Mietrecht und Betriebskostenabrechnung: Ein Fall der Beweislast
Ein in Wuppertal verhandelter Fall beleuchtet die Komplexität des Mietrechts und die Beweislast im Zusammenhang mit der Betriebskostenabrechnung. Im Kern geht es um die Frage, wer die Kosten für die Sperrmüllentsorgung tragen muss und welche Beweispflichten hier gelten. Die Auseinandersetzung, die in den Gerichtssaal geführt wurde, betrifft eine Mieterin und ihre Vermieterin, die sich um die Richtigkeit und Rechtmäßigkeit einer Betriebskostenabrechnung streiten. Der Knackpunkt des Streits: Eine Posten für Sperrmüllentsorgung, dessen Berechtigung von der Mieterin angezweifelt wird.
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Übersicht
Wer trägt die Beweislast?
Im Fokus des Rechtsstreits steht der Posten Sperrmüll in der Betriebskostenabrechnung. Die Vermieterin konnte nicht ausreichend darlegen und beweisen, dass die Kosten für die Sperrmüllentsorgung tatsächlich auf Gemeinschaftsflächen entstanden sind. In der deutschen Rechtsprechung liegt die Beweislast hierbei bei der Vermieterin.
Warum die Kosten nicht auf die Mieterin umgelegt werden konnten
Die Mieterin weist darauf hin, dass jeder Mieter des Hauses über einen eigenen, abschließbaren Keller verfügt und mögliche Verschmutzungen nachverfolgbar seien. Die Vermieterin konnte dieser Aussage nichts Substanzielles entgegenbringen und berief sich lediglich auf die bereits vorgelegten Rechnungen. Diese waren jedoch für sich genommen nicht geeignet, den Nachweis zu führen, dass die entrümpelten Flächen ausschließlich Gemeinschaftsflächen waren.
Die Rolle des Mietvertrages und der Betriebskostenabrechnung
Im vorliegenden Fall hatte die Vermieterin zunächst keinen Anspruch auf Zahlung des in der Betriebskostenabrechnung geltend gemachten Betrages auf der Basis des zwischen den Parteien bestehenden Mietvertrages und des § 556 BGB. Dieser regelt die Umlage von Betriebskosten in Deutschland.
Urteil: Klage abgewiesen
Aufgrund der fehlenden Beweislage hat das Amtsgericht Wuppertal entschieden, die Klage abzuweisen. Die Vermieterin muss die Kosten des Rechtsstreits tragen und das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beweislast im Mietrecht kann oftmals zu Unklarheiten und Rechtsstreitigkeiten führen. Dieser Fall verdeutlicht, wie wichtig eine genaue Dokumentation und Nachweisführung seitens der Vermieter sind, um möglichen Missverständnissen und gerichtlichen Auseinandersetzungen vorzubeugen. […]
Das vorliegende Urteil
AG Wuppertal – Az.: 97 C 154/20 – Urteil vom 02.12.2020
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Ohne Tatbestand (gemäß § 313a Abs. 1 ZPO).
Gründe
Die Klage ist in Höhe von 128,43 EUR derzeit unbegründet, im Übrigen – d.h. hinsichtlich des darüber hinaus geltend gemachten weiteren Zahlungsanspruchs in Höhe von 183,16 EUR – endgültig unbegründet.
So hat die Klägerin gegenüber der Beklagten zunächst keinen Anspruch auf Zahlung von 183,16 EUR auf der Basis des zwischen den Parteien bestehenden Mietvertrages, der Betriebskostenabrechnung 2015 vom 10.11.2016 i.V.m. § 556 BGB.
Denn die Klägerin ist hinsichtlich der Berechtigung der Kostenposition Sperrmüll, deren gegenüber der Beklagten geltend gemachter Kostenanteil allein 263,65 EUR beträgt und damit die für das Jahr 2015 noch geltend gemachte Nachforderung bereits übersteigt, darlegungs- und beweisfällig geblieben.
Die Darlegungs- und Beweislast für die inhaltliche Richtigkeit der Abrechnung trifft den Vermieter (Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl. 2020, § 556 BGB Rdnr. 261). Bezogen auf die Kostenposition Sperrmüll, deren grundsätzliche Umlegbarkeit die Beklagte nicht zuletzt angesichts ihres unwidersprochen gebliebenen Vortrages, wonach Sperrmüll auch im Jahr 2018 entsorgt wurde, sodass nicht lediglich eine einmalige Entrümpelungsaktion, bei der es am Merkmal der laufenden Entstehung i.S.d. § 1 I BetrKV fehlen würde (vgl. Pfeifer, in: BeckOK-Mietrecht, 21. Edition Stand: 01.08.2020, § 556 BGB Rdnr. 742) ) zutreffend annimmt (vgl. BGH, Urteil v. 13.01.2010 – VIII ZR 137/09), bedeutet dies, dass die Klägerin auch darzulegen und ggf. nachzuweisen hat, dass die Sperrmüllkosten bei der Beseitigung von Müll auf Gemeinschaftsflächen entstanden sind. Dies ist vorliegend nicht erfolgt, obwohl die Beklagte nicht nur ausdrücklich in Abrede gestellt, dass die vorliegend angefallenen und abgerechneten Kosten nur den für alle Mieter zugänglichen Teil des Gebäudes betrafen, sondern darüber hinaus dezidiert vorgetragen haben, dass die Mieter des Hauses jeweils über einen eigenen, abschließbaren Keller verfügen, sodass Verschmutzungen nachverfolgbar seien. Überdies werde die Waschküche lediglich von zwei Mietern zum Aufstellen ihrer Waschmaschine und ihres Trockners verwendet. Schließlich werde der Speicher ausschließlich von einer – sogar namentlich benannten – Mieterin genutzt.
Dem ist die Klägerin nachfolgend überhaupt nicht mehr entgegengetreten. Vielmehr hat sie sich allein auf die bereits zuvor vorgelegten Rechnungen berufen. Diese sind jedoch für sich genommen in keiner Weise geeignet, den Nachweis zu führen, dass es sich bei den entrümpelten Flächen tatsächlich ausschließlich um Gemeinschaftsflächen handelt. Der zudem in Bezug genommene weitere Vortrag bleibt ebenfalls ohne Substanz, spricht die Klägerin doch nur davon, dass es sich bei den betroffenen Flächen ,,in der Regel um die Gemeinschaftsflächen im Keller handele“. Damit setzt sie dem Beklagtenvorbringen im Ergebnis schon keinen schlüssigen eigenen Vortrag entgegen; ein ausreichendes Bestreiten ist somit schon nicht erkennbar, § 138 III ZPO. Jedenfalls aber fehlt es an einem Beweisantrag der Klägerin für ihre Behauptung, dem ggf. nachzugehen wäre.
Dass die Klägerin überdies – was ebenfalls erforderlich erscheint (vgl. Wiederhold, in: BeckOK-BGB, 56. Edition Stand: 01.11.2020, § 556 Rdnr. 31) – trotz des vorstehend bereits dargelegten konkreten Vortrages der Beklagten nicht näher darauf eingeht, warum ihr die Ermittlung der für den Sperrmüll Verantwortlichen nicht zumutbar ist, sei lediglich ergänzend angemerkt.
Auf die darüber hinaus zwischen den Parteien ebenfalls streitige Frage der Berechtigung der Kostenposition Kabelfernsehen und des insoweit auf die Beklagte entfallenden Kostenanteils in Höhe von 51,07 EUR kommt es danach nicht mehr an.
Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten gegenwärtig auch der darüber hinaus geltend gemachte weitere Zahlungsanspruch nicht zu. Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin gegenüber der Beklagten grundsätzlich einen Anspruch auf Zahlung von 128,43 EUR auf der Basis des zwischen den Parteien bestehenden Mietvertrages, der Betriebskostenabrechnung 2016 vom 28.09.2017 i.V.m. § 556 BGB hat.
Denn ein solcher Anspruch ist – derzeit – nicht durchsetzbar, da die Klägerin der Beklagten die von dieser begehrte Belegeinsicht bislang zu Unrecht nicht (vollständig) gewährt hat und die Beklagte infolgedessen in Ausübung des ihr gemäß § 273 I BGB zustehenden Zurückbehaltungsrechts eine etwaig von ihr geschuldete Leistung verweigern darf.
Die Beklagte hat aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem ihre Verpflichtung zum Ausgleich einer Betriebskostennachforderung beruht, einen fälligen Anspruch gegenüber der Klägerin, nämlich gemäß § 259 I BGB auf Einsicht in die Belege zwecks Überprüfung der Abrechnung (vgl. Palandt/Weidenkaff, 79. Aufl. 2020, § 556 BGB Rdnr. 13).
Wie sich mangels anderweitiger gesetzlicher oder vertraglicher Vereinbarung bereits aus § 269 I BGB ergibt, ist diese Einsicht vom Mieter grundsätzlich am Wohnsitz des Vermieters zu nehmen (so im Ergebnis auch BGH, Urteil v. 08.03.2006 – VIII ZR 78/05). Liegt dabei – wie hier – der Wohnsitz des Vermieters weit entfernt vom Ort der Mietwohnung, ist der Anspruch des Mieters auf Einsicht in die Betriebskostenbelege am Ort des Mietobjekts zu erfüllen (LG Freiburg, Urteil v. 24.03.2011 – 3 S 348/10).
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin der Beklagten in der Abrechnung mitgeteilt, dass ,,die der Abrechnung zugrundeliegenden Belege innerhalb der nächsten 4 Wochen nach Erhalt in unserem Büro nach vorheriger Terminabsprache eingesehen werden können“ – einen Verweis auf ein Büro in X ist nicht enthalten. In Kopf- und Fußzeile ist nur von der Zweigniederlassung Deutschland der Grand City Property die Rede und selbst in der Abrechnung 2015 ist lediglich von einem Büro in S, also gerade nicht am Ort des Mietobjektes, die Rede. Dass es ein örtliches Büro in X geben soll, teilte die Klägerin demgegenüber erstmals – die bisherige Unkenntnis der Beklagten, wie in deren Schriftsatz vom 29.10.2020 ausgeführt, nicht bestreitend – im Schriftsatz vom 17.11.2020 mit, was aber nicht geeignet erscheint, das Zurückbehaltungsrecht der Beklagten unmittelbar entfallen zu lassen. Darüber hinaus erscheint es zweifelhaft, ob die Klägerin die Beklagte gemäß § 242 BGB nun überhaupt noch auf eine Belegeinsicht vor Ort verweisen kann, hat sie ihr doch bis dato – soweit ja teilweise erfolgt – Belegeinsicht gerade durch Übersendung von Unterlagen gewährt.
Letztlich kann all dies aber sogar dahinstehen. Denn für den Fall dass ein Mieter, wie hier die Beklagte – zuletzt insbesondere weiterhin auf die Einsicht in den Hausmeistervertrag nebst Leistungsverzeichnis gerichtet – Belegeinsicht verlangt, so muss der Vermieter einen Termin während der üblichen Bürostunden vorschlagen. Zumindest dem genügt der nunmehr erstmalig im klägerischen Schriftsatz erfolgte Verweis der Klägerin auf eine örtliche Hausverwaltung erkennbar nicht. Auch das klägerseits angeführte Schreiben der Hausverwaltung vom 14.08.2018 erfüllt diese Anforderungen – ungeachtet des Umstandes, dass es keinerlei Angaben zur Belegenheit des örtlichen Büros enthält – nicht.
Das der Beklagten nach alledem zustehende Zurückbehaltungsrecht an dem Nachzahlungsbetrag führt schließlich selbst bei Außerachtlassung der seitens der Beklagten inhaltlich erhobenen Einwände auch nicht gemäß § 274 I BGB zu einer Verurteilung der Beklagten zur Zahlung Zug-um Zug gegen Gewährung von Belegeinsicht. Vielmehr besteht eine Leistungspflicht der Beklagten derzeit überhaupt nicht, wobei dahinstehen kann, ob gegenwärtig die Fälligkeit der klägerseits geltend gemachten Nachforderung hinausgeschoben ist oder ob die Klägerin durch Verweigerung der Belegeinsicht in vertragsverletzender Weise das Recht der Beklagten auf eine vorgreifliche Überprüfung der Abrechnung verhindert hat, sodass sich ihr gleichwohl erhobenes Zahlungsverlangen als eine gegen Treu und Glauben verstoßende unzulässige Rechtsausübung darstellt (zum Ganzen jüngst BGH, Urteil v. 07.02.2018 – VIII ZR 189/17).
Mangels (durchsetzbaren) Anspruchs in der Hauptsache besteht auch ein Zinsanspruch nicht. Denn ein Verzug der Beklagten liegt nicht vor (vgl. Langenberg, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Aufl. 2019, § 556 BGB Rdnr. 434).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
Gründe, die Berufung zuzulassen, bestanden nicht.
Streitwert: bis 500 EUR