Modernisierungsmaßnahmen im Mietrecht: Duldungspflichten und Mieterrechte
Der vorliegende Fall aus dem Mietrecht handelt von Modernisierungsmaßnahmen in einer Mietwohnung, welche die Mieterin nicht dulden wollte. Der zentrale Streitpunkt liegt in der rechtlichen Interpretation des § 555b BGB, welcher die Duldungspflichten des Mieters bei Modernisierungsmaßnahmen regelt. Hierbei sollten die Elektroleitungen, die Abwasserleitungen und die Aufzugsinstallation in der Wohnung der Mieterin modernisiert werden.
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Übersicht
Frage der Duldungspflicht bei Modernisierungsmaßnahmen
Das Amtsgericht ging davon aus, dass die Veränderungen an den Elektro- und Abwasserleitungen sowie die Installation des Aufzugs keine Maßnahmen im Sinne des § 555b BGB darstellen. Es argumentierte, dass die beabsichtigte Verkofferung der Leitungen in der Wohnung der Beklagten bereits jetzt optisch den Wohnwert erhöhe, also über die akustischen Wirkungen hinausgehe, die von den Klägern hervorgehoben wurden. Diese Ansicht hielt auch vor dem Landgericht Berlin stand, welches die Berufungen der Kläger und der Beklagten zurückwies.
Unplausible Behauptungen bezüglich der Elektroinstallation
Weiterhin wurden die in der Berufung aufgestellten Behauptungen zum Zustand der Elektroinstallation vom Landgericht als nicht plausibel eingestuft. Die Beklagte argumentierte, dass sie trotz der vermeintlich nicht mehr gewährleisteten Sicherheit der Elektroinstallation alle Haushaltsgeräte problemlos nutzen könne. Dieser Vortrag der Beklagten ließ das Gericht zu dem Schluss kommen, dass die Argumentation der Kläger, die Modernisierungsmaßnahmen seien aus Gründen der Sicherheit notwendig, unbegründet sei.
Ablehnung der Duldung des Aufzugsanbaus
Das Amtsgericht hat zudem auf der Grundlage des Sachvortrags der Kläger in der ersten Instanz die Verpflichtung der Beklagten zur Duldung des Aufzugsanbaus verneint. Auch wenn eine Baugenehmigung vorgelegt wurde, hat das Gericht darauf hingewiesen, dass diese erlischt, wenn nicht innerhalb von drei Jahren nach Erteilung mit der Ausführung des Bauvorhabens begonnen wurde oder die Bauausführung ein Jahr unterbrochen worden ist.
Abschließende Urteilsbegründung
Im Endergebnis wurde festgestellt, dass das Amtsgericht frei von Rechtsfehlern entschieden hat. Die Vorbringungen der Kläger konnten nicht überzeugen und die Berufungen wurden daher zurückgewiesen. Da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich war, wurde auch eine Revision nicht zugelassen.
Damit unterstreicht das Urteil die Notwendigkeit einer genauen Prüfung von Modernisierungsmaßnahmen und der sich daraus ergebenden Duldungspflichten für Mieter. Es ist nicht jede Modernisierung automatisch eine Maßnahme im Sinne des § 555b BGB und damit duldbar. Stattdessen ist eine sorgfältige Einzelfallbetrachtung notwendig.
Das vorliegende Urteil
LG Berlin – Az.: 65 S 35/20 – Urteil vom 09.09.2020
Die Berufungen der Kläger und der Beklagten werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen die Kläger zu 43 % und Beklagte zu 57 %.
Dieses und das angefochtene Urteil des Amtsgerichts sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 313 a, 540 Abs. 2, 544 Abs. 2 ZPO abgesehen.
II.
Die von den Klägern und der Beklagten eingelegten Berufungen sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie sind unbegründet.
Die der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine andere Entscheidung, §§ 513, 529, 546 ZPO.
1. Die Berufung der Kläger ist unbegründet.
Frei von Rechtsfehlern ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass es sich bei den von den Klägern mit der Berufung weiterverfolgten Verurteilung der Beklagten zur Duldung die Arbeiten an den Elektroleitungen, den Abwasserleitungen und die Aufzugsinstallation betreffend nicht um Maßnahmen im Sinne des § 555b BGB handelt.
a) Nach § 555b Nr. 4 BGB ist eine Modernisierungsmaßnahme (unter anderem) die nachhaltige Gebrauchswerterhöhung der Mietsache, nach Ziff. 5 der Regelung die allgemeine Verbesserung der Wohnverhältnisse auf Dauer.
Beide Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Ohne Erfolg beziehen sich die Kläger auf eine Entscheidung der Kammer vom 21. Dezember 2010 (65 S 318/09, juris). Sie übersehen den grundlegenden Unterschied der Fallkonstellationen: anders als in dem in Bezug genommenen Fall ist hier durch eine (zusätzliche) Dämmung der Abwasserrohre kein nennenswerter, die Anforderungen des § 555b Nr. 4, 5 BGB erfüllender Mehrwert gegeben, denn die Abwasserleitungen sind bereits verkoffert, so dass weder optische noch akustische Beeinträchtigungen von den Abwasserleitungen ausgehen. Es kann zugunsten der Kläger unterstellt werden, dass der Schalldruckpegel durch schallisolierte Rohre wie von ihnen behauptet gesenkt werden kann. Unberücksichtigt lassen sie jedoch, dass die Verkofferung der Leitungen in der Wohnung der Beklagten über die (von den Klägern nicht berücksichtigten) bereits vorhandenen günstigen akustischen Wirkungen hinaus auch optisch, den Wohnwert erhöhend wirkt. Das ist bereits der Ist-Zustand.
b) Die erstmals in der Berufung aufgestellten Behauptungen zum Zustand der Elektroinstallation sind nicht plausibel, zudem bestritten und daher nach §§ 529, 531 ZPO nicht mehr zu berücksichtigen. Der behauptete Schreibfehler in der Modernisierungsankündigung ist nicht offensichtlich. Die Behauptungen der Kläger in der Berufung zugrunde gelegt, bestünde allenfalls ein Instandsetzungsanspruch der Beklagten gegen sie, nicht jedoch der geltend gemachte Anspruch auf Duldung einer Modernisierungsmaßnahme. Nach der Rechtsprechung des BGH hat der Mieter einer nicht modernisierten Altbauwohnung aus § 535 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf den Mindeststandard, der ein zeitgemäßes Wohnen ermöglicht und den Einsatz der für die Haushaltsführung allgemein üblichen Geräte erlaubt (vgl. zum Betreiben üblicher Haushaltsgeräte: BGH, Urt. V. 26.07.2004 – VIII ZR 281/03, juris). Die Darstellung der Kläger zugrunde gelegt, wäre dieser von ihnen zu gewährleistende Zustand nicht mehr gegeben; die Beklagte hat indes vorgetragen, dass sie alle in ihrem Haushalt vorhandenen Haushaltsgeräte (Waschmaschine, Spülmaschine, Staubsauger) bereits jetzt problemlos nutzen kann.
c) Ebenfalls frei von Rechtsfehlern hat das Amtsgericht auf der Grundlage des Sachvortrags der Kläger in der ersten Instanz die Verpflichtung der Beklagten zur Duldung des Aufzugsanbaus verneint.
Die Milieuschutzverordnungen auf der Grundlage des § 172 BauGB gehören – wie alle für die Entscheidung eines Rechtsstreits relevanten Landesverordnungen – zu den von Amts wegen zu berücksichtigenden Rechtsgrundlagen. Ob die Maßnahme, deren Duldung begehrt wird, grundsätzlich genehmigungsfähig ist, ist schon wegen des den Behörden eingeräumten Ermessensspielraums auf der Grundlage der konkreten Umstände nicht maßgeblich.
Die Vorlage der Baugenehmigung führt zu keiner anderen Entscheidung, denn sie erlischt – wie sich aus der Genehmigung selbst ergibt – wenn nicht innerhalb von drei Jahren nach Erteilung mit der Ausführung des Bauvorhabens begonnen wurde oder die Bauausführung ein Jahr unterbrochen worden ist. Die Frist kann auf schriftlichen Antrag jeweils bis zu einem Jahr verlängert werden. Die Kläger selbst tragen weder den Beginn der Bauausführung noch den Verlängerungsantrag vor; beides hat die Beklagte vorsorglich bestritten. Die Genehmigung ist in Übereinstimmung mit der BauO Berlin und dem Inhalt des Bescheides bereits im November 2019, sogar vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz erloschen.
2. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.
a) Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, die Klageanträge seien nicht hinreichend bestimmt.
Ein auf Duldung einer Modernisierungsmaßnahme gerichteter Klageantrag ist nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt, wenn der erstrebte Duldungserfolg sowie der Umfang der zu duldenden Arbeiten in seinen wesentlichen Schritten bzw. Umrissen umschrieben wird. Zweck ist nur die Schaffung einer hinreichenden Grundlage für die Zwangsvollstreckung nach § 890 ZPO. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hinsichtlich der Einzelheiten auf die Rechtsprechung des BGH Bezug genommen (vgl. BGH, Urt. V. 28.09.2011 – VIII ZR 242/10, nach juris Rn. 14ff.; zuletzt bestätigt: Urt. V. 20.05.2020 – VIII ZR 55/19, juris).
Eben diesen Anforderungen genügen die Klageanträge; die Beklagte kann ihnen – soweit das vor Beginn der Bauausführung möglich ist – die nach der Rechtsprechung erforderlichen Angaben ohne weiteres entnehmen.
b) Die Modernisierungsankündigung ist auch nicht formell unwirksam. Die diesbezüglichen, nicht zu übersteigernden Anforderungen hat der BGH zuletzt in seiner Entscheidung vom 20. Mai 2020 dargestellt (VIII ZR 55/19, juris).
c) Im Ansatz zutreffend beanstandet die Beklagte zwar, dass das Amtsgericht ihr Bestreiten bezüglich der Nutzungsbedingungen eines von den Klägern nicht benannten Netzbetreibers unberücksichtigt gelassen hat. Ausweislich der Anträge in der Berufungsbegründung und der Bezugnahme auf eben diese Anträge am Ende der Berufungsbegründung begehrt sie insoweit allerdings nicht die Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Aufgrund des klaren Wortlautes der Anträge und der Bezugnahme sieht die Kammer keinen Raum für eine Auslegung.
d) Die Errichtung abschließbare Fahrradgaragen hat das Amtsgericht zutreffend als Modernisierungsmaßnahme im Sinne des § 555b Nr. 5 BGB angesehen. Sofern deren Anzahl nicht ausreichen sollte bzw. die Beklagte selbst von dieser Maßnahme nicht profitiert, ist das gegebenenfalls eine Frage, die im Rahmen des Mieterhöhungsverfahrens nach § 559 BGB zu klären ist.
Ebenso verhält es sich mit den beabsichtigten Maßnahmen. Sofern die aufgebrachten Lähmungen qualitativ hinter der Ankündigung zurückbleiben, handelt es sich um eine Frage, die gegebenenfalls einer Modernisierungsmieterhöhung entgegensteht.
III.
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
2. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 1, 2 ZPO nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf der Grundlage des Gesetzes, seiner Materialien und höchstrichterlich bereits entwickelter Maßstäbe.