Skip to content
Menü

Weitervermietung von Wohnraum – Räumungspflicht Dritter nach Mieterauszug

AG Stuttgart – Az.: 35 C 991/21 – Urteil vom 21.05.2021

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: 10.800 €

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Räumung und Herausgabe einer Wohnung in Anspruch.

Mit Vertrag vom 10.10.2013 (Anlage B3, Bl. 31ff. d.A.) vermietete der Kläger die streitgegenständliche Wohnung in der XX, an den A (in der Folge auch: „A.“). Zwischen dem A. und dem Kläger war vereinbart, dass der A. die Wohnung untervermieten durfte und es sollte. Daher sieht der Vertrag unter § 17 Individuelle Vereinbarung folgende Regelung vor: „Zur Untervermietung ist es frei“.

Mit Vertrag vom 26.11.2016 (Anlage B1, Bl. 25ff. d.A.) vermietete der A. die streitgegenständliche Wohnung an den Beklagten zu 1. Der Kläger nahm den A. vor dem Amtsgericht Stuttgart auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung in Anspruch (Az: 32 C 4688/16). Das Verfahren endete vor dem Landgericht Stuttgart mit einem Räumungsvergleich vom 01.02.2018 (Anlage K4, Bl. 8 d.A.). Darin verpflichtete sich der A., die streitgegenständliche Wohnung bis zum 02.11.2018 zu räumen und geräumt an den Kläger herauszugeben.

Vor dem Hintergrund dieses Räumungsvergleichs kam es jedenfalls im Jahr 2020 zu Gesprächen zwischen dem Kläger und dem Beklagten. Dabei gingen beide Parteien davon aus, dass der Beklagte seit November 2018 zur Räumung der Wohnung verpflichtet ist. Der Kläger gewährte dem Beklagten aber eine „großzügige Räumungsfrist“. Die Parteien hielten dies in einer Erklärung vom 13.12.2020 (Anlage K2, Bl. 7 d.A.) fest, welche vom Beklagten unterzeichnet ist. Mit Anwaltsschreiben vom 10.02.2021 (Anlage B6, Bl. 43 d.A.) hat der Beklagte die Erklärung vom 13.12.2020 wegen arglistiger Täuschung angefochten, weil der Kläger ihm unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zum Abschluss der Vereinbarung bewegt und dabei die wahre Rechtslage eines fortbestehenden Mietverhältnisses verschleiert habe.

Der Kläger ist der Auffassung, dass ihm aufgrund dieses Sachverhaltes ein Räumungsanspruch gegen die Beklagten zusteht.

Der Kläger beantragt wie folgt:

1. Die Beklagten werden verurteilt, die Räumlichkeiten in der XX, im Erdgeschoss, bestehend aus 4 Zimmern, Küche, Diele, Bad/WC, zu räumen und nebst Schlüsseln an den Kläger herauszugeben.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten des Herrn Rechtsanwalt XX in Höhe von 958,19 € zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten machen geltend, dass zwischen den Parteien ein ungekündigtes Mietverhältnis bestehe. Nachdem der A. die Wohnung zur gewerblichen Weitervermietung angemietet habe, habe sich das Mietverhältnis zwischen A. und dem Kläger nach Ausscheiden des A. gem. § 565 BGB zwischen den Parteien fortgesetzt. Soweit in dem Mietvertrag (Anlage B1, Bl. 25 d.A.) eine Befristung bis zum 01.11.2018 beinhaltet sei, so sei diese schon im Ermangelung der Angabe eines Befristungsgrundes unwirksam. Allerdings habe dies den Beklagten zu der unzutreffenden Annahme verleitet, dass er zum Auszug verpflichtet sei, als der Kläger ihn darauf ansprach. Die Vereinbarung vom 13.12.2020 sei formnichtig (§ 573 Abs. 4 BGB) und sittenwidrig, jedenfalls aber erfolgreich angefochten, weil der Kläger den Beklagten durch Täuschung zur Unterschrift veranlasst habe, indem der vorgespiegelt habe, dass er die Unterschrift benötige, um dem Beklagten bei der Suche nach einer Ersatzwohnung behilflich sein zu können.

Der Kläger hat geltend gemacht, dass er von dem Vertrag des A. mit dem Beklagten nichts habe wissen können, dieser ihn aber auch nicht binde. Dass der A. die Wohnung in der Absicht angemietet habe, diese weiterzuvermieten, nehme dem zwischen A. und dem Kläger geschlossenen Vertrag nicht den Charakter eines Wohnraummietverhältnisses. Die Anfechtung der Vereinbarung vom 13.12.2020 sei als unbegründet zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des tatsächlichen Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und die zur Akte gelangten Anlagen Bezug genommen. Das Gericht hat mündlich verhandelt am 27.04.2021, auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Die Akten des Amtsgerichts Stuttgart zum Aktenzeichen 32 C 4688/16 waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht Stuttgart sachlich und örtlich zuständig (§§ 23 Nr. 2a GVG, 29a ZPO), aber unbegründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung nicht zu.

1.

Nach dem unstreitigen Parteivortrag, der sich mit dem im Parallelverfahren gehaltenen Vortrag (32 C 4688/16, Bl. 45 d.A.; hier vorgelegt als Anlage B4, Bl. 37f, 38 d.A.) deckt, hatte der A. die streitgegenständliche Wohnung im Jahr 2013 vom Kläger angemietet, wobei Zweck der Anmietung die gewerbliche Weitervermietung der streitbefangenen Wohnung zu Wohnzwecken war. Der Mietvertrag zwischen A. und dem Kläger stellt damit einen Hauptmietvertrag im Sinne des § 565 BGB dar (vgl. etwa BGH NJW 2016, 1086 Rn. 26 m.w.N.), mit der Folge, dass das Ausscheiden des A. aus dem Hauptmietvertrag kraft Gesetzes zur Folge hatte, dass sich der zwischen A. und dem Beklagten zu 1 geschlossene Mietvertrag zwischen den Parteien fortsetzte.

2.

Da dieser Mietvertrag fortbesteht, kann der Kläger eine Herausgabe der Wohnung nicht beanspruchen.

a) Dass der Kläger den Mietvertrag gekündigt hätte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der Mietvertrag endete auch nicht aufgrund der in ihm vorgesehenen Befristung bis zum 01.11.2018 (Anlage B1, Bl. 25 d.A.), da eine wirksame Befristung eines Wohnraummietvertrages gem. § 575 Abs. 1 BGB voraussetzt, dass ein Befristungsgrund nicht nur vorliegt, sondern auch bei Vertragsschluss schriftlich mitgeteilt wird. Jedenfalls an Letzterem fehlt es im Streitfall.

b) Eine Räumungspflicht besteht auch nicht aufgrund der „Erklärung“ vom 13.12.2020. Selbst wenn man in der „Erklärung“ entgegen der Überschrift und dem Umstand, dass die Erklärung nur durch den Beklagten unterschrieben wurde, eine Vereinbarung erkennen wollte, in welcher die Parteien den Bestand der Räumungsverpflichtung des Beklagten festschreiben wollten (§§ 133, 157 BGB), was dahin stehen kann, könnte der Kläger daraus keine Rechte herleiten. Dies folgt zwar entgegen der Auffassung des Beklagten nicht daraus, dass eine solche Vereinbarung schon formnichtig wäre, weil auch Aufhebungsvereinbarungen über Wohnraummietverträge formfrei geschlossen werden können (etwa: BGHZ 217, 263 Rn. 24 mwN). Die Vereinbarung würde aber, ohne dass es auf die beklagtenseits erklärte Arglistanfechtung ankommen würde, schon deshalb keine Rechtswirkungen mehr entfalten, weil sich beide Parteien in einem Irrtum darüber befanden, dass dem Beklagten gegenüber dem Kläger ein Recht zum Besitz an der Wohnung zustand und er tatsächlich nicht zum Auszug verpflichtet war und der Beklagte gegenüber dem Kläger erklärt hat, sich nicht an der Vereinbarung festhalten lassen zu wollen (§ 313 Abs. 1 und Abs. 3; §§ 133, 157 BGB; BGH NJW-RR 2021, 84 Rn. 36 ff.).

Denn aufgrund des unstreitigen Parteivortrags ist offensichtlich und wurde nach Hinweis des Gerichts auch von keiner Partei in Zweifel gezogen, dass eine etwaige Vereinbarung allein vor dem Hintergrund erfolgt wäre, dass beide Parteien übereinstimmend, aber rechtsirrig, davon ausgingen, dass eine Räumungsverpflichtung ohnehin bestand. Ein „reiner“ Rechtsirrtum lag insofern nicht vor, da insoweit die tatsächlichen Anwendungsvoraussetzungen des § 565 BGB in Betracht zu ziehen waren und der Hauptmietvertrag vor diesem Hintergrund der Auslegung bedurfte (vgl. BGH, aaO, Randnummer 38). Infolgedessen, wäre mit Aufdeckung des beiderseitigen Irrtums die Geschäftsgrundlage für den Abschluss einer etwaigen Vereinbarung entfallen und der Beklagte müsste sich daran nicht festhalten lassen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO.

 

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Mietrecht & WEG-Recht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Mietrecht und Wohneigentumsrecht. Vom Mietvertrag über Mietminderung bis hin zur Mietvertragskündigung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Rechtstipps aus dem Mietrecht

Urteile aus dem Mietrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!