Skip to content
Menü

Eigenbedarfskündigung des Mieters – Härtegründe des Mieters

LG Hamburg, Az.: 307 S 59/12

Urteil vom 14.02.2013

I. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Blankenese (Geschäfts-Nr.: 532 C 456/11) vom 08. Mai 2012 abgeändert:

Die Beklagten werden verurteilt, die auf dem Grundstück … straße … , 2 H- im Erdgeschoss und Souterrain belegene Wohnung nebst Kellerraum und Garten geräumt an die Klägerinnen herauszugeben.

II. Den Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 31. Oktober 2013 bewilligt.

III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerinnen abzuwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von Euro 10.000,00, wenn nicht die Klägerinnen vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Gründe

I.

Eigenbedarfskündigung des Mieters - Härtegründe des Mieters
Foto: : style-photographs/Bigstock

Die Klägerinnen verfolgen mit ihrer Berufung einen Räumungsanspruch nach ausgesprochener Eigenbedarfskündigung weiter, nachdem das Amtsgericht Hamburg-Blankenese mit Urteil vom 08. Mai 2012 die Klage abgewiesen hat.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Die Klägerinnen beantragen, das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Blankenese vom 08.05.2012 abzuändern und die Beklagten zu verurteilen, die auf dem Grundstück C straße … , 2 H- im Erdgeschoss und Souterrain belegene Wohnung nebst Kellerraum und Garten geräumt an die Klägerinnen herauszugeben.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise den Beklagten eine angemessene Räumungsfrist zu gewähren.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerinnen ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und auch der Sache nach begründet.

Die Klägerinnen können von den Beklagten gemäß § 546 Abs. 1 BGB die Herausgabe der in der C straße … belegenen Mietwohnung verlangen. Denn das die Parteien verbindende Mietverhältnis ist rechtswirksam mit Schreiben vom 04. April 2011 (Anlage K2) gemäß § 573 Abs. 1 BGB zum 31. Dezember 2011 beendet worden.

Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB unter anderem auch dann vor, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt. Hierbei verlangt die Rechtsprechung, dass der Vermieter vernünftige Gründe für die Inanspruchnahme der Wohnung hat, die den Nutzungswunsch nachvollziehbar erscheinen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 26.09.2012, VIII ZR 330/11, Tz. 13 m.w.N.). So liegen die Dinge auch im vorliegenden Falle. Die Klägerinnen haben bei ihrer Anhörung als Partei nachvollziehbar ausgeführt, dass sie dringend auf die Nutzung der im Erdgeschoss und Souterrain belegenen Wohnung des Hauses C straße … angewiesen sind. Der Ehemann, der Klägerin zu 1., Herr …, leidet ausweislich des als Anlage K5 vorgelegten ärztlichen Attestes seit dem Jahre 2003 an einem sogenannten Balint-Sydrom, einer progrendienten neurologischen Erkrankung des zentralen Nervensystems, die zu einer funktionellen Erblindung bei gesundem Sehapparat sowie einer massiven Raum- und Körperwahrnehmungsstörung führt. Die Erkrankung von Herrn … hat sich seit dem Jahre 2006 schubweise erhöht, wie die Klägerin zu 1. nachvollziehbar angegeben hat. Im Sommer 2011 hat sich der gesundheitliche Zustand von Herrn … durch eine Sepsis noch weiter verschlechtert. Die Klägerin zu 1. hat darüber hinaus plausibel angegeben, dass sie beabsichtige, das Erdgeschoss barrierefrei umzubauen und dort eine Pflegeperson unterzubringen. Dies ist in der Obergeschosswohnung nicht möglich, wovon sich die Kammer auch während des Ortstermins vom 01. November 2012 überzeugen konnte. Ein barrierefreier Zugang zum Garten lässt sich durch geringe Umbaumaßnahmen erreichen. Von der Wohnung im Obergeschoss ist dies wegen der Treppe nicht möglich.

Die Zeugin H hat durch ihre Aussage in der mündlichen Verhandlung vom 10. Januar 2013 die Ernsthaftigkeit des Eigennutzungswunsches der Klägerin bestätigt. Die Zeugin hat detailliert und glaubwürdig ausgeführt, dass die Klägerin zu 1. ihr bereits im Jahre 2010 gesagt hat, sie wolle zusammen mit ihrem Ehemann in der Erdgeschosswohnung einziehen. Hierbei konnte die Zeugin auch nähere Angaben zu dem geplanten Umbau machen, unter anderen dem Einbau einer Dusche für Herrn …, einer Küchenzeile sowie dem Ausbau eines Zimmers, in dem eine Pflegekraft wohnen kann.

Soweit sich die Beklagten gegenüber der Eigenbedarfskündigung der Klägerinnen auf einen vertraglichen Ausschluss der Eigenbedarfskündigung berufen, und sich hierbei auf nicht im eigentlichen Mietvertrag enthaltene Schreiben des Bundes als ehemalige Vermieter sowie mündliche Zusagen beziehen, können sie hiermit nicht durchdringen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bedarf ein Verzicht des Vermieters auf das Recht, das Wohnraummietverhältnis wegen Eigenbedarfs zu kündigen, gemäß § 550 Satz 1 BGB der Schriftform, wenn der Verzicht für mehr als 1 Jahr gelten soll (vgl. BGH, Urteil vom 04.04.2007, VIII. ZR 223/06 und Urteil der Kammer vom 30.11.2011, ZMR 2001, 895). Die Schriftform ist vorliegend zweifelsfrei nicht eingehalten.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Eigenbedarfskündigung vorliegend auch nicht treuwidrig. Denn im Streitfall geht es nicht um den Neuabschluss eines Mietvertrages mit den Beklagten bei absehbarem Eigenbedarf (vgl. zu dieser Fallgruppe etwa Schmidt-Futterer/Blank, 10. Aufl., § 573 BGB Rd. 137 m.w.N.). Den Klägerinnen kann nicht entgegengehalten werden, das Haus gekauft zu haben in der Absicht, Eigenbedarf geltend zu machen.

Schließlich können die Beklagten von den Klägerinnen auch nicht die Fortsetzung des Mietverhältnisses gemäß § 574 Abs. 1 BGB verlangen. Dieser Anspruch setzt voraus, dass die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Hiervon kann vorliegend nicht ausgegangen werden:

Die Kammer hat sich ihre Entscheidung nicht leicht gemacht und während zweier mündlicher Verhandlungstermine die Parteien umfassend angehört und sich anlässlich des Ortstermins vom 01. November 2012 auch einen Überblick über die örtlichen Verhältnisse im Hause C straße … verschafft. Die Kammer verkennt auch nicht das hohe Lebensalter der Beklagten, ihre lange Wohndauer im Hause sowie den Umstand, dass auch die Gesundheit beider Beklagten – insbesondere aber die des Beklagten zu 2. – beeinträchtigt ist und die Beklagte zu 1. ihren Ehemann seit vielen Jahren zu pflegen hat.

Eine Vertragsfortsetzung nach § 574 BGB kommt jedoch nur in solchen Fällen in Betracht, in denen den Erhaltungsinteressen des Mieters nach Durchführung einer Interessenabwägung eindeutig der Vorrang gebührt. Es ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass selbst in Fällen, wo die Interessen beider Parteien gleich schwer wiegen, dem Erlangungsinteresse des Vermieters der Vorrang zu geben ist (vgl. hierzu etwa Schmidt-Futterer/Blank, 10. Aufl., § 574 BGB Rd. 64 m.w.N. in Fn. 129). Dass den Interessen der Beklagten gegenüber denjenigen des schwerst pflegebedürftigen Ehemannes der Klägerin zu 1. und dem Bestreben, dessen Wohnumfeld durch den Umzug in die Erdgeschosswohnung zu verbessern, Vorzug zu geben wäre, kann nicht angenommen werden. Allenfalls ist davon auszugehen, dass vorliegend die Interessen beider Seiten in etwa gleich schwer wiegen, was im Ergebnis dazu führt, dass die Beklagten sich nicht auf eine Vertragsfortsetzung gemäß § 574 BGB berufen können.

Unter Berücksichtigung aller Umstände ist den Beklagten gemäß § 721 ZPO eine Räumungsfrist bis zum 31. Oktober 2013 zu gewähren.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da es sich vorliegend um eine Einzelfallentscheidung handelt, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 6, 711 ZPO.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Mietrecht & WEG-Recht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Mietrecht und Wohneigentumsrecht. Vom Mietvertrag über Mietminderung bis hin zur Mietvertragskündigung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Rechtstipps aus dem Mietrecht

Urteile aus dem Mietrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!