Skip to content
Menü

Falsche Berechnungsgrundlage WEG-Kostenverteilung

AG Hamburg-Altona – Az.: 303c C 20/20 – Urteil vom 13.04.2021

In dem Rechtsstreit erkennt das Amtsgericht Hamburg-Altona – Abteilung 303c – am 13.04.2021 auf Grund des Sachstands vom 30.03.2021 ohne mündliche Verhandlung mit Zustimmung der Parteien gemäß § 128 Abs. 2 ZPO für Recht:

Es wird festgestellt, dass der Beschluss der Eigentümerversammlung der Wohnungseigentümergemeinschaft ### vom 21.10.2020 zu Tagesordnungspunkt 3 nichtig ist.

Die Beschlüsse der vorgenannten Eigentümerversammlung zu den Tagesordnungspunkten 4 und 5 werden für ungültig erklärt.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Der Streitwert wird auf Euro 18.403,49 festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von Beschlüssen der Eigentümerversammlung.

Die Kläger und die Beklagten bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft ###. Die Kläger sind bezogen auf das Wohnungseigentum 1 Bruchteilseigentümer, bezogen auf das Wohnungseigentum Nr. 2 ist die Klägerin zu 1 alleinige Eigentümerin.

Mit Schreiben vom 1.10.2020 lud die Verwalterin zu einer Eigentümerversammlung am 21.10.2020 ein, in der unter anderem die auf Seiten 3f der Klagschrift (Bl. 5f d.A.) im Einzelnen wiedergegebenen Beschlüsse über den Verteilerschlüssel der Jahresabrechnung 2019, deren Genehmigung und die Entlastung der Verwaltung gefasst wurden.

Die Gesamt- und Einzelabrechnungen (Anlage K2, Bl. 16 ff. d.A.) gehen entsprechend dem Beschluss zu TOP 3 für die Kostenverteilung von einer Gesamtfläche von 661,51 qm aus.

Die Kläger sind der Auffassung, der unter TOP 3 gefasste Beschluss der Eigentümerversammlung sei nicht hinreichend bestimmt.

Es sei nicht eindeutig, auf welche Kosten sich der Beschluss genau beziehe. Die Eigentümerversammlung dürfe lediglich in Bezug auf Verwaltungs- und Betriebskosten abweichende Verteilerschlüssel beschließen. Hinsichtlich der Instandhaltungs- und Instandsetzungskästen bedürfe es einer Einzelfallregelung, die im Beschluss nicht vorgesehen sei. Weiterhin fehle es an einer ausreichenden Begründung für die neue Berechnungsgrundlage. Soweit TOP 3 einen Verweis auf einen Additionsfehler in der Teilungserklärung enthalte, liege ein Fehler in der Berechnung von 660,51 qm statt 670,51 qm vor. Die beschlossenen 661,51 qm ließen sich nicht daraus entnehmen. Bei einer Berücksichtigung des Ausbaus der Dachgeschosswohnung Nr. 11 seien auch die Veränderungen in den anderen Wohnungen zu berücksichtigen.

Die in den Einzelabrechnungen 2019 (Anlage K2, Bl. 18 ff. d.A.) sowie die in der Verteilung der Beitragsverpflichtung zur Instandhaltungsrückstellung & Wirtschaftsplan (Anlage K2, Bl. 21 d.A.) und in der Darstellung der Entwicklung der Instandhaltungsrückstellung (Anlage K2, Bl. 20 d.A.) vorgenommene Kostenverteilung sei auf Grundlage von 660,51 Gesamt-Quadratmetern vorzunehmen und nicht auf Grundlage von 661,51 Gesamt-Quadratmetern.

Die Entlastung des Verwalters gemäß Beschluss zu TOP 5 sei zu versagen, da die Kostenverteilung in den Abrechnungen 2019 entgegen der Teilungserklärung erfolgt sei.

Die Kläger beantragen, die Beschlüsse der Eigentümerversammlung Vom 21.10.2020 zu den Tagesordnungspunkten 3, 4 und 5 für unwirksam zu erklären.

Die Beklagten beantragen, die Klage anzuweisen.

Sie meinen, die Formulierung im Beschluss zu TOP 3 sei hinreichend bestimmt. Die Entscheidung beziehe sich auf sämtliche Aspekte, die über Quadratmeter abgerechnet werden. Eine Auflistung der einzelnen Aspekte sei nicht notwendig. Ein von der Teilungserklärung abweichender Beschluss über den Verteilungsschlüssel sei möglich. Der Beschluss in TOP 3 führe nicht zu einer erheblichen Kostenveränderung zu Gunsten einzelner Eigentümer.

Im Protokoll der Eigentümerversammlung vom 15.06.2001 sei beschlossen worden, die Wohnung 11 mit 51 qm abzurechnen.

Ergänzend wird für das Vorbringen der Parteien auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist begründet. Der Beschluss zu TOP 3 der Eigentümerversammlung vom 21.10.2020 ist nichtig (II.). Die Beschlüsse zu TOP 4 und 5 sind gemäß §§ 21 Abs. 3, 23 Abs. 4 Satz 2, 43 Nr. 4 WEG für ungültig zu erklären (III.).

II.

Der. Beschluss zu TOP 3 ist nicht hinreichend bestimmt. Es besteht ein Interesse des Rechtsverkehrs, die durch die Beschlussfassung eingetretenen Rechtswirkungen der Beschlussformulierung entnehmen zu können. Dies gilt insbesondere auch in Hinblick auf die Wirkung der Beschlüsse für und gegen die Rechtsnachfolger (vgl. BGH, Urteil v. 8.4.2016 – V ZR 104/15, Rn 9).)). Dazu muss ein Beschluss so genau bezeichnet sein, dass bei objektiver Auslegung erkennbar ist, was beschlossen werden soll und welche Auswirkungen der Beschluss hat.

Aus der Formulierung geht nicht hervor, woraus sich die angegebene neue Gesamtfläche von 661,50 qm ergibt. Es ist nicht hinreichend bestimmt, weiche Einzelwohnflächen für die Berechnung der neuen Berechnungsgrundlage angesetzt werden. Dies wäre jedoch notwendig, da der Beschluss selbst anerkennt, dass die Teilungserklärung einen Berechnungsfehler enthält. Der Berechnungsfehler ergibt sich daraus, dass die Teilungserklärung 660,51 qm statt der tatsächlichen 670,51 qm als Gesamtfläche vorsieht. Dieser wird jedoch nicht durch den Beschluss berichtigt. Vielmehr wird eine neue falsche Berechnungsgrundlage angesetzt. Allein dies führt – wie jede rechnerische Unschlüssigkeit (vgl. dazu Grziwotz, in: Erman BGB, Kommentar, 16. Auflage 2020, Rn 4 zu § 28 WEG m. Nw.) zur Nichtigkeit. Das folgt bereits daraus, dass dann, wenn die Einzelwohnflächen – wie hier die in der Anlage 1 zur Teilungserklärung (Bl. 48 d.A:) aufgeführten – nicht der Gesamtfläche entsprechen, zwangsläufig entweder mehr (bei zur geringer Gesamtfläche) oder weniger als 100 % der Kosten verteilt werden.

Der Einwand der Beklagten, es ergebe sich aus einem Beschluss der Eigentümerversammlung vom 15.06.2001, dass die Wohnung 11 mit 51 m2 abzurechnen sei, so dass das Ergebnis rechnerisch stimmig sei, geht fehl. Im Gegenteil ergibt sich auch hieraus die Unbestimmtheit des Beschlusses. Denn der Beschluss vom 15.06.2001, der von den Bestimmungen der Teilungserklärung abweicht, wäre nur dann wirksam, wenn er sich auf die Umlegung von Kosten im Einzelfall bezöge (vgl. § 16 Abs. 4 Satz 1 WEG aF.). Für eine ständige Abweichung fehlte der Versammlung die Beschlusskompetenz. Es handelte sich auch nicht um die Änderung eines Umlageschlüssels i.S.v. § 16 Abs. 3 WEG a.F.

Im Übrigen: auch bei Bestehen einer entsprechenden Beschlusskompetenz setzt eine wirksame Änderung des bisher geltenden Verteilungsschlüssels durch Mehrheitsbeschluss voraus, dass aus dem Beschluss hinreichend konkret hervorgeht, dass die Wohnungseigentümer das Bewusstsein hatten, eine Änderung der bisherigen Kostenverteilung für künftige Abrechnungen zu beschließen. Nur so ist die erforderliche Transparenz gewährleistet und die Neuregelung der Kostenverteilung insbesondere für einen Sonderrechtsnachfolger, der nach § 10 Abs. 4 WEG an Beschlüsse gebunden ist, durch Einsicht in die Beschlusssammlung klar ersichtlich (BGH, Urteil vom 08. Juni 2018 – V ZR 195/17 -, Rn 18).

Hier aber geht weder aus dem Beschluss vom 15.06.2001 noch aus dem Beschluss zu TOP 3 vom 21.10.2020 hervor, dass die Wohnungseigentümer den Umlagemaßstab im ersten Fall auf Dauer ändern und sich im zweiten Fall auf den ersten Beschluss beziehen wollten.

Dass die Kläger beantragt haben, den Beschluss für unwirksam zu erklären, steht der Entscheidung nicht entgegen. Auf denselben Lebenssachverhalt gestützte Anfechtungs- und Nichtigkeitsgründe keine unterschiedlichen Streitgegenstände. Da der Streitgegenstand maßgeblich durch den Antrag mitbestimmt wird, führt dies dazu, dass sowohl mit einem auf Feststellung der Nichtigkeit als auch mit einem auf Ungültigkeitserklärung gerichteten Antrag jeweils das umfassende Rechtschutzziel zum Ausdruck gebracht wird, unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt eine verbindliche Klärung der Gültigkeit des zur Überprüfung gestellten Eigentümerbeschlusses herbeizuführen. Es kann daher auch ohne Antragsumstellung die Nichtigkeit des Beschlusses ausgesprochen werden, obwohl der Antrag seinem Wortlaut nach (nur) darauf gerichtet war, den Beschluss für unwirksam, also ungültig, zu erklären (vgl. BGH, Urteil vom 02. Oktober 2009 – V ZR 235/08 -, Rn 20).

III.

Da der Beschluss zu TOP 3 nichtig ist, entsprechen die Beschlüsse zu TOP 4 und TOP 5 nicht. ordnungsgemäßer Verwaltung.

Der Beschluss unter TOP 4 genehmigt die Jahresabrechnungen von 2019, die auf Grundlage des Verteilungsschlüssels aus dem Beschluss zu TOP 3 erstellt wurde. Dieser durfte aufgrund der Nichtigkeit des Beschlusses in TOP 3. nicht angesetzt werden.

Vielmehr hätten die Abrechnungen auf Grundlage des Verteilungsschlüssels aus der Teilungserklärung (unter Berücksichtigung des offensichtlichen Additionsfehlers) erstellt werden müssen. Dieser Kostenverteilung zufolge sind die Kosten auf Grundlage einer Gesamtfläche von 660,51 qm umzulegen und nicht von 661,51 qm.

Weiterhin ist der Beschluss unter TOP 5 ungültig, da die Verwaltung ihrer Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung nicht nachgekommen ist. Vielmehr liegen durch die Zugrundelegung eines falschen Verteilungsschlüssels eindeutige Fehler in den Abrechnungen vor, bei denen die Entlastung zu versagen ist (BGH, Beschluss vom 17. 7.2003 – V ZB.11/03 Rn 24).

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

V.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708. Nr. 11, 709 S. 2, 711 ZPO.

VI.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 49a GKG a.F. i.V.m. 3 ZPO. Der Wert für die Beschlüsse zu TOP 3 und TOP 4 ist zusammen mit Euro 17.403,49 in Ansatz zu bringen (vgl. zur Berechnung im Einzelnen Seite 9 der Klagschrift, Bl. 11 d.A.). Dazu kommen Euro 1.000,- für den Beschluss zu TOP 5.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Mietrecht & WEG-Recht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Mietrecht und Wohneigentumsrecht. Vom Mietvertrag über Mietminderung bis hin zur Mietvertragskündigung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Rechtstipps aus dem Mietrecht

Urteile aus dem Mietrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!