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Gewerberaummietvertrag – treuwidrige Berufung auf einen Schriftformmangel

LG Hannover, Az.: 6 O 216/15, Urteil vom 01.08.2016

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Räumung und Herausgabe von Räumlichkeiten im Haus …..

Gewerberaummietvertrag - treuwidrige Berufung auf einen Schriftformmangel
Symbolfoto: Von Andrey_Popov /Shutterstock.com

Am 19.07.1991 schlossen die Parteien einen schriftlichen Mietvertrag über Räume in einem auf dem Grundstück des Klägers … in Laatzen gelegenen Haus. Die Vermietung erfolgte zum Zweck des Betriebes einer Zahnarztpraxis durch die Beklagte. In § 1 Nr. 1 b des Mietvertrages vom 19.07.1991, der die vermieteten Nebenräume betrifft, ist das Wort „Keller“ unterstrichen. Bei der Installation der für die Praxis erforderlichen Einrichtungen wurden drei zu ihrer Versorgung dienende Geräte in einem Teilbereich des Kellers untergebracht, und zwar die Heizung, ein Kompressor und eine Saugmaschine mit Amalgamabscheider. Der Kläger händigte der Beklagten den Schlüssel zu diesem Bereich des Kellers aus.

Am 04.08.2007 unterzeichneten die Parteien einen neuen schriftlichen Mietvertrag über die Räume im Haus des Klägers, in denen die Beklagte die Zahnarztpraxis betrieb. Dabei wurde das Wort „Keller“ § 1 Nr. 1 b des Mietvertrages – anders als im Vertrag vom 19.07.1991 – nicht unterstrichen. Die Parteien ließen die die Mietzeit betreffenden, zur Ausfüllung vorgesehenen Teile des § 3 des Vertragsformulars  offen und nahmen dort keine Eintragungen vor. In § 30 des Vertrages, der die Überschrift „sonstige Vereinbarungen“ trägt, wurden die Worte „siehe Anlagen“ eingefügt.

Am 04.08.2007 unterschrieben die Parteien auch ein Schriftstück mit der Überschrift „Anlage zum Mietvertrag vom 01.02.2007 zwischen Herrn … und Frau Chr. …“. Darin heißt es u. a.:

„1.

Der heute unterschriebene Mietvertrag ersetzt den bisherigen Mietvertrag vom 19.07.1991, der mit der Wirkung zum 31.01.2007 einvernehmlich aufgehoben wird.

2.

Ergänzung zu § 3 Ziffer 3 des Mietverhältnisses

Der Mietvertrag beginnt am 01.10.2006 und endet mit dem Ablauf 30.09.2016.

Dem Mieter wird eingeräumt, durch einseitige Erklärung die Mietvertragsdauer um dreimal 5 Jahre zu verlängern. Die Verlängerungsoption ist spätestens 3 Monate vor Ablauf der Mietdauer dem Vermieter durch einfachen Brief anzuzeigen.“

Bis etwa 2012 waren alle  Wohneinheiten im Objekt … vermietet. Ende September 2015 bestanden neben dem Mietverhältnis der Beklagten nur noch Mietverhältnisse der Mieter … … und …. Derzeit ist außer der Zahnarztpraxis der Beklagten lediglich noch eine Wohnung bewohnt.

Mit Schreiben vom 20.01.2015 wies der Kläger die Beklagte darauf hin, dass ausweislich des Mietvertrages kein Kellerraum mitvermietet worden sei und forderte sie auf, den von ihr genutzten Kellerraum bis zum 03.02.2015 zu räumen und herauszugeben. Dem widersprach die Beklagte mit Schreiben vom 26.01.2015.

Mit Schreiben des Verbandes Haus & Grundeigentum Hannover e. V. vom 24.02.2015 ließ der Kläger die ordentliche Kündigung des Mietvertrages zum 30.09.2015 erklären. In dem Schreiben heißt es u. a.:

„Tatsächlich wird man mit Blick auf die lange Zeit der unwidersprochenen Nutzung seit 1991 davon ausgehen können, dass der besagte Kellerraum durch schlüssiges Handeln zum Gegenstand des Mietvertrages geworden ist. Mit Blick auf die Wichtigkeit des Kellerraumes für den Betrieb Ihrer Praxis ist somit aber ein wesentlicher Bestandteil der mietvertraglichen Vereinbarungen nicht in Schriftform geregelt worden. Dies hat zur Folge, dass die in der Anlage zum schriftlichen Mietvertrag unter Nr. 2 vereinbarte Befristung bis zum 30.09.2016 nebst den einseitigen Verlängerungsoptionen zu Ihren Gunsten nicht wirksam erfolgt ist (vergl. § 550 BGB). Folge dessen ist, dass der Vertrag nunmehr auf unbestimmte Zeit läuft und unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist zu kündigen ist. „

Die Beklagte widersprach der Kündigung mit Anwaltsschreiben vom 09.03.2015.

Der Kläger beantragt: Die Beklagte wird verurteilt, die von ihr in Besitz gehaltenen Räumlichkeiten des Klägers im Hause …, gelegenen Räumlichkeiten, bestehend aus 8 Räumen, 2 WC’s und einem Flur (in der beigefügten Skizze gelb umrandet) zur Gesamtgröße von circa 150 m² sowie den neben dem Kellerabgang links abgelegenen Keller (in der beigefügten Skizze gelb markiert) zu Gesamtgröße von circa 20 m² nebst 6 Stellplätzen (in der beigefügten Skizze gelb markiert) sofort zu räumen und an den Kläger herauszugeben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

 

Die Beklagte behauptet, die Parteien hätten ursprünglich den Abschluss eines auf den Vertrag vom 19.07.1991 folgenden Anschlussmietvertrages zum 01.02.2007 beabsichtigt und entsprechende Vertragsentwürfe ausgefertigt. Aufgrund weiteren Regelungsbedarfs hätten sich die Verhandlungen über die Vertragsmodalitäten länger als geplant hingezogen. Als es dann zum Vertragsabschluss gekommen sei, hätten die Parteien vergessen, im Entwurf der Anlage das Datum in der Überschrift anzupassen. Die Beklagte meint, bei der Bezugnahme in der Anlage zum Mietvertrag auf einen Vertrag vom 01.02.2007 handele es sich daher um einen offensichtlichen Fehler. Auch vom Inhalt her sei die Anlage nur so auszulegen, dass sie sich auf den Vertrag vom 04.08.2007 beziehen solle.

Die Beklagte trägt vor, der von ihr genutzte Teilbereich des Kellers sei mit vermietet worden. Sie behauptet, die Parteien hätten, im Rahmen der im ersten Halbjahr 2007 geführten intensiven Verhandlungen die erneute gesonderte Kennzeichnung des Kellers im Anschlussvertrag vergessen.

Die Beklagte ist der Ansicht, es liege kein Anwendungsfall des § 550 BGB vor, da die wesentlichen Vertragsbestandteile schriftlich festgehalten worden seien. Eine gesonderte schriftliche Fixierung in Bezug auf den für die Praxisinstallationen genutzten Teil des Kellers sei nicht erforderlich gewesen. Denn nach der Rechtsprechung unterfielen dem Schriftformerfordernis des § 550 BGB lediglich Abreden von nicht nur untergeordneter Bedeutung, die die Belange eines etwaigen Grundstückserwerbers beeinträchtigen können. Zudem genüge es, dass ein etwaiger Erwerber des Objektes anhand des vorliegenden Vertrages vor Ort  erkennen könne, was wesentlicher Mietgegenstand ist.

Die Beklagte meint, es sei dem Kläger nach § 242 BGB versagt, sich gegebenenfalls auf die nicht eingehaltene Schriftform des Mietvertrages zu berufen. Sie behauptet, bei einer Beendigung des Mietverhältnisses drohe ihr eine Existenzgefährdung. Denn ein Umzug der Praxis sei wegen der ortsbezogenen Kassenzulassung nur eingeschränkt möglich. Es sei auch nicht möglich, im näheren Umkreis zeitnah geeignete Praxisräume zu finden. Die darauf gerichteten Bemühungen hätten keinen Erfolg gehabt. Zudem träte bei einer Beendigung des Mietverhältnisses ein Verlust von erheblichen Aufwendungen ein, die sie im Vertrauen auf die Vertragsdurchführung getätigt habe. Wenn sie in der Nähe der jetzigen Praxis überhaupt eine geeignete Mietfläche fände, müsste sie erneut hohe Kosten für die Einrichtung und den Umbau von Räumen aufwenden. Bei vergleichbarer Praxisgröße sei von Gesamtkosten für einen Umzug in Höhe von 150.000,00 € bis 200.000,00 € auszugehen. Zudem wäre die Praxis für die Dauer eines Umzugs und die Zeit für die Deinstallation und Neuinstallation der gesamten Technik zu schließen, wobei dafür selbst bei günstigsten Umständen und bester Planung vier bis acht Wochen notwendig wären. Während dieser Zeit würden die laufenden Kosten – auch für die derzeit insgesamt acht Angestellten – bei fehlenden Einnahmen weiter anfallen. Zudem bestünde die Gefahr des Verlustes von Patienten, die aufgrund einer örtlichen Veränderung und vorübergehenden Praxisschließung zu anderen Zahnärzten abwandern würden. Auch der neben dem Sachwert bestehende ideelle Wert der Praxis, der grob geschätzt zwischen 60.000,00 und 90.000,00 € liege, werde durch einen Umzug gefährdet und könne dadurch sogar vernichtet werden. Das sei in die Gesamtbewertung mit einzubeziehen. In Anbetracht des Altes der Beklagten von 58 Jahren sei die Möglichkeit einer Kreditaufnahme stark begrenzt. Das alles wäre finanziell für die Beklagte kaum zu verkraften und würde den Bestand der Praxis und damit ihre Existenz gefährden.

Beklagte ist der Ansicht, das Verhalten des Klägers sei auch deshalb treuwidrig, weil er sich aus einer sachfremden Motivation heraus sich auf den Formmangel berufe. Er missbrauche diesen nämlich für sein Ziel, sein Haus weiter zu entmieten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die von ihr genutzten Räume im Haus … zu räumen und an den Kläger herauszugeben. Denn das Mietverhältnis der Parteien ist durch die Kündigungserklärung vom 24.02.2015 nicht beendet worden. Zwar steht die am 04.08.2007 getroffene Vereinbarung der Parteien über die Dauer des Mietvertrages einer ordentlichen Kündigung nicht entgegen. Denn der Mietvertrag gilt nach § 550 BGB wegen der nicht eingehaltenen Schriftform für unbestimmte Zeit. Dem Kläger war es jedoch nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, die Kündigung vom 24.02.2015 darauf zu stützen.

I.

Der Mietvertrag der Parteien vom 04.08.2007 weist die für die Wirksamkeit der vereinbarten Laufzeit von mehr als einem Jahr erforderliche schriftliche Form nicht auf. Er gilt deshalb nach den §§ 550 Satz 1, 578 Abs. 2 BGB als auf unbestimmte Zeit geschlossen.

Die Schriftform des § 550 BGB ist nur dann gewahrt, wenn sich die für den Abschluss des Vertrages notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen – insbesondere den Mietgegenstand – aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt (BGH, Urteil vom 30.01.2013, XII. ZR 38/12, zitiert nach juris).

1. Das ist hier nicht der Fall, weil aus dem Mietvertrag nicht hervorgeht, dass der von der Beklagten genutzte Kellerraum mitvermietet ist. Dass dieser Kellerraum mitvermietet ist, ergibt sich aus dem Umstand, dass die Klägerin ihn bereits seit 1991 unwidersprochen nutzt und dass der Beklagte ihr unstreitig die Schlüssel für diesen Raum ausgehändigt hat. Dafür, dass auch der Kellerraum Mietobjekt sein sollte, spricht zudem, dass das Wort „Keller“ in der die Mieträume betreffenden Bestimmung unter § 1 Nr. 1 b) des Mietvertrages vom 19.07.1991 unterstrichen ist und dass die Parteien unstreitig beim Abschluss des Mietvertrages vom 04.08.2007 keine Änderungen in Bezug auf das Mietobjekt vornehmen wollten.

Die Mitvermietung des Kellerraumes gehört zu den unter das Schriftformerfordernis fallenden wesentlichen Vertragsbedingungen. Dafür spricht bereits, dass im Formular des Mietvertrages vom 02.08.2007 in § 1 b bei den möglichen zum Mietobjekt gehörenden Nebenräumen der Keller ausdrücklich aufgeführt ist. Im Hinblick darauf ist unerheblich, dass dieser in Bezug auf seine Größe im Verhältnis zu den vermieteten Praxisräumen von untergeordneter Bedeutung ist. Denn das gilt in aller Regel auch für die anderen in § 1 Nr. 1 b des Mietvertrages genannten Nebenräume, wie etwa Garagen, Boden und Schuppen. Im Übrigen ist die Nutzung des Kellerraumes unabhängig von seiner Größe für die Beklagte nach ihrem Vortrag, ohne sie hätte der Praxisbetrieb nicht aufgenommen werden können, von erheblicher Bedeutung.

Im Hinblick auf die Mitvermietung des Kellerraumes liegt auch keine dem Formerfordernis genügende Bestimmbarkeit des Mietobjektes vor. Zwar genügt es, wenn der Inhalt formbedürftiger Vertragsklauseln bestimmbar ist. Insoweit darf auch auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände zurückgegriffen werden (BGH, Urteil vom 07.05.2008, XII ZR 69/06, zitiert nach juris). Umstände, aus denen  hervorgeht, dass der Kellerraum an die Klägerin mitvermietet worden ist, sind jedoch nicht ersichtlich. Sie ergeben sich nicht daraus, dass dort für den Praxisbetrieb notwendige Installationen untergebracht worden sind. Denn das allein lässt keinen ausreichenden Schluss auf eine zugrunde liegende Vereinbarung über die Mitvermietung und deren Inhalt zu.

2. Der Mietvertrag vom 04.08.2007 genügt unabhängig von den vorstehenden Ausführungen auch deshalb nicht dem Schriftformgebot des § 550 BGB, weil die Zusammengehörigkeit des Mietvertrages vom 04.08.2007 und der am selben Tag unterzeichneten Anlage nicht zweifelsfrei erkennbar ist. Wenn wesentliche vertragliche Vereinbarungen, so wie sie hier etwa bezüglich der Mietdauer in der Anlage getroffen wurden, nicht im Mietvertrag selbst schriftlich niedergelegt, sondern in Anlagen ausgelagert werden, so dass sich der Gesamtinhalt der mietvertraglichen Vereinbarung erst aus dem Zusammenspiel dieser „verstreuten“ Bedingungen ergibt, müssen die Parteien zur Wahrung der Urkundeneinheit die Zusammengehörigkeit dieser Schriftstücke in geeigneter Weise zweifelsfrei kenntlich machen (vgl. BGH, Urteil vom 30.01.2013, XII ZR 38/12, zitiert nach juris). Dazu bedarf es keiner körperlichen Verbindung dieser Schriftstücke. Vielmehr genügt für die Einheit der Urkunde die bloße gedankliche Verbindung, die in einer zweifelsfreien Bezugnahme zum Ausdruck kommen muss. Ergibt sich der Zusammenhang mehrerer Schriftstücke aus einer Bezugnahme, ist es erforderlich, dass vom aktuellen Vertrag auf den Ausgangsvertrag und auf alle ergänzenden Urkunden verwiesen ist, mit denen die der Schriftform unterliegenden vertraglichen Vereinbarungen vollständig erfasst sind (vgl. BGH, Urteil vom 30.01.2013, XII ZR 38/12, zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 07.05.2008, XII ZR 69/06, zitiert nach juris). Das ist hier nicht der Fall. Denn aus dem Hinweis „siehe Anlagen“ in § 30 des Mietvertrages vom 04.08.2007 geht nicht zweifelsfrei hervor, dass damit auf die am 04.08.2007 unterzeichnete „Anlage zum Mietvertrag vom 01.02.2007“ Bezug genommen werden soll. Das ist auch dieser Anlage nicht hinreichend klar zu entnehmen. Denn ihre Überschrift „Anlage zum Mietvertrag vom 01.02.2007“ spricht nicht für die Zugehörigkeit zum Mietvertrag vom 04.08.2007, sondern für die Zugehörigkeit zu einem Mietvertrag vom 01.02.2007. Dafür spricht auch der Text unter Ziffer 1. der am 04.08.2007 unterzeichneten Anlage, wonach der „heute unterschriebene Mietvertrag den bisherigen Mietvertrag vom 19.07.1991, der mit Wirkung zum 31.01.2007 einvernehmlich aufgehoben wird“ ersetzt. Denn auch das deutet darauf hin, dass die Anlage zu einem Mietvertrag gehört, der unmittelbar im zeitlichen Anschluss an die Aufhebung zum 31.01.2007 abgeschlossen wurde und damit am 01.02.2007. Demgegenüber vermag der Umstand, dass das Datum der Unterzeichnung der Anlage mit demjenigen der Unterzeichnung des Mietvertrages übereinstimmt, keine zweifelsfreie gedankliche Verbindung, wie sie für die Einheit der Urkunde erforderlich ist, zu begründen.

II.

Dem Kläger ist die Berufung auf den danach feststehenden Schriftformmangel und die sich daraus ergebende Befugnis, das Mietverhältnis mit den gesetzlichen Fristen zu kündigen, gemäß § 242 BGB versagt.

Zwar darf sich grundsätzlich jede Partei darauf berufen, dass die für den langfristigen Mietvertrag vorgesehene Form nicht eingehalten ist (OLG Frankfurt, Urteil vom 27.03.2009, 2 U 72/08, zitiert nach juris). Auch die jahrelange anstandslose Durchführung eines Vertrages führt nicht zur Treuwidrigkeit der Berufung auf den Schriftformmangel (OLG Frankfurt, a. a. O.). Eine rechtsmissbräuchliche Berufung auf einen Formverstoß kann nur in Ausnahmefällen beim Vorliegen ganz besonderer Umstände bejaht werden. Sie kommt in aller Regel lediglich in Betracht, wenn die Nichtigkeit des Vertrages zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führte. Das ist etwa dann anzunehmen, wenn der eine Vertragsteil den anderen arglistig oder sonst schuldhaft von der Beobachtung der Formvorschrift abgehalten oder sich anderweitig einer besonders schweren Treuepflichtverletzung schuldig gemacht hat oder wenn bei Formnichtigkeit des Vertrages die Existenz des Vertragspartners bedroht wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24.01.1990, VI ZR 296/88, zitiert nach juris).

Im vorliegenden Fall ist die auf den Formmangel gestützte Kündigung vom 24.02.2015 aus anderen Gründen treuwidrig.

Dafür spricht zunächst, dass die Nichteinhaltung der Schriftform offensichtlich auf einem Versehen der juristisch nicht vorgebildeten Parteien beruht, die in Bezug auf das Mietobjekt keine Änderungen vornehmen wollten und die die ihnen wesentlich erscheinenden und wesentlichen Bedingungen des Mietvertrages im Übrigen schriftlich fixiert und nicht bemerkt haben, dass sie in der am 04.08.2007 unterzeichneten Anlage wegen des darin enthaltenen Verweises auf einen unstreitig niemals abgeschossenen Mietvertrag vom 01.02.2007 keine ordnungsgemäße Bezugnahme auf den Mietvertrag vom 04.08.2007 vorgenommen hatten. Auf den sich aus der nicht ordnungsgemäßen Bezugnahme ergebenden Formmangel kann das Recht zur Kündigung deshalb nicht ohne Weiteres gestützt werden, weil die Parteien einen möglichen Erwerber des Grundstücks, dessen Schutz die Formvorschrift des § 550 BGB  u.a. dienen soll, auf die versehentlich unterlassene Korrektur des Datums 01.02.2007 hinweisen können. Zudem dürfte der Kläger nach Treu und Glauben verpflichtet sein, an einer entsprechenden Korrektur dieses Datums mitzuwirken.

Bezüglich der Berufung auf den sich aus der Mitvermietung des Kellers ergebenden Mangel der Schriftform ist zu berücksichtigen, dass sie der sich aus seinem Schreiben an die Beklagte vom 20.01.2015 sowie aus seinem Vortrag im Schriftsatz vom 23.10.2015 (Bl. 49 d. A.) ergebenden Auffassung des Klägers widerspricht, der Keller sei nicht mit vermietet worden.

Hinzu kommt, dass der Beklagten im Fall der Wirksamkeit der Kündigung ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden entstünde durch die von ihr aufzuwendenden Kosten für die Räumung des gemieteten Objektes, den Umzug, die Einrichtung einer anderen Praxis sowie den Verdienstausfall während des zur Durchführung dieser Maßnahmen benötigten Zeitraums. Auf die genaue Höhe dieses Schadens kommt es nicht an. Denn neben den vorstehend genannten Gründen ist in diesem Zusammenhang von wesentlicher, ausschlaggebender Bedeutung, dass der Betrieb der Praxis in der derzeitigen Form die Grundlage für die berufliche Existenz der Beklagten ist und dass sie die mit einem Umzug an einen anderen Ort verbundene Unsicherheit in Bezug auf ihren bisherigen und einen möglichen neuen Patientenstamm besonders schwer trifft, wobei ihr aufgrund ihres Alters von 58 Jahren nicht mehr viel Zeit bleibt, um die sich aus einem Auszug aus dem gemieteten Objekt ergebenden Nachteile auszugleichen.

Angesichts dieser Umstände wäre die Kündigung im vorliegenden Fall  – wenn überhaupt – allenfalls dann zulässig, wenn der Kläger ein gleich schwer wiegendes berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses mit der Beklagten hätte. Dass das der Fall ist, ist nicht ersichtlich. Der Vortrag des Klägers, die freistehenden Wohnungen könnten wegen der Nutzung des Kellerraums durch die Beklagte nicht neu vermietet werden, überzeugt nicht. Denn unstreitig war eine Vermietung während der Zeit der Zwangsverwaltung des Hauses möglich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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