Verstoßen Namensschilder auf Klingeln von Mietwohnungen gegen die Datenschutzgrundverordnung?
Wie kaum eine andere Verordnung in Deutschland hat die Datenschutzgrundverordnung, kurz DSGVO, für Unsicherheiten und so manche Panik in Deutschland gesorgt. Die Thematik geht durch die Medien und der Grund dafür entstammt der benachbarten Alpenrepublik Österreich. Die Hausverwaltung mit dem schön klingenden Namen „Wiener Wohnen“ zeigt sich hauptverantwortlich für die ganzen Schlagzeilen in Deutschland.
Was war passiert
Ein Mieter in Österreich hat mit seiner Beschwerde bei der besagten Hausverwaltung für ordentlich Wirbel gesorgt. Obgleich es doch zum Standardverfahren einer Hausverwaltung gehört, dass bei einer neuen Mietpartei ein Klingelschild an das Gebäude angebracht wird, sah der Mieter darin eine Verletzung seiner Privatsphäre und folgerte daraus einen Verstoß gegen das geltende Datenschutzrecht. Daraufhin informierte sich die Hausverwaltung bei der zuständigen Datenschutzabteilung der Behörde in der österreichischen Hauptstadt Wien und forderte einen Rechtsrat ein.
Die Behörde gab dem Mann recht und folgte seiner Rechtsansicht, dass durch die Anbringung des Namensschildes in Verbindung mit der Wohnungsnummer sehr wohl ein Verstoß gegen das aktuell geltende Datenschutzrecht besteht. Aus diesem Grund sah sich die Hausverwaltung daraufhin genötigt, insgesamt 220.000 Wohnungen von den Namensschildern zu befreien. Ersetzt wurden die Namensschilder letztlich durch ein Pseudonym oder eine Ziffer. Die Mieter konnten hierbei auswählen, was ihnen denn lieber wäre.
Der Sinn und Zweck der DSGVO
Jeder Datenschutz verfolgt das Ziel, dass die Privatsphäre sowie die informelle Selbstbestimmung einer Person oder eines Unternehmens geschützt wird. Im Mai 2018 wurde die DSGVO im gesamten EU-Raum in Kraft gestellt und in Deutschland wurde zusätzlich zu der DSGVO auch gleichzeitig ein neues Gesetz in Form des Bundesdatenschutzgesetzes ins Leben gerufen. Das BDSG ist in Deutschland die gesetzliche Grundlage für den Datenschutz und die informelle Selbstbestimmung.
Was besagt die Datenschutzgrundverordnung?
Besonders wichtig bei der DSGVO ist der Artikel 2 Absatz 1. Dieser Artikel regelt den Geltungsbereich der Datenschutzgrundverordnung. Die Verordnung bezieht sich dabei sowohl auf die teilweise oder ganzheitliche Verarbeitung von personenbezogenen Daten. Hierbei ist es unerheblich, ob diese Verarbeitung automatisch oder nicht automatisch erfolgt. Die Verarbeitung muss jedoch zwingend in einem entsprechenden System gespeichert werden oder das Ziel der Speicherung verfolgen, damit die DSGVO zur Geltung kommen kann.
Welche Arten von Daten sind gemeint?
Grundsätzlich bezieht sich die DSGVO in ihrem Wortlaut sowohl auf analoge als auch auf digitale Daten. In Deutschland haben die sogenannten Klingelschilder, die landläufig erheblich weiter verbreitete Bezeichnung für Namensschilder, aktuell noch den rechtlichen Stand von analogen Daten.
Eine Klärung bedarf in diesem Zusammenhang auch die Frage, was genau ein Dateisystem in rechtlicher Hinsicht überhaupt ist. Auch diesbezüglich hat die DSGVO im Artikel 4 Nummer 6 eine genaue Definition parat. Ein Dateisystem ist jede strukturiert gestaltete Sammlung von personenbezogenen Daten, welche unter ganz bestimmten Voraussetzungen zugänglich verfügbar sind. Unerheblich ist der Umstand, ob diese Sammlung unter funktionalen oder zentral bzw. dezentralen respektive geografischen Faktoren angeordnet wird.
Die DSGVO würde also nur in dem Fall bei Namensschildern in Deutschland greifen, wenn diese zu einem festen Bestandteil eines derartigen Dateisystems werden und dementsprechend auch unter bestimmten Voraussetzungen zugänglich wären. Was sich jedoch auf den ersten Blick so einfach gestaltet, ist auf den zweiten Blick enorm komplizierter. Die rechtliche Bewertung, wann beide Voraussetzungen in der Realität vorliegen, ist schwierig. Es hängt gänzlich davon ab, wie die örtliche Gegebenheit bei dem Haus gestaltet ist und in welcher Art und Weise das Namensschild bei einem Mehrparteienhaus angeordnet ist. Damit die DSGVO greifen kann, muss eine Struktur erkennbar sein. Sofern die Klingelschilder jedoch auf der Basis von Stockwerken, in denen die Mietparteien leben, geordnet ist, kann von einer derartigen Struktur gesprochen werden. In diesem Fall könnte die DSGVO greifen. Es bleibt dann jedoch noch fraglich, ob wirklich ein Verstoß gegen das informelle Selbstbestimmungsrecht vorliegt, da außer dem Stockwerk sowie dem Namen keinerlei weitergehenden Informationen für Dritte zugänglich sind.
Die Bundesbeauftragte Datenschutz äußert sich
Da diese Thematik in Deutschland enorm hohe Wellen geschlagen hat, gab es auch ein offizielles Statement von Andrea Voßhoff. Die Bundesbeauftragte für Informationsfreiheit und Datenschutz hat ein offizielles Statement verfasst und in diesem Statement das Entfernen von Namensschildern als unnötig bezeichnet.
Die reine Ausstattung eines Hauses mit einem Klingelschild, das den Namen beinhaltet, ist weder eine Datenverarbeitung noch erfolgt eine Speicherung in einem Dateisystem. Die DSGVO greift nach Ansicht der Bundesbeauftragten daher nicht für Namensschilder bzw. Klingelschilder in Deutschland. Es ist zwar Fakt, dass dieses Statement keinerlei Rechtswirkung hat, jedoch verdeutlicht es die Sicht der Bundesbeauftragten bei diesem heiklen Thema.
Wann ist eine Datenverarbeitung zulässig
Die DSGVO kennt im Endeffekt zwei wichtige Gründe, die eine Datenverarbeitung einer Person rechtfertigen bzw. erlauben.
Diese Gründe lauten
- Einwilligung der betroffenen Person
- berechtigte Interessen
Nach dem Artikel 6 Absatz 1 a der DSGVO kann eine Verarbeitung der personenbezogenen Daten erfolgen, wenn diese Person ausdrücklich in die Datenverarbeitung eingewilligt hat. Diese Einwilligung kann sich durch die Unterschrift eines Mietvertrages heraus ergeben, allerdings muss das Namensschild oder der Namenszug auf dem Briefkasten in diesem Fall ein fester Bestandteil des Mietvertrages sein.
In dem Artikel 6 Absatz 1 f der DSGVO ist die Zulässigkeit der Verarbeitung von personenbezogenen Daten geregelt, die auf der Grundlage von berechtigten Interessen erfolgt. Sollte dies in Form einer sogenannten Generalklausel ein fester Bestandteil eines Mietvertrages sein, so muss zwingend eine Überprüfung erfolgen. Eine derartige Generalklausel ist nicht automatisch zulässig, da eine Interessenabwägung erfolgen muss. Für gewöhnlich fällt jedoch eine derartige Interessenabwägung stets zugunsten des Vermieters aus. Aus mietvertragsrechtlichter Sicht obliegt es den Pflichten eines Vermieters, die Erreichbarkeit eines Mieters herzustellen.
Als Fazit kann gesagt werden, dass sich weder Mieter noch Vermieter von der aktuellen Diskussion bzw. Thematik rund um die DSGVO in Panik versetzen lassen sollten. Auf die rechtlichen Pflichten und Rechte hat die DSGVO ohnehin keinen Einfluss. Sollten Sie als Mieter ihren Namen am Mietobjekt nicht sehen wollen, so können Sie dies mit einem entsprechenden Unterlassungs- bzw. Entfernungsschreiben gegenüber Ihrem Vermieter geltend machen. Wir können Sie diesbezüglich sehr gern beraten und ein entsprechendes Schreiben auf der Grundlage der Paragrafen 12, 823 sowie 862 und 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuches für Sie ausformulieren und an Ihren Vermieter übersenden. Ihr Vermieter ist dann dazu verpflichtet, das Namensschild von der Klingelanlage des Hauses zu entfernen, da auf der Grundlage des Urteils vom Amtsgericht Schöneberg aus dem Jahr 1990 (Aktenzeichen 8 C 114/90) eine Beeinträchtigung Ihres Persönlichkeitsrecht bei einem Unterlassen des Vermieters vorliegen würde.
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