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Eigenbedarfskündigung bei Aussicht auf Referendariatsplatz?

Eigenbedarfskündigung: Ein Balanceakt zwischen Vermieterinteressen und Mieterschutz

In einem kürzlich ergangenen Fall hat sich das Amtsgericht mit der Frage der Eigenbedarfskündigung im Kontext eines bevorstehenden Referendariats beschäftigt. Im Kern ging es darum, ob die Kündigung eines Mietverhältnisses durch den Vermieter gerechtfertigt ist, wenn die Wohnung für die Nichte des Vermieters benötigt wird, die in naher Zukunft ein Referendariat antreten möchte. Das Gericht musste die Ernsthaftigkeit und Konkretheit der Eigenbedarfsabsicht des Vermieters gegen die mögliche soziale Härte für die Mieter abwägen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 1 S 22/23   >>>

Ernsthaftigkeit und Konkretheit der Eigenbedarfsabsicht

Das Amtsgericht stellte fest, dass eine Eigenbedarfskündigung nur dann zulässig ist, wenn der Vermieter ein „vernünftiges und billigenswertes Interesse“ an der Rückgewinnung der Wohnung hat. In diesem Fall war die Nichte des Vermieters, die ein Referendariat in der Nähe antreten wollte, die Begünstigte. Sie hatte bereits konkrete Pläne, in die Stadt zurückzukehren und dort mit ihrem Lebensgefährten einen gemeinsamen Lebensmittelpunkt zu schaffen. Das Gericht fand diese Pläne ausreichend konkret und ernsthaft, um die Kündigung zu rechtfertigen.

Abwägung der sozialen Härte für die Mieter

Die Mieter hatten die Möglichkeit, der Kündigung zu widersprechen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für sie eine unzumutbare Härte darstellen würde. Hierbei sind wirtschaftliche, finanzielle, gesundheitliche und persönliche Nachteile zu berücksichtigen. Das Gericht kam jedoch zu dem Schluss, dass keine unzumutbare Härte für die Mieter vorliegt. Die Mieter hatten argumentiert, dass sie ihre Tochter und Enkelin unterstützen müssten, aber das Gericht fand diese Argumente nicht ausreichend.

Rechtliche Grundlagen und Verfassungsrechtliche Maßstäbe

Das Gericht wies darauf hin, dass sowohl die Eigenbedarfskündigung als auch die soziale Härteklausel verfassungsrechtlichen Maßstäben unterliegen. Das bedeutet, dass die Lebensplanung des Vermieters grundsätzlich zu respektieren ist, solange sie nicht die Rechte der Mieter unverhältnismäßig einschränkt.

Berufung der Mieter und abschließende Bewertung

Die Mieter legten Berufung ein, aber das Gericht sah keine Aussicht auf Erfolg für diese. Es wurde den Mietern nahegelegt, die Berufung aus Kostengründen zurückzunehmen. Das Gericht fand, dass die Eigenbedarfskündigung in diesem Fall gerechtfertigt war und die sozialen Belange der Mieter ausreichend berücksichtigt wurden.

In diesem Fall zeigt sich, wie komplex die Abwägung zwischen den Interessen des Vermieters und den Rechten der Mieter sein kann. Das Urteil verdeutlicht, dass eine sorgfältige Prüfung und Darlegung der Eigenbedarfsgründe von entscheidender Bedeutung ist, um eine erfolgreiche Kündigung durchzusetzen.

Eigenbedarfskündigung abgewiesen? Wir helfen Ihnen!

Das Landgericht Ravensburg hat kürzlich entschieden, dass eine Eigenbedarfskündigung wegen eines bevorstehenden Referendariats der Nichte des Vermieters zulässig ist. Sind Sie als Mieter von einer ähnlichen Situation betroffen und sehen Ihre Rechte gefährdet? Unsere Kanzlei bietet Ihnen eine fundierte Ersteinschätzung Ihrer Lage und begleitet Sie durch den gesamten Prozess. Wir prüfen die Ernsthaftigkeit der Eigenbedarfsabsicht des Vermieters und setzen Ihre Rechte effektiv durch. Nehmen Sie jetzt Kontakt mit uns auf, um Ihre Möglichkeiten zu besprechen.

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Wichtige Begriffe kurz erklärt

  1. Eigenbedarfskündigung: Wenn ein Vermieter die Wohnung, die er vermietet hat, selbst nutzen möchte oder sie für eine ihm nahestehende Person benötigt, spricht man von Eigenbedarf. In diesem Fall kann der Vermieter das Mietverhältnis kündigen, aber nur unter bestimmten Voraussetzungen. Er muss ein „vernünftiges und billigenswertes Interesse“ an der Wohnung haben und dieses Interesse auch klar und deutlich darlegen. Das bedeutet, er muss gute Gründe haben, warum er die Wohnung selbst braucht, und diese Gründe müssen auch für andere Menschen nachvollziehbar sein. Zum Beispiel könnte ein Vermieter Eigenbedarf anmelden, wenn er in der Stadt einen neuen Job antritt und deshalb näher an seiner Arbeitsstelle wohnen möchte.
  2. Soziale Härte: Dieser Begriff kommt ins Spiel, wenn ein Mieter der Kündigung des Vermieters widersprechen möchte. Wenn die Kündigung für den Mieter oder seine Familie besonders schwierige Lebensumstände schaffen würde, kann er sich auf „soziale Härte“ berufen. Das können zum Beispiel gesundheitliche Probleme sein oder die Tatsache, dass der Mieter keine andere bezahlbare Wohnung finden kann. Das Gericht muss dann abwägen, ob die Interessen des Vermieters schwerer wiegen als die möglichen Schwierigkeiten, die dem Mieter durch die Kündigung entstehen würden.
  3. Verfassungsrechtliche Maßstäbe: In Deutschland müssen alle Gesetze und Urteile im Einklang mit dem Grundgesetz stehen, das ist unsere Verfassung. Wenn es um Kündigungen im Mietrecht geht, müssen also auch verfassungsrechtliche Maßstäbe angelegt werden. Das bedeutet, dass sowohl die Rechte des Vermieters als auch die des Mieters geschützt sein müssen. Zum Beispiel darf ein Vermieter nicht einfach kündigen, nur weil er mehr Geld verdienen möchte, wenn das für den Mieter eine unzumutbare Härte darstellen würde. Andererseits muss das Gericht auch die Lebensplanung des Vermieters respektieren, solange sie die Rechte des Mieters nicht unverhältnismäßig einschränkt.


Das vorliegende Urteil

LG Ravensburg – Az.: 1 S 22/23 – Beschluss vom 04.05.2023

In dem Rechtsstreit wegen Räumung hat das Landgericht Ravensburg – 1. Zivilkammer – am 04.05.2023 beschlossen:

1. Die Kammer beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Tettnang vom 03.02.2023, Az. 8 C 343/22, gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Die Parteien erhalten Gelegenheit, zu den nachfolgenden Gründen binnen 2 Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.

3. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 7.590,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Berufung der Beklagten hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern auch keine Entscheidung des Berufungsgerichts (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, Nr. 3 ZPO). Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist nicht geboten (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO). Die Feststellungen des Amtsgerichts sind gemäß § 529 Abs. 1 ZPO zugrunde zu legen, da keine konkreten Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen. Das angefochtene Urteil des Amtsgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Die Klägerin hat, wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, einen Anspruch gegen die Beklagten auf Räumung und Herausgabe der von ihnen bewohnten Wohnung gemäß § 546 Abs. 1 BGB.

Gemäß § 546 Abs. 1 BGB ist der Mieter verpflichtet, die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben.

a) Das Amtsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Klägerin das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis durch die Kündigungen vom 01.03.2022 bzw. 02.03.2022 (Anlagen K2, K3) wirksam wegen Eigenbedarfs gern. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB ordentlich gekündigt hat. Gern. § 573 Abs. 1 BGB kann der Vermieter das Mietverhältnis unter Beachtung der gesetzlichen Kündigungsfristen ordentlich kündigen, wenn er an der Beendigung des Mietverhältnisses ein berechtigtes Interesse hat. Ein berechtigtes Interesse liegt gern. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB insbesondere vor, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt (sog. Eigenbedarf). Eigenbedarf i.d.S. besteht, wenn der Vermieter ein vernünftiges, billigenswertes Interesse daran hat, die Wohnung zur eigenen Nutzung oder zur Nutzung durch eine ihm nahestehende Person zurück zu erhalten (Gelb in BeckOGK, BGB, Stand 1.1.2023, § 573 Rn. 54; BGH, Urt. v. 20.01.1988 – VIII ARZ 4/87 = NJW 1988, 904).

b) Das Amtsgericht hat sich auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme zutreffend und überzeugend von dem Vorliegen eines Eigenbedarfs überzeugt. Die dem amtsgerichtlichen Urteil zugrunde liegenden und für die Kammer nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich bindenden Tatsachenfeststellungen des ersten Rechtszugs greifen die Beklagten mit ihrer Berufung nicht an.

c) Das Amtsgericht hat weiter zutreffend ausgeführt, es liege keine unzulässige Vorratskündigung vor.

Ein – auf vernünftige, nachvollziehbare Gründe gestützter – Eigennutzungswunsch rechtfertigt die Kündigung des Mietverhältnisses, wenn er vom Vermieter auch ernsthaft verfolgt wird und bereits hinreichend bestimmt und konkretisiert ist. Lediglich eine bislang nur vage oder für einen späteren Zeitpunkt verfolgte Nutzungsabsicht rechtfertigt eine Eigenbedarfskündigung (noch) nicht (BGH, Urteil vom 23.9.2015 – VIII ZR 297/14 = NJW 2015, 3368; BGH, Beschluss vom 11.10.2016 – VIII ZR 300/15 = NJW-RR 2017, 75). Es ist daher erforderlich, dass der Selbstnutzungswunsch bei Ausspruch der Kündigung bereits konkret besteht (Gramlich/Gramlich, 15. Aufl. 2019, BGB § 573 Rn. 17). Die Absicht zur Selbstnutzung oder Überlassung an einen privilegierten Angehörigen muss daher in einem zeitlich engen Zusammenhang mit der Kündigung stehen. Es ist allerdings nicht erforderlich, dass sich die Eigennutzung oder Überlassung zeitlich unmittelbar an das Ende des Mietverhältnisses anschließt, andererseits darf der Vermieter aber auch nicht kündigen, wenn er die Wohnung erst in einigen Jahren beziehen oder überlassen will. Eine feste zeitliche Grenze gibt es nicht (Börstinghaus in Schmidt-Futterer/Blank, BGB, 15. Aufl. 2021, § 573 Rn. 85 f.).

Das Amtsgericht hat zutreffend einen hinreichenden zeitlichen Zusammenhang zwischen der Nutzungsabsicht der Nichte der Klägerin, der Zeugin ### und dem Ausspruch der Kündigung angenommen.

Die Angaben der Zeugin ### erachtete das Amtsgericht für glaubhaft. Die Zeugin hatte bei ihrer Vernehmung angegeben, zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs habe sie bereits eine Rückkehr nach Friedrichshafen beabsichtigt und den Wunsch gehabt, dort mit ihrem Freund einen gemeinsamen Lebensmittelpunkt zu bilden. Sie hat sinngemäß angegeben, damals beim Regierungspräsidium nachgefragt zu haben und eine Antwort erhalten zu haben, die es sehr wahrscheinlich erscheinen ließ, dass es gelingen würde, nach Friedrichshafen zurückzukehren. Sie und ihr Lebensgefährte, beide haben ein abgeschlossenes Lehramtsstudium und seit Dezember 2022 die Zusage einer Referendarstelle jeweils in Friedrichshafen, könnten von der Wohnung aus ohne Pkw die Schulen erreichen und ihr Vater, der in demselben Gebäude ein Ladengeschäft betreibe, könnte von ihnen unterstützt werden. Sie trete zum 01.02.2023 ihr Referendariat an. Derzeit bewohnten sie gemeinsam eine Ferienwohnung in Friedrichshafen. Sie und ihr Lebensgefährte gingen davon aus, im Anschluss an das Referendariat an einer Schule in Friedrichshafen arbeiten zu können. Diese Lebensplanung der Nichte der Klägerin war bereits im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung hinreichend konkret. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht an der Ernstlichkeit der beabsichtigten Nutzungsüberlassung keine Zweifel hatte.

Mit der vom Amtsgericht Dortmund (nicht rechtskräftiges Urteil vom 15. 12. 1998 (Az. 125 C 9590-98 = NZM 1999, 120) entschiedenen Sachverhaltskonstellation ist der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar.

Bei der dortigen Eigenbedarfskündigung hatte der Vermieter behauptet, der blinde Sohn besuche derzeit das Gymnasium und beabsichtigte im Anschluss eine Lehre aufzunehmen. Im Verlauf des Rechtsstreits stellte sich heraus, dass der Vermieter die Lebensplanung des Sohnes als sicher dargestellt hatte, obwohl es sich bei der für die Begründung der Eigenbedarfskündigung herangezogenen Lehre nur um eine von vielen Optionen gehandelt habe und zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruches noch kein Versuch unternommen worden war, eine solche Lebensplanung zu realisieren. Anders liegt der Fall hier. Zwar kann naturgemäß das Bestehen der Abschlussprüfung ebensowenig garantiert werden wie die Zuweisung eines Referendarplatzes in der Nähe von Friedrichshafen. Dies ist aber auch nicht erforderlich. Erforderlich, aber auch ausreichend ist eine hinreichend konkrete Lebensplanung, wie sie die Klägerin für ihre Nichte, für die sie den Eigenbedarf geltend gemacht hat, zur Überzeugung des erstinstanzlichen Gerichts nachgewiesen hat.

d) Die Beklagten haben keinen Anspruch auf Fortsetzung des Mietverhältnisses gern. § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil die Beendigung des Mietverhältnisses bei Abwägung der gegenseitigen Interessen, wie das Amtsgericht zutreffend festgestellt hat, keine für die Beklagten unzumutbare Härte darstellt.

Gem. § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Mieter einer an sich gerechtfertigten ordentlichen Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn oder seine Familie eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Unter einer solchen Härte sind alle Nachteile wirtschaftlicher, finanzieller, gesundheitlicher, familiärer oder persönlicher Art zu verstehen, die infolge der Vertragsbeendigung auftreten können. Allgemeine Unbequemlichkeiten, Unannehmlichkeiten oder Kosten, die mit jedem Wohnungswechsel verbunden sind, genügen nicht. Als Härtegründe kommen daher nur solche für den Mieter mit einem Umzug verbundenen Nachteile in Betracht, die sich von den mit einem Wohnungswechsel typischeiweise verbundenen Unannehmlichkeiten deutlich abheben (BGH, Urt. v. 22.05.2019 VIII ZR 180/18 = WW 2019, 2765). Maßgebend ist eine Gesamtbetrachtung aller in der Person der Mieterin liegenden Härtegründe. Einzubeziehen sind auch diejenigen Umstände, die bei einer isolierten Betrachtung keine Härte darstellen, da diese in Verbindung mit weiteren Umständen im Einzelfall eine Härte begründen können.

Die Belange der Beklagten hat das Amtsgericht zutreffend berücksichtigt und dabei zwischen den Belangen der Tochter der Beklagten einerseits, die aus rechtlichen Gründen nicht berücksichtigt werden können, weil die Tochter nicht in der Wohnung der Beklagten lebt (Hartmann in Schmidt-Futterer, BGB, 15. Aufl. 2021, § 574 Rn. 22) und den Belangen der Beklagten selbst unterschieden. Das Amtsgericht hat diejenigen Umstände berücksichtigt, die die Beklagten eingewandt hatten. Die Beklagten hatten in der Klagerwiderung vorgetragen, ihre Tochter sei aufgrund ihrer Erkrankung zwingend auf die tägliche Unterstützung der Beklagten im Rahmen der Betreuung deren kleiner Tochter, ihrer Enkelin, angewiesen (BI. 49 d.A.), weil die Tochter bei entsprechenden Krankheitsschüben nicht mehr in der Lage sei, den alltäglichen Anforderungen insbesondere im Hinblick auf die Kinderbetreuung zu entsprechen. Mit dieser Begründung hatten die Beklagten auch ihren außergerichtlichen Widerspruch gegen die Kündigung mit Schreiben vom 04.03.2022 (BI. 52 ff. d.A.) begründet. Das Amtsgericht hat das Interesse der Beklagten am Erhalt der Wohnung wegen der räumlichen Nähe zur Tochter bzw. Enkeltochter und der damit verbundenen schnellen Erreichbarkeit für die Betreuung der Enkeltochter berücksichtigt. Das Betreuungsinteresse der Enkeltochter bzw. deren Mutter ist (s.o.) nicht berücksichtigungsfähig, sondern allein der Wunsch der Beklagten, diese schneller erreichen zu können.

Das Amtsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Interessen der Beklagten das Erlangungsinteresse der Klägerin nicht überwiegt und deshalb zutreffend einen Härtefall i.S.v. § 574 BGB verneint. Bei der Bewertung und Gewichtung der gegenläufigen Interessen beider Mietvertragsparteien im Rahmen der nach § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB vorzunehmenden Abwägung ist das Bestandsinteresse der Mieterin mit dem Erlangungsinteresse des Vermieters in Relation zu setzen. Dabei ist zu berücksichtigen welche Auswirkungen eine Vertragsbeendigung konkret für die Mieterin haben würde und wie sich eine Vertragsfortsetzung auf den Vermieter auswirken würde. Darüber hinaus ist den Wertentscheidungen Rechnung zu tragen, die in den für sie streitenden Grundrechten zum Ausdruck kommen. Es ist zu berücksichtigen, dass bezüglich der Anwendung und Auslegung des Kündigungstatbestandes des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB einerseits und der Sozialklausel des § 574 BGB andererseits dieselben verfassungsrechtlichen Maßstäbe gelten, so dass auch im Rahmen des § 574 BGB die vom Vermieter beabsichtigte Lebensplanung grundsätzlich zu respektieren und der Rechtsfindung zugrunde zu legen ist (BGH Urt. v. 3.02.2021 – VIII ZR 68/19, a.a.O.). Wiegen die Interessen der Parteien hingegen gleich schwer, so gebührt dem Erlangungsinteresse des Vermieters der Vorrang (Hartmann in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Auflage 2015, § 574 Rn. 64). Diese Grundsätze berücksichtigend ist die amtsgerichtliche Entscheidung nicht zu beanstanden. Es stellt nach Auffassung der Kammer bereits kein den Anwendungsbereich des § 574 BGB berührendes schutzwürdiges Interesse eines Mieters dar, eine in der Nähe wohnende Tochter oder Enkeltochter besser erreichen zu können.

Soweit die Beklagten erstmals in der Berufungsbegründung vortragen, die Beklagte Ziffer 2 sei die primäre Ansprechpartnerin für die Tochter im Falle eines medizinischen Notfalls und eile dieser stets zur Hilfe, ist abermals zu berücksichtigen, dass die Belange der Tochter, also auch die Hilfe im Falle eines medizinischen Notfalles, nicht zu berücksichtigen sind (s.o.).

Soweit die Beklagten behaupten, im Falle „akuter medizinischer Notfälle“ sei die Beklagte Ziffer 2 die erste Ansprechpartnerin und komme der Tochter zur Hilfe, ist dieses Interesse daher nicht berücksichtigungsfähig und zum anderen auch nicht ausreichend dargetan, da nicht vorgetragen wird, aus welchen Gründen die Tochter nicht den Hausarzt, hausärztlichen Notdienst oder den Notarzt anrufen können sollte, aber die Beklagte Ziffer 2, wenn es zu einem ärztlichen Notfall komme, zumal zu Anzahl und Umfang derartiger „Nöte“ kein konkreter Vortrag geleistet wird, v.a. nicht zu der etwaigen medizinischen Qualifikation der Beklagten Ziffer 2. Dies kann aber, wie aufgezeigt, dahinstehen, da solche Umstände keine andere Entscheidung rechtfertigen. Die Abwägungsentscheidung des Amtsgerichts hatte sich mit derlei Umständen nicht auseinanderzusetzen, da sie erstinstanzlich nicht vorgetragen waren. Losgelöst von der Frage, ob diese neuen Tatsachen überhaupt noch zuzulassen sind, rechtfertigen sie nach Auffassung der Kammer keine abweichende Entscheidung.

Die Berufung der Beklagten hat damit keine Aussicht auf Erfolg. Es wird anheimgestellt, die Berufung aus Kostengründen zurückzunehmen.

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