Lebensgemeinschaft reicht für Eintritt in Mietvertrag
Das Urteil des LG Berlin bekräftigt das Eintrittsrecht eines Haushaltsangehörigen in den Mietvertrag nach dem Tod des Hauptmieters, wobei eine enge und fürsorgliche Beziehung, auch ohne intime Liebesbeziehung, als ausreichend für das Eintrittsrecht angesehen wird.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Zentrale Punkte des Urteils:
- Bestätigung des Eintrittsrechts: Das Gericht bestätigt das Eintrittsrecht des Beklagten in den Mietvertrag des verstorbenen Mieters gemäß § 563 Abs. 2 Satz 4 BGB.
- Kein Bedarf an intimer Beziehung: Eine intime Liebesbeziehung zwischen dem Beklagten und dem verstorbenen Mieter wird für das Eintrittsrecht nicht als notwendig erachtet.
- Langjährige gemeinsame Haushaltsführung: Der Beklagte und der verstorbene Mieter lebten fast 20 Jahre zusammen, was als ausreichend für das Eintrittsrecht bewertet wurde.
- Enge und fürsorgliche Beziehung: Das Gericht erkennt die Beziehung zwischen dem Beklagten und dem verstorbenen Mieter als eng und fürsorglich an, ähnlich einer Vater-Sohn-Beziehung.
- Unbegründete Berufung: Die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts wurde als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
- Auslegung des Gesetzes: Die Auslegung des § 563 Abs. 2 Satz 4 BGB wurde nicht im Sinne einer exklusiven Lebensgemeinschaft interpretiert.
- Berücksichtigung individueller Umstände: Das Gericht berücksichtigte die individuellen Lebensumstände und die Art der Beziehung für seine Entscheidung.
- Schutz des Mietverhältnisses: Das Urteil unterstreicht den Schutz von Mietverhältnissen in Fällen, in denen der Hauptmieter verstirbt.
Übersicht
Das Mietrecht sieht verschiedene Regelungen vor, um die Kontinuität von Mietverhältnissen zu gewährleisten, insbesondere in Fällen, in denen der Hauptmieter verstirbt. Eine zentrale Rechtsfrage in diesem Kontext betrifft das Eintrittsrecht von Haushaltsangehörigen in den bestehenden Mietvertrag. Dieses Recht ermöglicht es Personen, die mit dem verstorbenen Mieter in einem gemeinsamen Haushalt lebten, unter bestimmten Bedingungen in den Mietvertrag einzutreten und somit die Wohnsituation zu stabilisieren.
Die juristische Herausforderung liegt in der Auslegung der Voraussetzungen, unter denen das Eintrittsrecht greift. Besondere Aufmerksamkeit erfordert die Frage, inwiefern eine Lebensgemeinschaft oder eine enge, haushaltsführende Bindung zwischen dem Verstorbenen und dem potenziellen Nachmieter bestanden haben muss. Diese Thematik berührt nicht nur die rechtlichen Aspekte von Mietverhältnissen, sondern auch persönliche Lebensumstände und zwischenmenschliche Beziehungen, was die rechtliche Beurteilung besonders komplex macht.
Das Landgericht Berlin hat sich in einem Urteil mit dieser Thematik auseinandergesetzt und dabei wichtige Kriterien für das Eintrittsrecht sowie dessen Anwendung in der Praxis definiert. Der Fall zeigt, wie das Mietrecht auf individuelle Lebenssituationen eingeht und welche Rolle juristische Interpretationen in der Anwendung von Mietrecht spielen.
Eintrittsrecht im Mietvertrag: Ein wegweisender Fall
In einem bemerkenswerten Fall, der vor dem Landgericht Berlin verhandelt wurde, stand das Eintrittsrecht eines Haushaltsangehörigen in einen Mietvertrag nach dem Tod des ursprünglichen Mieters im Mittelpunkt. Dieser Fall, gekennzeichnet durch die Aktennummer 67 S 390/15 und entschieden am 17. Dezember 2015, beleuchtet ein wichtiges, aber oft übersehenes Gebiet des Mietrechts. Im Kern ging es darum, ob ein langjähriger Mitbewohner des verstorbenen Mieters das Recht hat, in den bestehenden Mietvertrag einzutreten.
Die rechtliche Komplexität des Mietverhältnisses
Das Gericht musste prüfen, ob die Voraussetzungen des § 563 Abs. 2 Satz 4 BGB erfüllt waren, die das Eintrittsrecht von Personen regeln, die mit dem Mieter einen auf Dauer angelegten Haushalt führen. Der Beklagte, der seit 1995 mit dem verstorbenen Mieter zusammenlebte, stand im Mittelpunkt dieser Prüfung. Die Beziehung zwischen ihnen wurde als eng und von gegenseitiger Fürsorge geprägt beschrieben, ähnlich der zwischen Vater und Sohn. Die Kernfrage war, ob diese enge Beziehung ausreichte, um die rechtlichen Anforderungen für das Eintrittsrecht zu erfüllen.
Die Argumente und Entscheidung des Gerichts
Die Berufung gegen die ursprüngliche Entscheidung des Amtsgerichts, die die Räumungsklage abwies, wurde als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen. Das Amtsgericht hatte festgestellt, dass der Beklagte und der verstorbene Mieter über zwei Jahrzehnte eine gemeinsame Haushaltsführung praktizierten. Diese Feststellung wurde durch umfangreiche Beweisaufnahme und -würdigung untermauert. Ein zentrales Argument gegen den Eintritt des Beklagten war das Fehlen einer intimen Liebesbeziehung, jedoch wurde dies vom Gericht nicht als ausschlaggebend erachtet.
Lebensgemeinschaft als Schlüsselkriterium
Das Gericht stellte klar, dass das Bestehen einer Lebensgemeinschaft, die über eine reine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht, entscheidend ist. In diesem Fall wurde die Beziehung zwischen dem Beklagten und dem verstorbenen Mieter als ausreichend eng und exklusiv erachtet, um den Anforderungen des § 563 Abs. 2 Satz 4 BGB zu entsprechen. Die Auslegung des Gesetzes, insbesondere die Bedeutung der Lebensgemeinschaft, spielte eine zentrale Rolle in der Urteilsfindung. Das Gericht betonte, dass der Schutz des Eintrittsrechts auch ohne das Vorhandensein einer intimen Beziehung oder einer Lebensgemeinschaft im traditionellen Sinne bestehen kann.
Dieses Urteil verdeutlicht die Komplexität und die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung des Mietrechts, besonders in Bezug auf das Eintrittsrecht bei Haushaltsangehörigen. Es stellt einen wichtigen Präzedenzfall für ähnliche Fälle in der Zukunft dar und wirft ein Licht auf die Bedeutung der individuellen Umstände und der Interpretation gesetzlicher Vorschriften.
✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
Was bedeutet das Eintrittsrecht eines Haushaltsangehörigen in einen Mietvertrag und unter welchen Umständen kommt es zur Anwendung?
Das Eintrittsrecht eines Haushaltsangehörigen in einen Mietvertrag bezieht sich auf die Möglichkeit, dass eine Person, die mit dem Hauptmieter in einem Haushalt lebt, den Mietvertrag übernehmen kann. Dies kann insbesondere dann relevant sein, wenn der Hauptmieter auszieht oder verstirbt. Die genauen Umstände, unter denen das Eintrittsrecht zur Anwendung kommt, können variieren und hängen von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich der spezifischen Bestimmungen des Mietvertrags und der geltenden Gesetze. In Deutschland regelt § 563 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) das Eintrittsrecht von Familien- und Haushaltsangehörigen in das Mietverhältnis. Demnach tritt der Ehegatte oder Lebenspartner des Mieters sowie Personen, die mit dem Mieter in einem auf Dauer angelegten, gemeinsamen Haushalt leben, in das Mietverhältnis ein, wenn der Mieter stirbt. Auch bei einer Kündigung des Mietverhältnisses durch den Vermieter kann unter bestimmten Voraussetzungen ein Eintrittsrecht bestehen.
Das vorliegende Urteil
LG Berlin – Az.: 67 S 390/15 – Beschluss vom 17.12.2015
Die Kammer beabsichtigt, die Berufung als offensichtlich unbegründet im Beschlusswege zurückzuweisen.
Gründe
I.
Die Berufung ist gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen, da sie offensichtlich unbegründet ist und auch die sonstigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorliegen.
Die Berufung ist offensichtlich unbegründet. Zutreffend hat das Amtsgericht die Räumungsklage abgewiesen, da dem Kläger ein Räumungs- und Herausgabeanspruch gemäß den §§ 546 Abs. 1, 985 BGB gegenüber dem Beklagten nicht zusteht. Der Beklagte ist gemäß § 563 Abs. 2 Satz 4 BGB in das im Jahre 1983 mit dem am 10. April 2014 verstorbenen Mieter begründete Mietverhältnis eingetreten. Dagegen vermag die Berufung nichts zu erinnern.
Gemäß § 563 Abs. 2 Satz 4 BGB treten Personen, die mit dem Mieter einen auf Dauer angelegten Haushalt führen, mit dem Tod des Mieters in das Mietverhältnis ein, wenn nicht der Ehegatte oder Lebenspartner eintritt. Diese Voraussetzungen hat der Beklagte erfüllt, da der Eintritt eines Ehegatten oder Lebenspartners nicht erfolgt ist und der verstorbene Mieter seit dem Jahre 1995 bis zu seinem Tode über nahezu 20 Jahre gemeinsam mit dem 26 Jahre jüngeren Beklagten in der streitgegenständlichen Wohnung gelebt hat und über ein enges und von gegenseitiger Fürsorge geprägtes, der Beziehung zwischen einem Vater und seinem Sohn ähnelndes Verhältnis mit diesem verbunden war. Dass der Beklagte mit dem verstorbenen Mieter in der von ihm behaupteten Form einen auf Dauer angelegten Haushalt geführt hat, steht zur zweifelsfreien Überzeugung der Kammer aufgrund der aufwändigen und überzeugenden Beweiserhebung und -würdigung des Amtsgerichts, auf die die Kammer Bezug nimmt und der nichts hinzuzufügen ist, fest.
Soweit die Berufung rügt, ein Eintritt des Beklagten nach § 563 Abs. 2 Satz 4 BGB scheide aus, da er mit dem verstorbenen Mieter keine intime Liebesbeziehung geführt habe, vermag sie damit nicht durchzudringen, auch wenn zum Teil vertreten wird, § 563 Abs. 2 Satz 4 BGB verlange über seinen Wortlaut hinaus das Bestehen einer Lebensgemeinschaft, die keine weiteren Bindungen gleicher Art zulasse (vgl. zum Meinungsstand Streyl, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 563 Rz. 35 f. m.w.N.):
Zwar ist der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung davon ausgegangen, dass § 563 Abs. 2 Satz 4 BGB eine Lebensgemeinschaft erfordert, “die auf Dauer angelegt ist, keine weiteren Bindungen gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Füreinandereinstehen begründen, die über eine reine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen” (BT-Drucks 14/4553, S. 61). Das führt aber nicht zu einer Auslegung der Vorschrift im von der Berufung verstandenen Sinne.
Den Gesetzesmaterialien, die bei der Auslegung eines Gesetzes ohnehin nur mit Vorsicht heranzuziehenden sind (vgl. BVerfG, Urt. v. 16. Februar 1983 – 2 BvE 1/83, 2 BvE 2/83, 2 BvE 3/83, 2 BvE 4/83, BVerfGE 62, 1, 45; BGH, Urt. v. 1. Juli 2014 – VI ZR 546/13, MDR 2014, 425 Tz. 15), lässt sich nicht mit der gebotenen Gewissheit entnehmen, dass der historische Gesetzgeber von einer den Gesetzeswortlaut verengenden Reichweite des § 563 Abs. 2 Satz 4 BGB ausgegangen ist. Denn ihm hat für das Bestehen eines auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushaltes ausweislich der Gesetzesbegründung gleichzeitig “auch das dauerhafte Zusammenleben alter Menschen als Alternative zum Alters- oder Pflegeheim” ausgereicht (BT-Drucks. 14/4553, a.a.O.). Derart begründete Haushalts- und Lebensgemeinschaften sind aber gerade nicht von einer Exklusivität gekennzeichnet, die “keine weiteren Bindungen gleicher Art zulässt”.
Davon abgesehen kommt der Gesetzesbegründung für die Auslegung des § 563 Abs. 2 Satz 4 BGB im streitgegenständlichen Zusammenhang ohnehin keine erhebliche Bedeutung zu, da die in den Gesetzesmaterialien angedeutete Exklusivität der Haushalts- und Lebensgemeinschaft im Gesetz keinen hinreichenden Niederschlag gefunden hat. Die vorrangig am objektiven Sinn und Zweck des Gesetzes zu orientierende Auslegung kann nämlich nicht durch Motive gebunden werden, die im Gesetzgebungsverfahren zwar dargelegt wurden, im Gesetzeswortlaut aber keinen Ausdruck gefunden haben (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschl. v. 19. April 2012 – I ZB 77/11, ZUM-RD 2012, 587 Tz. 29 m.w.N.). So aber läge der Fall hier, wenn der – ohnehin nicht zweifelsfrei feststellbare – Wille des Gesetzgebers im von der Berufung verstandenen Sinne zur Auslegung des § 563 Abs. 2 Satz 4 BGB herangezogen würde, ohne dass das Erfordernis einer Exklusivität der Haushalts- und Lebensgemeinschaft im Gesetz selbst auch nur andeutungsweise zum Ausdruck gekommen ist.
Die Voraussetzungen des § 563 Abs. 2 Satz 4 BGB wären hier aber selbst dann erfüllt, wenn dafür eine derart exklusive Beziehung zwischen dem Mieter und dem Eintretenden erforderlich wäre, die “keine weiteren Bindungen gleicher Art zulässt”. Das Amtsgericht hat eine auch nach diesem einschränkenden Gesetzesverständnis hinreichend nahe und exklusive Beziehung zwischen dem Beklagten und dem verstorbenen Mieter zutreffend bejaht, indem es nach einer umfänglichen Beweiserhebung verfahrensfehlerfrei davon ausgegangen ist, dass der verstorbene Mieter dem Beklagten ein enger väterlicher Freund gewesen sei, der mit dem Beklagten nach den übereinstimmenden Bekundungen der Zeugen “wie in einer Paarbeziehung”, “beide als Einheit”, “wie in einer Symbiose”, “sehr eng, sehr verknüpft in sämtlichen Bereichen” über nahezu 20 Jahre in der streitgegenständlichen Wohnung gelebt habe, wobei es für beide – spätestens nach dem Tod ihrer Mütter – keine Person gegeben habe, die ihnen jeweils näher stand. Das Amtsgericht hat im Rahmen seiner Beweiswürdigung außerdem zutreffend festgestellt, dass die Beziehung zwischen dem Beklagten und dem verstorbenen Mieter, die sich nach den ebenfalls glaubhaften zeugenschaftlichen Bekundungen beide “als zwei einsame Seelen gefunden haben, die ohne weiteren familiären Kontakt waren”, in der letzten Phase dadurch geprägt gewesen sei, dass der Beklagte den mittlerweile schwer erkrankten Mieter bis zu dessen Tod aufopferungsvoll gepflegt habe. Diese bereits danach ausreichend enge Bindung haben beide zudem dadurch bekräftigt, dass sich der Mieter in der von ihm errichteten Patientenverfügung den Beklagten als Bestand gewünscht und ihn sogar testamentarisch zu seinem Alleinerben eingesetzt hat. Davon ausgehend hat das Amtsgericht ebenso rechtsfehlerfrei die gemeinsame Haushaltsführung und die zwischen dem Beklagten und dem verstorbenen Mieter bis zu dessen Tode währende Freundschaft für den Eintritt des Beklagten in das Mietverhältnis genügen lassen. Es hat dazu zutreffend ausgeführt, dass es sich – abgesehen von für das Eintrittsrecht nicht maßgeblichen geschlechtlichen Beziehungen (vgl. dazu BT-Drucks. 14/4553, a.a.O.) – keine Konstellation vorstellen könne, in der sich Menschen näher stehen könnten. Das kann die Kammer auch nicht. Damit untersteht der Beklagte dem uneingeschränkten Schutz des § 563 Abs. 2 Satz 4 BGB.
II.
Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 5. Januar 2016, auch zur Frage, ob die Berufung vor dem Hintergrund des erteilten Hinweises zurückgenommen wird. Auf die damit verbundene Kostenreduzierung gemäß Nr. 1222 KV weist die Kammer vorsorglich hin.