AG Bremen – Az.: 25 C 405/19 – Urteil vom 29.11.2019
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.
Tatbestand
Der Beklagte hatte ab 13.03.2016 von der Klägerin eine Wohnung in der S. Straße 1 gemietet. Das Mietverhältnis kündigte er mit Schreiben vom 15.03.2016 fristlos wegen Entziehung des vertraglich vereinbarten Gebrauchs und Gesundheitsgefährdung. Die Klägerin bestätigte die Kündigung als ordentliche Kündigung zum 12.03.2017. Der Beklagte hat die Wohnung niemals bezogen, sondern die Schlüssel am 18.03.2016 zurückgegeben.
Die Miete war mit 306,75 EUR monatlich einschließlich Nebenkostenvorauszahlungen vereinbart.
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Zahlung vermeintlich ausstehender Mieten und Nebenkostennachzahlungen.
Über die Nebenkosten für das Kalenderjahres 2016 rechnete die Klägerin mit Schreiben vom 02.06.2017 (Heizkosten) und 02.09.2017 (Betriebskosten), über die Nebenkosten für das Kalenderjahr 2017 mit Schreiben vom 15.11.2018 (Heizkosten) und 17.11.2018 (Betriebskosten) ab. Die Abrechnungen weisen hinsichtlich der Heizkosten Guthaben von 198,17 EUR und 14,95 EUR sowie hinsichtlich der Betriebskosten Nachforderungen von 27,12 EUR und 5,69 EUR aus.
Zwischen den Parteien war zuvor ein Rechtsstreit zum Aktenzeichen 16 C 329/17 anhängig wegen Mietzinsforderungen bis 30.06.2016. Mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 04.05.2018 wurde der Beklagte zur Zahlung der Mieten bis 30.06.2016 und die Klägerin auf die Widerklage zur Rückzahlung der Mietkaution verurteilt.
Die Klägerin behauptet, das Mietverhältnis habe vom 13.03.2016 bis 12.03.2017 bestanden. In der Zeit vom 01.07.2016 bis 31.03.2017 habe der Beklagte die Mieten und Nebenkostennachforderungen nicht in voller Höhe bezahlt, so dass ein Rückstand in Höhe der Klagsumme entstanden sei. Die behaupteten Mängel bestreite sie.
Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 2.396,39 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung des Mahnbescheides (18.01.2019) zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte behauptet, er habe die damals noch bewohnte Wohnung erstmals am 04.02.2016 besichtigt und am 10.02.2016 den Mietvertrag unterschrieben. Bei Übergabe habe sich die Wohnung in infolge Schimmelbefalls in allen Räumen in einem nichtvermietbarem und wegen Gesundheitsgefährdung unbewohnbaren Zustand befunden, den er zuvor nicht habe sehen können. Dieser Zustand bestehe auch heute noch, nachdem die Klägerin den Schimmel einfach habe überstreichen lassen.
Wegen weiterer Einzelheiten des gegenseitigen Parteivorbringens wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen Bezug genommen.
Die Akte des Vorprozesses 16 C 329/17, hier insbesondere der schriftliche Mietvertrag Bl. 111 ff., wurde auf Antrag des Beklagten beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keine weiteren Ansprüche auf Mietzinszahlung, denn das Mietverhältnis über eine Wohnung in der S. Straße in B. gemäß Vertrag vom 10.02.2016 ist seit dem 30.06.2016 beendet.
Entgegen der Kündigungsbestätigung der Klägerin wurde das Mietverhältnis des Beklagten aufgrund der ausgesprochenen Kündigung vom 15.03.2016 jedenfalls mit Ablauf des 30.06.2016 gemäß § 573c Abs. 1 BGB wirksam. Das ergibt sich nicht nur aus dem Urteil des Vorprozesses. Hier hatte das Gericht wegen des widerklagend geltend gemachten Anspruches auf Rückzahlung der Kaution über die Beendigung des Mietverhältnisses zu entscheiden. Der Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung in eine ordentliche Kündigung mit gesetzlicher Kündigungsfrist steht auch nicht der in § 8 Abs.1 Satz 2 des Mietvertrages vereinbarte Kündigungsverzicht für 1 Jahr entgegen. Zwar ist grundsätzlich ein befristeter Kündigungsausschluss uneingeschränkt zulässig. Dies gilt auch für die Vereinbarung im einem Formularvertrag. Der in dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Mietvertrag vereinbarte Kündigungsausschluss ist jedoch unwirksam, weil die Vertragsklausel gegen § 305c Abs. 1 und § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verstößt. Danach werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil und sind Bestimmungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.
Im Vertrag der Parteien steht die Klausel an so ungewöhnlicher und systematisch unpassender Stelle der Vertragsurkunde, dass ein Vertragspartner des Verwenders, hier der Mieter nicht mit ihr rechnet. Der Vertrag gibt nämlich unter der Überschrift „Mietdauer und Kündigung“ in erheblicher Breite die gesetzlichen Kündigungsvorschriften wieder. Dazwischen ist ohne weitere Hervorhebung im Anschluss an die Mietdauer („Das Mietverhältnis wird für unbestimmte Zeit abgeschlossen.“) der Kündigungsverzicht untergebracht. Dessen ungeachtet wird in § 8 Abs. 2 das reguläre Kündigungsrecht dargestellt. Dem juristisch nicht vorgebildeten Mieter erschließt sich ohne weiteren Hinweis auf den hinausgeschobenen Beginn der Kündigungsmöglichkeit die Bedeutung des Kündigungsverzichtes nicht. Außerdem benachteiligt die Klausel den Mieter auch insofern unangemessen, als das Zusammenspiel der Regelungen in Abs. 1 und 2 der Vertragsklausel (§ 8) nicht erkennen lässt, ob die Dauer des Kündigungsverzichts sich auf den Ausspruch der Kündigung oder den Eintritt der Kündigungswirkung erstrecken soll. Gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und unmissverständlich ist. So liegt der Fall hier.
Hinzu kommt, dass die Klägerin in Verletzung vertraglicher Nebenpflichten sich entgegen dem eigenen Versprechen in der Kündigungsbestätigung, sich umgehend um eine Anschlussmiete bemühen zu wollen, sich um das Mietverhältnis in keiner Weise mehr gekümmert hat, obwohl bereits im März 2016 die Schlüssel zurückgegeben worden waren. Statt dessen hat sie Mieten bis zum 30.06.2016 eingefordert und in dem hierzu geführten Rechtsstreit mit keinem Wort auf weitere Mietzinsforderungen Bezug genommen, noch gegen die Kaution aufgerechnet, so dass es zur Verurteilung zur Rückzahlung der Mietkaution kam. Hiermit hat sie den Beklagten in der Sicherheit gewiegt, dass – dem allgemeinen Stand des Wohnungsmarktes entsprechend – eine Anschlussmiete erfolgt sei und weitere Forderungen nicht bestünden.
Die Klägerin kann auch Nachforderungen aus den Nebenkostenabrechnungen für die Jahre 2016 und 2017 nicht mit Erfolg gegen den Beklagten durchsetzen.
Nachforderungen für das Abrechnungsjahr 2017 können sich schon deshalb nicht ergeben, weil das Mietverhältnis nach vorstehenden Ausführungen in jenem Abrechnungsjahr nicht mehr bestand. Nachforderungen aus der Abrechnung für 2016 kann die Klägerin nicht beanspruchen, weil sowohl die Heizkostenabrechnung für 2016 (die ein Guthaben des Beklagten ausweist), als auch die Betriebskostenabrechnung insofern schon auf den ersten Blick unrichtig sind, weil sie die tatsächliche Vertragsdauer nur bis zum 30.06.2016 nicht berücksichtigt.
Da die Klageansprüche nach allem nicht bestehen, war die Klage daher mit den auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO beruhenden Nebenentscheidungen abzuweisen.