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Fristlose Mietvertragskündigung bei Personenmehrheit von Mietern

LG Berlin – Az.: 64 S 340/20 – Beschluss vom 14.04.2021

Die Kammer beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das am 22. Oktober 2020 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg – xxxxx – durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Gründe

Der Beschluss beruht auf § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

1.

Zu Recht hat das Amtsgericht die auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichtete Klage abgewiesen. Das Mietverhältnis wurde durch die Kündigungserklärung vom 3. Juni 2020 nicht beendet. Die ausdrücklich an alle drei Hauptmieter gerichtete Kündigungserklärung dürfte im Hinblick auf die in § 16 des Mietvertrages vorgesehene gegenseitige Empfangsvollmacht zwar nicht schon formell unwirksam geblieben sein. Es fehlt aber materiell an einem hinreichend schwerwiegenden Verstoß aller drei Mitmieter gegen die vertraglichen Pflichten, der nach § 543 Abs. 1 BGB, § 543 Abs. 2 BGB oder § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB eine Beendung des Mietverhältnisses rechtfertigen könnte.

Zu Recht geht das Amtsgericht davon aus, dass alle drei Hauptmieter bei Zugang der Kündigungserklärung allenfalls wegen eines Betrages von insgesamt 820,38 € in Zahlungsverzug waren; ob dies hinsichtlich des Untermietzuschlags von insgesamt 230,04 € tatsächlich der Fall war, erscheint nach dem Tenor des Urteils LG Berlin – 64 S 266/18 – vom 21. August 2019 (vgl. Anlage K3) zweifelhaft, da jedenfalls seit Klageerhebung offenbar nur zwei, nicht aber zumindest drei Untermieter in der Wohnung wohnen. Ebenfalls zu Recht steht das Amtsgericht auf dem Standpunkt, dass der Zahlungsrückstand, der gerade etwa zwei Drittel einer Monatsmiete ausmachte, mangels qualifizierter Abmahnung oder auch nur nachgewiesener Mahnung weder eine fristlose noch eine ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses erforderte. Der Betrag erreichte ungeachtet der Dauer des Verzugs die Erheblichkeitsschwelle nicht, und es ist auch nicht feststellbar, dass die Beklagten ihre Zahlungen arglistig oder wider besseren Wissens verkürzten. Der Klägerin war es unter diesen Umständen zuzumuten, die Beklagten zunächst abzumahnen, statt sogleich die Kündigung des Mietverhältnisses als ultima ratio aller verfügbaren Sanktionen auszusprechen. Das Verhalten der Beklagten, die den Rückstand unverzüglich nach Zugang des Kündigungsschreibens bezahlten, indiziert, dass eine Abmahnung vorliegend ausgereicht hätte, um die berechtigten Interessen der Klägerin zu wahren.

Der von der Berufung zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH – VIII ZR 107/12 –, BGHZ 195, 64 ff., zitiert nach juris) ist ein abweichender Maßstab nicht zu entnehmen; der rückständige Betrag, wegen dessen der Vermieter gekündigt hatte, lag dort beim Dreifachen der monatlichen Miete und wurde erst über sechs Monate nach Zugang der Kündigungserklärung ausgeglichen.

Ohne Erfolg meint die Berufung, dass die nur gegenüber einzelnen Mitmietern fällig gestellten Nachforderungen aus den Nebenkostenabrechnungen für die Jahre 2015 bis 2018 vorliegend zur Begründung der Kündigungserklärung herangezogen werden könnten. Es ist zwar richtig, dass eine Mietvertragskündigung nur einheitlich allen Mitmietern gegenüber erklärt werden kann. Dies rechtfertigt aber nicht die Annahme, dass ein Zahlungsverzug eines einzelnen Mieters entgegen der Grundregel des § 425 Abs. 2 BGB den anderen Mitmietern in Ansehung einer Kündigungserklärung zuzurechnen wäre. Der Vermieter hat es allein in der Hand, ob er seine Forderungen gegenüber allen oder nur gegenüber einzelnen Gesamtschuldnern fällig stellt und in einer den Verzug begründenden Weise anmahnt. Rechnet er nur gegenüber einzelnen Gesamtschuldnern ab und nimmt er nur diese auf Nachzahlung entstandener Nebenkosten in Anspruch, sind die anderen Mitmieter zum Ausgleich der Forderung nicht verpflichtet und müssen erst recht nicht damit rechnen, dass ein sie gar nicht treffender Vorwurf eines Zahlungsverzugs als Grund für eine Beendung des Mietverhältnisses herangezogen werden könnte. Diese hier vorliegende Konstellation hat mit der gegenseitigen Zurechnung des Verschuldens eines Mitmieters an der verspäteten Rückgabe der Mietsache, um die es in dem von der Berufung angeführten Verfahren vor dem Bundesgerichtshof ging (vgl. BGH – VIII ZR 136/74 -, BGHZ 65, 226 ff., zitiert nach juris), nichts zu tun. Da die Nebenkostenabrechnungen jeweils nur an „Herrn xxxxx“ oder an „Herrn xxxx xxxx“, aber jedenfalls nicht an die weitere Hauptmieterin xxxx xxxx gerichtet waren, kommt es in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, ob der Beklagte zu 1. zum Empfang von Erklärungen an die übrigen Mitmieter bevollmächtigt war.

2.

Ebenfalls ohne Rechtsfehler hat das Amtsgericht die Klägerin gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB dazu verurteilt, die erkennbar nur zur Beendung eines denkbaren Zahlungsverzugs durch den Beklagten zu 1. am 10. Juni 2020 geleistete Zahlung von 2.897,31 € anteilig in Höhe von 673,39 € (245,29 € + 428,10 €) zurückzuzahlen. Nachdem der Beklagte zu 1. den Betrag mit Schriftsatz vom 11. Juni 2020 unstreitig sogleich zurückforderte, konnte ein im Sinne des § 814 BGB schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin darauf, dass sie die Zahlung unabhängig von einem Rechtsanspruch endgültig behalten dürfe, nicht entstehen.

Die im Verlaufe des Jahres 2016 fällig gestellte Nebenkostennachforderung von 245,29 € für das Jahr 2015 war am 10. Juni 2020 gemäß §§ 194, 195, 199 Abs. 1 BGB bereits verjährt, sodass der Beklagte zu 1. insoweit zu Recht die Rückzahlung begehrt. Die Vorschrift des § 214 Abs. 2 BGB steht der Rückforderung nicht entgegen, nachdem der Beklagte zu 1. sich diese gerade auch im Hinblick auf eine Verjährung der Forderung vorbehielt, im Sinne der Norm mithin nicht zum Zwecke der Befriedigung der Klägerin leistete (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 80. Aufl. 2021, § 214 Rn. 3 m. w. N.).

Hinsichtlich der Nebenkostennachforderung über 428,10 € für das Jahr 2016 ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Klägerin die geforderte Einsicht in die Abrechnungsunterlagen zwar mit Email vom 31. Januar 2018 zu gewähren versprach, nachfolgend jedoch tatsächlich nicht ermöglichte. Mieter sind unter solchen Umständen so lange nicht zur Leistung einer Nachforderung verpflichtet, bis ihnen die Einsicht in die Abrechnungsunterlagen tatsächlich gewährt wird (vgl. BGH – VIII ZR 189/17 –, Urt. v. 07.02.2018, GE 2018, 277 ff., Rn. 25 ff., zitiert nach juris); dem Beklagten zu 1. steht mithin insoweit derzeit ein Anspruch auf Rückzahlung zu.

Die Kammer regt deshalb an, die Berufung zurückzunehmen und weist vorsorglich darauf hin, dass sich die Gerichtsgebühren für das Berufungsverfahren in diesem Falle halbieren würden (vgl. Nr. 1220, 1222 Kostenverzeichnis zum Gerichtskostengesetz).

Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen.

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