des § 556g Abs. 1 BGB in die Bezugnahme auf die §§ 556d bis 556g BGB in § 557a Abs. 4 Satz 1 BGB bedeutet zugleich, dass der Gesetzgeber – anders als die Klägerin geltend macht – für den Fall, dass „lediglich“ ein Verstoß gegen die §§ 556d ff BGB vorliegt, nicht von der Gesamtunwirksamkeit der Staffelmietvereinbarung als solcher ausgeht. Der Regelungen hätte es in diesem Fall nicht bedurft. Das grundsätzliche Festhalten an der Wirksamkeit der Staffelmietvereinbarung bewirkt auch, dass der Mieterhöhungsmechanismus des § 557a BGB erhalten bleibt, ebenso wie Mieterhöhungen auf das Niveau der ortsüblichen Vergleichsmiete nach §§ 558ff BGB oder Indexmieterhöhungen nach § 557b BGB nach einem ursprünglichen Verstoß gegen § 556d Abs. 1 BGB mit der Folge der Teilunwirksamkeit der Vereinbarung über die Miethöhe bei Mietbeginn in der Zukunft möglich bleiben.
b) Dem Rückzahlungsanspruch der Klägerin steht nicht entgegen, dass sie den Verstoß gegen die Regelungen der §§ 556d ff BGB vor Beginn der neuen Mietstaffel – hier am 1. Oktober 2019 – nicht erneut gerügt hat.
Von der Frage der Berechnung der höchst zulässigen Miete für die erste und die Folgestaffeln zu unterscheiden sind die Voraussetzungen für den Anspruch des Mieters auf Rückzahlung von Mietanteilen, die wegen der – kraft Gesetzes – teilunwirksamen Vereinbarung/en über die Miethöhe bei Mietbeginn oder zu Beginn einer neuen Staffel nicht geschuldet waren.
Nach § 556g Abs. 2 Satz 1 BGB (aF), auf den § 557a Abs. 4 Satz 1 BGB (auch) verweist, kann der Mieter vom Vermieter eine nach den §§ 556d und 556e BGB nicht geschuldete Miete (nur) zurückverlangen, wenn er einen Verstoß gegen die Regelungen der §§ 556d ff BGB gerügt hat und die zurückverlangte Miete nach Zugang der Rüge fällig geworden ist.
Das Amtsgericht entnimmt den unter a) dargestellten Regelungen zur Berechnung der höchst zulässigen Miete für jede einzelne Mietstaffel und der allgemeinen Anordnung zur Anwendung der §§ 556d bis 556g BGB in § 557a Abs. 4 Satz 1 BGB uneingeschränkt das Erfordernis, dass der Mieter den Verstoß gegen die Regelungen der §§ 556d ff BGB bei jeder neuen Mietstaffel erneut gerügt haben muss, bevor er nicht geschuldete Mietanteile einer neuen Mietstaffel zurückfordern kann.
Die Kammer hält den (undifferenzierten) Ansatz des Amtsgerichts nach dem Wortlaut der Regelungen und der Betrachtung in ihrem Zusammenhang nicht für zwingend, nach dem vom Gesetzgeber zugrunde gelegten Zweck der Rüge für fernliegend und zudem für nicht angezeigt.
Bezüglich der – wiederholten – Rüge fehlt es zum einen an einer § 557a Abs. 4 Satz 2 BGB vergleichbaren Regelung.
Soweit § 557a Abs. 4 Satz 1 BGB (unter anderem) auf § 556g Abs. 2 BGB verweist und die Anwendung auf jede Mietstaffel anordnet, lässt sich die Vorschrift auch dahin verstehen, dass der Mieter einen Verstoß gegen die §§ 556d ff BGB den Anforderungen des § 556g Abs. 2 Satz 2 BGB entsprechend überhaupt gerügt haben muss, dies auch dann, wenn er nicht geschuldete Mietanteile für Staffeln zurückverlangt, die auf die Ausgangsmiete folgen. Mit anderen Worten: Die Rügepflicht entfällt nicht etwa dann generell, wenn der Mieter seine Rückforderung auf Staffelmietanteile beschränkt.
Hätte der Gesetzgeber auf die Regelung in § 557a Abs. 1 Satz 1 BGB verzichtet, wäre tatsächlich – wie von der Klägerin geltend gemacht – die Überlegung naheliegend, dass die Staffelmietvereinbarung jedenfalls dann insgesamt unwirksam ist, wenn sich der „Fehler“ – wie hier – durch die gesamte Vereinbarung zieht.
Der „Fehler“ liegt hier – wie nach Erfahrung der Kammer regelmäßig – in der (unzulässigen) Höhe der Ausgangsmiete; sie wird in § 4 Ziff. 1 des Mietvertrages der Berechnung der vier Folgestaffeln (2019 bis 2022) zugrunde gelegt. Die Ausgangsmiete überschreitet die nach § 556d Abs. 1 BGB höchst zulässige Miete so deutlich, dass sich ihre unzulässige Höhe bei der Berechnung zu allen nach § 557a Abs. 4 Satz 2 BGB maßgeblichen Zeitpunkten auswirkt und die Rechtsfolgen des § 556g BGB auslöst, was bereits jetzt berechenbar ist, da der Mietspiegel 2021 für Berlin vorliegt.
Dem Amtsgericht ist zuzugeben, dass es denkbar ist, dass insbesondere bei – wie hier – moderaten Preisanpassungen über die Mietstaffeln der Anstieg der ortsüblichen Vergleichsmiete dazu führt, dass bei einer Folgestaffel ein Verstoß gegen § 556d Abs. 1 BGB nicht mehr vorliegt.
Dieses „Risiko“ wirkt – nach dem Leitbild des § 556g Abs. 2 Satz 2 BGB – allerdings ohnehin zu Lasten des Mieters, ohne dass es darauf ankommt, ob er – formal betrachtet – die Überschreitung der ortsüblichen Vergleichsmiete auf der Grundlage der im Mietspiegel berücksichtigten Kriterien des § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB mit Bezug zu der an ihn vermieteten Wohnung einmal oder mehrfach gerügt hat.
Er kann nach § 557a Abs. 4 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 556g Abs. 2 BGB (aF) bei jeder weiteren Staffel – gegebenenfalls in Abhängigkeit von einer veränderten Ausstattung oder angepassten Gewichtungen wohnwerterhöhender bzw. -mindernder Merkmale bei einem neuen Mietspiegel – erneut rügen, er muss es aber nicht. Die Folge ergibt sich aus § 556g Abs. 2 Satz 2 BGB: Der Mieter muss sich an den Tatsachen festhalten lassen, auf denen die Beanstandung der vereinbarten Miete (bzw. Mietstaffel) im (jeweiligen) Rügeschreiben beruht.
Gibt der Wortlaut der Vorschriften das uneingeschränkte Erfordernis der Wiederholung der Rüge bei jeder Mietstaffel schon nicht zwingend vor, so lässt es sich mit dem Sinn und Zweck der Rügepflicht nicht mehr vereinbaren.
§ 556g Abs. 2 BGB aF, der für bis 31. März 2020 entstandene Mietverhältnisse galt, schloss Rückforderungsansprüche des Mieters für Zeiträume vor dem Zugang einer qualifizierten Rüge beim Vermieter aus. Der Gesetzgeber hielt es (ursprünglich) für unbillig, wenn ein Vermieter Rückforderungsansprüchen trotz redlichen Bemühens, die Maßgaben der §§ 556d ff BGB zu befolgen, ausgesetzt würde; nach Evaluierung der Regelungen der Mietpreisbremse hielt der Gesetzgeber diesen zunächst unterstellten Ansatz für kontraproduktiv und hob die Beschränkung des Rückforderungsanspruchs auf die nach Zugang der Rüge fälligen Mieten weitgehend auf (vgl. BT-Drs. 19/15824, S. 16).
Das Begründungserfordernis nach der ursprünglichen, hier maßgeblichen Fassung des § 556g Abs. 2 Satz 2 BGB sollte rein formalisierte Beanstandungen der Preisabrede ohne Bezug zum konkreten Mietverhältnis verhindern, der Mieter sollte dazu angehalten werden, die Zulässigkeit der vereinbarten Miete vor einer Auseinandersetzung mit dem Vermieter tatsächlich zu prüfen. Darüber hinausgehende Anforderungen wollte der Gesetzgeber damit ausdrücklich nicht aufstellen. Es sollte genügen, wenn der Mieter die Rüge zunächst aufgrund ihm bekannter und allgemein zugänglicher Umstände begründet, sich in der Regel insbesondere darauf beschränkt, die zulässige Miethöhe aufgrund eines örtlichen Mietspiegels zu ermitteln. Sofern der Vermieter – was ihm nach § 556g BGB aF frei stand – bereits bei Vertragsschluss weitere preisbildende Faktoren mitteilt – wie etwa eine höhere Vormiete oder die Durchführung einer Modernisierung – so muss der Mieter sich in der Rüge damit auseinandersetzen, allerdings nur dann (BT-Drs. 18/3121, S. 33). Diesen Ansatz hat der Gesetzgeber im Rahmen der Ergänzung des § 556g BGB um den Abs. 1a in § 556g Abs. 2 Satz 2 BGB (nF) aufgegriffen.
Dies zugrunde gelegt, genügte das Schreiben der Klägerin vom 3. Juni 2019 seinem vom Gesetzgeber intendierten Zweck auch im Hinblick auf die Rüge eines Verstoßes der weiteren Mietstaffeln – hier insbesondere der Miete für Oktober 2019 – gegen die Vorschriften in §§ 556d ff BGB (iVm § 557a Abs. 4 BGB).
Die hier gegebene Konstellation zeigt zudem, dass sich das uneingeschränkte Verlangen erneuter Rügen bei jeder neuen, hier jährlich vorgesehenen Folgestaffel als reiner Formalismus ohne jeden Erkenntnisgewinn darstellt.
Die Klägerin hat die Höhe der Ausgangsmiete auf der Grundlage der ihr zugänglichen Informationen und des Berliner Mietspiegels 2019 geprüft und das Ergebnis ihrer Prüfung an die Beklagte im Wege der Rüge herangetragen. Sie hat zugleich die Auskünfte verlangt, auf die der Mieter nach § 556g Abs. 3 BGB einen Anspruch hat, dies allerdings außergerichtlich ohne Erfolg. Die Auskünfte sind erst im Prozess mit Schriftsatz vom 15. Januar 2021 erteilt worden, wobei sie sich nicht auf die Höhe der Miete zugunsten der Beklagten auswirken.
Die von der Klägerin ihrer Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete zugrunde gelegten Tatsachen gelten für die Ausgangsmiete ebenso wie für jede Folgestaffel. Sie muss sich – soweit sie künftige Staffeln nicht gesondert rügt – daran festhalten lassen, § 556g Abs. 2 Satz 2 BGB (aF).
Für die hier im Streit stehende Miete für Oktober 2019 kommt maßgeblich hinzu, dass die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete nach demselben Mietspiegel festzustellen ist wie die Ausgangsmiete: dem Berliner Mietspiegel 2019, dessen Stichtag für die Datenerhebung der 1. September 2018 ist. Nach §§ 558c Abs. 3, 558d Abs. 2 Satz 1 BGB (aF) sieht Anpassungen des Mietspiegels an die Marktentwicklung erst nach zwei Jahren vor.
Dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck der Rüge entsprechend war die Beklagte demnach bereits aufgrund des Rügeschreibens der Klägerin vom 3. Juni 2019 – abschließend – in der Lage zu erkennen, dass und weshalb die Mietpreisabrede im Mietvertrag mit dem Zedenten bezüglich der Ausgangsmiete gegen § 556d Abs. 1 BGB verstößt und – da die Ausgangsmiete der Berechnung der Mietstaffeln zugrunde liegt – sich als „Fehler“ in den Folgestaffeln fortsetzt. Sie konnte ohne weitere formale Rügen selbst die höchst zulässige Miete errechnen oder – gegebenenfalls – die Klägerin auf ihre Berechnungsfehler hinweisen, um der vom Gesetzgeber in den Blick genommenen Befriedungsfunktion der Rüge gemäß eine Einigung herbeizuführen, die die Klägerin im Übrigen im Rügeschreiben auch ausdrücklich – allerdings erfolglos – angeboten hat.
Ein „Mehrwert“ weiterer Rügen lässt sich nicht einmal nach Erteilung der nach § 556g Abs. 3 BGB geschuldeten Auskünfte durch die Beklagte erkennen. Unabhängig davon sieht das Gesetz weder für die Staffelmietvereinbarung noch sonst eine zwingende „Nachbesserung“ der Rüge nach Erteilung der Auskünfte vor, sofern der Vermieter diese nicht ausnahmsweise freiwillig – wie ausgeführt – außerhalb des zeitlichen Anwendungsbereichs des § 556g Abs. 1a BGB (nF) bereits bei Mietvertragsschluss erteilt hat; nur dann muss der Mieter sich mit diesen Tatsachen auseinandersetzen.
c) Der für den Monat Oktober 2019 geltend gemachte Zahlungsanspruch besteht nur in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe.
Die nach §§ 556g Abs. 1 Satz 1, 2, 556d Abs. 1 in Verbindung mit der MietBegrV Berlin v. 28. April 2015 höchst zulässige Miete beträgt 460,31 € (418,46 € + 10 %).
Die Wohnung ist unstreitig in das Mietspiegelfeld A 1 des Berliner Mietspiegels 2019 (Stichtag für die Datenerhebung: 01.09.2018) einzuordnen, das eine Mietzinsspanne von 5,50 €/m2 bis 12,97 €/m2 und einen Mittelwert von 7,90 €/m2 ausweist.
Unter Berücksichtigung der Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung nach dem Berliner Mietspiegel 2019 ist auf den Mittelwert ein Aufschlag von 80 % der Differenz zwischen dem Mittelwert und dem Spannenoberwert vorzunehmen (12,97 €/m2 – 7,90 €/m2 = 5,07 €/m2 ./. 80 % = 4,06 €/m2 + 7,90 €/m2 = 11,96 x 35 m2 = 418,46 €).
Dem liegen folgende Feststellungen zugrunde:
Die Ausstattung der Wohnung nach den in den Merkmalgruppen 1 (Bad), 2 (Küche) und 3 (Wohnung) zusammengefassten Kriterien wirkt unstreitig wohnwerterhöhend.
Auch die Merkmalgruppe 4 (Gebäude) ist wohnwerterhöhend zu berücksichtigen. Unstreitig liegt das wohnerhöhende Merkmal des abschließbaren leicht zugänglichen Fahrradabstellraums vor. Die Beklagte hat zudem einen Energieausweis vom 17. Juli 2015 vorgelegt, der (unter anderem) die Behauptung der Beklagten stützt, dass 2014 eine neue Heizanlage installiert wurde sowie einen Endenergiebedarf des Gebäudes von 111,0 kWh(m2a) ausweist.
Zum Zustand des Treppenhauses/Eingangsbereichs fehlt es an jeglichem Vortrag. Ebenso verhält es sich mit der wohnwertmindernd geltend gemachten Lage der Wohnung. Der Umstand, dass die Wohnung unstreitig in der Remise liegt, ist für die Annahme des wohnwertmindernden Merkmals der Lage im Seitenflügel oder Quergebäude bei verdichteter Bebauung nicht hinreichend.
Die Merkmalgruppe 5 (Wohnumfeld) ist weder wohnwertmindernd, noch -erhöhend zu berücksichtigen. Zu Recht verweist die Beklagte auf die Lage der Wohnung in der Remise auf dem Hof des Grundstücks, der die Wohnung des Zedenten von der für das Vorderhaus im Straßenverzeichnis ausgewiesenen besonderen Lärmbelastung abschirmt, allerdings ohne dass dies die Annahme einer besonders ruhigen Lage tragen würde.
2. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe von 729,23 €.
a) Die Klageerweiterung bezüglich der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in der Berufung um 155,48 € ist gemäß § 264 Nr. 2 ZPO zulässig und unterliegt als sogenannte qualifizierte Klageänderung nicht den Beschränkungen des § 533 ZPO (vgl. Heßler in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. § 533 Rn. 3 mwN, zit. nach juris).
b) Die Voraussetzungen der §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 1, 249ff., 398 BGB liegen dem Grunde nach vor. Maßgeblich für den hier geltend gemachten Anspruch ist, dass die Beklagte mit dem Verlangen und der Vereinbarung einer Miete, soweit diese die nach § 556d Abs. 1 in Verbindung mit § 556d Abs. 2 und der Mietenbegrenzungsverordnung Berlin höchst zulässige Miete übersteigt, vorvertragliche Pflichten verletzt hat (BGH, Urt. v. 27. Mai 2020 – VIII ZR 45/19, BGHZ 225, 352, nach juris Rn. 113ff; Kammer, Urt. v. 20. Juni 2018 – 65 S 70/18, NJW 2018, 2898, nach juris Rn. 43; BeckOGK/Fleindl, 1.4.2021, BGB § 556g Rn. 130; Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 14. Aufl. 2019, § 556g Rn. 52). Sie hat außerdem gegen ihre Pflicht aus § 556g Abs. 3 BGB verstoßen.
Da die Pflichtverletzung feststeht, entfiele die Haftung der Beklagten nur, wenn sie die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hätte, § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. BeckOGK/Fleindl, 1.4.2021, BGB § 556g Rn. 131). Die als Schuldnerin darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat zu ihrer Entlastung nichts vorgetragen (vgl. BGH, Urt. v. 13.04.2016 – VIII ZR 39/15, WuM 2016, 365, juris Rn. 17).
c) Der Anspruch der Klägerin besteht jedoch nur in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe.
Der Berechnung nach §§ 4 Abs. 5 RDGEG, 2 Abs. 1 RVG, Nr. 2300 VV RVG (vgl. BGH, Urt. v. 27. Mai 2020 – VIII ZR 45/19, juris Rn. 117) ist ein Gegenstandswert von bis zu 8.000 € zugrunde zu legen.
Das Interesse der Klägerin bzw. des Zedenten an den mit Schreiben vom 3. Juni 2019 verlangten Auskünften beschränkt sich nicht auf den Zeitraum der laufenden Staffel, denn – wie ausgeführt – verweist § 557a Abs. 4 Satz 1 BGB auf die §§ 556d bis 556g BGB (aF) mit der Folge, dass im Rahmen der nach § 557a Abs. 4 Satz 2 BGB für jede Mietstaffel gesondert festzustellenden etwaigen Überschreitung der nach § 556d Abs. 1 BGB höchst zulässigen Miete die Ausnahmetatbestände der §§ 556e und 556f BGB (erneut) zu berücksichtigen sind, auf die sich das Auskunftsverlangen der Klägerin bezieht.
Zugrunde zu legen ist daher gemäß §§ 48 Abs. 1 GKG, 3, 9 ZPO jedenfalls der von der Klägerin geltend gemachte 47-fache Überschreitungsbetrag, dies jedoch nur in der zugesprochenen Höhe von 156,66 €. Bereits jetzt ist auf der Grundlage des Mietspiegels 2021 berechenbar, dass sich die Differenz bei den weiteren drei Staffeln in keinem Fall zugunsten der Beklagten verändert, das heißt geringer wird.
Danach ergibt sich bei Ansatz einer Mittelgebühr (§ 2 Abs. 1 RVG, 2300 VV RVG) ein Betrag von 592,80 €, dem eine Auslagenpauschale von 20 € und die Umsatzsteuer von 19 % (116,43 €) hinzuzurechnen ist.
Soweit das Amtsgericht die Aufrechnung der Beklagten nicht hat durchgreifen lassen, folgt die Kammer den zutreffenden Feststellungen des Amtsgerichts, die die Beklagten im Übrigen auch nicht angegriffen hat.
3. Der Zinsanspruch folgt für den Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Miete und die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 344, 92 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
2. Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 1, 2 ZPO zugelassen, soweit die Kammer die Beklagte auf die Berufung der Klägerin zur Zahlung verurteilt hat.
Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 1, 2 ZPO liegen vor. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung; auch die Fortbildung des Rechts erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts § 543 Abs. 2 Nr. 1, 2 Alt. 1 ZPO. Die Frage stellt sich potenziell in einer Vielzahl von vergleichbaren Fällen, nicht nur im Rahmen der gerichtlichen Rechtsverfolgung, sondern auch der außergerichtlichen Wahrnehmung der sich aus §§ 556d ff BGB folgenden Ansprüche für Mietverhältnisse, die vor dem 1. Januar 2019 bzw. vor dem 31. März 2020 entstanden sind, für die §§ 556g Abs. 1a, 556g Abs. 2 BGB nF daher nicht gelten, Art. 229 §§ 49 Abs. 2, 51 EGBGB. Die Rechtsfrage ist durch die Neufassung des § 556g BGB im Rahmen des Mietrechtsanpassungsgesetzes 2019 und des Gesetzes über die Verlängerung und Verbesserung der Regelungen über die zulässige Miethöhe bei Mietbeginn weder gegenstandslos noch (mit) beantwortet worden. Allein für Mietverhältnisse, die nach dem 31. März 2020 entstanden sind, ist die Frage insofern von untergeordneter Bedeutung als die Rückforderung nicht geschuldeter Miete nicht mehr der Einschränkung des § 556g Abs. 2 Hs. 2 BGB aF unterliegt.