Wohnungseigentumsentziehung aufgrund verweigerter Fenstererneuerung
In einem aktuellen Urteil hat das Landgericht (LG) Dortmund entschieden, dass eine Wohnungseigentümerin zur Veräußerung ihres Wohnungseigentums verpflichtet ist, da sie sich weigerte, den Austausch der Fenster ihrer Wohnung gemäß einem gültigen Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung durchzuführen.
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Übersicht
Hintergrund des Falls
Die Klägerin, eine Wohnungseigentümergemeinschaft, verlangte von der Beklagten, der Eigentümerin einer Dachgeschosswohnung, die Veräußerung ihres Wohnungseigentumsanteils. Grund für diese Forderung war die wiederholte Weigerung der Beklagten, den Austausch der Fenster ihrer Wohnung zuzulassen, obwohl dieser Austausch von der Wohnungseigentümerversammlung beschlossen und von einem Gericht bestätigt worden war.
Verlauf des Gerichtsverfahrens
In mehreren Instanzen wurde die Beklagte aufgefordert, den Austausch der Fenster zuzulassen. Sie weigerte sich jedoch weiterhin und verhinderte die Durchführung der Arbeiten. Infolgedessen wurden gegen sie mehrere Ordnungsgelder verhängt und vollstreckt. Da die Beklagte trotzdem hartnäckig den Fensteraustausch verweigerte, beschloss die Klägerin, die Wohnungseigentumsentziehung zu beantragen.
Entscheidung des LG Dortmund
Das LG Dortmund bestätigte das Urteil des Amtsgerichts Dortmund und wies die Berufung der Beklagten zurück. Die Kosten des Berufungsverfahrens wurden der Beklagten auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, allerdings kann die Beklagte die Zwangsvollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe von 55.000 EUR abwenden, sofern die Klägerin nicht zuvor Sicherheitsleistung in gleicher Höhe leistet.
Konsequenzen für die Beklagte
Die Beklagte ist nun verpflichtet, ihr Wohnungseigentum zu veräußern. Damit hat das Gericht ein klares Signal gesetzt: Die Weigerung, gültige Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung umzusetzen, kann schwerwiegende Konsequenzen haben und im Extremfall sogar zur Entziehung des Wohnungseigentums führen.
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Das vorliegende Urteil
LG Dortmund – Az.: 17 S 69/21 – Urteil vom 14.01.2022
Die Berufung der Beklagten gegen das am 11.05.2021 verkündete Urteil des Amtsgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe von 55.000 EUR abzuwenden, sofern nicht die Klägerin zuvor Sicherheitsleistung in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Veräußerung ihres Wohnungseigentumsanteils.
Die Klägerin ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft mit sechs Wohneinheiten und zwei Garagen. Die Beklagte ist Eigentümerin der im Dachgeschoss gelegenen, im Tenor bezeichneten Wohnung.
In der Wohnungseigentümerversammlung vom 08.08.2017 beschlossen die Wohnungseigentümer unter TOP 2, alle vorhandenen Fenster mit Ausnahme der Dachflächenfenster und des Schlafzimmerfensters in der Wohnung des Miteigentümers N1 auszutauschen. Ferner beschlossen sie zu TOP 3, den Auftrag für den Austausch der Fenster an die Firma T1 gemäß dem Angebot vom 05.06.2017 zu vergeben. Eine von der Beklagten gegen den Beschluss zu TOP 2 erhobene Anfechtungsklage wurde durch das Amtsgericht Dortmund mit rechtskräftigem Urteil abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der Wohnungseigentümerversammlung vom 08.08.2017 (Anlage zur Klageerwiderung, Bl. 40 f. d.A.) sowie das Angebot der Firma T1 vom 05.06.2017 (Anlage A5, Bl. 42 ff. d.A.) verwiesen.
Die Beklagte untersagte den Mitarbeitern der Firma T1 im September 2017 den Austausch der Fenster in ihrer Wohnung. Die Klägerin erwirkte daraufhin am 08.05.2018 ein Urteil des Amtsgerichts Dortmund (511 C 45/17), mit dem die Beklagte verpflichtet wurde, der Hausverwalterin sowie den Mitarbeitern der Firma T1 den Zutritt zu ihrer Wohnung zum Zwecke des Austauschs der Fenster (mit Ausnahme der Dachflächenfenster) zu gestatten und die Vornahme der genannten Arbeiten zu dulden. Wegen der Einzelheiten wird auf das als Anlage K 1 zur Klageschrift eingereichte Urteil vom 08.05.2018 (Anlage K1, Bl. 11 ff. d.A.) Bezug genommen. Die Beklagte legte keine Rechtsmittel gegen das Urteil ein. Trotz mehrfacher Aufforderungen durch die Verwalterin und den jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin kam die Beklagte ihrer Verpflichtung nicht nach. Sie ließ zwar am 21.11.2018 die Mitarbeiter der Firma T1 in die Wohnung ein. Die Arbeiten konnten jedoch nicht durchgeführt werden, weil der Bereich vor den Fenstern komplett zugestellt war und die Beklagte den Handwerkern untersagte, den Bereich frei zu räumen.
In dem seitens der Klägerin eingeleiteten Vollstreckungsverfahren gemäß § 890 ZPO ergingen im Zeitraum von Januar 2019 bis März 2020 ein Androhungsbeschluss sowie drei Beschlüsse über die Festsetzung von Ordnungsgeldern in Höhe von 2.400,- EUR, 3.000,- EUR und 12.000,- EUR gegen die Beklagte. Die von der Beklagten gegen die Beschlüsse eingelegten Beschwerden blieben ohne Erfolg. Die Ordnungsgelder wurden von der Beklagten beglichen. Einen Austausch der Fenster gestattet die Beklagte weiterhin nicht.
Mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 23.06.2020 wurden der Beklagten nochmals drei mögliche Termine für eine Durchführung des Fenstertauschs genannt. In dem Schreiben wurde darauf hingewiesen, dass die Beklagte für den Fall einer Weigerung damit rechnen müsse, dass ihr das Wohnungseigentum entzogen werde. Wegen der Einzelheiten wird auf das als Anlage K 18 zur Klageschrift eingereichte Schreiben vom 23.06.2020 (Bl. 35 d.A.) verwiesen.
Mit Schreiben vom 03.07.2020 lehnte die Beklagte den Fensteraustausch weiterhin ab und führte zur Begründung aus, dass ihrer Ansicht der Beschluss zur Umsetzung des Angebots der Firma T1 nicht zustande gekommen sei und es somit an einem Ausführungsbeschluss fehle.
Mit Schreiben vom 06.07.2020 verwies der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf die Rechtskraft des Duldungsurteils vom 18.05.2018 und forderte die Beklagte auf, bis zum 10.07.2020 mitzuteilen, an welchem der im Schreiben vom 23.06.2020 genannten Termine die Arbeiten ausgeführt werden könnten. Zudem wies er darauf hin, dass die Beklagte mit der Entziehung des Wohnungseigentums rechnen müsse, sofern sie den Fensteraustausch auch künftig nicht ermögliche.
In der Eigentümerversammlung vom 19.08.2020 fassten die anwesenden Eigentümer mit einer Mehrheit von fünf von sieben Stimmen zu „TOP 5 Beschlussfassung über Entziehung des Wohnungseigentums WE 06/DG rechts (ET Frau D1“ den folgenden Beschluss:
„Für den Fall, dass die Miteigentümerin D1 den Austausch der Fenster gem. Eigentümerbeschluss vom 08.08.2017 auch weiterhin nicht dulden bzw. ermöglichen sollte, wird gegen die Miteigentümerin ein Verfahren auf Veräußerung des Wohnungseigentums gem. §§ 18 und 19 WEG eingeleitet, sobald die rechtlichen Voraussetzungen für ein solches Verfahren vorliegen. Die mit Schreiben des Rechtsanwalts H1 vom 23.06.2020 gegenüber der Miteigentümerin ausgesprochene Abmahnung wird hiermit vorsorglich genehmigt. Ferner wird die Verwalterin beauftragt und bevollmächtigt, dem Rechtsanwalt H1 Auftrag zu erteilen, für alle Maßnahmen, die zur Durchsetzung des Anspruchs auf Veräußerung des Wohnungseigentums erforderlich sind, einschließlich etwaiger weiterer Abmahnungen und Klageerhebung. Liegt ein Urteil vor, durch das die Miteigentümerin zur Veräußerung ihres Wohnungseigentums verurteilt wird, führt die Gemeinschaft das Zwangsversteigerungsverfahren durch. …“
Wegen des erstinstanzlichen Sachverhalts und der Anträge der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 121 ff. d.A.) Bezug genommen.
Das Amtsgericht hat die Beklagte dem Antrag der Klägerin gemäß verurteilt, ihre Widerklage hingegen abgewiesen. Mit ihrer frist- und formgerecht eingelegten Berufung wendet sich die Beklagte gegen das Urteil, soweit sie zur Veräußerung ihres Wohnungseigentums verurteilt worden ist.
Am 08.12.2021 fasste die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer unter TOP 2 mit einer Mehrheit von 760 MEA/4 Ja-Stimmen zu 152 MEA/1 Nein-Stimme erneut einen Beschluss über die Entziehung und Veräußerung des Wohnungseigentums der Beklagten. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der Wohnungseigentümerversammlung vom 08.12.2021 (Anlage K 23, Bl. 203 f. d.A.) Bezug genommen. Dass gegen diesen Beschluss Anfechtungsklage erhoben worden wäre, ist weder vorgetragen noch sonst für die Kammer ersichtlich.
Die Beklagte meint, in dem angefochtenen Urteil habe keine ausreichende Gesamtwürdigung der Umstände stattgefunden. Insbesondere sei nicht hinreichend berücksichtigt worden, dass ein Instandsetzungsbedarf hinsichtlich der Fenster nicht vorgelegen habe und damit eine schwere Verletzung der gegenüber der Gemeinschaft bestehenden Pflichten mangels drohenden Schadenseintritts nicht gegeben sei. Auch habe sich die Klägerin mit den wiederholt geäußerten Bedenken der Beklagten gegen ein Zustandekommen der Beschlüsse vom 08.08.2017 nicht auseinandergesetzt. Darüber hinaus sei der Umstand, dass die Beklagte ihren Lebensmittelpunkt auch in der streitgegenständlichen Wohnung habe, nicht berücksichtigt worden.
Das Schreiben vom 23.06.2020 stelle keine Abmahnung dar, weil es die Konsequenzen nicht hinreichend aufzeige und das Schreiben zudem ohne vorherige Ermächtigung und Mandatserteilung durch den jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin verfasst worden sei.
Aus dem Tenor des Urteils des Amtsgerichts Dortmund vom 17.04.2018 (511 C 45/17) gehe nicht hervor, wie der Fensteraustausch konkret aussehen solle. Insbesondere sei unbestimmt, ob es sich dabei um den Austausch gemäß dem Angebot der Firma T1 handeln solle. In diesem sei auch der Einbau von Vorkehrungen für Rollläden vorgesehen, was eine Verdunklung befürchten lasse.
Ferner ist die Beklagte der Auffassung, der Entziehungsbeschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 08.12.2021 sei nicht zustande gekommen, weil kein stimmberechtigter Eigentümer zugegen gewesen sei, dies aber ausweislich der Hinweise in der Einladung der Hausverwalterin Voraussetzung für die Beschlussfähigkeit der Versammlung sei. Auch materiell entspreche der Beschluss nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, weil er nicht lediglich auf die Entziehung bezogen sei, sondern weitere Regelungspunkte beinhalte.
Die Beklagte beantragt nunmehr, das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 11.05.2021, Aktenzeichen 511 C 17/20 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Zudem trägt sie vor, die Fenster seien erneuerungsbedürftig. Ihr Prozessbevollmächtigter sei von der Verwalterin bereits vor dem Schreiben vom 23.06.2020 mit der Abmahnung der Beklagten beauftragt worden. Die Klägerin bestreitet, dass die Beklagte ihren Lebensmittelpunkt auch in der streitgegenständlichen Wohnung habe, sie sei dort auch nicht gemeldet. Ein Einbau von Rollläden sei an den Fenstern der Beklagten nicht vorgesehen. Die Beklagte sei unbelehrbar. Noch in der Verhandlung am 20.04.2021 sei ihre angeboten worden, dass sie die Klägerin, an der Entziehungsklage nicht festhalten werde, wenn sich die Beklagte binnen einer Frist von 3 Wochen zu dem Fensteraustausch bereit erkläre. Dies habe die Beklagte indes abgelehnt.
II.
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
1.
Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen nicht mehr. Mit der Beschlussfassung vom 08.12.2021 zu TOP 2 liegt ein wirksamer Entziehungsbeschluss vor, so dass die Fragen, ob ein Entziehungsbeschluss nach der WEG-Reform im Hinblick auf die umfassenden Befugnisse des Verwalters gemäß § 9 b Abs. 1 S. 1 WEG noch als Prozessvoraussetzung erforderlich und der Entziehungsbeschluss vom 19.08.2020 wirksam ist, keiner Entscheidung bedürfen.
Die Einwände der Beklagten gegen den Beschluss vom 08.12.2021 greifen nicht durch.
Eine Wohnungseigentümerversammlung hat unzweifelhaft stattgefunden. Insoweit reicht es aus, dass die die Verwalterin sowie die Beklagte zugegen waren. Dass die Beklagte bei der Abstimmung über den Entziehungsbeschluss nicht stimmberechtigt war und die übrigen Eigentümer nicht zugegen waren, sondern ihr Stimmrecht über Vollmachten ausgeübt haben, steht der Ordnungsmäßigkeit des Beschlusses nicht entgegen. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Beschlussfähigkeit der Versammlung nicht (mehr) von dem Erscheinen eines Mindestquorums stimmberechtigter Eigentümer abhängig. Diese Vorgabe, die gemäß § 25 Abs. 3 WEG in der bis zum 30.11.2020 gültigen Fassung für bis zu diesem Zeitpunkt gefasste Beschlüsse galt, ist in der seit dem 01.12.2020 gültigen Fassung des WEG, an denen der Beschluss vom 08.12.2021 zu messen ist, entfallen.
Es begegnet auch keinen Bedenken, dass in dem Beschluss neben der Entziehung auch über die Fortsetzung des gerichtlichen Verfahrens, die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin und die Durchführung der Zwangsversteigerung für den Fall der Verurteilung der Beklagten beschlossen wurde. Eine Vorgabe dahingehend, dass ein Entziehungsbeschluss neben dem Veräußerungsverlangen keinen weiteren Regelungsgehalt aufweisen darf, existiert nicht.
2.
Die Klage ist auch begründet, weil die Voraussetzungen für eine Entziehung des Wohnungseigentums vorliegen.
Gemäß § 17 Abs. 1 WEG kann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer von einem Wohnungseigentümer die Veräußerung seines Wohnungseigentums verlangen, wenn dieser sich einer so schweren Verletzung der ihn gegenüber den anderen Wohnungseigentümern oder der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer obliegenden Verpflichtungen schuldig gemacht, dass diesen die Fortsetzung der Gemeinschaft mit ihm nicht mehr zugemutet werden kann.
a)
Eine schwere Pflichtverletzung der Beklagten ist – wie in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt wird – in der beharrlichen Verweigerung der Duldung und Ermöglichung des Fensteraustauschs zu sehen.
aa)
Die Beklagte ist aufgrund der bestandskräftigen Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 08.08.2017 zu TOP 2, 3 und 4 verpflichtet, den Austausch der Fenster in ihrer Dachgeschosswohnung zu dulden. Diese Verpflichtung ergab sich nach der bis zum 30.11.2020 geltenden Fassung des WEG aus § 14 Abs. 4, wonach jeder Wohnungseigentümer verpflichtet ist, das Betreten und die Benutzung der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile zu gestatten, soweit dies zur Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlich ist. Mit dem Einwand, der Fensteraustausch stelle keine erforderliche Instandhaltungsmaßnahme dar, kann die Beklagte angesichts der Bestandskraft der am 08.08.2017 gefassten Beschlüsse nicht mehr gehört werden.
Auch nach der seit dem 01.12.2020 geltenden Rechtslage ist die Beklagte zur Duldung des Fensteraustauschs verpflichtet, § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG.
Gleichzeitig hat die Beklagte durch ihre hartnäckige Verweigerung der Duldung des Fensteraustauschs ihre Mitwirkungspflichten aus § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG a.F. bzw. § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG verletzt.
bb)
Ob die Duldungspflicht der Beklagten in dem Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 08.05.2018 (511 C 45/17) hinreichend konkret tenoriert wurde, kann dahinstehen, weil der Duldungs- und Gestattungsanspruch der Klägerin unabhängig von einem Vollstreckungstitel besteht.
b)
Die von der Berufung aufgeworfene Frage, ob in dem Schreiben vom 23.06.2020 eine hinreichende Abmahnung zu sehen ist, ist für die Entscheidung des Rechtsstreits ohne Relevanz, weil eine Abmahnung angesichts der besonderen Umstände des Einzelfall entbehrlich war.
aa)
Eine Abmahnung muss nicht erfolgen, wenn sie von vorneherein unzumutbar ist oder offenkundig keine Aussicht auf Erfolg bietet, was insbesondere der Fall ist, wenn ein Wohnungseigentümer während des gegen ihn laufenden gerichtlichen Entziehungsverfahrens die in der Klage beanstandeten gemeinschaftswidrigen Verhaltensweisen fortsetzt (BGH, Beschluss vom 25. Januar 2018 – V ZR 141/17 -, bei juris Rn. 10; Hogenschurz in: BeckOK WEG, 46. Edition, Stand 01.10.2021, § 17 Rn. 24). Denn dem Wohnungseigentümer wird durch die Durchführung des Klageverfahrens eindrücklich vor Augen geführt, dass die Gemeinschaft das beanstandete Verhalten nicht hinnehmen will und zum Anlass für die Entziehung nimmt. Sieht sich der Wohnungseigentümer unter diesen Umständen dennoch nicht veranlasst, das beanstandete Verhalten zu ändern, so gibt er damit zu erkennen, dass er nicht gewillt ist, sein Verhalten zu ändern (BGH, a.a.O.; Hogenschurz in: BeckOK WEG, a.a.O.). Eine Abmahnung hat regelmäßig keine Aussicht, zu einer Verhaltensänderung zu führen, wenn der Wohnungseigentümer sogar von dem Klageverfahren unbeeindruckt bleibt (BGH, a.a.O.; Hogenschurz in: BeckOK, a.a.O.).
bb)
Eine solche Konstellation ist vorliegend gegeben. Die Beklagte widersetzt sich dem Austausch der Fenster in ihrer Dachgeschosswohnung bereits seit der Beschlussfassung am 08.08.2017, mithin seit mittlerweile über vier Jahren. Gegen die Beklagte ist bereits unter dem 08.05.2018 ein Duldungstitel ergangen, zu dessen Vollstreckung die Klägerin dreimal Zwangsgelder in Höhe von insgesamt 17.400 EUR festsetzen ließ, ohne dass dies die Beklagte zu einer Duldung der genannten Maßnahmen veranlasst hätte.
Auch das gegen sie geführte Entziehungsklageverfahren hat eine Verhaltensänderung nicht bewirken können. Noch in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 14.01.2022 ist die Beklagte bei ihrer Verweigerungshaltung geblieben, obwohl ihr die Kammer die Konsequenzen dieser Haltung deutlich erklärt hat. Eine Abmahnung wäre vor diesem Hintergrund von vorneherein nicht erfolgsversprechend gewesen und ist damit als entbehrlich anzusehen.
c)
Das Amtsgericht ist im Rahmen der anzustellenden Abwägung der wechselseitigen Interessen zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass der Gemeinschaft im Hinblick auf die Pflichtverletzung der Beklagten die Fortsetzung der Gemeinschaft nicht mehr zugemutet werden kann.
Es hat hierbei zunächst den Umstand berücksichtigt, dass sich die Verweigerungshaltung der Beklagten als besonders hartnäckig erweist, weil sie die Umsetzung der Beschlussfassung vom 08.08.2017 bereits seit mehr als vier Jahren und trotz Erwirkens eines Duldungstitels, Durchführung des Vollstreckungsverfahrens und Einleitung des gerichtlichen Entziehungsverfahrens verhindert.
Weiter hat das Amtsgericht zu Recht in die Abwägung eingestellt, dass der Beklagten – insoweit unstreitig – keine Obdachlosigkeit droht, da sie (jedenfalls auch) unter der Adresse U1-Straße 0 in W1 wohnt. Darüber hinaus durfte das Amtsgericht auch berücksichtigen, dass die Beklagten nach eigenen Angaben schon vor Jahren aus der streitgegenständlichen Wohnung ausgezogen ist, und daraus auch die Schlussfolgerung ziehen, dass diese ihren Lebensmittelpunkt nicht mehr in der streitgegenständlichen Wohnung hat. Denn die Äußerungen einer Partei in der mündlichen Verhandlung gehören zu den Quellen der freien Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO (Greger in: Zöller, ZPO, 34. Auflage 2022, § 286 Rn. 14).
Mit dem Argument, dass ein Instandsetzungsbedarf nicht bestanden habe, kann die Beklagte im Rahmen der Abwägung nicht gehört werden, da dieser durch die Bestandskraft des Instandsetzungsbeschlusses vom 08.08.2017 belegt ist. Der Umstand, dass durch den Boykott des Fensteraustauschs kein Schaden an dem Gemeinschaftseigentum eingetreten ist und nach dem Vortrag der Beklagten auch nicht drohte, ist zwar – worauf die Berufung zutreffend verweist – im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, führt jedoch nicht dazu, dass die Fortsetzung der Gemeinschaft als zumutbar angesehen werden müsste. Es ist der Gemeinschaft nicht zuzumuten, auf die Durchführung einer beschlossenen Instandsetzungsmaßnahme auf Dauer verzichten zu müssen, zumal dies für die Beklagte angesichts des geringen Umfangs der beabsichtigten Maßnahme nur einen geringen Aufwand und unerhebliche Unannehmlichkeiten bedeutet.
Ebenso wenig kann die Beklagte damit durchdringen, dass ihr nicht klar gewesen sei, wie der Fensteraustausch konkret habe aussehen sollen. In dem Beschluss der Wohnungseigentümer vom 08.08.2017 zu TOP 3 wurde ausdrücklich eine Auftragsvergabe an die Firma T1 gemäß dem Angebot Nr. 0000 vom 05.06.2017 beschlossen, womit die beauftragten Maßnahmen der Beklagten konkret bekannt waren. Auch dieser Beschluss ist in Bestandskraft erwachsen. Dass die Beklagte zu Unrecht die Auffassung vertreten hat, dieser Beschluss sei nicht wirksam zustande gekommen, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn mit der am 08.05.2018 erfolgten Verurteilung durch das Amtsgericht Dortmund zur Duldung des Fensteraustauschs, dem anschließenden Vollstreckungsverfahren und spätestens im Rahmen des vorliegenden Klageverfahrens ist der Beklagten klar vor Augen geführt worden, dass eine rechtliche Grundlage für ihre Weigerung, die Umsetzung der am 08.08.2017 getroffenen Beschlüsse zu ermöglichen, nicht gegeben ist. Ihre Verweigerungshaltung hat sie dennoch bis zum heutigen Tagen nicht aufgegeben, so dass der Gemeinschaft als letztes Mittel lediglich noch die Entziehung des Wohnungseigentums verbleibt.
III.
Die Kosten des Berufungsverfahrens sind der Beklagten gemäß § 97 Abs. 1 ZPO aufzuerlegen. Die Vorschrift des § 97 Abs. 2 ZPO greift auch im Hinblick auf den neuen Vortrag der Klägerin zu dem am 08.12.2021 gefassten Entziehungsbeschluss nicht ein, weil ein Vortrag dazu naturgemäß erst nach Beschlussfassung möglich war, sie zur Geltendmachung dieses neuen Vorbringens in dem vorherigen Rechtszug also gerade nicht imstande war.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.