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Klage aus Gewerberaummietverhältnis im Urkundenprozess

LG Offenburg – Az.: 5 O 32/21 – Urteil vom 16.02.2022

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 160.722,75 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p. a. über dem Basiszinssatz auf einen Betrag von Euro 42.859,40 seit dem 4. April 2020, auf einen Betrag von Euro 42.859,40 seit dem 7. Mai 2020, auf einen Betrag von Euro 42.859,40 seit dem 4. Februar 2021 und auf einen Betrag von Euro 32.144,55 seit dem 4. März 2021, sowie weitere Euro 2.415,90 nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.02.2021 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird gestattet, die Zwangsvollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der zu vollstreckenden Forderung abzuwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

5. Der Beklagten bleibt die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Wege des Urkundenprozesses über Mietzahlungen aus einem Gewerbemietvertrag.

Zwischen den Parteien besteht ein von deren Rechtsvorgängern am 12.10.2001 geschlossener Gewerberaummietvertrag über das Gewerbeobjekt Grundstück mit Gebäude in ###, H-Straße ###. In dem Gewerbeobjekt betreibt die Beklagte die ### Filiale der Modehauskette ###. Der zwischen den Parteien bestehende Mietvertrag wurde durch mehrere Nachträge modifiziert. Seit 01.03.2018 ist die Beklagte verpflichtet, für das Mietobjekt eine jährliche Nettomiete von Euro 432.195,60 zu zahlen. Dies entspricht einem monatlichen Nettobetrag von Euro 36.016,30. Die monatliche Bruttokaltmiete beträgt demnach Euro 42.859,40. Zusätzlich schuldet die Beklagte einen monatlichen Nebenkostenabschlag von Euro 2.899,54.

Mit Schreiben vom 18.03.2020 kündigte die Beklagte gegenüber der Klägerin unter anderem an, aufgrund der damals beginnenden Coronapandemie und den damit verbundenen behördlichen Maßnahmen, die Mietzahlungen für das Mietobjekt vollständig einzustellen. Dem widersprach die Klägerin umgehend am 25.03.2020. Dennoch zahlte die Beklagte für die Monate April und Mai 2020 während des sogenannten ersten Lockdowns zwar die Nebenkostenabschläge, nicht jedoch die Bruttokaltmiete.

Vor dem Hintergrund des sogenannten zweiten Lockdowns kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 17.12.2020 gegenüber der Klägerin an, die Miete für die Monate Dezember 2020 und Januar 2021 nur unter dem Vorbehalt der Rückforderung zu leisten. Die Mieten wurden aber gezahlt. Die Miete für Februar 2021 bezahlte die Beklagte nicht. Für diesen Monat entrichtete sie lediglich die Nebenkostenvorauszahlung. Auch dieser Vorgehensweise hatte die Klägerin widersprochen.

Auf die Miete für den Monat März 2021 zahlte die Beklagte unangekündigt nur ein Viertel der vereinbarten Kaltmiete nebst Umsatzsteuer sowie die Nebenkostenvorauszahlung. Einen Teilbetrag auf die Bruttokaltmiete für März 2021 in Höhe von Euro 32.144,55 entrichtete die Beklagte nicht.Im Monat April 2021 nahm die Beklagte die vollständige Zahlung der geschuldeten Miete wieder auf.

Aus den nicht gezahlten Mieten bzw. Mietanteilen ergibt sich als Gesamtsumme der offenen Forderungen der Klägerin gegenüber der Beklagten ein Bruttobetrag in Höhe der Klageforderung.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte aus Rechtsgründen verpflichtet ist, ungeachtet der Beschränkungen durch staatliche Auflagen wegen des ersten und zweiten Lockdowns, die Miete in vollem Umfang gemäß dem bestehenden Mietvertrag zu entrichten. Rechte zur Mietminderung oder zur Mietzinsanpassung vor dem Hintergrund der Störung der Geschäftsgrundlage zwischen den Parteien bestünden nicht. Die Beklagte sei auch nicht zur Aufrechnung oder Hilfsaufrechnung mit behaupteten Gegenansprüchen wegen im zweiten Lockdown gezahlter Mieten berechtigt. Dies ergebe sich bereits aus dem Aufrechnungsverbot in § 7.3 des zwischen den Parteien bestehenden Mietvertrages.

Die Klägerin ist weiter der Auffassung, dass die Beklagte jedenfalls im vorliegenden Urkundenprozess nicht berechtigt sei, Einwendungen aus der pandemiebedingten Situation vorzubringen. Derartige Einwendungen seien zum einen nicht ausreichend substantiiert, zum anderen nicht mit den Beweismitteln des Urkundenprozesses unter Beweis gestellt. Soweit die Beklagte eine Parteivernehmung der eigenen Partei beantragt, widerspricht dem die Klägerin.

Die Klägerin bestreitet darüber hinaus das Vorliegen pandemiebedingter wirtschaftlicher Nachteile bei der Beklagten. Der Mietgegenstand habe der Beklagten ununterbrochen zur Verfügung gestanden. Die während des ersten Lockdowns betroffenen Monate seien ohnehin umsatzschwach. Außerdem müsse sich die Beklagte staatliche Überbrückungshilfen anrechnen lassen.

Abschließend ist die Klägerin der Auffassung, dass die Vorschrift des § 44 EGZPO der Zulässigkeit des Urkundenprozesses nicht entgegenstehe.

Die Klägerin beantragte,

1.Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 160.722,75 nebst Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten p. a. über dem Basiszinssatz auf einen Betrag von Euro 42.859,40 seit dem 4. April 2020, auf einem Betrag von Euro 42.859,40 seit dem 7. Mai 2020, auf einen Betrag von Euro 42.859,40 seit dem 4. Februar 2021 und auf einen Betrag von Euro 32.144,55 seit dem 4. März 2021 zu zahlen.

2.Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 3.337,40 nebst Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27. Februar 2021 zu zahlen.

Die Beklagte beantragte, Klageabweisung mit dem Vorbehalt der Geltendmachung ihrer Rechte im Nachverfahren.

Die Beklagte ist der Auffassung, das vorliegende Verfahren sei im Urkundenprozess unzulässig, da die Beschleunigungsnorm des § 44 EGZPO vorrangig sei.

Die Beklagte behauptet, sie habe durch die Coronapandemie und die diversen pandemiebedingten Lockdowns erhebliche Umsatzeinbußen erlitten. Auch danach haben die Umsatzzahlen nicht die Höhen wie davor erreicht. Eine Integrierung der Filialwaren in den Online-Handel sei ihr nicht möglich gewesen trotz dessen Ausweitung. Staatliche Unterstützungen als volle Kompensation habe sie nicht erhalten, lediglich Kurzarbeitergeld.

Vor diesem Hintergrund ist die Beklagte der Auffassung, dass sie berechtigt sei, wegen der coronabedingten staatlichen Schließungsmaßnahmen die Miete einzubehalten bzw. allenfalls zur Hälfte zu entrichten. Insoweit sei ihr das Risiko der pandemiebedingten Ausfälle nicht alleine aufzuerlegen. Vielmehr müsse eine Anpassung nach § 313 BGB bzw. Art. 240 § 7 EGBGB erfolgen.

Da die Beklagte trotz des angeordneten Lockdowns die Mieten für Dezember 2020 und Januar 2021 vollständig entrichtet habe, seien diese Mieten aus den vorgenannten Gründen zu viel gezahlt worden, weshalb der Beklagten ein Rückforderungsanspruch gemäß § 812 BGB zustehe. Mit diesem Anspruch erkläre sie die Hilfsaufrechnung gegenüber der Forderung der Klägerseite.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst zugehörigen Anlagen Bezug genommen.

Die Klägerin hat die Klage zunächst vor der allgemeinen Zivilkammer des Landgerichts Offenburg anhängig gemacht. Auf entsprechende Rüge und entsprechenden Antrag der Beklagten wurde der Rechtsstreit mit Beschluss vom 19.08.2021 an die Kammer für Handelssachen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere auch im Wege des Urkundenprozesses gemäß den §§ 592 ff. ZPO statthaft. Dem steht die mit Wirkung zum 31.12.2020 in das Gesetz eingefügte Norm des § 44 EGZPO nicht entgegen.

Bei der Norm des §§ 44 EGZPO handelt es sich um eine durch die Coronapandemie bedingte Vorschrift zur Beschleunigung von Rechtsstreiten über Miet- und Pachtverhältnisse für Grundstücke oder Gewerberäume aufgrund staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie. Dieser auf Beschleunigung der dort genannten Verfahren ausgerichteten Norm ist nicht zu entnehmen, dass andere, ebenfalls der Beschleunigung dienenden Verfahrensarten dadurch ausgeschlossen oder in ihrer Anwendung beschränkt sein sollen. Gerade der Urkundenprozess ist seinem Wesen nach ein Verfahren, das bei einem durch Urkunden belegbaren Anspruch ebenfalls schneller als im Rahmen des normalen Streitverfahrens zu einem vollstreckbaren Titel verhelfen soll, mithin handelt es sich insoweit ebenfalls um ein Eilverfahren (vergleiche Zöller-Greger, ZPO, 34. Aufl. 2022, Rn. 1 vor § 592). Soweit es sich – wie vorliegend – um konkurrierende Normen handelt, die beide der Verfahrensbeschleunigung dienen, kann ohne gesetzliche Grundlage nicht angenommen werden, dass die eine die andere verdrängt. Dazu kommt, dass selbst bei einer beschleunigten Terminierung des normalen Streitverfahrens gemäß § 44 EGZPO noch nichts über die Verfahrensdauer und damit den Zeithorizont gesagt ist, bis zu dem ein Kläger einen vollstreckbaren Titel erhält. Gerade hier hilft der Urkundenprozess, der durch seine besonderen Verfahrensbedingungen gemäß dem vorstehenden Grundsatz darauf abzielt, dem Kläger schnell zu einem vollstreckbaren Titel zu verhelfen.

Auch die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 19.03.2021 (vergleiche OLG Frankfurt, Urteil vom 19.03.2021 – 2 U 143/20 -) spricht dagegen, dass im Anwendungsbereich des § 44 EGZPO der Urkundenprozess unzulässig sein soll. In dem genannten Verfahren ging das Oberlandesgericht problemlos von der Zulässigkeit des Urkundenprozesses aus, obwohl im dortigen Entscheidungszeitpunkt § 44 EGZPO schon seit mehr als zehn Wochen in Kraft war.

Die Klage ist in der Hauptsache im Urkundenprozess vollumfänglich begründet. Sie unterliegt lediglich bezüglich der Nebenforderung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten teilweise der Abweisung.

Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten aus § 535 Abs. 2 BGB i. V. m. dem zwischen den Parteien bestehenden Mietvertrag und den dazugehörigen Nachträgen ein Anspruch auf die mietvertraglich geschuldete Miete für die Monate April und Mai 2020 sowie Februar 2021 und – soweit noch nicht entrichtet – März 2021 in einer Gesamthöhe von Euro 160.722,75 zu. Dieser Anspruch ergibt sich aus dem vorgelegten Mietvertrag nebst den dazugehörigen Nachträgen. Aus diesen Unterlagen folgt sowohl die jährliche Nettokaltmiete, aus der sich die monatliche Nettokaltmiete errechnen lässt, die wiederum durch Hinzuaddition des allgemein bekannten gesetzlichen Umsatzsteuersatzes von 19% die monatliche Bruttokaltmiete ergibt, die von der Beklagten grundsätzlich zu entrichten ist, aber unstreitig nicht für die eingeklagten Zeiträume in der eingeklagten Höhe entrichtet wurde. Somit kann die Klägerin den von ihr geltend gemachten Anspruch vollumfänglich mit den im Urkundenprozess zulässigen Beweismitteln nachweisen (§§ 592, 595 Abs. 2 ZPO).

Die Beklagte kann sich im Urkundenprozess auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie wegen der pandemiebedingten staatlichen Maßnahmen, insbesondere der Schließungen im Einzelhandel während des ersten und zweiten Lockdowns, derartige nachteilige wirtschaftlichen Folgen erlitten habe, dass sie berechtigt sei, die Miete zu kürzen oder gar nicht zu entrichten.

Nach inzwischen wohl einhelliger Auffassung in der Rechtsprechung stellen die staatlichen Schließungsmaßnahmen aufgrund der Coronapandemie keinen Mangel der Mietsache dar, der mietrechtlich eine Minderung rechtfertigt. Die Rechtsprechung geht im Wesentlichen davon aus, dass durch die staatlichen Maßnahmen als solche die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch weder aufgehoben noch mehr als nur unerheblich eingeschränkt wurde, da die öffentlich-rechtlichen Beschränkungen nicht zu einer Mangelhaftigkeit im Sinne des mietrechtlichen Gewährleistungsrechts führen. Durch die behördlichen Schließungen und Einschränkungen aufgrund der Coronapandemie wurde zwar faktisch der Zugang zu den Mieträumen für potentielle Kunden verhindert oder beschränkt; betroffen war aber nicht die räumliche Lage und Erreichbarkeit des Mietobjekts, mithin nicht seine körperliche Beschaffenheit als solche (vergleiche OLG Hamm, Urteil vom 24.09.2021 – 30 U 114/21 -; in der Sache gleich oder ähnlich: OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.02.2021 – 7 U 109/20 -; OLG Dresden, Urteil vom 24.02.2021 – 5 U 1782/20 -; OLG Frankfurt; KG, Urteil vom 01.04.2021 – 8 U 1099/20 -; OLG Köln, Beschluss vom 31.05.2021 – 22 U 205/20 -; OLG Schleswig, Urteil vom 16.06.2021 – 12 U 148/20 -; BGH, Urteil vom 12.01.2022 – XII ZR 8/21 -).

Allerdings hat die obergerichtliche Rechtsprechung mit verschiedenen Nuancierungen eine Anwendung des § 313 BGB oder eine (rückwirkende) Anwendung des zum 31.12.2020 in Kraft getretenen Art. 240 § 7 EGBGB wegen Störung der Geschäftsgrundlage erwogen. Dabei sind die Obergerichte teilweise zu dem Ergebnis einer hälftigen Teilung des von keiner der Vertragsparteien zu verantwortenden Risikos gekommen (vergleiche KG; OLG Dresden). Andere Gerichte lehnen eine pauschalierende Quote ab und stellen daher auf eine Anwendungsmöglichkeit des § 313 BGB nach umfassender Interessenabwägung ab (vergleiche OLG Karlsruhe; OLG Köln; OLG Hamm).

Grundlegend für die Frage der Behandlung von Gewerberaummietverhältnissen bei pandemiebedingten, staatlich angeordneten Geschäftsschließungen im Einzelhandel und der damit verbundenen grundsätzlichen Verpflichtung zur Mietzahlung ist jedoch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 12.01.2022 (vergleiche BGH, insbesondere 46 ff., 58 ff.). Nach dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofs kommt eine Anpassung des Vertrags gemäß § 313 Abs. 1 BGB in Betracht, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsabschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten. Dabei kann eine Anpassung nur insoweit verlangt werden, als dem einen Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Von einer solch schwerwiegenden Veränderung der Geschäftsgrundlage aufgrund der Coronapandemie und der damit verbundenen weitreichenden Beschränkungen geht der Bundesgerichtshof aus. Dabei stellt er darauf ab, dass die Vertragsanpassung nicht allein auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage gestützt werden kann. Vielmehr sind alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung zu berücksichtigen. Weiter ist zu beachten, dass im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter grundsätzlich der Mieter das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache trägt. Allerdings geht die enttäuschte Gewinnerwartung des Mieters nach Auffassung des Bundesgerichtshofs jedoch über das gewöhnliche Verwendungsrisiko des Mieters hinaus, wenn dies auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der Coronapandemie, wie z. B. einer Betriebsschließung beruht. Ob dem Mieter in einem solchen Fall ein Festhalten am unveränderten Vertrag zumutbar ist oder nicht, bedarf ebenfalls einer umfassenden Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls. Eine pauschale Betrachtungsweise, wie sie von einzelnen Obergerichten vorgenommen wurde, kommt deshalb nicht in Betracht. Im Rahmen der Abwägungsentscheidung sind die dem Mieter durch die Geschäftsschließung und deren Dauer entstandenen Nachteile einzubeziehen. Dabei ist zunächst auf den Umsatzrückgang für die Zeit der Schließung abzustellen. Maßgeblich dabei ist nur das konkrete Mietobjekt und nicht ein möglicher Konzernumsatz. Auch kommt es darauf an, welche Maßnahmen der Mieter ergriffen hat oder hätte ergreifen können, um die drohenden Verluste während der Geschäftsschließung zu vermindern. Weiter ist zu berücksichtigen, welche staatlichen Leistungen zum Ausgleich pandemiebedingter Nachteile der Mieter erlangt hat, einschließlich eventueller Leistungen einer Betriebsversicherung des Mieters. Dabei bleiben jedoch reine darlehensweise hingegebenen Unterstützungen außer Betracht. Auf der anderen Seite sind im Rahmen der gebotenen Abwägung auch die Interessen des Vermieters in den Blick zu nehmen (vergleiche BGH; ähnlich: OLG Karlsruhe).

Somit kann sich die Beklagte nach der vorstehend ausgeführten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und des Oberlandesgerichts Karlsruhe grundsätzlich auf pandemiebedingte Beeinträchtigungen berufen. Soweit dies geschieht, unterliegt der Vortrag der Beklagten jedoch den allgemeinen Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast.

Für die von der Beklagten vorgetragenen Beeinträchtigungen und erfolgten bzw. fehlenden Kompensationen ist diese darlegungs- und beweisbelastet. Der diesbezügliche Vortrag der Beklagten wurde von Klägerseite als nicht hinreichend substantiiert gerügt und darüber hinaus ausdrücklich und vollumfänglich bestritten.

Im vorliegenden Urkundenprozess kann sich die Beklagte zum Beweis der von ihr aufgestellten Behauptungen über die coronabedingten Beeinträchtigungen nur auf die im Urkundenprozess zulässigen Beweismittel stützen. Dies sind Urkunden und der Antrag auf Parteivernehmung (§§ 592, 595 Abs. 2., 598 ZPO).

Soweit die Beklagte sich für ihren Vortrag auf Zeugen- bzw. Sachverständigenbeweis beruft, ist dieser Beweisantritt im Urkundenprozess aus den genannten Gründen unstatthaft. Soweit sie sich wiederum auf Parteivernehmung beruft, kommt eine solche Vernehmung der eigenen Partei, was Gegenstand des Beweisantrags der Beklagten ist, gemäß § 447 ZPO nur mit Zustimmung der Gegenseite in Betracht. Die Klägerseite hat einer Parteivernehmung der eigenen Partei, d. h. der Beklagten, jedoch ausdrücklich widersprochen, sodass auch eine Parteivernehmung gemäß § 447 ZPO im vorliegenden Fall ausscheidet.

Dies führt dazu, dass im Urkundenverfahren nicht festgestellt werden kann, dass die Beklagte wegen einer schwerwiegenden Störung der Geschäftsgrundlage des Mietvertrages eine Herabsetzung oder Anpassung der Miete verlangen könnte (§ 313 Abs. 1 BGB). Diese Einwendung der Beklagten ist als im Urkundenprozess unstatthaft zurückzuweisen, da der ihr obliegende Beweis für die von ihr hierzu vorgetragenen Tatsachen nicht mit den im Urkundenprozess zulässigen Beweismitteln angetreten und mit solchen Beweismitteln nicht vollständig geführt werden kann (§ 598 ZPO). Dies führt dazu, dass selbst für den Fall, dass eine Anpassung der Miete grundsätzlich in Betracht kommt, die Beklagte mit ihren Einwendungen im Urkundenprozess nicht gehört werden kann. Diesbezüglich muss sie sich auf das Nachverfahren verweisen lassen (vergleiche OLG Frankfurt).

Demzufolge war der geltend gemachte Klageanspruch aufgrund der Beschränkungen der Beweismittel für die Beklagtenseite im Urkundenprozess der Klägerin zuzusprechen.

Nichts anderes ergibt sich für die von Beklagtenseite geltend gemachte Hilfsaufrechnung mit überzahlter Miete für die Monate Dezember 2020 und Januar 2021. Diesbezüglich stützt die Beklagte ihren Anspruch auf § 812 BGB, weil sie zur Mietkürzung für diese beiden Monate aus denselben pandemiebedingten Gründen berechtigt gewesen sei, wie bezüglich der Monate, in denen sie die Miete gar nicht entrichtet hatte. Jedoch auch insoweit besteht der Anspruch nur, wenn auf Seiten der Klägerin eine ungerechtfertigte Bereicherung aufgrund Überzahlung der Miete durch die Beklagte vorgelegen hätte. Da die Überzahlung mit denselben pandemiebedingten Argumenten wie die Nichtzahlung begründet wird, müsste die Beklagte auch hier die Voraussetzungen mit den im Urkundenprozess statthaften Beweismitteln belegen. Dies gelingt ihr aus den bereits ausgeführten Gründen mangels im Urkundenprozess statthafter Beweismittel auch in Bezug auf den geltend gemachten Gegenanspruch nicht.

Darüber hinaus wäre eine Hilfsaufrechnung wohl auch gemäß § 7.3 des zwischen den Parteien bestehenden Mietvertrages ausgeschlossen. Danach können grundsätzlich nur unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Forderungen zur Aufrechnung gestellt werden. Da die Klägerin jeder Einbehaltung der geschuldeten Miete unstreitig widersprochen hatte, kann nicht von unbestrittenen Forderungen ausgegangen werden. Eine rechtskräftige Feststellung liegt ebenfalls nicht vor.

Soweit die Beklagte aus ihrer Sicht zu viel gezahlte Miete hätte zurückfordern wollen, wäre ein entsprechendes Begehren zwei Monate vor Fälligkeit des Mietzinses schriftlich anzuzeigen gewesen. Diese Voraussetzung liegt nicht vor. Unstreitig kündigte die Beklagte erst mit Schreiben vom 17.12.2020 an, die Mietzahlungen für Dezember 2020 und Januar 2021 unter dem Vorbehalt der Rückforderung zu leisten. Diese Ankündigung liegt somit evident unterhalb der vertraglichen Frist von zwei Monaten.

Somit kann die Klägerin – jedenfalls im Urkundenprozess – die Zahlung der von der Beklagten nicht entrichteten Miete in voller Höhe der Klageforderung verlangen.

Die Entscheidung über die zuerkannten Zinsen beruht auf den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Weiter kann die Klägerin von der Beklagten unter dem Gesichtspunkt des Verzuges vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von Euro 2.415,90 verlangen.

Nachdem die Beklagte trotz Widerspruchs der Klägerin die Mieten für die Monate April und Mai 2020 sowie Februar 2021 nicht entrichtet hatte, war die Klägerin berechtigt, anwaltschaftliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Für die Geltendmachung der bis dahin angefallenen Forderung aus einem Gegenstandswert von Euro 128.578,20 kann die Klägerin die Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangen. Dabei ist jedoch lediglich ein Gebührensatz von 1,3 gemäß Nr. 2300 VV RVG erstattungsfähig und nicht – wie von Klägerseite beantragt – ein Satz von 1,8. Das Gericht geht davon aus, dass es sich bei dem vorliegenden Rechtsstreit um einen Fall durchschnittlicher Schwere handelt. Vorgerichtlich waren die Bevollmächtigten der Klägerin lediglich damit befasst, aus einem unstreitigen Gewerberaummietverhältnis drei rückständige Monatsmieten geltend zu machen. Hierin kann noch keine besondere Schwierigkeit gesehen werden. Auch soweit es möglicherweise zu diesem Zeitpunkt schon um die Fragen einer pandemiebedingten Reduzierung der Miete ging, ändert dies an dem für die Erstattungsfähigkeit vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zugrundezulegenden Gebührensatz aus Sicht des Gerichts nichts. Darüber hinaus kann die Klägerseite die Kostenpauschale von Euro 20,00 geltend machen, was in der Summe zu dem ausgeurteilten Betrag von Euro 2.415,90 führt.

Die Entscheidung über die zuerkannten Zinsen auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergibt sich ebenfalls aus den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO. Soweit die Klage wegen der Zuvielforderung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten teilweise abgewiesen wurde, war die Zuvielforderung verhältnismäßig geringfügig und verursachte keine weiteren Kosten.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 4, 711 ZPO.

Der Beklagten war – soweit sie verurteilt worden war – gemäß § 599 Abs. 1 ZPO vorzubehalten, die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren geltend zu machen.

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