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Mehrere Kündigungen eines Mietverhältnisses – Wirksamkeit

LG Berlin, Az.: 67 S 22/18

Beschluss vom 06.03.2018

In dem Rechtsstreit hat die Zivilkammer 67 des Landgerichts Berlin am 06.03.2018beschlossen:

Die Kammer beabsichtigt, die Berufung als offensichtlich unbegründet im Beschlusswege zurückzuweisen.

Gründe:

I.

Mehrere Kündigungen eines Mietverhältnisses - Wirksamkeit
Foto: fizkes/Bigstock

Die Berufung ist gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und auch die sonstigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO vorliegen.

Das Amtsgericht hat die Beklagte im Ergebnis zutreffend zur Räumung und Herausgabe verurteilt. Dagegen vermag die Berufung nichts zu erinnern.

Die Beklagte ist der Klägerin gemäß §§ 985, 546 Abs. 1 BGB zur Räumung und Herausgabe verpflichtet, da das Mietverhältnis durch die im Schreiben vom 13. März 2017 hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung gemäß §§ 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 573c Abs. 1 Satz 2 BGB mit Ablauf des 31. Dezember 2017 seine Beendigung gefunden hat.

Die Kündigung vom 13. März 2017 wahrt die Schriftform des § 568 Abs. 1 BGB, auch wenn in dem von zwei Mitarbeitern der klägerischen Hausverwaltung handschriftlich unterzeichneten Schreiben die maschinenschriftliche Namensbezeichnung beider Mitarbeiter jeweils mit dem ebenfalls maschinenschriftlichen Zusatz „i.A.“ versehen war.

Die gemäß § 568 Abs. 1 BGB für die Kündigung von Wohnraummietverhältnissen angeordnete Schriftform wird nach § 126 Abs. 1 BGB dadurch erfüllt, dass die Urkunde vom Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet wird. Unterzeichnet für eine Vertragspartei ein Vertreter die Erklärung, muss das Vertretungsverhältnis in der Urkunde deutlich zum Ausdruck kommen. Dies kann insbesondere durch einen entsprechenden Zusatz bei der Unterschrift erfolgen. Für die Frage, ob jemand eine Erklärung auch in fremdem Namen abgibt, kommt es auf deren objektiven Erklärungswert an. Maßgeblich ist gemäß § 133, 157 BGB, wie sich die Kündigungserklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte für den Empfänger darstellt. Hierbei sind außer dem Wortlaut der Erklärung alle Umstände zu berücksichtigen, die unter Beachtung der Verkehrssitte Schlüsse auf den Sinn der Erklärung zulassen. Von Bedeutung sind insbesondere die dem Rechtsverhältnis zu Grunde liegenden Lebensverhältnisse, die Interessenlage, der Geschäftsbereich, dem der Erklärungsgegenstand angehört, und verkehrstypische Verhaltensweisen. Die gesetzliche Schriftform ist nur gewahrt, wenn der so ermittelte rechtsgeschäftliche Vertretungswille in der Urkunde jedenfalls andeutungsweise Ausdruck gefunden hat (vgl. BAG, Urt. v. 13. Dezember 2007 – 6 AZR 145/07, NJW 2008, 1243). Ist das Kündigungsschreiben mit dem Zusatz „i.A.“ unterschrieben, kann das zwar im Einzelfall dafür sprechen, dass der Unterzeichner nicht selbst handelnd wie ein Vertreter die Verantwortung für den Inhalt des von ihm unterzeichneten Kündigungsschreibens übernehmen will. Bei der nach §§ 133, 157 BGB gebotenen Auslegung der Erklärung ist jedoch zu berücksichtigen, dass im allgemeinen, nichtjuristischen Sprachgebrauch nicht immer hinreichend zwischen „Auftrag“ und „Vertretung“ unterschieden wird. Oftmals werden die Zusätze „i.V.“ und „i.A.“ lediglich verwendet, um unterschiedliche Hierarchieebenen auszudrücken. Deshalb folgt nicht bereits aus dem Zusatz „i.A.“, dass der Erklärende lediglich als Bote gehandelt hat. Maßgeblich sind vielmehr die Gesamtumstände. Wenn sich hieraus ergibt, dass der Unterzeichner ersichtlich im Namen eines anderen die Kündigung erklärt hat, ist von einem Handeln als Vertreter auszugehen (vgl. BAG, a.a.O.).

Gemessen an diesen Grundsätzen ergibt sich aus dem Kündigungsschreiben hinreichend deutlich, dass die dort namentlich benannten Mitarbeiter der klägerischen Hausverwaltung die Kündigung in deren Vertretung erklärt haben. Für die Auslegung der Erklärung ist gemäß § 157 BGB maßgeblich, dass sich die Unterschriften unter der maschinenschriftlichen Nennung der Klägerin und dem die Nennung der Hausverwaltung vorangestellten Zusatz „vertreten durch die“ befinden. Die Beklagte konnte und musste wegen der Gesamtumstände verständigerweise davon ausgehen, dass die Mitarbeiter der Hausverwaltung die Kündigung nicht nur als Boten unterzeichnet haben, da ihr Handeln als Vertreter in der schriftlichen Kündigungserklärung hinreichend deutlich zum Ausdruck gekommen ist. Die Kündigung wurde nicht nur auf einem Geschäftsbriefbogen der Hausverwaltung verfasst, sondern in der mit der Firma der Hausverwaltung überschriebenen Unterschriftszeile unterzeichnet. Eine Übermittlung fremder Erklärungen als bloßer Bote geschieht demgegenüber in der Regel in der Weise, dass in Textform gehaltene Urkunden mit einem separaten Schriftstück, zum Beispiel einem unterschriebenen Begleitzettel, versehen werden (vgl. BAG, a.a.O.). Es kommt hinzu, dass die Kündigung nicht nur von einem, sondern von zwei Mitarbeitern der Hausverwaltung unterzeichnet wurde. Schriftliche Erklärungen werden aber verkehrsüblich nur dann unter Beachtung des sog. Vier-Augen-Prinzips verfasst, wenn sie wichtige Entscheidungen oder Tätigkeiten betreffen, die nicht von einer einzelnen Person gefällt oder durchgeführt werden dürfen. Bloßes Botenhandeln indes unterfällt gewöhnlich nicht derart wichtigen Entscheidungen oder Tätigkeiten. Davon ausgehend musste die Beklagte trotz des Zusatzes „i.A.“ davon ausgehen, dass die Mitarbeiter der klägerischen Hausverwaltung in deren Vertretung handelten. Dieses Auslegungsergebnis entspricht dem für die Auslegung ebenfalls zu berücksichtigenden tatsächlichen Verständnis der Beklagten, die sich unter Vorlage des Kündigungsschreibens zur Übernahme des Kündigungsrückstandes an das Jobcenter gewandt hat, da der “ …Vermieter … mir eine Kündigung des Wohnraums ausgesprochen …(hat)“. Damit ist auch sie von einem wirksamen Vertreterhandeln der Hausverwaltung und ihrer Mitarbeiter für die Klägerin und nicht von einer bloßen Botentätigkeit ausgegangen.

Die Kündigung ist auch materiell wirksam, da die Voraussetzungen des § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB erfüllt sind. Danach ist der Vermieter zur Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat. So liegt der Fall hier.

Die Beklagte hat ihre Vertragspflichten verletzt, da sie sich bei Zugang der Kündigung mit Mietzahlungen in Höhe von mindestens 1.365,28 EUR nebst anteiliger Zinsen für den Zeitraum Januar 2011 bis Juni 2014 in Zahlungsverzug befand. Die am 5. Juli 2017 erklärten Aufrechnungen ändern an der Höhe des Kündigungsrückstands nichts, ohne dass es darauf ankäme, ob der Beklagten aufrechenbare Gegenansprüche überhaupt zustanden. Denn eine nach Zugang der Kündigung erklärte Aufrechnung ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 3 BGB, der einer analogen Anwendung nicht zugänglich ist, allein geeignet, die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung zu beseitigen; eine zum Zeitpunkt ihres Zugangs wirksame ordentlichen Kündigung bleibt von ihr ebenso unberührt wie von einer nachträglichen Schonfristzahlung (vgl. Kammer, Urt. v. 16. Juni 2016 – 67 S 125/16, WuM 2017, 83).

Davon abgesehen hat die Beklagte die Aufrechnung auch nicht unverzüglich i.S.d. § 543 Abs. 2 Satz 3 BGB erklärt. Die Aufrechnungserklärung ist nicht mehr unverzüglich, wenn sie der Mieter mehr als zwei Wochen nach Zugang der Kündigung abgibt (vgl. Emmerich, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2018, § 543 Rz. 67 m.w.N.). Diese Frist hat die Beklagte um 5 Tage, gerechnet ab Erklärung der Aufrechnung im Schriftsatz vom 5. Juli 2017, und um 18 Tage, gerechnet ab dessen Zugang bei der Klägerin, überschritten. Beides war nicht mehr unverzüglich, auch wenn sich die Abstimmungsprozesse zwischen der Beklagten und ihrem Prozessbevollmächtigten durch die erfolgte Terminsvertretung und die Erkrankung der Beklagten aufwändiger als gewöhnlich gestaltet haben sollten.

Die Beklagte hat auch schuldhaft gehandelt, da ihr zumindest Fahrlässigkeit zur Last zu legen ist. Der von ihr erstmals zweitinstanzlich und ohne nähere Substantiierung behauptete Rechtsirrtum war spätestens nach Rechtskraft des auf Zahlung von 1.365,28 EUR gerichteten Urteils des Amtsgerichts Wedding vom 6. Dezember 2016 vermeidbar. Etwaige Zurückbehaltungsrechte der Beklagten wegen von der Klägerin nicht rechtzeitig erstellter Nebenkostenabrechnungen spielen insoweit keine Rolle, da die Beklagte sich darauf erst ab März 2016 berufen hat. Der von der Kammer berücksichtigte Zahlungsrückstand der Beklagten betrifft jedoch allein den Zeitraum bis einschließlich Juni 2014.

Die Pflichtverletzung der Beklagten war auch hinreichend erheblich i.S.d. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Die Beurteilung der Erheblichkeit der dem Mieter zur Last zu legenden Pflichtverletzung erfordert die Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls. Dazu zählen vor allem die beanstandungsfreie Dauer des bisherigen Mietverhältnisses, das Gewicht und die nachteiligen Auswirkungen der Vertragspflichtverletzung, eine mögliche Wiederholungsgefahr und der dem Mieter zur Last zu legende Grad des Verschuldens (vgl. Kammer, a.a.O.).

Gemessen an diesen Grundsätzen überschreitet die Pflichtverletzung der Beklagten die Erheblichkeitsschwelle des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB bei Weitem:

Zwar spricht zu Gunsten der Beklagten vordergründig zunächst die langjährige Dauer des bereits seit 1995 währenden Mietverhältnisses, doch war dieses in der Vergangenheit durch eine Vielzahl von dem Grunde oder der Höhe nach zu Unrecht erhobener Einwendungen der Beklagten gegen ihre Zahlungsverpflichtungen geprägt. Auch wenn der von der Kammer herangezogene Kündigungsrückstand mit einem Betrag von 1.365,28 EUR für die gewerblich vermietende Klägerin bei wirtschaftlicher und absoluter Betrachtung nur geringfügig ins Gewicht fällt, wiegt der Pflichtverstoß der Beklagten schwer, weil sie über mehrere Jahre nicht nur ihre Kardinalpflicht zur vollständigen Entrichtung der laufenden Miete verletzt, sondern den Zahlungsausgleich unbeeindruckt und beharrlich auch noch verweigert hat, nachdem die Klägerin ihr gegenüber am 6. Dezember 2016 ein – rechtskräftiges – Zahlungsurteil in entsprechender Höhe erwirkt hatte. Spätestens nach Verkündung des Zahlungsurteils, erst Recht aber nach Eintritt der Rechtskraft hätte es der Beklagten oblegen, den Zahlungsausgleich selbst vorzunehmen oder bei dem für sie zuständigen öffentlichen Leistungsträger die Übernahme des Zahlungsausgleichs zu bewirken (vgl. BGH, Urt. v. 29. Juni 2016 – VIII ZR 173/15, NJW 2016, 2805). Beides hat sie grob pflichtwidrig unterlassen. Es kommt erschwerend hinzu, dass sie ab März 2015 und auch noch nach Verkündung und Rechtskraft des Zahlungsurteils die laufende Miete in unterschiedlicher – und der Klägerin gegenüber in ihrer Unterschiedlichkeit nicht näher erläuterter – monatlicher Höhe einbehalten hat, so dass für letztere die nicht unbegründete Wiederholungsgefahr auch zukünftigen vertragswidrigen Verhaltens durch die Beklagte bestand. Schließlich hat die Beklagte spätestens nach Rechtskraft des Urteils den Zahlungsausgleich grob fahrlässig, wenn nicht sogar vorsätzlich unterlassen. Auch dieser hohe Grad eigenen Verschuldens wirkt zu ihren Lasten.

Da die Pflichtverletzung der Beklagten bereits davon ausgehend hinreichend erheblich war, bedurfte es keiner zusätzlichen Mahnung der Klägerin vor Ausspruch der Kündigung, um dem Zahlungsverzug der Beklagten das für die ordentliche Beendigung des Mietverhältnisses erforderliche Gewicht zu verleihen (vgl. dazu Kammer, Beschl. v. 3. Februar 2017 – 67 S 395/16, NZM 2018, 35).

Der Wirksamkeit der ordentliche Kündigung steht es nicht entgegen, dass das zwischen den Parteien mit Zugang der wirksamen – und später durch die Schonfristzahlung der Beklagten vom 1. August 2017 gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB geheilten – außerordentlichen Kündigung vom 13. März 2017 gemäß § 543 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 b BGB fristlos beendet wurde.

Zwar kann sich die Beklagte insoweit auf ein unveröffentlichtes Urteil des LG Bielefeld (Urt. v. 24. April 1994, 2 S 192/94) und eine Entscheidung des LG Berlin (Urt. v. 13. Oktober 2017 – 66 S 90/17, WuM 2017, 650) berufen. Danach soll eine hilfsweise ausgesprochene Kündigung „ins Leere“ gehen, da die – im selben Kündigungsschreiben – zuvor und vorrangig ausgesprochene außerordentliche Kündigung das Mietverhältnis vor dem Zugang der ordentlichen Kündigung bereits beendet habe (vgl. LG Berlin, a.a.O.). Dem ist jedoch nicht zu folgen. Die Kammer teilt insoweit die ständige Rechtsprechung des BGH, ausweislich derer die Wirksamkeit einer hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung von der Wirksamkeit einer zuvor ausgesprochenen fristlosen Kündigung nicht berührt wird (vgl. grundlegend BGH, Urteil v. 16. Februar 2005 – VIII ZR 6/04, NZM 2005, 334).

Soweit die Unwirksamkeit der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung damit begründet wird, das Mietverhältnis sei im Moment ihres Zugangs bereits durch die fristlose Kündigung beendet gewesen, trifft bereits das zumindest im hier gegebenen Fall des einheitlichen Ausspruchs und Zugangs beider Kündigungen nicht zu. Auch wenn die ordentliche Kündigung nur hilfsweise erklärt wurde, ist sie unbedingt und zeitgleich ausgesprochen; die Kündigungserklärung ist im Lichte der Auslegungsparameter der §§ 133, 157 BGB lediglich dahingehend auszulegen, dass die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung erst nachrangig zu prüfen ist (vgl. BGH, a.a.O). Mit dem zeitgleichen Ausspruch und Zugang beider Kündigungen lässt es sich aber nicht vereinbaren, dass das Mietverhältnis bereits vor dem Zugang der ordentlichen Kündigung seine fristlose Beendigung gefunden haben soll (so aber LG Berlin, a.a.O.).

An dieser Beurteilung ändert sich im Ergebnis selbst dann nichts, wenn das Mietverhältnis schon vor dem Zugang der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung tatsächlich durch die zeitgleich erklärte fristlose Kündigung beendet gewesen sein sollte. Denn der Vermieter kann auch ein bereits kündigungsbedingt beendetes Mietverhältnis bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB erneut wirksam kündigen:

Der Sinn des gesetzlichen Kündigungsrechts des § 573 Abs. 1, Abs. 2 BGB besteht darin, dem Vermieter bereits bei Vorliegen eines berechtigten Interesses – und damit unterhalb der ultima-ratio-Schwelle der für eine außerordentliche Kündigung nach § 543 Abs. 1, Abs. 2 BGB erforderlichen Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung – ein an keine sonstigen materiellen Voraussetzungen gebundenes und wegen der abwägungsfesten Regelbeispiele in § 573 Abs. 2 BGB verhältnismäßig einfach auszuübendes Recht zur einseitigen Loslösung vom Vertrag an die Hand zu geben, das neben und unabhängig von den sonstigen Rechten zur Beendigung des Mietvertrages besteht. Dementsprechend hat der Vermieter ein Wahlrecht, ob er das Mietverhältnis mit der Rechtsfolge seiner sofortigen Beendigung gemäß § 543 BGB außerordentlich kündigt, es ordentlich unter Berücksichtigung der dem Mieter gemäß § 573c BGB zustehenden Kündigungsfrist beendet oder ob er von beiden Kündigungsmöglichkeiten kumulativ Gebrauch macht.

Andernfalls wäre ein Mieter, dessen nicht unerhebliche schuldhafte Zahlungspflichtverletzung sogar den Ausspruch einer fristlosen Kündigung rechtfertigen würde, bei gleichzeitigem Ausspruch von außerordentlicher und ordentlicher Kündigung besser gestellt als ein solcher, dem lediglich eine Zahlungspflichtverletzung zur Last fiele, die nicht zu einer außerordentlichen, sondern allein zu einer ordentlichen Kündigung berechtigte. Während der außerordentlich gekündigte Mieter die Heilungsmöglichkeiten des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB für sich in Anspruch nehmen könnte und nach dem wirksamen Ausspruch der außerordentlichen Kündigung wegen der dieser – zu Unrecht – beigemessenen Sperrwirkung vor einer auf denselben Kündigungssachverhalt gestützten ordentlichen Kündigung geschützt wäre, würde das mit dem ordentlich gekündigten Mieter bestehende Mietverhältnis ohne eine Heilungsmöglichkeit nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB zwingend mit Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist enden, obwohl ihm eine weniger gravierende Pflichtverletzung zur Last fiele als dem außerordentlich gekündigten Mieter.

Für eine derartige Privilegierung des sowohl außerordentlich als auch ordentlich gekündigten Mieters und die damit verbundene Schlechterstellung des Vermieters für den Fall, dass der Mietvertrag nicht lediglich kündbar, sondern wegen einer zuvor ausgesprochen Kündigung bereits gekündigt und fristlos beendet ist, besteht kein Grund. Auch bei einem derartigen Kündigungsszenario gebieten es der Sinn und Zweck des auf § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB beruhenden ordentlichen Kündigungsrechts, dem Vermieter die Möglichkeit zu erhalten, sich von dem geschlossenen Vertrag auf einfache Weise durch Ausspruch einer ordentlichen Kündigung zu lösen, ohne mit dem Mieter in eine rechtliche Auseinandersetzung über die fristlose Beendigung des Vertrags eintreten oder sich den Unwägbarkeiten einer späteren Heilung der fristlosen Kündigung gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB aussetzen zu müssen.

Das dagegen vorgebrachte Argument, nur ein wirksamer Vertrag könne gekündigt werden, ist lediglich begriffslogisch und greift nicht durch. Denn es berücksichtigt nicht, dass vertragliche oder gesetzliche Gestaltungsrechte nicht den fortdauernden Bestand des zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisses voraussetzen. Logische Gründe schließen es nicht aus, dass ein Rechtsgeschäft aus unterschiedlichen Gründen mehrfach beendet wird. Nach dem gegenteiligen Verständnis wäre der einmal beendete Vertrag – einem vernichteten realen Gegenstand vergleichbar – nicht mehr existent. Wenn ein Rechtsgeschäft beendet oder sogar nichtig ist, bedeutet das aber nicht, dass es zuvor nicht bestand. Vielmehr wird der Lebenssachverhalt von der Rechtsordnung mit den dafür vorgesehenen Rechtsfolgen als beendet oder nichtig bewertet. Nach diesem normativen Verständnis kann derselbe Sachverhalt denklogisch noch anderen rechtlichen Bewertungen unterliegen, indem etwa mehrere Beendigungs- oder Nichtigkeitsgründe zusammentreffen (vgl. BGH, Urt. v. 13. Mai 2016 – V ZR 265/14, NZM 2016, 646). Wegen der daraus abgeleiteten – und in der Zivilrechtsdogmatik seit langem anerkannten – Doppelwirkungen im Recht können sogar nichtige Rechtsgeschäfte wirksam angefochten oder widerrufen werden (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 25. November 2009 – VIII ZR 318/08, NJW 2010, 610; Urt. v. 13. Mai 2016 – V ZR 265/14, NZM 2016, 646). Für die Kündigung eines bereits kündigungsbedingt beendeten Vertrages gilt nichts anderes.

Der Beklagten ist es verwehrt, gemäß § 574 Abs. 1, Abs. 2 BGB die Fortsetzung des Mietverhältnisses zu verlangen. Insoweit kann dahinstehen, ob die von ihr behaupteten Härtegründe tatsächlich bestehen. Sie sind gemäß § 574 Abs. 1 Satz 2 BGB unbeachtlich, da die Pflichtverletzungen der Beklagten die Klägerin auch zum Ausspruch einer – tatsächlich erklärten – außerordentlichen Kündigung berechtigt haben (vgl. BGH, Urt. v. 9. November 2016 – VIII ZR 73/16, NJW-RR 2017, 134).

Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg, soweit sie sich gegen die erstinstanzliche Verurteilung zur Duldung der von der Klägerin beabsichtigten Modernisierungsmaßnahmen richtet. Da die Beklagte sogar zur Räumung und Herausgabe der Mietsache verpflichtet ist, schuldet sie bis dahin gemäß § 242 BGB als minus die Duldung der streitgegenständlichen Maßnahmen. Die Berücksichtigung von Härtegründen i.S.d § 555d Abs. 2 BGB scheidet aus, da diese das Bestehen des Mietverhältnisses vorausgesetzt hätte. Dieses indes ist kündigungsbedingt beendet. Auch das hat das Amtsgericht zutreffend erkannt.

II.

Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 21. März 2018, auch zur Frage, ob die Berufung vor dem Hintergrund des erteilten Hinweises zurückgenommen wird. Auf die damit verbundene Kostenreduzierung gemäß Nr. 1222 KV weist die Kammer vorsorglich hin. Sie weist ferner darauf hin, dass die Rücknahme der Berufung der Möglichkeit zur Verlängerung der erstinstanzlich gewährten Räumungsfrist nicht entgegensteht.

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