LG Berlin – Az.: 63 S 409/10 – Urteil vom 01.04.2011
1. Die Berufung der Kläger gegen das am 9.6.2010 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mitte 9 C 237/09 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Von einer Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II.
1. Die statthafte (§ 511 Abs. 1 ZPO), vom Amtsgericht zugelassene (§ 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), form- sowie fristgerecht eingelegte und begründete (§§ 517, 519, 520 ZPO) Berufung ist zulässig.
2. Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Den Klägern steht aus der Betriebs- und Heizkostenabrechnung 2008 kein Guthaben zu. Ein solches stände den Klägern nach ihrer Berechnung nur zu, wenn die Heizkosten für die gesamte Wohnung nach Fläche umgelegt würden und den Klägern hinsichtlich der so errechneten Kosten das Kürzungsrecht gem. § 12 HeizKV zustände.
Aus dem Umstand, dass das Bad nicht mit einem Heizkostenverteiler ausgestattet war, folgt jedoch nicht, dass die Heizkosten der gesamten Wohnung nach Fläche umgelegt werden müssen.
Grundsätzlich kommt eine Schätzung der Heizkosten gem. § 9a HeizKV für einen Raum in Betracht, in dem ein Verbrauchserfassungsgerät fehlt. Ein „anderer zwingender Grund“ im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn Umstände gegeben sind, die dem Geräteausfall gleichzusetzen sind, weil sie eine rückwirkende Korrektur der Erfassungsmängel ausschließen. Entscheidend ist allein die objektive Lage; auf die Frage, ob der Erfassungsmangel vom Vermieter zu vertreten ist, kommt es nicht an (BGH, Urt. v. 16.11.2005 – VIII ZR 373/04, GE 2006, 48; Langenberg, Betriebskostenrecht, 5. Aufl., Anh. I Heizkostenabrechnung Rn. 106). So hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil v. 31.10.2007 (VIII ZR 261/06, GE 2007, 1686) deutlich gemacht, dass eine Schätzung grundsätzlich auch dann in Betracht kommt, wenn die Wohnung von vornherein nicht mit Erfassungsgeräten ausgestattet ist. In der dortigen Entscheidung war eine Schätzung allein deshalb nicht in Betracht gekommen, weil Verbrauchswerte weder aus früheren Zeiträumen noch aus vergleichbaren anderen Räumen zur Verfügung standen und es daher an einer geeigneten Schätzgrundlage mangelte.
Ob hier die Regelung in § 5 Ziff. 3 Satz 2 des Mietvertrages einer Schätzung der Heizkosten für das Bad entgegensteht, muss nicht entschieden werden; eine Umlage der Heizkosten des Bades aufgrund der von der Klägerin vorgenommenen Schätzung kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Abrechnung der Klägerin in diesem Punkt formell unwirksam ist mangels Angabe der Schätzgrundlage. Der Ablesewert im Bad von 12,1 Einheiten ist nur pauschal mit dem Zusatz „Einzelschätzung“ versehen, ohne dass deutlich würde, aufgrund welcher Schätzgrundlage der Wert ermittelt wurde. Dies wäre jedoch für eine formell ordnungsgemäße Abrechnung erforderlich (vgl. LG Berlin, Urt. 11.06.2007 – 67 S 472/06, GE 2007, 1190).
Daher sind die 12,1 für das Bad geschätzten Einheiten aus der Abrechnung herauszurechnen, was der Klage jedoch nicht zu einem Erfolg zu verhelfen vermag, da die Abrechnung nach wie vor mit einem Nachzahlungsbetrag zu Lasten der Kläger endet.
Aus der Unzulässigkeit oder Unwirksamkeit der Schätzung für einen Raum folgt nicht, dass die gesamten Heizkosten für die Wohnung nach Fläche umgelegt werden müssen.
Dies würde – zumindest in kleineren Wirtschaftseinheiten – zu einer unbilligen Verzerrung der Kostenverteilung für die übrigen Mieter führen. Würden die Heizkosten für die übrigen Mieter weiterhin nach Verbrauch (und Fläche) umgelegt, stiege der Verbrauchsanteil der übrigen Mieter trotz gleichbleibendem Verbrauch an, da der Verbrauchsanteil der Gesamtkosten durch eine geringere Zahl an abgelesenen Einheiten geteilt würde und sich daher ein höherer Einheitspreis ergäbe. Es verbliebe die Möglichkeit, die Heizkosten auch im Rest der Wirtschaftseinheit allein nach Fläche umzulegen. Dabei würde aber außer Betracht bleiben, dass die Mieter eventuell ein stark unterschiedliches Heizverhalten und daher auch in unterschiedlichem Maße zur Entstehung der Heizkosten beigetragen haben können. Zudem würde sich diese Lösung am weitesten vom Zweck der Heizkostenverordnung entfernen, wonach sich die Umlage der Heizkosten am Verbrauch der einzelnen Nutzer orientieren sollte. In großen Wirtschaftseinheiten erscheint es auch kaum praktikabel, die Heizkosten für sämtliche Wohnungen nach Fläche umzulegen, nur weil sich herausstellt, dass in einem Zimmer einer Wohnung ein Heizkostenverteiler fehlt – eventuell nachdem bereits mit einigem Aufwand die Verbrauchswerte vieler Wohnungen abgelesen wurden. Für die besonders sparsamen Mieter dürfte die Möglichkeit einer Kürzung der Heizkosten um 15 % nach § 12 HeizKV nur ein geringer Trost sein, während der Vermieter mit einer Kürzung der Heizkostenabrechnungen durch alle Mieter rechnen muss, obwohl er die Ausstattung mit einem Erfassungsgerät nur in einem Zimmer des Hauses vergessen haben mag.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.