Skip to content
Menü

Duldung von Modernisierungsmaßnahmen – Anbau eines verglasten Balkons

LG Berlin 8 – Az.: 63 S 379/10 – Urteil vom 11.10.2011

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 2. Juni 2010 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mitte – 17 C 466/09 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, folgende Arbeiten zum Anbau eines Balkons am Wohnzimmer an die Wohnung …e 5, … Berlin, in der 4. Etage, Nr. 01 zu dulden, und zwar nach vorheriger schriftlicher Ankündigung von 10 Tagen werktags an fünf aufeinander folgenden Tagen zwischen 8.00 Uhr und 12.00 Uhr sowie zwischen 14.00 Uhr und 17.00 Uhr.

a) Das Einsetzen einer Balkonbrüstung aus Verbundsicherheitsglas in einem 90 cm hohen Rahmen aus Aluminium mit integriertem Belüftungs- und Entwässerungssystem sowie das Befestigen eines Stabgitters vor der Brüstung.

b) Die Installation eines seitlichen Drehflügels als Windschutz mit durchscheinender Verglasung in voller Balkonhöhe, nach innen öffnend.

c) Das Verschließen der Vorderfront des Balkons oberhalb der Brüstung geschosshoch mit einer rahmenlosen Falt-/Schiebeverglasung aus einbruchshemmendem Sicherheitsglas mit einem Drehflügel und 4 Schiebedrehflügeln.

d) Das Anbringen einer Rinne an der Außenbrüstung zur Aufstellung von Blumenkästen.

e) Die Demontage der Fenstergitter des französischen Fensters und Ausschneiden der Fensterbrüstung bis zum Zimmerfußboden; Ausbau der französischen Fenster und Einbau einer zweiflügligen Balkontüranlage.

f) Der Einbau einer behindertengerechten Balkontürschwelle.

g) Einputzen der Fensterlaibung.

h) Tapezieren der Balkonwand von innen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Im Übrigen wird von der Darstellung des Tatbestandes gemäß § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.

II.

1.

Die statthafte (§ 511 Abs. 1 ZPO), den notwendigen Wert der Beschwer erreichende (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), form- sowie fristgerecht eingelegte und begründete (§§ 517, 519, 520 ZPO) Berufung ist zulässig.

2.

Die Berufung ist auch begründet.  Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Duldung des Balkonanbaus gemäß  § 554 Abs. 2 Satz 1 BGB.

Der Anbau eines verglasten Balkons führt zu einer Wohnwertverbesserung. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des angegriffenen Urteils verwiesen werden.

Der vom Beklagten geltend gemachte Härteeinwand greift wegen § 554 Abs. 2 Satz 4 BGB nicht durch. Zwar würde die bisherige Bruttomiete von insgesamt 398,96 Euro durch die Modernisierung auf 481,00 Euro, mithin von 54 % auf 65 % des Einkommens des Beklagten ansteigen. Jedoch wird die Wohnung durch den Anbau des Balkons nur in einen allgemein üblichen Zustand versetzt. Ein allgemein üblicher Zustand ist anzunehmen, wenn dieser Zustand bei mehr als zwei Dritteln vergleichbarer Wohnungen, also Wohnungen derselben Baualtersklasse nach dem Berliner Mietspiegel, vorhanden ist. Eine Unterscheidung zwischen dem Ost- und dem Westteil Berlins ist dabei nicht vorzunehmen, da bereits seit dem Berliner Mietspiegel 2005 eine einheitliche Übersicht der Mieten in Ost und West ausgewiesen wird, die nur noch bei den zwischen 1973 und 1990 errichteten Wohnungen unterscheidet. Vorliegend handelt es sich um eine Wohnung der Baualtersklasse 1956-1964.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 12.04.2011 die Begutachtung zu der Frage, ob mehr als zwei Drittel der Wohnungen der Baualtersklasse 1956- 64 in Berlin mit Balkonen ausgestattet sind, durch die Verwertung des im Verfahren 67 S 446/08 eingeholten schriftlichen Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. Steffen Bachmann vom 11.12.2009 gemäß § 411a ZPO ersetzt.

Nach dem Ergebnis des Gutachtens, auf das Bezug genommen wird, sind rund 81 % aller Wohnungen der Baualtersklasse 1956 -64 mit Balkonen ausgestattet. Der streitgegenständlichen Baualtersklasse hat der Sachverständige in Anlehnung an den Endbericht zum Berliner Mietspiegel 2009 einen Bestand von 152.000 Wohneinheiten zugrunde gelegt. In die Auswertung sind nach Rücklauf der Anfragen bei Hausverwaltungen und Wohnungsbaugesellschaften 1.630 Gebäude mit insgesamt 44.270 Wohneinheiten eingeflossen, wobei sich die Bestandsobjekte sowohl in Ost- als auch in Westberlin befanden. Von diesen 44.270 Wohneinheiten verfügen 36.048 Wohnungen über einen Balkon, was einem Anteil von 81 % entspricht.

Die Einwände des Beklagten gegen das Gutachtens greifen nicht durch. Das Gutachten ist überzeugend und nachvollziehbar. Der Sachverständige hat seinem Gutachten mit rund 44.272 Wohnungen und damit 29 % des Gesamtbestandes der Baujahre 1956- 64 eine sehr breite Datenbasis zugrunde gelegt. Dass es sich bei den befragten Eigentümern überwiegend um größere Wohnungsbauunternehmen bzw. Hausverwaltungen mit einem großen Wohnungsbestand handelt, steht dem nicht entgegen, denn ein Großteil der Wohnungen in dieser Baualtersklasse befinden sich im Bestand von großen Wohnungsbaugenossenschaften und -gesellschaften. Aber auch unter Berücksichtigung etwaiger, vom Sachverständigen nicht befragter Kleinvermieter hat die Kammer aufgrund des vom Sachverständigen ermittelten hohen Werts von 81 % aller Wohnungen der Baujahre 1959 – 64 keine Zweifel daran, dass die Ausstattung mit einem Balkon bei den Wohnungen dieser Baualtersklasse einen allgemein üblichen Zustand darstellt. Auch nach der von dem Sachverständigen in seinem Gutachten angestellten Plausibilitätskontrolle des gefundenen Ergebnisses, ist die Kammer davon überzeugt, dass der zugrunde gelegte Datenbestand ausreichend ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Mietrecht & WEG-Recht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Mietrecht und Wohneigentumsrecht. Vom Mietvertrag über Mietminderung bis hin zur Mietvertragskündigung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Rechtstipps aus dem Mietrecht

Urteile aus dem Mietrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!