LG Dessau-Roßlau – Az.: 5 S 141/16 – Urteil vom 29.12.2016
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts W. vom 05.07.2016 – Az. 8 C 677/15 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Dieses und das angefochtene Urteil des Amtsgerichts K. vom 05.07.2016 – Az. 8 C 677/15 – sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund beider Urteile zu vollstreckenden Betrags, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 2.442,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1.
Der Kläger begehrt von dem Beklagten infolge Kündigung vom 25.08.2015 die Räumung und Herausgabe der Wohnung in W., Sternstraße, Aufgang b, 3. Obergeschoss rechts, bestehend aus 2 Zimmern, einem Bad mit WC und einer Küche, insgesamt 31,28 m², und ab Oktober 2015 bis zur Räumung die Zahlung eines monatlichen Nutzungsentgelts in Höhe von 254,00 Euro. Die monatliche Miete betrug zunächst 140,00 Euro zuzüglich 40,00 Euro Betriebskostenvorauszahlungen und 18,00 Euro Heizkostenvorschuss, den der Kläger mit Wirkung zum 01.01.2015 monatlich um 56,00 Euro auf 74,00 Euro erhöhte.
Ferner begehrte er (ursprünglich) von dem Beklagten die Zahlung eines Betrages von 1.176,21 Euro (667,21 Euro aus Heizkostenabrechnung, Betriebskostenvoraus-zahlungen für 9 Monate in Höhe von insgesamt 504,00 Euro und Mahngebühren von 5,00 Euro). Insoweit erklärten die Parteien den Rechtsstreit in der ersten Instanz aufgrund zweier Zahlungen durch das Jobcenter für den Beklagten (am 18.11.2015 in Höhe von 819,59 Euro und am 19.11.2015 in Höhe von 835,21 Euro) übereinstimmend für erledigt. Mit Datum 29.06.2016 zahlte das Jobcenter an den Kläger einen weiteren Betrag in Höhe von 1.188,24 Euro auf Ausstände aus nicht näher dargelegten Betriebskostenabrechnungen, die Gegenstand eines Mahnverfahrens aus dem Jahr 2014 (Amtsgericht W.) waren.
Hinsichtlich des weitergehenden Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 ZPO.
Das Amtsgericht hat die Klage, soweit sie nicht übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, abgewiesen. Gegen die Abweisung richtet sich der Kläger mit seiner Berufung.
Zur Begründung der Abweisung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass die Kündigungserklärung vom 25.08.2015 unwirksam sei. In dem in der Kündigung aufgezeigten Mietrückstand seien Beträge in Höhe von 1.430,22 Euro (Inhalt des Vollstreckungsbescheides des Amtsgerichts W. bzgl. Betriebskostenabrechnungen aus vorherigen Zeiträumen) und 667,21 Euro (Heizkostenabrechnung) angeführt, die nicht unter den Begriff der Miete gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB subsumiert werden könnten. Soweit sich die Kündigung neben der Heizkostenabrechnung in Höhe von 667,21 Euro auch auf eine Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 504,00 Euro bezieht, seien diese beiden offenen Beträge durch die nach Rechtshängigkeit am 18.11.2015 erfolgten Zahlungen des Jobcenters in Höhe von 819,59 Euro sowie 835,21 Euro erloschen. Dies führe zur Unwirksamkeit der Kündigung gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB.
Hiergegen wendet sich der Kläger. Er ist der Auffassung, dass Rückstände aus Betriebskostennachzahlungen vom Begriff der „Miete“ umfasst seien. Er beruft sich insoweit auf die Entscheidungen des Landgerichts Berlin (LG Berlin, Urteil vom 20.02.2015 – 63 S 202/14 -) und des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. (wohl Urteil vom 27.11.1987 – 17 U 143/86 -). Die Betriebskostenzahlungen seien als zur Miete gehörig anzusehen. Der wirtschaftliche Stellenwert sei für den Vermieter bei Betriebskosten- bzw. Nebenkostennachzahlungen tatsächlich derselbe. Da die Rückstände in diesem Fall mehr als zwei Monatsmieten betrugen und auch lange Zeit nicht nachgezahlt wurden, sei die Vertragsverletzung auch erheblich und habe den Kläger zur Kündigung berechtigt. Hinzu komme, dass die Zwangsvollstreckungsversuche des Klägers ins Leere gingen, da der Beklagte bereits vorher die Vermögensauskunft abgegeben habe und unpfändbar gewesen sei. Ferner sei der Beklagte mit weiteren Nebenkostennachzahlungen sowie Betriebskostenvorauszahlungen in Verzug geraten. Demzufolge greife die gleichzeitig erklärte hilfsweise fristgemäße Kündigung. Der Ausgleich der Klageforderung beseitige nur die Folgen der fristlosen Kündigung, nicht jedoch die Folgen der fristgemäßen Kündigung, so dass jedenfalls zum Termin der letzten mündlichen Verhandlung der Räumungsanspruch aufgrund der fristgemäß erklärten Kündigung gegeben gewesen sei.
Er beantragt: Unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils wird der Beklagte verurteilt,
1. die von ihm genutzte Wohnung in W., Sternstraße, Aufgang b, 3. Obergeschoss rechts, bestehend aus 2 Zimmern, einem Bad mit WC und einer Küche, insgesamt 31,28 m² zu räumen und geräumt an den Kläger herauszugeben,
2. bis zur Räumung ein monatliches Nutzungsentgelt i.H.v. 254,00 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5%-Punkten über dem Basiszinssatz ab 6. eines jeden Monats beginnend ab Oktober 2015 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts W. vom 05.07.2016, Az. 8 C 677/15 (VI), zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil. Betriebs- oder Heizkosten seien nicht unter den Begriff der „Miete“ zu fassen. Der Vortrag des Klägers, Zwangsvollstreckungsversuche im Jahre 2014 seien ins Leere gegangen, da der Beklagte bereits Vermögensauskunft abgegeben habe, sei für die am 25.08.2015 erklärte fristlose Kündigung wegen des Zeitablaufs irrelevant. Eine fristgemäße Kündigung sei durch den Kläger am 25.08.2015 lediglich hilfsweise erklärt worden, ohne dass diese jedoch begründet worden wäre. Damit entspreche sie nicht den in § 573 Abs. 3 S. 1 BGB verankerten Anforderungen und sei daher unwirksam.
2.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung und damit auch nicht auf Zahlung eines Nutzungsentgeltes zu.
Vorliegend war der Beklagte im Zeitpunkt der Kündigung am 25.08.2015 mit folgenden Zahlungen im Rückstand:
- Vollstreckungsbescheid vom 03.12.2014 1.147,38 Euro
- Heizkostenabrechnung (2014) 667,21 Euro
- Betriebskostenvorauszahlung (8 x 56,00 Euro) 448,00 Euro
Die Summe dieser Beträge übersteigt erkennbar den Betrag von zwei Monatsmieten im Sinne von § 543 Abs. 2 S. 3 BGB. Hier muss jedoch berücksichtigt werden, dass es sich bei den Beträgen aus dem Vollstreckungsbescheid in Höhe von 1.147,38 Euro – hinsichtlich dieses Betrages führt die Klägerseite in der Klageschrift aus, dass er auf rückständige Zahlungen auf Grund von Betriebskostenrechnungen aus vorherigen Zeiträumen beruht – und der Heizkostenabrechnung in Höhe von 667,21 Euro um sogenannte Nachzahlungen von Betriebskosten auf Grund einer Abrechnung handelt.
Legt man allein die zum Zeitpunkt der Kündigung offenen Betriebskostenvorauszahlungen zugrunde, die unstreitig unter „Miete“ i.S.d. §§ 535, 543 BGB fallen (vgl. Palandt-Weidenkaff, BGB, 75. Aufl. 2016, § 535 Rn. 72, 100 m.w.N.), wären die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Ziffer 3 Buchstabe b BGB bei einer Monatsmiete von 254,00 Euro nicht gegeben (zwei Monatsmieten: 508,00 Euro; ausstehende Betriebskostenvorauszahlungen: 448,00 Euro). Insofern irrt der Kläger in der Klageschrift, wenn er vorträgt, der Beklagte sei mit 9 Monaten Betriebskostenvorauszahlung in Verzug. Vielmehr handelt es sich lediglich um 8 Monate von Januar bis August 2015, denn das Kündigungsschreiben datiert vom 25.08.2015, und die Betriebskostenvorauszahlungen erhöhten sich erst zum 01.01.2015.
In der Literatur und Rechtsprechung ist umstritten, ob unter Mietzahlung i.S.d. § 543 Abs. 2 Ziffer 3 Buchstabe b BGB auch die Nachzahlung von Betriebskosten auf Grund einer Abrechnung zu verstehen ist.
Der Bundesgerichtshof hat diese Frage bisher offen gelassen (vgl. bislang BGH, Urteil vom 23.09.1987 – VIII ZR 265/86 -, NJW-RR 88, 77 und BGH, Urteil vom 24.08.2016 – VIII ZR 261/15 – zitiert nach juris).
Das Landgericht Berlin hat in seiner Entscheidung (Urteil vom 20.02.2015 – 63 S 202/14 -, zitiert nach juris) zwar in Nachzahlungen aus Nebenkostenabrechnungen keine laufenden Zahlungen im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB gesehen, jedoch – ohne weitere Begründung – angenommen, dass es sich dennoch um Mietzahlungen und damit um eine Hauptleistungspflicht des Mieters handele, deren Nichtzahlung eine Verletzung der dem Mieter obliegenden Vertragspflichten darstelle. Das Landgericht Berlin hat insoweit einen Kündigungsgrund nach § 543 Abs. 1 BGB wegen eines Rückstands, der den Betrag von zwei Monatsmieten deutlich übersteigt und mehr als einen Monat andauert, angenommen und ist von einer hinreichenden Erheblichkeit der Pflichtverletzung ausgegangen.
Die wohl herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung geht davon aus, dass Nachzahlungen von Betriebskosten aufgrund von Abrechnungen nicht unter § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB fallen (vgl. nur bspw. Palandt/Weidenkaff, BGB, 75. Auflage 2016, § 543 Rn. 23; zu § 554 a.F.: OLG Koblenz, Rechtsentscheid in Mietsachen vom 26.07.1984 – 4 W-RE 386/84 -, zitiert nach juris).
Die Kammer schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Die Ausführungen des Landgerichts Berlin überzeugen insoweit nicht. Wenn – wie es das Landgericht zunächst zutreffend angenommen hat – Betriebskostennachzahlungen aufgrund von Abrechnung nicht unter § 543 Abs. 2 S.1 Nr. 3 BGB zu subsumieren sind, dann kann in der weiteren Konsequenz § 543 Abs. 1 BGB nicht bejaht werden. Insoweit sind ausdrücklich Zahlungsrückstände hinsichtlich Mietzahlung unter § 543 Abs. 2 BGB als Kündigungsgrund definiert. Hätte der Gesetzgeber eine Ausweitung auf Betriebskostensalden (nach Abrechnung) angestrebt, hätte er dies ohne weiteres aufnehmen können. Insoweit führt jedoch § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB nur „Miete“ aus und ist somit maßgeblich, was hierunter zu fassen ist. Unter „Miete“ fallen auch Nebenkosten, die der Mieter in Form von Geld oder geldwerten Leistungen übernommen hat (Palandt/Weidenkaff a.a.O., § 535 Rn. 72).
Dies gilt jedoch nicht für Betriebskostennachzahlungen. Die Nachzahlung aufgrund der Nebenkostenabrechnung hat nicht den Charakter einer periodisch zu erbringenden Mietrate. Entscheidend ist, dass die geschuldeten Nebenkosten erst nach der jährlichen Abrechnung betragsmäßig feststehen und überdies auch erst fällig werden, wenn dem Mieter eine ordnungsgemäße und nachprüfbare Abrechnung zugegangen und eine angemessene Prüfungsfrist und Überlegungsfrist verstrichen ist.
Auch der BGH geht in MDR 1957, 468, 469 (mit Anm. von Bettermann) zu § 554 a.F. davon aus, dass § 554 BGB a.F. den Verzug mit wiederkehrenden Miet(zins)raten voraussetzt. Das Merkmal eines „Mietzinses“ (§ 554 BGB a.F.) trifft aber auf die Nebenkostennachzahlung (aufgrund Abrechnung) nicht zu. Der Anspruch auf diese Zahlung steht seiner Höhe nach nicht im Voraus fest und ist auch nicht zu genau bestimmten Terminen zu erfüllen. Damit fehlt der aufgrund dieses Anspruchs zu erbringenden Zahlung der in § 543 Abs. 2 BGB vorausgesetzte Charakter einer periodisch wiederkehrenden Leistung, wie sie die Zahlung der eigentlichen Miete darstellt. Als wiederkehrende Leistung im Sinne von § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB ist deshalb die Nebenkostenzahlung nur dann anzusehen, wenn sie als Nebenkostenpauschale oder als Nebenkostenvorauszahlung zusammen mit der Miete zu den bestimmten Zinsterminen zu erbringen ist.
Zu diesem Ergebnis führt auch eine am Sinn und Zweck der Vorschrift orientierte Auslegung. § 543 Abs. 2 BGB ist zwar eine besondere Vorschrift für den Zahlungsverzug des Mieters. Er erfasst jedoch gleichwohl nicht alle Fälle des Zahlungsverzuges. Das Recht zur fristlosen Kündigung des Mietvertrages steht dem Vermieter insbesondere nur unter umfangmäßig bestimmten Voraussetzungen zu, die in der genannten Vorschrift enumerativ aufgezählt sind. Voraussetzung ist, dass der Mieter an mehreren Zahlungsterminen mit der Zahlung der vereinbarten Miete in Verzug gekommen ist. Die Vorschrift verfolgt damit den Zweck, den Vermieter davor zu schützen, dass er über einen längeren Zeitraum seiner Pflicht zur Gebrauchsüberlassung nachkommt, aber nicht das Entgelt erhält, das er im Rahmen seiner Wirtschaftlichkeitsberechnung im Voraus fest eingeplant hat und das er zur Erfüllung seiner eigenen regelmäßigen Zahlungsverpflichtungen dringend benötigt. Der besondere Schutz, den § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB gewährt, erstreckt sich deshalb nur auf die im Voraus vereinbarten festen Beträge, die zu den bestimmten Fälligkeitsterminen zu erbringen sind. Denn es soll gesichert sein, dass der Vermieter auf jeden Fall die im Mietvertrag fest vereinbarten wiederkehrenden Entgelte erhält, mit deren regelmäßigem Eingang er im Voraus fest rechnet. Nach der im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck gelangenden Vorstellung des Gesetzgebers ist im Rahmen von § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB nur der Verzug mit der Zahlung dieser Entgelte als erhebliche Vertragsverletzung anzusehen und mit der Sanktion der fristlosen Kündigung bedroht. Nummer 3 dieser Vorschrift nennt inhaltlich entweder „zwei aufeinander folgende Termine“, oder aber einen „Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt“. Diese Formulierung ist ein Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber dem Vermieter nur dann eine Möglichkeit zur fristlosen Kündigung geben wollte, wenn die „laufende“ Miete mit bestimmten Mindestbeträgen nicht gezahlt wird. Denn der Gesetzgeber hat auf zwei aufeinander folgende Termine abgestellt, oder aber auf einen Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt mit weiteren Voraussetzungen. Der Wortlaut „zwei Termine“ weist aber darauf hin, dass hier die laufende Miete gemeint ist. Das kann zwar auch die Nichtzahlung von rückständigen Betriebskostenvorauszahlungen sein, aber auch dann geht es um laufende Miete. Vorliegend geht es aber um die (zeitweilige) Nichtzahlung eines Saldos aus einer Betriebskostenabrechnung, d.h. also nicht einer laufenden Miete.
Wollte man die Nichtzahlung einer Betriebskostenabrechnung als Grundlage für eine fristlose Kündigung sehen, so könnte ein Vermieter relativ kurzfristig nach Zugang einer solchen Abrechnung – wenn der Nachzahlungsbetrag entsprechend hoch ist – bei fehlender Zahlung des Mieters sofort eine fristlose Kündigung aussprechen. Denn da die Betriebskostenabrechnung sofort fällig wird, würde nach der Gegenauffassung diese Forderung offen bleiben und dem Vermieter die Möglichkeit sofort offen stehen, fristlos zu kündigen. Oder der Vermieter könnte allein aufgrund einer Betriebskostenabrechnung fristlos kündigen, wenn er es im Laufe des Abrechnungsjahres verabsäumt hat, innerhalb angemessener Frist (vgl. BGH, Urteil vom 15.06.2005 – XII ZR 291/01-, NJW 05, 2775) aufgrund einzelner ausstehender Nebenkostenvorauszahlungen zu kündigen, und so das Erfordernis der „Angemessenheit“ der Frist umgehen. Das aber lässt sich mit dem fein austarierten Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter und den Möglichkeiten des Vermieters zu kündigen, wie es in § 543 BGB geregelt ist, nicht vereinbaren. Es ließe sich zudem nicht damit vereinbaren, dass das Gesetz in § 556 Abs. 3 BGB weitere Fristen nennt, die für Betriebskostenabrechnungen maßgeblich sind. Denn nach Satz 5 jener Vorschrift können Einwendungen des Mieters gegen die Abrechnung des Vermieters spätestens bis zum Ablauf des 12. Monats nach Zugang der Abrechnung mitgeteilt werden. Aber selbst bei einer formell und materiell richtigen Betriebskostenabrechnung dürfte auch die Durchsetzbarkeit vor Gericht gegebenenfalls über § 242 BGB jedenfalls eine Zeit lang gesperrt sein; der Vermieter kann also z. B. nicht bei einer Abrechnung am 29.12. eines Jahres sofort am 05.01. des Folgejahres auf Zahlung klagen.
Alle diese Schwierigkeiten, die mit der Fälligkeit eines Betriebskostensaldos zusammenhängen, zeigen, dass ein solcher offener Saldo jedenfalls nicht in das Gesamtgefüge der §§ 543 und 569 BGB passt. Weder mit dem Wortlaut („aufeinander folgende Termine“), noch mit dem Sinn und Zweck von §§ 543 und 569 BGB ist es vereinbar, den Saldo aus einer Betriebskostenabrechnung als offene Miete im Sinne von § 543 BGB anzusehen.
Eine sinngemäße oder entsprechende Anwendung der Vorschrift scheitert schon daran, dass es sich bei ihr um eine Sondervorschrift handelt, die das Recht zur fristlosen Kündigung an besonders geregelte Tatbestände des Zahlungsverzuges knüpft. Das bedeutet indessen nicht, dass das Recht zur fristlosen Kündigung in anderen Fällen des Zahlungsverzuges ausgeschlossen ist. Insoweit kommt § 543 Abs. 1 BGB in Betracht. Mit dieser Vorschrift kann ebenfalls ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden, wenn ein Vertragsteil seine Verpflichtungen schuldhaft derart verletzt, dass dem anderen Vertragsteil die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Die Vorschrift greift als Auffangbestimmung namentlich auch dann ein, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien durch mangelhafte Zahlungsmoral des Mieters zerstört ist (vgl. BGH, Urteil vom 26.03.1969, – VIII ZR 76/67 -, MDR 1969, 657). Es besteht aber auch vom Schutzzweck des § 543 Abs. 1 BGB her gesehen kein Bedürfnis, den Verzug mit der Nebenkostennachzahlung in die Vorschrift einzubeziehen. Der Vermieter hat es selbst in der Hand, sich durch die Vereinbarung angemessener Vorauszahlungen auf die Nebenkosten den Schutz auch des § 543 Abs. 3 Nr. 3 BGB zu sichern. Dadurch wird zudem erreicht, dass der Vermieter die Nebenkosten nicht in größerem Umfange vorzufinanzieren braucht und der Mieter nicht plötzlich einen erheblichen Betrag neben dem laufenden Mietzins entrichten muss. Hintergrund ist die sozialpolitische Erwägung, dass dem Mieter nur dann gekündigt werden darf, wenn die Situation so schwer wiegend ist, dass sie dem Vermieter nicht mehr zuzumuten ist. In Bezug auf eine bloße Verweigerung der Nachzahlung hat der Gesetzgeber offensichtlich keine Unzumutbarkeit gesehen und verweist den Vermieter auf den Klageweg.
Diese Ausführungen vorangestellt ist die durch den Kläger mit Schreiben vom 25.08.2015 erklärte fristlose Kündigung unwirksam. Denn legt man allein die zum Zeitpunkt der Kündigung offenen Betriebskostenvorauszahlungen (8 x 56,00 Euro) zugrunde, sind die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB bei einer Monatsmiete von 254,- Euro nicht gegeben (s.o.).
Selbst wenn man hier Umstände berücksichtigt, die erst nach der Kündigung eingetreten sind, d.h. hier die Betriebskostenvorauszahlung für September 2015 in Höhe von 56,00 Euro, erreicht der ausstehende Betrag ebenfalls nicht zwei Monatsmieten (9 x 56,00 Euro = 504,00 Euro, zwei Monatsmieten: 508,00 Euro).
Ferner ist der offene Betrag durch die unstreitigen Zahlungen des Jobcenters in Höhe von 819,59 Euro sowie 835,21 Euro erloschen. Dies führt – wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat – zur Unwirksamkeit der Kündigung gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB. Die nachträgliche Zahlung führt zwar nur dann zur Unwirksamkeit der Kündigung, wenn sie zur vollständigen Befriedigung des Vermieters ausreicht. Deshalb muss der Mieter auch denjenigen Rückstand bezahlen, der nicht zur Begründung der Kündigung herangezogen worden ist. Zu zahlen ist demnach die zum Zeitpunkt der Erfüllungshandlung fällige Miete einschließlich der Betriebskostenvorauszahlungen. Insoweit ist aber unerheblich, dass der Beklagte nicht auch die Betriebskostennachzahlungen nach Abrechnung vollständig beglichen hat; Nachzahlungsansprüche aus Nebenkostenabrechnungen, Verzugszinsen, Schadensersatzansprüche, Kostenerstattungsansprüche und andere nicht periodische Zahlungen bleiben hier außer Betracht, und zwar auch dann, wenn der Vermieter auch wegen dieser Beträge gekündigt hat, denn § 569 spricht ausdrücklich von der „fälligen Miete“ und der „fälligen Entschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB“ (vgl. zum Ganzen: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Auflage 2015, § 569 Rn. 40-42; BGH, Urteil vom 24.08.2016 – VIII ZR 261/15 -, Rn. 23 – zitiert nach juris -).
Auf die bereits titulierten abgerechneten Betriebskosten aus vorherigen Zeiträumen (vgl. Vollstreckungsbescheid vom 03.12.2014) kann die fristlose Kündigung ebenfalls nicht gestützt werden, da eine außerordentliche Kündigung nicht auf Vorfälle gestützt werden kann, die zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung mehr als ein halbes Jahr zurückliegen (OLG München, Urteil vom 28.02.2001 – 3 U 5169/00 -, zitiert nach juris). Hinzu kommt, dass der Kläger bereits Vollstreckungsversuche vorgenommen hat, so dass der Beklagte nicht mehr damit rechnen musste, dass hierauf noch einmal eine Kündigung gestützt wird. Im Übrigen handelt es sich ausweislich Parteivorbringens auch hier um abgerechnete Betriebskostensalden.
Auch die im Schreiben vom 25.08.2015 hilfsweise erklärte fristgerechte Kündigung führt nicht zur Beendigung des streitgegenständlichen Mietvertrags. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist zwar die ordentliche Kündigung nicht bereits mangels Begründung unwirksam. Liegt ein verschuldeter Zahlungsrückstand i. S. v. § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB vor, so kann der Vermieter wahlweise nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB oder nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB kündigen. Ebenso kann der Vermieter eine fristlose Kündigung mit einer hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung verbinden. Beide Kündigungen bestehen dann nebeneinander (Schmidt-Futterer, Mietrecht, a.a.O. § 573 Rn. 25). Auch reicht der Verweis auf den Zahlungsrückstand als Kündigungsgrund unter Beifügung der Saldenberechnung aus.
Der Kläger hat jedoch an dieser hilfsweise erklärten fristgemäßen Kündigung nicht weiter festgehalten. Mit Schreiben vom 02.09.2015 hat der Beklagte der Kündigung widersprochen. Mit Blick darauf, dass § 574 BGB bei außerordentlicher fristloser Kündigung aus wichtigem Grund nach § 543 Abs. 1 und 2, 569 Abs. 1 und 2 BGB unanwendbar ist, kann das Schreiben vom 15.09.2015 der Hausverwaltung des Klägers – insbesondere unter ausdrücklichen Verweis auf die Rechtsprechung des Landgerichts Berlin – nur dahingehend verstanden werden, dass lediglich an der fristlosen Kündigung festgehalten wird. Hierfür spricht auch, dass sich der Kläger im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens lediglich auf die fristlose Kündigung gestützt und eine etwaige – hilfsweise – fristgemäße Kündigung keine Erwähnung gefunden hat. Auch die Beklagtenseite führt nicht weiter zur ordentlichen Kündigung aus. Ebenso erwähnt das erstinstanzliche Urteil in den Entscheidungsgründen die ordentliche Kündigung nicht. Erst in der Berufungsbegründung greift der Kläger diese (wieder) auf. Daher geht die ordentliche Kündigung bereits deshalb ins Leere.
Zudem wäre ein etwaiges Verschulden des Beklagten hier zu vernachlässigen. Zwar erfasst § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB auch Mietrückstände, die aus nicht periodisch wiederkehrenden Zahlungsverpflichtungen herrühren. Dies gilt insbesondere für den Anspruch des Vermieters aus einer Betriebskostenabrechnung (Schmidt-Futterer, Mietrecht, a.a.O., § 573 Rn. 25-36). Der rückständige Betrag dürfte vorliegend auch nicht unerheblich im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB sein. In Bezug auf die Frage, wie das Tatbestandsmerkmal „nicht unerheblich“ in § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu konkretisieren ist, werden hinsichtlich einer Kündigung wegen Zahlungsverzugs im Wesentlichen zwei Ansichten vertreten. Nach einer Meinung ist das Tatbestandmerkmal „nicht unerheblich“ unter Rückgriff auf die für die fristlose Kündigung geltende Vorschrift des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB auszulegen (MünchKomm/Häublein, BGB, § 573 Rn. 59). Nach der Gegenmeinung ist eine ordentliche Kündigung auch wegen geringerer Rückstände möglich, wobei meist ein Rückstand von mehr als einer Monatsmiete und eine Verzugsdauer von mindestens einem Monat gefordert wird (vgl. hierzu Palandt, BGB, 75. Auflage, 2016, § 573, Rn. 16). Der BGH schließt sich der letztgenannten Ansicht an (vgl. BGH, Urteil vom 10.10.2012 – VIII ZR 107/12 -, BGHZ 195, 64-73). Danach scheidet eine ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs aus, „wenn der Mietrückstand eine Monatsmiete nicht übersteigt und die Verzugsdauer weniger als einen Monat beträgt“. Danach ist das Tatbestandsmerkmal „nicht unerheblich“ erfüllt.
Die Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB setzt jedoch nach dem Wortlaut der Vorschrift zwingend ein Verschulden (§ 276 BGB) des Mieters am Zahlungsrückstand voraus. Deshalb besteht das Kündigungsrecht dann nicht, wenn die Zahlung infolge eines Umstands unterbleibt, den der Mieter nicht zu vertreten hat. Hierzu zählen Zahlungsverzögerungen aufgrund unverschuldeter wirtschaftlicher Schwierigkeiten (Arbeitslosigkeit, Krankheit) jedoch nur in Ausnahmefällen. Grundsätzlich gilt auch hier das Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung. So hat jedermann ohne Rücksicht auf ein Verschulden für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 04.02.2015 – VIII ZR 175/14 -, zitiert nach juris). Dieses Verständnis des Vertretenmüssens im Falle mangelnder finanzieller Leistungsfähigkeit gilt auch für Mietzahlungspflichten und die bei Ausbleiben der Miete bestehenden Kündigungsmöglichkeiten des Vermieters aus wichtigem Grund nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB (BGH a.a.O. m.w.N.). Soweit Sozialleistungen (wie hier) bezogen werden, wird teilweise die Auffassung vertreten, der Mieter genüge seiner Pflicht zur Beschaffung der zur Entrichtung der Miete benötigten Geldmittel bereits dann, wenn er alles ihm Obliegende und Zumutbare getan hat, um die öffentliche Stelle zur pünktlichen Zahlung der für seine Unterkunft geschuldeten Miete zu veranlassen (LG Bonn, Beschluss vom 10.11.2011- 6 T 198/11- zitiert nach juris; Urteil vom 06.11.2014 – 6 S 154/14 – zitiert nach juris; LG Wiesbaden, Urteil vom 22.06.2012 – 3 S 114/11 -, WuM 2012, 623). Dieser Auffassung ist der BGH ausdrücklich entgegengetreten (BGH a.a.O.). Hierzu ist überdies im vorliegenden Fall nichts vorgetragen.
Nach der Rechtsprechung des BGH kann außerdem die nachträgliche Zahlung der Rückstände zu Gunsten des Mieters berücksichtigt werden, weil sie „ein etwaiges Fehlverhalten in einem milderen Licht erscheinen lässt“ (BGH, Urteil vom 16.02.2005 – VIII ZR 6/04 -, zitiert nach juris). Nach der Meinung des KG (KG, Urteil vom 24.07.2008 – 8 U 26/08 -) soll dies nur dann gelten, wenn der Rückstand „binnen kurzer Zeit“ ausgeglichen wird.
Für diese Beschränkung besteht hier kein Bedürfnis; vielmehr kommt es stets auf die Umstände des Einzelfalls an. Denn grundsätzlich ist die Verschuldensfrage immer dann zu prüfen, wenn der Ausgleich innerhalb der Frist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB erfolgt (Schmidt-Futterer/Blank, BGB, § 573 Rn. 25-36). Selbst wenn man folglich hier ein Verschulden des Beklagten annähme, träte dies aufgrund der kurzfristigen Zahlung am 18.11.2015 und 19.11.2015, mithin einen Monat und sechs sowie. sieben Tage nach Rechtshängigkeit des Räumungsanspruches insgesamt zurück.
Die Kündigung nach § 573 BGB kann auch nicht auf die bereits titulierten abgerechneten Betriebskosten aus vorherigen Zeiträumen (vgl. Vollstreckungsbescheid vom 03.12.2014) gestützt werden. Insoweit muss wieder berücksichtigt werden, dass es sich um einen Vorfall handelt, der zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung mehr als ein halbes Jahr zurücklag. Denn auch das Recht zur ordentlichen Kündigung kann verwirkt werden. Insoweit hat LG Düsseldorf (Urteil vom 13.10.1989 – 21 S 176/89 -, zitiert nach juris) Verwirkung angenommen, wenn der Vermieter die (ordentliche) Kündigung erst 5 1/2 Monate nach der Pflichtverletzung erklärt. Hinzu kommt, dass der Kläger bereits im Mai 2015 Kenntnis von der Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid und der Abgabe der Vermögensauskunft erlangt hat. Der Beklagte musste nicht mehr damit rechnen, dass hierauf noch einmal eine ordentliche Kündigung gestützt wird.
Mangels Anspruchs auf Räumung und Herausgabe aufgrund Kündigung entfällt auch ein Anspruch des Klägers auf Zahlung eines Nutzungsentgelts in beantragter Höhe. Vielmehr besteht das Mietverhältnis fort.
3.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt §§ 708 Nr. 10, 711, 709 ZPO.
Die Revision war beschränkt zuzulassen zur Frage, ob Betriebskostensalden nach Abrechnung unter den Begriff der „Miete“ im Sinne der §§ 543, 569 BGB zu fassen sind. Insoweit sieht die Kammer die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO als gegeben an.