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WEG – Abstimmungsberechtigung und Kostentragungsverpflichtung der Tiefgarageneigentümer

AG Hamburg-St. Georg – Az.: 980b C 34/20 – Urteil vom 12.03.2021

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Gültigkeit eines Beschlusses einer Eigentümerversammlung.

Die Parteien sind Mitglieder der WEG … Zwischen ihnen gilt die notarielle Teilungserklärung – nebst Gemeinschaftsordnung (GO) als Anlage II – vom 26.10.2001 (Anlage K1). Auf dem Grundstück der Gemeinschaft befinden sich zwei Wohngebäude mit insgesamt 39 Wohnungen sowie eine Tiefgaragenanlage mit insgesamt 36 PKW-Abstellplätzen. Zwischen den beiden Gebäuden befindet sich eine Grünfläche in Form einer sog. „befahrbaren Hofdecke“ mit etwa 30-50 cm Erdüberdeckung als Vegetationsfläche und darunter die Tiefgarage (s. Lichtbild Anlage K3). Zur Tiefgarageneinfahrt führt eine von der Straße aus nach unten geneigte, gepflasterte Zu- bzw. Ausfahrt, die rechtsseitig im unteren Bereich durch eine Begrenzungsmauer nebst aufgesetztem Gitter sowie linksseitig durch eine Begrenzungsmauer mit aufliegender Bepflanzung eingefasst ist. Im unteren linken Bereich befindet sich ferner eine aus Ziegelsteinen gemauerte, hohe Stützmauer, die – nach rechts verschwenkend – auch die Einfassung für das Tiefgaragentor bildet. Auf dieser Mauer ist ein umlaufender Jägerzaun befestigt; er trennt die o.g. Grünfläche oberhalb der Tiefgarage von der Aussparung für die Zufahrt ab. Wegen der Einzelheiten der baulichen Gegebenheiten wird auf die Lichtbilder gemäß Anlagen K4 und K5 verwiesen.

In § 5 GO („Instandhaltung und Instandsetzung“) heißt es u.a.:

„2) Die Instandhaltung und Instandsetzung (…) sind jeweils ausschließlich Sache der Wohnungs- und Teileigentümer, die Eigentümer von Wohnungs- bzw. Teileigentumsrechten im jeweiligen Gebäude sind (Untergemeinschaften). Die Kosten sind insoweit im Verhältnis der Miteigentumsanteile der beteiligten Wohnungs- bzw. Teileigentümer zu tragen.“

(…)

4) Soweit sich nicht nach Absatz 2) etwas anderes ergibt, obliegt die Instandhaltung und Instandsetzung des Gebäudes und des Grundstückes den Eigentümern gemeinschaftlich; (…)“

In § 20 GO („Wirtschaftlich selbständige Einheiten“) ist folgende Regelung enthalten:

„Auf dem Wohnanlagegrundstück befinden sich zwei Wohngebäude mit insgesamt 39 Wohnungen sowie eine Tiefgaragenanlage mit insgesamt 36 PKW-Abstellplätzen. Weitere stimmberechtigte Sondereigentumseinheiten wurden nicht gebildet.

Hiermit wird bestimmt, das jedes dieser drei Gebäude wirtschaftlich und verwaltungsmäßig, soweit möglich, eine eigene Einheit darstellt.

Bei allen Angelegenheiten, die Mit- und Sondereigentum betreffen, über die die Eigentümer nach den Regeln der Gemeinschaftsordnung zu beschließen hätte, beschließen hierüber nur die Eigentümer der vom Beschluss betroffenen wirtschaftlich selbständigen Einheiten.

Kosten für Instandsetzungs- und Instandhaltungsmaßnahmen und Wiederherstellung für die Gebäudeteile und Anlagen tragen alleine die jeweiligen Eigentümer der jeweils betroffenen wirtschaftlich selbständigen Einheit, untereinander im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile zueinander, unter Berücksichtigung der Regelungen in § 5 Ziffer 2) (…). Soweit diesbezügliche Kosten mehreren wirtschaftlich selbständigen Einheiten zuzurechnen sind, haben diese die Kosten zu tragen, untereinander wiederum im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile zueinander.

(…)“

WEG - Abstimmungsberechtigung und Kostentragungsverpflichtung der Tiefgarageneigentümer
(Symbolfoto: l i g h t p o e t/Shutterstock.com)

Im Auftrag der Gemeinschaft erstattete der Sachverständige … am 06.03.2020 einen „Zustandsbericht mit Maßnahmenempfehlung“ betreffend die Tiefgarage wegen baulicher Schäden (vgl. Anlage K6). Darin heißt es u.a., dass die umlaufend zur Niederfahrt angeordneten Holzzaunelemente weder hinsichtlich der Bauhöhe noch der konstruktionsbedingten Stabilität den bauaufsichtlichen Anforderungen an Umwehrungen entsprechen würden; es sei Unfallpotential gegeben, weswegen der Zaun entfernt und durch ein Stahlgeländer zu ersetzen sei. Das Umfassungsmauerwerk sei alterungsbedingt sanierungsbedürftig bzw. weise einen fortgeschrittenen Sanierungsbedarf auf. Die Erdreichabfangwand an der linken Zufahrtsseite sei nicht ausreichend standsicher und sollte umgehend erneuert werden. Empfohlen werde der Einbau von Stahlbeton-Fertigteil-Stützwänden. Die Modellierung des Geländes solle dabei entlastend verändert werden, also statt einer konstanten Neigung werde eine abgetreppte Böschungsausbildung empfohlen. Mit weniger Aufwand könnten die waagerechten Ebenen gärtnerisch genutzt werden. Das Sichtmauerwerk der Tiefgaragenaußenwand müsse umfänglich saniert werden; die Mauerwerksflächen müssten dazu vollständig entfugt und lose Steine entnommen bzw. defekte Steine ersetzt werden. Ferner bedürfe auch das Abdeckmauerwerk einer wasserundurchlässigen Abdeckung.

Auf der Eigentümerversammlung vom 12.10.2020 wurde zu TOP 7 folgender Beschluss gefasst:

„Diskussion und Beschlussfassung über die Beauftragung gemäß Preisspiegel und Empfehlung des Ingenieurbüro P. für die Sanierung der Tiefgarageneinfahrt von ca. 70 TEUR sowie Beauftragung des Ingenieurbüro P. mit der Bauüberwachung und Abnahme der Arbeiten.

Abstimmungsberechtigt: Untergemeinschaft Garagen

Hinweis: Die Verwaltung hat beschlussgemäß eine Stellungnahme eines Rechtsanwalts zur Fragestellung der Kostenverteilung eingeholt. Diese besagt, dass die Kosten ausschließlich von den Tiefgarageneigentümern zu tragen sind. Eine anwaltliche Stellungnahme kann keine Rechtsverbindlichkeit entfalten. Diese wird nur durch ein rechtskräftiges Urteil erlangt.

Die Eigentümer beschließen und ermächtigen die Verwaltung,

a) mit der Beauftragung des Ingenieurbüros P. gemäß Angebot vom 08.08.20 mit der Mitwirkung an der Vergabe, der Bauüberwachung und Abnahme der Sanierung der Tiefgarageneinfahrt in Höhe von € 9.319,44.

b) mit den Vergabegesprächen und anschliessenden Beauftragung der Firmen G. für die Erd- und Galabauarbeiten gemäß Angebot vom 27. Februar 2020 über ca. € 25.000,00 ausgenommen die Position 2.24 (Pflanzsteine zur treppenartigen Abstufung der Abböschung), der Firma für die Maurer-, Bauklempner- und Schlosserarbeiten gemäß Angebote vom 10. Februar 2020 über ca. € 35.000,00 sowie einer zusätzlichen Sicherheit von ca. € 9.000,00 für unvorhergesehenes.

Für die Verblendung der Stützmauer mit Klinkern werden für die kommende Versammlung Angebote eingeholt und gesondert über die Ausführung beschlossen.

c) Der Jägerzaun wird durch einen Flachstahlzaun gemäß Angebot vom 10. Februar 2020 von … ersetzt und auf die baurechtlich vorgeschriebene Höhe angepaßt, so dass die Absturzsicherung gewährleistet ist.

d) die Kosten über die Einwerbung einer Sonderumlage in Höhe von € 78.000,00 zu finanzieren.

e) die Kostenverteilung erfolgt über Miteigentumsanteile ausschließlich der Tiefgarageneigentümer

Dagegen: 5 (…)

Dafür: 15

Enthaltungen: 2

Somit mehrheitlich angenommen“

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll gemäß Anlage K2 Bezug genommen.

Mit seiner am 11.11.2020 bei Gericht eingegangenen und mit Schriftsatz vom 09.12.2020 begründeten Klage machen die Kläger, die Eigentümer einer Wohnung und eines Stellplatzes in der Tiefgarage sind, geltend, dass der Beschluss vom 12.10.2020 zu TOP 7 ordnungsgemäßer Verwaltung widerspreche. Es entspreche nicht den Vorgaben von § 20 GO, dass nur die Tiefgarageneigentümer stimmberechtigt gewesen und dass nur auf die Eigentümer dieser Untergemeinschaft die Kosten für die beschlossene Sanierungsmaßnahme zu verteilen seien. Die baulichen Maßnahmen würden nicht nur die Tiefgarage, sondern vor allem auch die Gartenanlage betreffen, weswegen die gesamte Gemeinschaft bzw. alle Eigentümer an den Kosten zu beteiligen seien.

Die – unstreitig – instandsetzungsbedürftigen Bauteile seien nicht der als „Gebäude“ in § 20 GO definierten Tiefgarage, sondern der Gartenanlage und damit dem allgemeinen Grundstück der Gemeinschaft zuzurechnen, jedenfalls nicht die Erneuerung der Abfangwand für das Erdreich nebst Nebenarbeiten sowie die Ersetzung des vorhandenen Jägerzauns zur Absturzsicherung. Die Zufahrt zur Tiefgarage sei auch bereits räumlich kein Bestandteil des „Gebäudes“ mehr. Die Abgrenzung zwischen „Gebäuden“ und dem Rest werde in der GO rein baulich vorgenommen.

Die Kläger beantragen, den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 12.10.2020 zu TOP 7 für ungültig zu erklären.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie verteidigen den angefochtenen Beschluss und machen ergänzend geltend, dass die gesamte Ummauerung der Tiefgarageneinfahrt einheitlich ausgeführt und gestaltet sei und seien zeitgleich mit der Tiefgarage gebaut worden. Die Zufahrt sei notwendiger Bestandteil der Tiefgarage. Ohne das Vorhandensein der Tiefgarage bedürfte es weder der Begrenzungsmauern noch des Zauns.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien im Verlauf des Rechtsstreits zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Beschluss der Eigentümerversammlung vom 12.10.2020 zu TOP 7 widerspricht nicht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums.

Die Kläger haben zwar innerhalb der Frist des § 46 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 WEG a.F. geltend gemacht, dass nicht nur diejenigen Eigentümer, die Mitglieder der „Abrechnungseinheit Tiefgarage“ bzw. der „Untergemeinschaft Tiefgarage“ sind, über den Beschluss hätten abstimmen und – vor allem – mit den Kosten der beschlossenen Sanierungsmaßnahme belegt werden durften, sondern dass alle Miteigentümer der WEG für die Kosten aufzukommen hätten. Insoweit steht dieser Würdigung aber hier die Regelung in § 20 GO entgegen, die – entgegen der Meinung der Kläger – auf den Streitfall Anwendung findet, und zwar dahingehend, dass die unstreitig erforderlichen Sanierungsmaßnahmen im Zufahrtsbereich der Tiefgarage diesem „Gebäude“ als „betroffener wirtschaftlich selbständiger Einheit“ zuzuordnen sind. Eine solche im Grundbuch eingetragene Vereinbarung ist – wie Grundbucheintragungen allgemein – objektiv auszulegen; hierbei ist auf den Wortlaut und Sinn abzustellen, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung der Eintragung ergibt. Umstände außerhalb der Eintragung können nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (BGH, ZWE 2020, 180, Rn. 7 = ZMR 2020, 322). Bei einer planwidrigen Regelungslücke ist eine ergänzende Auslegung möglich (Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl. 2021, § 10, Rn. 43).

Im Lichte dieser Maßstäbe ergibt die Auslegung der Regelung(en) in § 20 GO, dass für die anstehenden Sanierungsmaßnahmen an der Zufahrt zur Tiefgarage, wie sie die Eigentümer – sachverständig beraten – beschlossen haben, lediglich die Eigentümer der Tiefgarage abstimmungsberechtigt und kostentragungsverpflichtet sind. Eine Abtrennung dieser Maßnahme an dem „Gebäude Tiefgarage“ von den beiden anderen Wohngebäuden und dem gesamten „Wohnanlagengrundstück“ ist wirtschaftlich und verwaltungsmäßig möglich. Das Gericht teilt insoweit die Ansicht der Kläger, dass die Erneuerung der vorhandenen Abfangwand sowie die Ersetzung des Jägerzauns nicht lediglich zu den Arbeiten am Gebäude „Tiefgarage“ zählen, nicht. Nach einer objektiv-normativen und ergänzenden Auslegung der o.g. Regelung in § 20 GO sind die beschlossenen Arbeiten schwerpunktmäßig auf die Tiefgarage bezogen und auch die Stützwand wie die Schaffung einer Absturzsicherung dienen im Wesentlichen dem Zugang, der Nutzung und der Schaffung der Tiefgarage, auch wenn sie reflexhaft dem gesamten Grundstück zugute kommen. Ohne die Stützwand wäre eine Zufahrt zur Tiefgarage nicht möglich; die Schaffung einer Absturzsicherung folgt zudem der Verkehrssicherungspflicht der Tiefgarageneigentümer (s. zu einem ähnlich gelagerten Sachverhalt etwa BayObLG, Beschl. v. 12.5.2004 – 2Z BR 1/04). Der Fall, wie ihn die Kläger für gegeben sehen, dass nämlich der in Rede stehende Zufahrtsbereich der Tiefgarage lediglich das „Gesamtgrundstück“ (und keines der drei in § 20 GO genannten Gebäude) betrifft, liegt nicht vor. Unzweifelhaft wollte der aufteilende Eigentümer zudem mit den Regelungen in § 20 GO erreichen, dass die Tiefgarage gegenüber den anderen beiden Gebäuden (und dem restlichen Grundstück) „wirtschaftlich und verwaltungsmäßig, soweit möglich, eine eigene Einheit darstellt.“ Dieser Wille wird verwirklicht, wenn im Sinne einer baulich-funktionalen Betrachtung auch diejenigen Gebäude- und Bauteile, die für den Bestand und die Nutzung der Tiefgarage nicht hinweggedacht werden können, diesem „Gebäude“ zugerechnet werden. Bei der Ermittlung des hypothetischen Willens des teilenden Eigentümers ist nämlich darauf abzustellen, welche Regelung er bei einer angemessenen Abwägung der berührten Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise getroffen hätte, wenn er den von ihm nicht geregelten Fall bedacht hätte (vgl. BGH, ZWE 2016, 87, Rn. 21 = ZMR 2016, 245). Die tatsächlichen baulichen Verhältnisse im Bereich der Tiefgarage geben eine interessengerechte Abgrenzung zum „Gesamtgrundstück“ auch her.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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