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WEG – Einholung von Vergleichsangeboten bei etappenweiser Instandsetzung von Balkonen

AG Charlottenburg – Az.: 73 C 82/19 – Urteil vom 13.03.2020

1. Der Beschluss zu TOP 6 der Wohnungseigentümerversammlung vom 29. Oktober 2019 der Wohnungseigentümergemeinschaft … wird für ungültig erklärt.

2. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien sind die Eigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft …. Der Kläger ist Eigentümer der Einheit Nummer 65 nach der Nummerierung in der Teilungserklärung. Grundlage der Gemeinschaft ist eine Teilungserklärung nebst Gemeinschaftsordnung aus dem Jahre 1996, die ein Objektstimmrecht vorsieht (jede Wohnung hat eine Stimme in der Eigentümerversammlung) und ferner bestimmt, dass die Versammlung beschlussfähig ist, wenn mehr als die Hälfte der Stimmen vertreten ist. Für den Fall der Beschlussunfähigkeit habe der Verwalter eine zweite Versammlung mit gleichem Gegenstand einzuberufen, die 30 Minuten nach Beginn der beschlussunfähigen Versammlung stattzufinden hat. Wegen der weiteren Einzelheiten von Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung wird auf deren Ablichtung Blatt 7-23 d.A. verwiesen.

Bei der Wohnanlage handelt es sich um einen um 1930 errichteten Altbau. Seit dem Jahre 2012 liegt nach Auffassung der Mehrheit der Gemeinschaft und der Verwalterin ein festgestellter Sanierungsbedarf an den Balkonen der Wohnanlage vor. Diese werden seither etappenweise saniert. In der Versammlung vom 5. Juni 2012 lagen drei Vergleichsangebote fuhr wegen der Sanierung der 8 ersten Balkone vor. Beauftragt wurde dort die Firma … . In den Folgejahren wurde dasselbe Unternehmen mit der Instandsetzung von einigen weiteren Balkonen bzw. Balkonsträngen der Gemeinschaft beauftragt. Auf einer Versammlung vom 2. Juli 2018 wurde bezüglich des Fortgangs dieser Arbeiten beschlossen:

„Die Versammlung beschließt die Sanierung der Balkone

… – rechts / Wohnungen 33,35, 37,39, 41

…- links / Wohnungen 52,54, 56, 58,60

… – rechts / Wohnungen 63, 65,67, 69,71

… – links / Wohnungen 72,74, 76, 78,80

…/Wohnungen 127,130 (vorbehaltlich der Prüfung)

zu einem Auftragswert von maximal 220.000 € zuzüglich (7500 € je Balkon) Baubetreuungsgebühr. Es soll für folgende Varianten 3 eingebaute Angebote eingeholt werden:

Variante 1/Sanierung von 2 Strängen

Variante 2/Sanierung von 3 Strängen

Sofern eine Kostenersparnis von 10 % bei der Auftragsvergabe Vergabe von 3 Strängen erzielt werden kann sollen diese beauftragt werden. Andernfalls sollen lediglich folgende Balkonstränge saniert werden:

… 2 – rechts / Wohnungen 33,35, 37,39, 41

… 3 – links + rechts / Wohnungen 42,44, 45, 46,47, 48,49, 50,51

… 4 – links / Wohnungen 52,54, 56, 58,60

… 10/Wohnungen 127,130 (vorbehaltlich der Prüfung)

die Verwalterin wird zu einem Auftragswert in Höhe von 8 % der Bruttobaukosten zuzüglich Mehrwertsteuer beauftragt, die Betreuung der Maßnahmen vorzunehmen. Dies beinhaltet insbesondere

– die Erstellung des Leistungsverzeichnisses und des Preisspiegels,

– die Abstimmung der Vergabe mit dem Verwaltungsbeirat,

– der Abschluss eines Bauvertrages im Namen der Gemeinschaft,

– die Vornahme regelmäßiger Baustellenbegehungen,

– das Führen sämtlicher Korrespondenz mit den Auftragnehmern und Dritten,

– die sachliche und rechnerische Prüfung aller Baurechnungen einschließlich der Zahlungsanweisungen zulasten der Gemeinschaft,

– die Abnahme der Bauleistung im Namen der Gemeinschaft,

– die Übernahme der Gewährleistungsverfolgung im Rahmen des Bauvertrages.

Die Finanzierung erfolgt aus der Instandhaltungsrücklage. Vor Auftragsvergabe wird die WE-Verwalterin die Zustimmung der Denkmalschutzbehörde einholen.“

Dieser Beschluss wurde gerichtlich nicht angefochten.

Die bestellte Verwalterin der Gemeinschaft lud zu einer Eigentümerversammlung am 29. Oktober 2019, in der zu Tagesordnungspunkt 6 Beschluss über die Sanierung von Balkonen gefasst werden sollte. Die Ladung vom 10. Oktober 2019 enthielt eine Eventualeinberufung für den Fall der Beschlussunfähigkeit gemäß der Gemeinschaftsordnung. Der Einberufung waren Angebote der Firma … sowohl für die Sanierung von 2 als auch von 3 Balkonsträngen gemäß der Beschlussfassung aus 2018 beigefügt. In der Versammlung lag dann noch ein Angebot der Firma … vor, allerdings nur für die Sanierung von 3 Strängen.

In der Versammlung wurde schließlich der folgende Beschluss mehrheitlich gefasst:

„Die Eigentümergemeinschaft beschließt die Beauftragung der Fa. … mit der Sanierung der Balkone

Sanierung von 3 Strängen

… – rechts / Wohnungen 33,35, 37,39, 41

… – links + rechts / Wohnungen 42,44, 45, 46,47, 48,49, 50,51

… – links / Wohnungen 52,54, 56, 58,60

… – rechts / Wohnungen 63,65,67,69,71

… – links / Wohnungen 72,74, 76, 78,80

…/Wohnungen 127,130 (vorbehaltlich der Prüfung)

gemäß Angebot der Fa. … vom 20.08.2019 zu einem Auftragswert von maximal 220.000 € zuzüglich Baubetreuungsgebühr.

Auf die Einhaltung weiterer Angebote wird ausdrücklich verzichtet.

Die Finanzierung erfolgt aus der Instandhaltungsrücklage. Vor Auftragsvergabe wird die WE-Verwalterin die Zustimmung der Denkmalschutzbehörde einholen.“

Wegen der weiteren Einzelheiten der Wohnungseigentümerversammlung vom 29. Oktober 2019 wird auf die Ablichtung des Protokolls Blatt 26-30 d.A. verwiesen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Klage des Klägers, die am 29. November 2019 bei Gericht einging und in der Klageschrift sowie in einem am 23. Dezember 2019 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz näher begründet wurde. Der Kläger bestreitet, dass die Teilungserklärung Grundbuchbestandteil geworden sei, weshalb die Eventualeinberufung hier rechtswidrig sei. Der Beschluss sei wegen der vorbehaltenen Prüfung im Aufgang … zu unbestimmt. Sanierungsbedarf liege im Übrigen bei der Mehrzahl der erfassten Balkone nicht vor. Allenfalls die Balkone im 4. Obergeschoss, die von oben frei sind, bedürften einer Instandsetzung wegen fehlender Abdichtung. Die darunterliegenden Balkone zeigten keinerlei Schäden. Ein Sanierungsbedarf sei auch nie durch Sachverständige oder Fachunternehmen festgestellt worden. Außerdem habe die Gemeinschaft nicht auf die Einholung von 3 Alternativangeboten verzichten dürfen. Im Übrigen hätten die Eigentümer keine Zeit gehabt, sich mit dem Angebot auseinanderzusetzen, erst recht nicht mit dem Alternativangebot der Firma GMB, das lediglich als Tischvorlage zugänglich gemacht wurde.

Der Kläger beantragt, wie erkannt.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie behaupten, die Gemeinschaftsordnung sei durch eine Nachtragsurkunde verdinglicht worden. Der Kläger sei lediglich berechtigt, den Beschluss anzufechten, soweit dieser von dem bestandskräftigen Beschluss vom 2. Juli 2018 abweiche. Auf die Vorlage weitere Alternativangebote habe hier verzichtet werden können, weil den Eigentümern aufgrund der Beschlussfassungen der Vorjahre sowohl die wirtschaftliche Tragweite der Maßnahme klar war als auch die Zuverlässigkeit des Auftragnehmers erprobt war.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Anfechtungsklage ist gemäß § 43 Nr. 4 WEG zulässig. Sie wurde auch innerhalb der Frist des § 46 Abs. 1 WEG in Verbindung mit § 167 ZPO erhoben und begründet.

Die Klage ist auch inhaltlich begründet. Sie dringt bereits mit der Rüge durch, dass für die beschlossenen Arbeiten zum Zeitpunkt der Beschlussfassung keine drei vergleichbaren Alternativangebote vorlagen, wie es die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung im Sinne des § 21 Abs. 3 WEG verlangen und wie es die Gemeinschaft in der vorgehenden Beschlussfassung aus dem Jahre 2018 auch bekräftigt hatte. Denn ein Beschluss der Wohnungseigentümer über die Vergabe von größeren Aufträgen zur Durchführung von Erhaltungsarbeiten verstößt regelmäßig gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn zuvor nicht mehrere (in der Regel mindestens drei) Vergleichsangebote eingeholt worden sind. Es obliegt dem Verwalter, entsprechende Kostenangebote einzuholen. Die Angebote müssen vergleichbar sein, dh die angebotenen Leistungen dürfen sich nicht unterscheiden. Die Wohnungseigentümer sind über sämtliche relevanten Umstände aufzuklären. Dadurch soll gewährleistet werden, dass technische Lösungen gewählt werden, die eine dauerhafte Beseitigung von Mängeln und Schäden versprechen, dass aber auch auf Wirtschaftlichkeit geachtet wird und keine finanziell nachteiligen Beschlüsse gefasst werden (LG Berlin, Urt. v. 2.2.2018 – 85 S 98/16 WEG; Bärmann/Merle, WEG, 14. Aufl., § 21 Rdnr. 31 mit umfangreichen Nachweisen zur Rechtsprechung).

Es bestehen keine hinreichenden Gründe, um hier ausnahmsweise vom Erfordernis der Vorlage von mindestens drei Vergleichsangeboten abzusehen. Dafür genügt insbesondere nicht, dass die im angefochtenen Beschluss genannte Auftragnehmerin bereits in der Vergangenheit mit vergleichbaren Arbeiten an anderen Balkonen der Wohnanlage beauftragt worden war. Die Gemeinschaft nimmt die Sanierung der Balkone unstreitig etappenweise vor. Sie hat sich also offenbar gerade dagegen entschieden, alle Arbeiten an den nach Vortrag der Beklagten umfassend sanierungsbedürftigen Balkonen der Anlage auf einmal an einen Unternehmer zu vergeben. Dies bedeutet, dass bei jeder Etappe neu entschieden werden kann und muss, durch wen welche Arbeiten vorgenommen werden sollen. Damit greift auch wieder der Grundsatz ordnungsmäßiger Verwaltung, wonach für jeden dieser Aufträge, die sowohl rechtlich als auch tatsächlich unabhängig voneinander sind, erneut drei Konkurrenzangebote vorgelegt werden müssen. Dass dies offensichtlich auch die Auffassung der Mehrheit der Gemeinschaft ist, hat sie in dem Beschluss aus dem Jahr 2018 dokumentiert, der insoweit aber auch nur die oben genannten Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung wiedergibt.

Im Übrigen rügt der Kläger mit Recht, dass noch nicht einmal ein zweites Konkurrenzangebot ordnungsgemäß vorgelegt worden ist. Grundsätzlich muss der Verwalter zwar nicht sämtliche Angebote vor der Versammlung unaufgefordert allen Eigentümern übersenden, er muss aber zumindest auf Aufforderung in der Lage sein, interessierten Eigentümern, die das Angebot umfassend prüfen wollen, Kopien zuzusenden oder sonst angemessene Einsicht in die Angebotsunterlagen ermöglichen. Dies gilt erst recht bei Angeboten dieses Umfangs. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass offenbar das Alternativangebot lediglich bei den einzelnen Positionen andere Preise enthält als das angenommene Angebot. Auch dies kann jedenfalls bei einem derart umfangreichen Vorgang nicht in zumutbarer Weise kurz vor oder während der Eigentümerversammlung in einem Versammlungsraum von einem interessierten Eigentümer überprüft werden. Die Vorlage des zweiten Angebots als bloße „Tischvorlage“, die offenbar erst unmittelbar vor der Eigentümerversammlung eingetroffen ist, widersprach damit ebenfalls den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung.

Alle weiteren Rügen des Klägers gegen den angefochtenen Beschluss können damit dahingestellt bleiben. Auch soweit der Kläger meint, der Beschluss sei nichtig, kann dies offenbleiben, denn die Rechtswirkungen einer Nichtigkeitsfeststellung und einer Ungültigerklärung des Beschlusses sind im Ergebnis dieselben. Es kann ferner offenbleiben, ob der Kläger den Beschluss nur insoweit angreifen kann, als er von der Beschlussfassung vom 2. Juli 2018 abweicht. Das Gericht erklärt den Beschluss nur aus Gründen für ungültig, die sich aus dem Vorbeschluss nicht ergeben hätten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

 

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