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Eigenbedarfskündigung – in Eigennutzungsabsicht vermietete Wohnung gekauft

AG Charlottenburg – Az.: 237 C 234/20 – Urteil vom 15.03.2021

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger als Eigentümer und Vermieter nimmt die Beklagte zu 1) als Wohnungsmieterin und den Beklagten zu 2) als weiteren Nutzer der Wohnung nach Kündigungen wegen Eigenbedarfs auf Räumung in Anspruch.

Die im Jahr … geborene Beklagte zu 1) mietete ab 1.10.1993 die 2 ½ Zimmer – Wohnung mit einer Größe von ca. 56,99 m² im … … von den damaligen Eigentümern. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Mietvertrag verwiesen (Anlage K1/Bl. 5 – 13 der Akte). Die Beklagte zu 1) bewohnt diese Wohnung gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Beklagten zu 2). Der im Jahr … geborene Kläger erwarb ohne vorherige Besichtigung das Eigentum an der Wohnung und wurde am 7.2.2019 als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Im April 2019 erhielten die Beklagten eine Mieterhöhung von dem Kläger und am 26.6.2019 betrat der Kläger die Wohnung erstmals zur Besichtigung eines tropfenden Heizungsventils. Anschließend begann der Kläger, der in WhatsApp – Kontakt mit der Tochter der Beklagten stand, auf den Auszug der Beklagten zu drängen. Dabei ging es jedoch nach dem Inhalt der Nachrichten nicht um einen Einzugswunsch des Klägers, sondern darum, dass der Kläger der Meinung war, die Wohnung sei „nicht auf dem aktuellen Stand“ und es müsse dort „einiges modernisiert werden“.

Auch die „geringe Miete“ war nach den Äußerungen des Klägers nicht „auf dem aktuellen Stand“, so dass er eine Sanierung für unwirtschaftlich hielt. Die WhatsApp – Kommunikation zwischen dem Kläger und der Tochter der Beklagten …, auf die Bezug genommen wird (Anlage zur Klageerwiderung/ Bl. 47 – 49 der Akte), drehte sich in der Folgezeit darum, wann das tropfende Heizungsventil repariert würde, und darum, ob die Beklagten nicht ausziehen wollten. Dazu gab es auch ein Treffen mit der Tochter der Beklagten am 14.8.2019. Als der Kläger bei dem Treffen gefragt wurde, was passieren würde, wenn die Beklagten sich nicht auf einen Auszug einlassen wollten, teilte er mit, dann bleibe alles beim Alten, es werde aber auch das Ventil nicht repariert. Von einem Eigennutzungswunsch des Klägers bezüglich der Wohnung war in dem Gespräch keine Rede. Am 31.10.2019 und Ende November 2019 telefonierte die Tochter der Beklagten mit dem Kläger. In diesen Gesprächen drängte der Kläger nachdrücklich auf einen Auszug der Beklagten. Als ihm mitgeteilt wurde, dass die Beklagten nicht ausziehen wollten und nachgefragt wurde, was sich denn geändert habe seit seiner Aussage, dass alles beim Alten bliebe, teilte der Kläger mit, die Wohnung mit dem Mietvertrag der Beklagten lohne sich für ihn nicht. Auch in diesen Telefongesprächen war von einem Eigennutzungswunsch des Klägers keine Rede.

Mit Schreiben vom 9.12.2019, auf das Bezug genommen wird (Anlage K3/Bl. 17/18 der Akte), kündigte der Kläger das Mietverhältnis mit der Beklagten zu 1) wegen Eigenbedarfs und teilte ihr mit, er wolle die Wohnung künftig selber nutzen, da seine jetzige Mietwohnung eine deutlich höhere Monatsmiete aufweise. Zudem habe sich seine Lebenssituation nach einer Trennung und einer neu zu leistenden Unterhaltszahlung verändert und er wolle somit eine günstigere Wohnung bewohnen. Zusätzlich befinde sich sein hauptsächliches soziales Umfeld in Charlottenburg und Wilmersdorf und durch den Umzug würde sich somit der Umgang deutlich vereinfachen. Leider habe er selbst keine weitere freie Wohnung im Eigentum oder angemietet und könne ihr daher auch keine Alternative zu ihrer jetzigen Wohnung anbieten. Die Beklagte zu 1) wurde in dem Schreiben zur Rückgabe der Wohnung „bis zum 31.09.2020“ aufgefordert.

Mit weiterem Schreiben vom gleichen Tag unterbreitete der Kläger der Beklagten zu 1) ein „Angebot zu einem Aufhebungsvertrag“, gültig bis zum 31.12.2019. Auf dieses Schreiben wird verwiesen (Anlage K4/Bl. 19 – 21 der Akte). Die Beklagte zu 1) widersprach der Kündigung mit anwaltlichem Schreiben vom 21.7.2020, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Anlage K5/Bl. 22 -25 der Akte). In dem Schreiben machte die Beklagte zu 1) unter anderem geltend, sie und ihr Ehemann seien in der Wohngegend und in ihrer Wohnung seit 25 Jahren tief verwurzelt und würden beide einen Umzug seelisch und körperlich nicht verkraften. Beide litten unter gesundheitlichen Einschränkungen, die die Notwendigkeit einer ständigen ärztlichen Kontrolle mit sich brächten. Ihre Familie, auf die sie zur Unterstützung dringend angewiesen seien, wohne ebenfalls in Charlottenburg in nächster Nähe.

Auf Seite 4 der Klageschrift vom 21.10.2020 erklärte der Kläger nochmals vorsorglich die Kündigung wegen Eigenbedarfs zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Dazu führte er aus, er bewohne derzeit eine 120 m² große Wohnung in Friedrichshain und zahle dort eine monatliche Warmmiete in Höhe von 1.848,00 Euro. Es handele sich um eine 3 Zimmer – Wohnung und nach der Trennung von seiner Lebensgefährtin, die bislang immer zur Miete beigetragen habe, sei ihm diese Wohnung zu groß und auch zu teuer. Hinzu kämen nun auch noch Unterhaltsverpflichtungen für das gemeinsame Kind in einer Höhe von voraussichtlich ca. 1.500,00 Euro pro Monat. Es laufe derzeit noch ein Rechtsstreit zu diesem Thema, in dem er kurzfristig ein Urteil in dieser Größenordnung erwarte. Er werde in jedem Fall mit einer erheblichen Zahlung belastet, weil er die monatlich geschuldeten Unterhaltsbeträge von Juli 2018 bis Januar 2020 nachzuzahlen habe. Seit Januar 2020 sei er noch dazu arbeitslos und beziehe ALG I. Unabhängig von den erheblich ins Gewicht fallenden finanziellen Gesichtspunkten liege sein privater Lebensmittelpunkt seit geraumer Zeit in Charlottenburg-Wilmersdorf. Der Szenebezirk Friedrichshain ziehe eher sehr junge Menschen und Studenten an, mit denen er jedoch keine Gemeinsamkeiten (mehr) habe. Sein Freundeskreis habe sich deshalb fast komplett nach Charlottenburg-Wilmersdorf verlagert. Außerdem habe er den Beklagten eine gütliche Einigung angeboten. Dieser Vorschlag berücksichtige die Tatsache, dass die Wohnung lediglich sehr einfachen Standard biete, der nur durch aufwendige Sanierungsarbeiten beseitigt werden könne. Insbesondere sei kein Fahrstuhl vorhanden, was das Wohnen für die Beklagte zu 1), die mittlerweile fast 70 Jahre alt sei, auf Dauer immer beschwerlicher gestalte. Die Beklagten wünschten aber keine einvernehmliche Regelung.

Die derzeitige monatliche Nettokaltmiete für die von der Beklagten zu 1) angemietete Wohnung beläuft sich auf 250,70 Euro. Laut Auskunft des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten vom 10.12.2020 war der Kläger vom 1.2.2015 bis 19.12.2019 unter der Anschrift … gemeldet und ist seit 19.12.2019 unter der Anschrift … Berlin gemeldet.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 2.12.2020 vorgetragen, er bewohne seine jetzige Wohnung seit 1. Januar 2015 und ab Sommer 2018 habe sich sein Leben im massiven Umbruch befunden. Seine Lebensgefährtin habe ihn mitsamt dem neugeborenen gemeinsamen Kind verlassen und sei zu ihren Eltern nach … gezogen. Die bislang von ihm bewohnte Wohnung sei leer erschienen und sei auch überdimensioniert für seine Bedürfnisse. Er fühle sich außerdem zu alt für den (Party-) Kiez, in dem er bis heute lebe, und wolle in eine ruhigere Gegend ziehen. Aus diesem Grund habe er die von den Beklagten bewohnte Wohnung erworben, die er von Beginn an selbst habe nutzen wollen. Der Notartermin für die Wohnung sei im Dezember 2018 gewesen. Den Wunsch zur Eigennutzung habe er jedoch zunächst zurückgestellt, weil er die neue Situation zunächst habe bewältigen und sich nicht zusätzlich mit einer absehbaren rechtlichen Auseinandersetzung mit den Beklagten habe belasten wollen.

Der Kläger behauptet, seine Gesamtsituation habe seinen ohnehin schlechten Gesundheitszustand verschlechtert. Er leide bereits seit Ende 2015 unter einem schweren Burnout und Depressionen. Damit seien zunächst weder ein Umzug noch sonstige Veränderungen seines Lebensumfelds in Betracht gekommen. Folge seines schlechten Gesundheitszustands seien außerdem erhebliche Probleme in seinem sehr fordernden Beruf gewesen. Nachdem er insgesamt 15 Jahre im Vertrieb bei … gearbeitet habe, wo er zuletzt ein Festgehalt in Höhe von monatlich ca. … Euro netto bezogen haben, welches er durch gute Verkaufszahlen mit Provision auf etwa … bis … Euro habe erhöhen können, habe sein Arbeitgeber wegen der immer schlechteren Verkaufszahlen nach Kündigungsmöglichkeiten gesucht und habe sein Arbeitsverhältnis schließlich mit der Begründung gekündigt, er habe eigenmächtig Urlaub genommen und die Arbeit verweigert. Daraufhin habe ihn Panik erfasst, weil ihm klar gewesen sei, dass er demnächst ohne Einkünfte aus seiner Berufstätigkeit dastehen würde. Hinzu kämen die Unterhaltsforderungen und rückständiger Unterhalt. Alle diese Parameter führten zu der dringenden Notwendigkeit, die monatlichen Ausgaben drastisch zu reduzieren. Im Verhandlungstermin am 14.12.2020 hat der Kläger dem Gericht dann auf die Nachfrage, warum er sich mit Einzugsdatum 19.12.2019 in der Wohnung …, … in Friedrichshain angemeldet hat, erklärt, er habe ursprünglich von der … umziehen wollen. Er wohne aber nach wie vor in der …. Bei der Wohnung in der … handele es sich um sein Wohneigentum. Es sei eine 3 Zimmer – Wohnung mit 75 m². Er sei schließlich nicht dort eingezogen, weil die Wohnung unbewohnbar gewesen sei. Die Wohnung sei aktuell immer noch nicht bewohnbar und deswegen auch nicht vermietet. Dort sei gerade ein großer Wasserschaden und sie müsse grundsaniert werden. Er wolle dort auch nicht einziehen, sondern wolle seine Wohnung in Charlottenburg beziehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Klagevortrags wird auf die Klagebegründung, den Schriftsatz vom 2.12.2020 und auf die Ausführungen des Klägers im Verhandlungstermin am 14.12.2020 verwiesen (Bl. 2 – 4, 51 – 66 und 71R/72 der Akte).

Der Kläger beantragt, die Beklagten zu verurteilen, die von ihnen innegehaltene Wohnung in der … Berlin, …, …, bestehend aus 2,5 Zimmern nebst Küche, Bad, Diele, Toilette, Mansarde, Bodenraum und Kellerraum, zu räumen und geräumt an ihn herauszugeben.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen; hilfsweise, ihnen eine angemessene Räumungsfrist zu gewähren.

Die Beklagten halten den nun geltend gemachten Eigenbedarf im Hinblick auf die Gespräche und den Schriftverkehr mit dem Kläger nach Erwerb der Wohnung für nicht glaubhaft und vorgeschoben. Insbesondere berufen sie sich darauf, es sei widersprüchlich, dass der Kläger zum 19.12.2019 in die … in Friedrichshain habe umziehen wollen und daran durch den Wohnungszustand gehindert worden sein wolle, während er zugleich vortrage, er habe zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in Friedrichshain wohnen wollen und habe deshalb mit Schreiben vom 9.12.2019 das Mietverhältnis gekündigt, um nach Charlottenburg zu ziehen. Die Beklagten bestreiten, dass der Kläger nicht in der … wohnt und dass diese Wohnung unbewohnbar ist und/oder einen Wasserschaden aufweisen soll und grundsaniert werden muss. Außerdem halten es die Beklagten für treuwidrig, sich nach Erwerb einer vermieteten Wohnung binnen kurzer Zeit auf Eigenbedarf zu berufen. Sie machen geltend, jedenfalls sei das Interesse des Klägers an der Selbstnutzung der Wohnung weit weniger schützenswert als ihr Interesse, in der Wohnung zu verbleiben. Ergänzend tragen die Beklagten vor, nach eingeholten Grundbuchauskünften sei der Kläger neben der von ihm verschwiegenen Wohnung in der … in Friedrichshain noch Eigentümer von mindestens vier weiteren Wohnungen, einer in …, einer in …, einer in … und einer Wohnung in …. Zudem scheine er – der Gebäudefläche nach zu urteilen – in … drei ganze Mehrfamilienhäuser zu besitzen. Vor diesem Hintergrund erscheine der Kläger nicht als Eigentümer einer einzelnen Wohnung, der nunmehr in seinem einzigen Eigentum wohnen wolle, sondern als Immobilieninvestor, für den unvermietete Wohnungen schlicht einen größeren Wert besäßen als vermietete. Da der Kläger diesen Umstand mit keinem Wort erwähnt habe, sei sein Vortrag insgesamt unglaubwürdig und ein Selbstnutzungswunsch an der von ihnen genutzten Wohnung gänzlich fern liegend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beklagtenvortrags wird auf die Klageerwiderung vom 1.12.2020 und die Schriftsätze vom 23.12.2020 und 21.1.2021 verwiesen (Bl. 37 – 49, 74 – 78 und 89 – 94 der Akte).

Nach mündlicher Verhandlung zur Hauptsache am 14.12.2020 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 4.1.2021 Klagerücknahme erklärt. Die Beklagten haben der ihnen am 11.1.2021 zugestellten Klagerücknahme mit am gleichen Tag per Fax vorab bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 21.1.2021 widersprochen und ihre Einwilligung verweigert. Anschließend hat der Kläger auf Nachfrage des Gerichts mit Schriftsatz vom 2.2.2021 mitgeteilt, er verzichte gemäß § 306 ZPO auf den mit der Klage geltend gemachten Anspruch. Nach Hinweis des Gerichts gemäß Verkündungsprotokoll vom 8.2.2021, dass der Verzicht nur in einer mündlichen Verhandlung erklärt werden kann und deswegen neuer Verhandlungstermin anberaumt wird, ist der Kläger zu dem auf den 22.2.2021 anberaumten Termin trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen. Die Beklagten haben daraufhin Entscheidung nach Lage der Akten beantragt.

Entscheidungsgründe:

Es ist nun gemäß §§ 331a, 251a Abs. 2 ZPO antragsgemäß durch Urteil nach Lage der Akten zu entscheiden. Denn die Klagerücknahme vom 4.1.2021 war mangels erforderlicher Einwilligung der Beklagten gemäß § 269 Abs. 1 ZPO wirkungslos. Es kann auch kein Verzichtsurteil erlassen werden, weil der Kläger nicht wirksam auf den geltend gemachten Räumungsanspruch gemäß § 306 ZPO verzichtet hat. Denn nach dieser Bestimmung muss der Verzicht zwingend in der mündlichen Verhandlung erklärt werden und der Kläger ist zu dem deswegen anberaumten Verhandlungstermin trotz entsprechenden Hinweises nicht erschienen.

Die Klage ist als unbegründet abzuweisen.

Die Beklagten sind weder gemäß § 546 Abs. 1, 2 BGB noch gemäß § 985 BGB verpflichtet, die von ihnen innegehaltene Wohnung geräumt an den Kläger herauszugeben. Denn das Mietverhältnis des Klägers mit der Beklagten zu 1) ist durch seine Kündigungen vom 9.12.2019 und 21.10.2020 nicht wirksam gemäß § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB beendet worden mit der Folge, dass beiden Beklagten noch ein Recht zum Besitz an der Wohnung gemäß § 986 Abs. 1 S. 1 BGB zusteht. Das Gericht kann nach den gesamten Umständen dieses Falles, insbesondere den nicht wahrheitsgemäßen und widersprüchlichen Ausführungen des Klägers sowohl in der Begründung seiner Kündigungen als auch in diesem Prozess, schon nicht davon ausgehen, dass der Kläger die streitgegenständliche Wohnung tatsächlich zur Eigennutzung benötigt im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Denn am 19.12.2019, also nur 10 Tage nach dem 9.12.2019, als der Kläger ausweislich des als Anlage K3 eingereichten Kündigungsschreibens die Absicht gehabt haben soll, die streitgegenständliche Wohnung zu beziehen, hat er sich in seiner bisherigen Wohnung in der … in Berlin-Friedrichshain abgemeldet und in der …in Berlin-Friedrichshain angemeldet. Dort ist er auch nach wie vor gemeldet, so dass das Gericht dem Kläger nicht glaubt, dass er diese Wohnung nie bezogen hat. Darauf kommt es im Ergebnis aber noch nicht einmal entscheidend an. Denn das Gericht glaubt dem Kläger angesichts aller Umstände im Zusammenhang mit dem Erwerb der Wohnung und angesichts des Inhalts der Kommunikation mit der Tochter der Beklagten nicht, dass er die streitgegenständliche Wohnung tatsächlich selbst nutzen möchte. Dagegen spricht zunächst, dass er die Wohnung ohne vorherige Besichtigung gekauft hat und dass er sodann zunächst monatelang Gespräche mit der Tochter der Beklagten mit dem Inhalt geführt hat, ob die Beklagten ihre Wohnung nicht freiwillig räumen würden, weil sie so für ihn unrentabel sei und saniert werden müsse. Dabei war in den Gesprächen mit der Tochter der Beklagten und dem WhatsApp – Schriftverkehr, der vorliegt, nie von einer gewünschten Eigennutzung der Wohnung durch den Kläger die Rede. Die erforderliche Verringerung der Ausgaben und Reduzierung der Wohnfläche wurde in der Kündigung vom 9.12.2019 aber gerade damit begründet, die Lebenssituation des Klägers habe sich nach der Trennung und einer neu zu leistenden Unterhaltszahlung verändert und er wolle eine günstigere Wohnung bewohnen. Nach dem Klagevortrag fand diese Trennung schon im Juli 2018 statt und zog Unterhaltszahlungen für das gemeinsame Kind nach sich. Es handelte sich also um keinen neuen Sachverhalt, der sich erst nach der Kommunikation mit der Tochter der Beklagten im Verlauf des Jahres 2019 – in der den Beklagten immer wieder die freiwillige Räumung der Wohnung im Wege einer gütlichen Einigung nahegelegt wurde – ergeben hätte. Dennoch hat der Kläger seinen Eigennutzungswunsch vor der Kündigung vom 9.12.2019 mit keinem Wort erwähnt, obwohl noch im Oktober und November 2019 Telefongespräche mit der Tochter der Beklagten stattfanden. Das Gericht hält die Eigenbedarfskündigungen des Klägers aber auch deshalb für vorgeschoben, weil es ihm nach seiner unwahren Behauptung in dem Kündigungsschreiben vom 9.12.2019 (Anlage K3), er habe selbst „keine weitere Wohnung im Eigentum oder angemietet“, nichts mehr glauben kann. Denn im ersten Verhandlungstermin hat der Kläger auf den Vorhalt des Gerichts bezüglich der Ummeldung am 19.12.2019 völlig kaltschnäuzig reagiert und ohne jedes Problembewusstsein mitgeteilt, die Wohnung in der … in Berlin – Friedrichshain stehe ebenfalls in seinem Eigentum, ohne die wahrheitswidrige Behauptung in seinem Kündigungsschreiben irgendwie zu erklären. Das Gericht glaubt dem Kläger außerdem auch nicht, dass er im Dezember 2019 tatsächlich nicht in diese Wohnung umgezogen ist und dass die Wohnung als Sanierungsfall nach wie vor leer steht. Denn der Kläger ist tatsächlich seit 19.12.2019 durchgehend unter der Anschrift … in Berlin – Friedrichshain gemeldet und hat auch keine Bestätigung eines Vermieters vorgelegt, nach der er nach wie vor in der … wohnen soll. Außerdem kann das Gericht nicht davon ausgehen, dass der Kläger es sich nach seinen Angaben zu inzwischen eingeschränkten finanziellen Verhältnissen infolge Arbeitslosigkeit leisten könnte und wollte, eine 75 m² große Wohnung in bester Wohnlage in Friedrichshain über ein Jahr leer stehen zu lassen und nicht mit der Sanierung zu beginnen zwecks zeitnaher lukrativer Vermietung, sollte er die Wohnung tatsächlich nicht selbst bewohnen. Im Übrigen ist die Eigentumswohnung des Klägers in der … mit 3 Zimmern und 75 m² vorzüglich geeignet, seinen verringerten Wohnbedarf als Single zu befriedigen, ohne die gewohnte örtliche Umgebung in Friedrichshain verlassen zu müssen. Hinzu kommt noch, dass die von den Beklagten innegehaltene Wohnung mit nur 2 ½ Zimmern und 56,99 m² angesichts der Lebensverhältnisse des Klägers ungeeignet für eine Eigennutzung erscheint, weil sie angesichts seiner bisherigen Wohnverhältnisse zu klein erscheint. Denn der Kläger hat nach seinem Vortrag von Januar 2015 bis Juli 2018 mit seiner Lebensgefährtin eine 120 m² große Wohnung in Friedrichshain bewohnt und wollte nach seiner Erklärung im ersten Verhandlungstermin im Dezember 2019 in eine 75 m² große 3 Zimmer – Wohnung in Friedrichshain umziehen, obwohl eine Verschlechterung seiner finanziellen Verhältnisse damals schon eingetreten gewesen sein soll. Das Gericht glaubt dem Kläger deshalb auch nicht, dass er die streitgegenständliche Wohnung als geeignet zu Befriedigung seines Wohnbedarfs ansieht. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Beklagten inzwischen ermittelt haben, dass der Kläger auch noch Eigentümer vieler weiterer Wohnungen ist. Es erscheint nicht nachvollziehbar, dass der Kläger sich in einer relativ kleinen Wohnung niederlassen sollte, wenn doch seine finanziellen Verhältnisse offensichtlich völlig andere sind als in diesem Prozess dargestellt. Auch vor diesem Hintergrund stellt sich der Eigennutzungswunsch des Klägers als vorgeschoben dar. Denn offensichtlich soll die Räumung der von den Beklagten genutzten Wohnung nur zwecks besserer wirtschaftlicher Verwertung durchgesetzt werden, was der Kläger in den Gesprächen mit der Tochter der Beklagten im Verlauf des Jahres 2019 auch schon hatte anklingen lassen. Dieser Kündigungstatbestand fällt aber unter § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB und eine entsprechende Kündigung hat der Kläger nicht erklärt.

Nur vorsorglich und ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die klägerischen Kündigungen auch für rechtsmissbräuchlich und deswegen für unwirksam zu erachten wären.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass einer Kündigung der Einwand aus § 242 BGB wegen widersprüchlichen Verhaltens des Vermieters entgegensteht, wenn ein Vermieter mit einem Mieter einen unbefristeten Mietvertrag in dem Wissen schließt, die Wohnung demnächst wegen Eigenbedarfs kündigen zu wollen. Für den Mieter einer an einen zur Eigennutzung entschlossenen Erwerber veräußerten Eigentumswohnung kann im Ergebnis nichts anderes gelten als für den Mieter, der originär einen Mietvertrag mit einem zur Eigennutzung entschlossenen Vermieter schließt. Hier hat der Kläger den Mietvertrag zwar nicht originär mit der Beklagten zu 1) abgeschlossen in dem Wissen, das Mietverhältnis alsbald wegen Eigenbedarfs kündigen zu wollen. Er ist jedoch kraft eigener Entscheidung gemäß § 566 Abs. 1 BGB in den bestehenden Mietvertrag eingetreten, indem er die von den Beklagten schon seit dem 1.10.1993 bewohnte Wohnung bereits mit dem Ziel erworben hat, sie selbst nutzen zu wollen. Das hat der Kläger jedenfalls in diesem Prozess vorgetragen. Auf die hier nur auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen der Abteilung 230 in dem Urteil vom 5.9.2019 zur Rechtsmissbräuchlichkeit einer solchen Kündigung wird in vollem Umfang Bezug genommen (vgl. AG Charlottenburg, Urteil vom 5.9.2019 zu 230 C 45/19, veröffentlicht bei Juris).

Dafür, dass eine von dem Erwerber einer vermieteten Wohnung zeitnah nach Eigentumserwerb ausgesprochene Kündigung wegen Eigenbedarfs für rechtsmissbräuchlich zu erachten ist, spricht auch, dass das Besitzrecht eines langjährigen Wohnungsmieters nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls Eigentum im Sinne von Art. 14 Abs. 1 GG ist, der Mietbesitz also ebenfalls unter dem Schutz des Grundgesetzes steht (so BVerfG WuM 1993, 377). Jemand, der in Eigennutzungsabsicht eine vermietete Wohnung erwirbt, greift damit willkürlich und ohne zwingende Notwendigkeit in rechtsmissbräuchlicher Weise in die grundgesetzlich geschützte Rechtsposition des langjährigen Mieters ein.

Denn er könnte ja ohne jegliche Beeinträchtigung von Rechten Dritter eine unvermietete Wohnung erwerben. Allein der finanzielle Vorteil bei Erwerb einer vermieteten Wohnung vermag den erheblichen Grundrechtseingriff nicht zu rechtfertigen.

Da die klägerischen Kündigungen wegen Eigenbedarfs nach den obigen Ausführungen unwirksam sind, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Beklagten die Fortsetzung des Mietverhältnisses gemäß §§ 574ff. BGB fordern könnten.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 2 ZPO.

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