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Fristlose Mietvertragskündigung wegen Beleidigung – Bedrohung des Hausmeisters

AG Karlsruhe – Az.: 6 C 387/12 – Urteil vom 19.12.2012

1. Die Beklagten Ziffer 1, 2 und 4 werden verurteilt, die im Hause E.-Straße 17 a, in … K., im 1. Obergeschoss Mitte links gelegene Wohnung, Wohnungs-Nr. 1000048/1/6, bestehend aus 3 Zimmern, 1 Küche, 1 Bad, 1 bes. WC, 1 Diele, 1 Loggia, 1 Speisekammer, 1 Mansarde nebst dazugehörigem Kellerraum und Gartenanteil zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten Ziffer 3 hat die Klägerin zu tragen. Die Klägerin hat zudem die Gerichtskosten und ihre außergerichtlichen Kosten jeweils in Höhe von 1/4 zu tragen. Im Übrigen haben die Beklagten Ziffer 1, 2 und 4 die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten Ziffer 1, 2 und 4 dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, und zwar

– hinsichtlich der Räumung durch Sicherheitsleistung i.H.v.1200 €, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet;

– hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v.110 Prozent des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v.110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v.110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v.110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

4. Den Beklagten Ziffer 1, 2 und 4 wird eine Räumungsfrist bis 30.04.2013 bewilligt.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von den Beklagten Räumung und Herausgabe einer Mietwohnung.

Mit schriftlichem Mietvertrag vom 06.12.1988 mietete die Beklagte Z. 1 von der Klägerin die im Tenor unter Z. 1 näher bezeichnete Wohnung. Der Ehemann der Beklagten Z. 1 (Beklagter Z. 4) und ein Sohn der Beklagten Z. 1 (Beklagter Z. 2) wohnen ebenfalls in der Wohnung.

Mit Schreiben vom 26.07.2012 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis mit der Beklagten Z. 1 fristlos und hilfsweise ordentlich zum 30.04.2013.

Die Klägerin behauptet, dass der Hausmeister der Klägerin Herr … am 25.07.2012 um 15.04 Uhr, nachdem er an der Wohnungstür der Beklagten geklopft habe, durch den Beklagten Z. 4 als „Faschista“ und „Bandita“ beschimpft worden sei. Nachdem der Beklagte Z. 4 gegenüber dem Hausmeister handgreiflich geworden sei, habe er zudem ein ca. 30 cm großes Küchenmesser geholt, mit welchem er den Hausmeister bedroht habe. Der Beklagte Z. 4 habe konkrete Stich- und Wurfbewegungen in Richtung des Hausmeisters gemacht, welchen dieser jedoch habe ausweichen können. Aufgrund dieses Vorfalles sei die Fortsetzung des Mietverhältnisses für die Klägerin nicht mehr zumutbar und eine Abmahnung vor Erklärung der fristlosen Kündigung sei nicht erforderlich gewesen. Der Beklagte Z. 3 sei ebenfalls in der streitgegenständlichen Wohnung wohnhaft.

Die Klägerin beantragt: Die Beklagten werden verurteilt, die im Hause E.-Straße 17 A, in … K., im 1. Obergeschoss Mitte links gelegene Wohnung, Wohnungs-Nr. 1000048/1/6, bestehend aus 3 Zimmern, 1 Küche, 1 Bad, 1 bes. WC, 1 Diele, 1 Loggia, 1 Speisekammer, 1 Mansarde nebst dazugehörigem Kellerraum und Gartenanteil zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten bestreiten den Vorfall vom 25.07.2012. Sie halten zudem eine der Kündigung vorausgehende Abmahnung für erforderlich. Darüber hinaus könne das Verschulden des Ehemannes, dessen Schuldfähigkeit in Zweifel gezogen werde, der Beklagten Z. 1 nicht zugerechnet werden. Da die Beklagten Z. 2 bis 4 nicht Partei des Mietvertrages seien, sei die Räumungsklage gegen sie von vornherein unbegründet, weshalb sie nicht Partei des Prozesses und folglich Zeuge sein könnten. Der Beklagte Z. 3 lebe bereits seit 20 Jahren in Italien und nicht in der streitgegenständlichen Wohnung. Die Kündigung bedeute zudem eine unzumutbare Härte. Der Beklagte Z. 4 sei 76 Jahre alt und seit Jahren erkrankt, insbesondere mit beginnender Demenz behaftet und nicht mehr in der Lage, alleine die Wohnung zu verlassen. Die Beklagte Z. 1 sei 73 Jahre alt und gesundheitlich sehr angeschlagen. Durch eine fortschreitende Arthrose sei sie gehbehindert und auf die Hilfe ihres Sohnes angewiesen. Nach einer Gehirnoperation habe man ihr einen Chip zur Verhinderung einer Gehirnblutung eingesetzt, was dazu führe, dass sie in ihrer Reaktion und Wahrnehmung eingeschränkt sei. Sie beziehe nur eine Altersrente von monatlich 371,31 EUR und ihr Ehemann in Höhe von ca. 400 EUR. Zudem sei auch der Beklagte Z. 2 körperlich gehandicapt. Er sei schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von insgesamt 70. Zum einen sei er mit einem Grad von 40 sehbehindert und zum anderen habe er eine Lernbehinderung mit dem Grad von 30.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen K.. Zudem hat es den Beklagten Ziffer 2 zu dem Vorfall vom 25.07.2012 informatorisch angehört. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.11.2012 Bezug genommen. Wegen des weiteren gegenseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.

Die Beklagten Z. 1, 2 und 4 sind gemäß § 546 Abs. 1 BGB zur Räumung und Herausgabe der Mietwohnung verpflichtet.

Das Mietverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung der Klägerin vom 26.07.2012 beendet worden. Aufgrund der Beweisaufnahme ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass eine fristlose Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 S. 2 BGB gerechtfertigt ist.

Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass der Beklagte Z. 4 gegenüber Herrn …, dem Hausmeister der Klägerin, beleidigend und körperlich aggressiv aufgetreten ist. Zum einen hat der Beklagte Z. 4 den Hausmeister mit Schimpfworten, die zwar nicht auf Deutsch ausgesprochen wurden, jedoch ohne weiteres verständlich waren, beleidigt. Der Beklagte Z. 4 hat mit seinen Äußerungen Herrn … in dessen Ehre herabgesetzt. Der Hausmeister hat insbesondere auch keinen Anlass für die Beschimpfungen gegeben. Entgegen der Ausführungen der Beklagten hat der Hausmeister nicht unvermittelt und mehrfach laut gegen die Wohnungstür geschlagen, sondern nach zweifachem Klingeln angeklopft und sich gegenüber den Beklagten höflich verhalten.

Der Zeuge … wollte den Beklagten Z. 2 überzeugen, dass er mit ihm zum Keller der Beklagten kommt, um sich den dortigen Zustand anzuschauen. Es entwickelte sich eine Diskussion, im Laufe derer der Beklagte Z. 4 auf den Zeugen losgegangen ist und ihn an der Jacke packte. Der Zeuge versuchte den Beklagten Z. 4 zu beruhigen und dieser ging schließlich in die Wohnung und kehrte mit einem Küchenmesser – mit feststehender Klinge von ca. 30 cm Länge – zurück und bedrohte damit den Zeugen. Dieser wich den Angriffen des Beklagten Z. 4 aus und ging rückwärts die Treppe herunter. Der Beklagte machte Wurfbewegungen in die Richtung des Zeugen. Zu einer Verletzung kam es letztlich nicht.

Das Gericht ist von diesem Hergang des Sachverhaltes überzeugt nachdem der Zeuge … in der mündlichen Verhandlung einen sehr glaubhaften Eindruck hinterlassen hat. Er schilderte das Vorkommen sehr ruhig, detailliert und neutral. Trotz der einschneidenden Erfahrung ließ der Zeuge wenig Emotionen in seine Erzählungen einfließen und berichtete vielmehr sehr sachlich.

Die informatorische Anhörung des Beklagten Z. 2 war nicht geeignet, das Gericht davon zu überzeugen, dass sich der Sachverhalt anders als oben dargestellt zugetragen hat. Der Beklagte Z. 2 schilderte den Sachverhalt weitgehend übereinstimmend mit den Angaben des Zeugen … . Er räumte zudem ein, dass er nicht gesehen habe, ob sein Vater ein Messer mit sich geführt habe oder nicht. Zu dem eigentlichen Kerngeschehen, nämlich der Bedrohung mit dem Messer, konnte der Beklagte Z. 2 keine näheren Beobachtungen schildern.

Das festgestellte Geschehen stellt einen wichtigen Grund im Sinne des § 543 Abs. 1 S. 2 BGB dar, welcher die Klägerin berechtigte, das Mietverhältnis mit der Beklagten Z. 1 außerordentlich und fristlos zu kündigen. Unter Abwägung der beiderseitigen Interessen kann der Klägerin eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden. Sowohl die Beleidigung als auch die Nötigung bzw. Bedrohung sind Straftaten und damit zugleich Vertragsverletzungen (vgl. Blank in Schmidt-Futterer, 10. Auflage 2011, §543 BGB Rn. 187).

Die Klägerin hat insbesondere tätliche Angriffe auf ihre Mitarbeiter durch Mieter nicht hinzunehmen (vgl. LG Berlin, Urteil vom 06.05.2008, Az.: 67 S 160/07).

Da das Verhalten des Beklagten Z. 4 eine eklatante Vertragsverletzung darstellt, war vorliegend eine Abmahnung nach § 543 Abs. 3 S. 1 BGB nicht erforderlich (vgl. Blank in Schmidt-Futterer, 10. Auflage 2011, § 543 BGB Rn. 189). Die Beleidigung in Zusammenschau mit dem tätlichen Angriff stellen einen schweren Verstoß dar, so dass hier ein Ausnahmetatbestand nach § 543 Abs. 3 S. 2 BGB vorliegt, wonach vor der Kündigung des Mietverhältnisses eine Abmahnung nicht erforderlich ist. Der Klägerin ist es nicht zuzumuten erst abzuwarten, bis sich ein solcher Vorfall wiederholt, da sie damit ihre Mitarbeiter und andere Hausbewohner einer erheblichen Gefährdung aussetzen würde.

Auch wenn man vorliegend eine Demenzerkrankung und eine damit einhergehende Schuldunfähigkeit des Beklagten Z. 4 als wahr unterstellen würde, überwiegt vorliegend das Interesse der Klägern zur Beendigung des Mietverhältnisses. Bei der notwendigen Interessenabwägung ist zwar die Schwere der Erkrankung des Beklagten Z. 4 zu berücksichtigen, aber auf der anderen Seite der erhebliche Verstoß des Beklagten und die damit einhergehende Störung des Hausfriedens sowie die Gefährdung für den Mitarbeiter der Klägerin (vgl. AG Bernau, Urteil vom 29.09.2009, Az.: 10 C 594/09). Unabhängig von der möglichen Erkrankung des Beklagten Z. 4 kann es vorliegend nicht hingenommen werden, dass die weiteren Hausbewohner und Mitarbeiter der Klägerin der Gefahr ausgesetzt werden, aggressiven Übergriffen des Beklagten Z. 4 ausgesetzt zu sein.

Die Beklagte Z. 1 hat sich das Verhalten ihres Ehemannes zurechnen zu lassen (vgl. LG Köln, Urteil vom 24.05.1976, Az.: 1 S 250/75). Der Mieter hat grundsätzlich für sämtliche Personen, die er nicht nur vorübergehend in seine Wohnung aufgenommen hat, insbesondere seine Angehörigen (sofern diese nicht selbst Vertragspartner sind), bei ihm beschäftigte Personen (auch Handwerker und Lieferanten) sowie Untermieter (§ 540 Abs. 2 BGB) einzustehen, § 278 BGB (vgl. Mössner in jurisPK-BGB Band 2, 6. Aufl. 2012, § 569 BGB Rn. 64, 66).

Der Anspruch der Klägerin auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung gegenüber den Beklagten Z. 2 und 4, welche nicht Partei des Mietvertrages waren, ergibt sich aus §§ 546 Abs. 2, 985 BGB. Da die Beklagten Z. 2 und 4 unstreitig ebenfalls in der Wohnung leben und mithin Besitzer sind, hat die Klägerin auch ihnen gegenüber einen Rückgabeanspruch, nachdem das Mietverhältnis mit der Beklagten Z. 1 wirksam beendet wurde.

Auf die von den Beklagten geltend gemachte unzumutbare Härte kommt es vorliegend nicht an, da die Klägerin außerordentlich fristlos kündigen konnte. Den Beklagten war jedoch eine Räumungsfrist nach § 721 ZPO einzuräumen. Den Beklagten soll die Möglichkeit eingeräumt werden, sich um eine Ersatzwohnung zu bemühen. Aufgrund des Alters der Beklagten Z. 1 und 4 sowie der Schwerbehinderung des Beklagten Z. 2 und der langen Mietdauer, ist den Beklagten eine angemessene Frist zur Erlangung neuen Wohnraums zu bewilligen. Die Bemessung der Frist bis 30.04.2013 orientiert sich auch daran, dass nach dem streitgegenständlichen Vorfall keine weiteren Übergriffe durch den Beklagten Z. 4 gegenüber Hausbewohnern oder Mitarbeitern der Klägerin bekannt geworden sind. Sollte es zu weiteren gewalttätigen Angriffen durch die Beklagten kommen, könnte die Räumungsfrist unter Umständen abgekürzt werden.

Nach dem Vortrag der Beklagten lebt der Beklagte Z. 3 seit 20 Jahren in Italien. Die Klägerin hat nicht dargelegt oder bewiesen, dass der Beklagte Z. 3 tatsächlich in der streitgegenständlichen Wohnung wohnt. Ein Anspruch auf Räumung besteht mithin gegen den Beklagten Z. 3 nicht und insoweit war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 7, 11, 711 ZPO.

 

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