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Mietaufhebungsvertrag nach Kündigung unter Vortäuschung von Eigenbedarf

AG Tempelhof-Kreuzberg, Az.: 23 C 196/15, Urteil vom 07.07.2016

1. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den zukünftigen Mehraufwand an Wohnkosten hinsichtlich des vorgetäuschten Eigenbedarfs bezüglich der ehemaligen Wohnung der Klägerin in der M Straße 71, Quergebäude erstes OG links in 10965 Berlin bis einschließlich Juli 2020 zu ersetzen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin ¾ und der Beklagte ¼ zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Der Streitwert wird auf 26.660,09 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen einer Wohnungskündigung.

Die Klägerin war Mieterin und der Beklagte Vermieter der Altbauwohnung im 1. OG links des Quergebäudes im Hause M Straße 71,10965 Berlin. Nach dem Mietvertrag vom 1.6.1987 bestand die Wohnung aus vier Zimmern, Küche, Korridor, Toilette mit Bad mit einer Wohnfläche von ca. 118 m², die von der Klägerin zu entrichtende Bruttowarmmiete betrug zuletzt 690,- € monatlich. (Für die Einzelheiten wird auf den Mietvertrag, Bl. 11 ff d.A. verwiesen.)

Die Klägerin lebte mit ihrer Lebenspartnerin, der Zeugin J.D. in der Wohnung, trug aber die Kosten allein.

Der Beklagte kündigte das Mietverhältnis mit Schreiben vom 2.2.2011 zum 31.10.2011, hilfsweise zum nächst möglichen Termin, wegen Eigenbedarfs für seine Schwester, die Zeugin I.G.. (Für die Einzelheiten wird auf das Schreiben, Bl. 15 f d.A. verwiesen.)

Nachdem die Klägerin nicht auszog, strengte der Beklagte eine Räumungsklage an, welche vom hiesigen Gericht zum Geschäftszeichen 16 C 384/11 mit Urteil vom 20.12.2012 abgewiesen wurde. Entscheidend hierfür war, dass sich nach der Zeugenvernehmung von Frau I.G. zum Zeitpunkt der Kündigung lediglich eine „Idee oder ein „Gedanke“ an den Umzug, aber noch nicht ein fester Nutzungswille wie er für den Eigenbedarf erforderlich sei, entnehmen ließ. (Für die Einzelheiten wird auf das Urteil, Bl. 72 ff d.A. verwiesen.)

Die Entscheidung wurde mit Beschluss des Landgerichts Berlin vom 22.5.2013 zum Geschäftszeichen 65 S 68/13 bestätigt.

Der Beklagte kündigte das Mietverhältnis erneut mit Schreiben vom 17.5.2013 zum 31.1.2014 wegen Eigenbedarfs für seine Schwester, die Zeugin I.G..

(Für die Einzelheiten wird auf das Schreiben, Bl. 21 f d.A. verwiesen.)

Die Klägerin beauftragte ihren Prozessbevollmächtigten am 22.10.2013, mit dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten in Verhandlungen wegen einer Auflösung des Mietverhältnisses zu treten. Aufgrund dieser Verhandlungen schlossen die Parteien sodann am 4.12.2013 einen Mietaufhebungsvertrag, aufgrund dessen sich die Klägerin verpflichtete, die Wohnung in der M Straße bis spätestens 31.12.2013 an den Beklagten zurückzugeben.

Unter Ziffer 1. der Regelung hieß es „im Zusammenhang mit der Eigenbedarfskündigung des Vermieters vom 17. Mai 2013 einigen sich die Mietvertragsparteien darüber, dass das Mietverhältnis über die Wohnung im Hause M Straße 71… zum 31. Dezember 2013 aufgehoben wird.“

Zug um Zug gegen Rückgabe der Wohnung verpflichtete sich der Beklagte zu einer Ausgleichszahlung von 5000,- €, die Rückgabe der Wohnung sollte besenrein erfolgen.

Weiter hieß es unter Ziffer 2.: „Die Vermieterin (sic) schuldet keine Ausführung von Schönheitsreparaturen“. (Für die Einzelheiten der Regelung wird auf Bl. 23 f d.A. verwiesen.)

Die Klägerin mietete gemeinsam mit ihrer Lebenspartnerin zum 25.11.2013 eine 1983 bezugsfertig gewordene Wohnung im 7. OG des Hauses A Straße 37, 10999 Berlin mit vier Zimmern, Küche, Bad, Flur, Gäste-WC, Loggia und Keller bei einer Größe von ca. 118,66 m². Die monatliche Bruttowarmmiete betrug bis Ende 2013 1199,00 €, bis März 2014 betrug sie 1297,96 €, bis Oktober 2014 1253,12 € und seitdem 1204,43 €. (Für die Einzelheiten wird auf den Auszug aus dem Mietvertrag, Bl. 38 d.A. verwiesen.)

Die Miet – und Umzugskosten brachte die Klägerin alleine auf.

Die Klägerin zog am 14.12.2013 aus und die Wohnung in der M Straße 71 stand zunächst leer. Der Beklagte übertrug das Eigentum an der Wohnung im April 2014 an seiner Tochter, welche sie dann an eine Frau B. zur Bildung einer Wohngemeinschaft vermietete.

Die Klägerin behauptet, sie habe die Mietaufhebungsvereinbarung allein vor dem Hintergrund der ausgesprochenen Eigenbedarfskündigung abgeschlossen. Nachdem die Bedenken, welche zur Klageabweisung im Vorprozess geführt hatten, nunmehr durch einen festen Wunsch der Schwester des Beklagten ausgeräumt gewesen seien, habe sie sicher mit dem Verlust der Wohnung in der M Straße rechnen müssen. Der Eigenbedarf sei jedoch vom Beklagten nur vorgetäuscht worden, was sich unter anderem daran zeige, dass die Wohnung zu einem wesentlich höheren Mietzins von 1250 € monatlich weitervermietet worden sei.

Sie meint, der Beklagte wäre jedenfalls zur Information über den Wegfall des Eigenbedarfs verpflichtet gewesen. Sie meint, die Erkrankung des Lebensgefährten der Schwester des Beklagten sei absehbar gewesen, was sich an Vorbehandlungen ablesen lasse, die den ärztlichen Unterlagen für das Jahr 2012 zu entnehmen seien.

Sie meint, bei der Ausgleichszahlung von 5000,- € handele es sich nicht um eine substantielle Gegenleistung, zumal ihre neue Wohnung als ehemaliger Sozial- und Neubau wesentlich unattraktiver und schlechter gelegen sei, als die frühere Wohnung.

Die Klägerin behauptet weiter, ihr seien im Zusammenhang mit dem Umzug Kosten von 5193,94 € entstanden, vor allem doppelte Mietzahlungen, Umzugskosten, Kosten für erforderliche neue Möblierung und Recherchekosten. (Für die Einzelheiten wird auf die Aufstellung K8, Blatt 29 der Akten und die Einzelnachweise, Anlagen K 15-26, Bl. 120 ff d.A. verwiesen.).

Die Klägerin rechnet die gezahlte Ausgleichszahlung von 5000,- € auf die von ihr beanspruchten Mehrkosten an, so dass noch ein Restbetrag von 193,94 € Gegenstand der Klageforderung ist. Hinzu rechnet sie 7123,58 € an Mehrkosten für die neue Wohnung für die Zeit von Dezember 2013 bis Dezember 2014 und weitere 2057,72 € an Mehrkosten für die Zeit von Januar bis April 2015.

Die Klägerin beantragt somit,

1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 9375,24 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.1.2015 zu zahlen.

2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeden zukünftigen Schaden hinsichtlich des vorgetäuschten Eigenbedarfs bezüglich der ehemaligen Wohnung der Klägerin in der M Straße 71, Quergebäude erstes OG links in 10965 Berlin zu ersetzen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er behauptet, der ursprünglich feststehende Wunsch seiner Schwester, gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten P.M., von Griechenland nach Berlin umzuziehen, habe sich entscheidend durch eine im November 2013 unerwartet eintretende Notoperation des Lebensgefährten verändert, seit welcher dieser reiseunfähig und dadurch am Umzug gehindert sei. Es habe sich um ein lebensgefährliches Platzen der Aorta, eine sog. Aortendissektion, gehandelt. Hierfür legt er Arztberichte vor, auf deren übersetzte Fassung für die Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 105 ff d.A.). Zum Zeitpunkt der Verhandlungen und bei Abschluss des Aufhebungsvertrages sei die weitere gesundheitliche Entwicklung noch nicht absehbar gewesen, Klarheit habe erst seit März 2014 bestanden. Eine in den ärztlichen Unterlagen dokumentierte Vorerkrankung haben sich auf etwas anderes, nämlich ein im Jahre 2012 behandeltes Krebsleiden bezogen.

Die Wohnung in der M Straße sei für lediglich 1087,50 € bruttowarm weitervermietet worden.

Der Beklagte bestreitet die aufgewandten Kosten und meint, es könne allenfalls von einem Vergleich der Nettokaltmieten ausgegangen werden, eine weitere Gegenleistung für die Rückgabe der Wohnung bestehe im Erlass der Schönheitsreparaturen und notwendigen Instandsetzungsarbeiten, welche mindestens Kosten von 5000,- € verursacht hätten.

 

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen I.G.. Für die Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll vom 2.6.2016 (Bl. 180 ff d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

A.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz wegen unberechtigter Kündigung des Mietverhältnisses gemäß §§ 280 Abs. 1,535 BGB zu.

Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Vermieter dem Mieter im Falle der Vortäuschung von Eigenbedarf gemäß § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet (BGH NJW 2009,2 1059; WuM 2011,634).

1.

Das Gericht ist nach der Vernehmung der Zeugin I.G. im Termin vom 2.6.2016 davon überzeugt, dass der Kündigung vom 17.5.2013 keine ernsthafte Nutzungsabsicht zugrundelag.

a) Ein Indiz hierfür ist es nach Blank (in Schmidt-Futterer, 12. Aufl. 2015, Rz. 62 zu § 573 BGB), wenn der Angehörige die Wohnung überhaupt nicht kennt. An der Ernsthaftigkeit fehlt es weiterhin, wenn sich der Vermieter nicht sicher ist, ob er Nutzungs-/Überlassungsabsicht verwirklichen kann (Blank, a.a.O., Rz. 63).

Das Vorliegen beider Indizien stellt das Gericht aufgrund der Beweisaufnahme fest.

In dem vor allem für die Beweiskraft wichtigen freien Zeugenbericht stellte die Zeugin die Dispositionen aufgrund der Erkrankung ihres Lebensgefährten in den Vordergrund. Über diese berichtete sie auch detailreich, lebhaft und glaubhaft. Am Vorliegen der Erkrankung und auch der Schwere dieser Erkrankung hat das Gericht keine Zweifel.

Umso augenfälliger war der Gegensatz zu der detailarmen und unplastischen Darstellung der Umzugsabsichten und der konkreten Planungen hinsichtlich der Wohnsitznahme in der streitgegenständlichen Wohnung. Die Zeugin erklärte hierzu im Freien Bericht lediglich, es habe schon 2011 einen festen Entschluss gegeben, alles habe sich aber noch weiter hingezogen, bis dann der Krankheitsfall eintrat. Auch auf wiederholtes Nachfragen des Richters konnte die Zeugin keinerlei genauere Informationen zu ihren Umzugsplänen liefern. Auch wenn man in Betracht nimmt, dass die Zeugin in ihrer gesamten Aussage eher eindimensional und sprachlich nicht ausgefeilt erschien, war doch der Gegensatz zwischen der präziseren und vor allem emotional authentisch wirkenden Angabe zur Erkrankung und den äußerst dürftigen Angaben zum geplanten Umzug auffällig. Nach Einschätzung des Gerichts wäre bei der geplanten kompletten Verlegung des Lebenszentrums von Griechenland nach Deutschland eine Fülle von Detailplanungen erforderlich und auch ein emotionaler Eindruck zu erwarten, welcher sich in der Aussage auch einer einfach formulierenden Auskunftsperson niederschlagen müsste. Das Gericht hält es nicht für ausgeschlossen, dass eine vage Umzugsabsicht bestanden haben mag, doch reicht dies für eine sichere Nutzungsabsicht nicht. Ersichtlich hatte die Zeugin keine genaue Kenntnis von der Wohnung unter Frage ob und wann diese frei werde. Im freien Zeugenbericht fanden sich hierzu keine Angaben. Auf eine erste Nachfrage, ob sie mitbekommen habe, ob die Wohnung frei sei und wie das bewerkstelligt war, antwortete sie karg: Sie habe mitbekommen dass sie nicht frei war und sei deshalb auch 2011/12 noch nicht nach Berlin gekommen, dann habe sie mitbekommen dass die Wohnung frei war, habe jedoch keine Kenntnisse über den Hintergrund. Auf weitere Nachfrage, ob sie nachgefragt habe ob die Wohnung frei sei und wie weit es sei, antwortete sie nur, sie habe danach gefragt. Auch bei einer dritten Nachfrage antwortete die Zeugin lediglich, der Beklagte habe ihr bis Ende Oktober 2013 nicht gesagt, dass die Wohnung frei sei und danach habe das für sie keine Rolle mehr gespielt.

Insgesamt erschien die Aussage der Zeugin in diesem Punkt derart karg, dass ein irgendwie geartetes Interesse an der Wohnung nicht festzustellen war. Danach hätte die Zeugin sich in der gesamten Zeit der behaupteten Vorbereitung auf eine komplette Verschiebung des Lebensmittelpunktes nicht näher mit der Frage beschäftigt, wohin konkret sie sich bewegen wollte. Zur Kenntnis von der Wohnung im Sinne des oben angesprochenen Indizes gehört nach der Überzeugung des Gerichts vor allem die Kenntnis von der Möglichkeit die Wohnung überhaupt zu beziehen. Diese Kenntnis fehlte der Zeugin.

b) Die Frage der Umdisposition kann dahinstehen, da schon die ursprüngliche Nutzungsabsicht nicht sicher war.

aus dem gleichen Grunde kommt es auf die Art und Umstände der Weitervermietung nicht entscheidend an.

2.

Der Auszug der Klägerin aus der gekündigten Wohnung in der M Straße 71 und die Anmietung der neuen Wohnung in der A Straße basierte auf der Kündigung vom 17.5.2013. Unstreitig nahm der Bevollmächtigte der Klägerin mit dem Vertreter des Beklagten zeitlich nach und vor dem Hintergrund der Kündigung Kontakt auf, um die Auszugsvereinbarung auszuhandeln. Die Auszugsvereinbarung vom 4.12. selbst, als Ergebnis dieser Verhandlungen, enthält in Ziffer 1 einen ausdrücklichen Bezug auf die Eigenbedarfskündigung vom 17.5.2013. Auf der Grundlage dieser Vereinbarung wiederum zog die Klägerin aus.

3.

a) Der zumindest nicht sicher bestehende Nutzungswunsch der Zeugen wurde gegenüber der Klägerin in der Kündigung vom 17.5.2013 als feststehend dargestellt. Hier hieß es, die Wohnung werde für die Schwester des Beklagten benötigt, weil sie zur Zeit in einer provisorischen Unterkunft lebe, welche eine Einzimmerwohnung sei. Diese sei für den geplanten Zusammenzug mit Herrn P.M. in Berlin viel zu klein.

b) Diese falsche Darstellung geschah schuldhaft. Für den vorgetäuschten Eigenbedarf ist keine Täuschungsabsicht im Sinne eines qualifizierten Vorsatzes erforderlich, vielmehr genügt für die Vorwerfbarkeit die Darstellung vager Ideen als festen Plan (Blank a.a.O.; AG Dortmund, NZM 1999, 120).

c) Vorwerfbar ist zudem, dass der Beklagte die Klägerin nicht spätestens bei Abschluss des Mietaufhebungsvertrages am 4.12.2013 vom Wegfall oder – wenn dies noch nicht endgültig feststand – von den Zweifeln unterrichtete, falls tatsächlich ein – wenn auch vages – Nutzungsinteresse bestanden hätte. Die Krankheit des Lebensgefährten seiner Schwester war ihm nach seiner detailreichen und glaubhaften Einlassung in der persönlichen Anhörung noch Ende Oktober 2013 durch seinen persönlichen Besuch genauestens bekannt geworden. Insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass der Aufhebungsvertrag in seiner Ziffer 1 ausdrücklich auf den Zusammenhang mit der Eigenbedarfskündigung vom 17.5.2013 Bezug nimmt, bestand eine Obliegenheit des Beklagten, eine Änderung in diesem Eigenbedarf bis zum Vertragsschluss zu offenbaren (vgl. die oben angeführte Entscheidung des AG Dortmund).

4.

Der Zurechnungszusammenhang zwischen der Kündigungserklärung und dem durch den Auszug eintretenden Schaden wird nicht durch die Auszugsvereinbarung vom 4.12.2013 unterbrochen.

Nach der zutreffenden Rechtsprechung des BGH (NJW 2015,2324) sind an das Vorliegen des Willens des Mieters, auf etwaige Ansprüche gegen den Vermieter wegen eines nur vorgetäuschten Eigenbedarf zu verzichten, strenge Anforderungen zu stellen.

a) Dem Mietaufhebungsvertrag vom 4.12.2013 ist ausdrücklich ein solcher Verzicht nicht zu entnehmen. Die Erklärung, wonach die Aufhebung im Zusammenhang mit der Eigenbedarfskündigung erfolge, stellt keinen derartigen Verzicht dar. Der BGH führt zu Recht aus, dass der Verzichtswille unmissverständlich sein müsse (BGH, NJW 2007,368). Die Bezugnahme auf die Eigenbedarfskündigung ist aber unspezifisch. Die Formulierung deutet eher darauf hin, dass eine Motivationsgrundlage für den Abschluss der Vereinbarung genannt werden sollte.

b) Für einen stillschweigenden Verzicht bedarf es regelmäßig bedeutsamer Umstände, etwa einer substantiellen Gegenleistung des Vermieters (BGH, NJW 2015,2324 Rz. 19 ff). Allerdings leistete der Beklagte eine Ausgleichszahlung von 5000,- € als Gegenleistung. Dieses stellt nach Ansicht des Gerichts nicht mehr eine so namhafte Summe dar, dass aus ihr auf einen stillschweigenden Verzicht der Klägerin geschlussfolgert werden kann.

Bekanntlich besteht in Berlin seit einigen Jahren eine wachsende Wohnungsknappheit, welche die Landesregierung zu regulierenden Maßnahmen veranlasst hat. Diese wird sich insbesondere in den Innenstadtbezirken aus, wobei gerade für den hier interessierenden Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ein erheblicher Marktdruck zu verzeichnen ist, der sich in steigenden Mietpreisen bemerkbar macht. Damit geht ein Ansteigen der Abstandszahlungen bei Auszug einher, welches auch in der forensischen Praxis des unterzeichnenden Richters bemerkbar ist. Zuletzt sind in der hiesigen Abteilung Abstandszahlungen in fünfstelliger Höhe die Regel gewesen.

Keine zusätzliche Leistung des Beklagten ist im Verzicht auf Schönheitsreparaturen durch die Klägerin zu sehen. Denn der Mietvertrag vom 1.6.1987 enthält keine Regelung zu den Schönheitsreparaturen, so dass diese gemäß § 535 Abs. 1 S.2 BGB vom Vermieter auszuführen waren. Abgesehen davon enthält die Vereinbarung lediglich einen missverständlichen Passus, wonach „die Vermieterin“ keine Schönheitsreparaturen schulde.

Dasselbe gilt für die vom Beklagten behaupteten, über Schönheitsreparaturen hinausgehenden Arbeiten. Die hierzu konkret genannten Maßnahmen sind überwiegend Schönheitsreparaturen, so das Putzen und Spachteln von Wänden und Decken, deren Schleifen und Tapezieren, das Streichen von Türen, Fenstern, Heizkörpern sowie das Abschleifen und Lackieren von Fußböden (Schmidt-Futterer/Langenberg, a.a.O., Rz. 71 ff zu § 538 BGB). Soweit zwei Steckdosen nicht mehr funktioniert haben sollen, ist die Verursachung durch die Klägerin nicht dargetan. Inwieweit die Notwendigkeit, das Bad komplett zu renovieren auf übermäßige Inanspruchnahme durch die Klägerin zurückgeht, ist ebenfalls bereits nicht dargelegt.

4.

Der der Klägerin entstandene ersatzfähige Schaden bemisst sich gemäß § 249 BGB daran, wie die Klägerin stünde, wenn die falsche Eigenbedarfskündigung nicht ausgesprochen worden wäre. Sein Umfang unterliegt der richterlichen Schätzung nach § 287 ZPO.

a) Die Kosten für die Beauftragung der Detektei B. und der Detektei F. sind nicht ersatzfähig, da der Zurechnungszusammenhang durch die Klägerin auf das Bestreiten des Beklagten hin nicht dargestellt wurde. Die Rechnungen datieren von 29.4.2011 bzw. 18.2.2012 und damit aus der Zeit vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung.

b) Der Zurechnungszusammenhang der Erstellung von 1000 Flyern ist ebenfalls auf das Bestreiten des Beklagten hin nicht näher dargestellt worden. Die Position ist nicht ersatzfähig, da sich auch aus der Bestellung kein Hinweis auf den Inhalt der Flyer entnehmen lässt. Es ist eher an einen Zusammenhang der Berufstätigkeit der Klägerin zu denken, da die Rechnungsadresse „Artwork“ angegeben ist.

c) Ersatzfähig sind die Kosten für den Umzug in Höhe von 1391,71 € laut Beleg K 22, Blatt 128 der Akten sowie für Umzugskartons und Kleinmaterial gemäß Beleg K 14, Blatt 124 der Akte in Höhe von 74,50 €. Die belegten Umzugskosten betreffen ausschließlich die streitgegenständliche frühere Wohnung und die neue Wohnung. Der Umzug selbst war wie die Anschaffung von Umzugsmaterialien durch die Kündigung veranlasst, die Belege lassen einen zeitlichen Zusammenhang zum Umzugsdatum erkennen.

d) Ersatzfähig sind auch die Kosten für eine SCHUFA Auskunft, wie sie vom Vermieter in der Regel bei Vertragsabschluss gefordert wird. Adäquat kausal von der gegenüber der Klägerin ausgesprochenen Kündigung verursacht sind aber lediglich die Kosten für die Auskunft hinsichtlich der Klägerin selbst in Höhe von 18,50 €. Soweit auch die Lebensgefährtin der Klägerin Vertragspartnerin im neuen Mietvertrag werden sollte, wird dies vom Schutzbereich des alten Mietvertrages nicht berührt.

e) Ersatzfähig sind auch Ummeldekosten beim Bürgeramt, welche auf der Grundlage des Beleges K 21 mit 10,70 € geschätzt werden und die Kosten für den postalischen Nachsendeauftrag in Höhe von 15,20 € gemäß Beleg K 23 Blatt 129 der Akten. Auch diese Belege lassen eine ausreichende zeitliche Nähe zum Umzugstermin erkennen.

f) Keinen ausreichenden zeitlichen Zusammenhang zum Umzugstermin Anfang Dezember 2013 lässt der Nachweis der Kosten für Miete eines Hochdruckreinigers für die verschmutzte Loggia der neuen Wohnung erkennen, welcher von Ende Mai 2014 datiert. Dasselbe gilt auch für den Holzkauf zum Selbstbau eines Garderobenschranks und die weiteren Kosten für Kleinmaterial gemäß Anlage K 26. Diese Kosten sind daher nicht erstattungsfähig.

g) Ersatzfähig ist schließlich der Mehraufwand an Mietkosten. Hierbei nach § 249 BGB ist von einem Vergleich der Bruttowarmmieten auszugehen. Denn wäre die Klägerin nicht gekündigt worden, wäre es insgesamt bei den Bedingungen des Mietvertrages über die Wohnung in der M Straße 71 geblieben, nicht nur hinsichtlich der Nettokaltmiete.

Als Bezugsgröße für die neue Miete ist vom hälftigen Betrag der Gesamtmiete auszugehen, da die Klägerin im neuen Mietvertrag als Mitmieterin neben ihrer Lebensgefährtin erscheint. Auch wenn im Innenverhältnis der Lebenspartner eine Vereinbarung bestehen mag, wonach Klägerin die Miete alleine trägt, muss zu Gunsten des Beklagten nach § 254 BGB die Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs der Klägerin nach §§ 421,426 Abs. 2 BGB fingiert werden. Die Vorschrift ist bei der Schadensberechnung des vorgetäuschten Eigenbedarfs anzuwenden (Blank, in Schmidt-Futterer, a.a.O.) Der Bemessungswert ist also für die Zeit vom 25.11.2013 bis 31.12.2013 (1199,00 € : 2 =) 599,50 €, bis März 2014 (1297,96 € : 2=) 648,98 €, bis Oktober 2014 (1253,12 € : 2=) 626,56 € und danach (1204,43 € : 2=) 602,23 €.

Die Klägerin hat auch unwidersprochen vorgetragen, dass ihre Lebensgefährtin bereits Mitbewohnerin in der Wohnung M Straße 71 war, sie aber die anfallenden Mietkosten alleine trug. Die Lebensgefährtin war nicht Mitmieterin des Altvertrages, so dass der direkte Ansatz des hälftigen Gesamtschuldnerausgleichs ausscheidet. Es wäre jedoch gemäß § 242 BGB unbillig, der Klägerin den fiktiven Ansatz der hälftigen Mietkosten im Neuvertrag entgegenzuhalten, ohne einen Ansatz auch bei der Berechnung der Vergleichs – Altmiete vorzunehmen. Es widerspricht nämlich der Lebenserfahrung, dass der alleinigen Leistung eines Partners in einem Bereich des gemeinsamen Lebensaufwandes nicht wenigstens die Mehrleistung des anderen Partners in einem anderen Bereich gegenübersteht. Die Tatsache, dass der Beitrag der Partnerin in der Altwohnung ohne eine der mietvertraglichen Regelung vergleichbare Grundlage erfolgte, kann durch einen geringeren Abschlag im Rahmen der richterlichen Schätzung nach § 287 ZPO berücksichtigt werden. Diesen Abschlag schätzt das Gericht daher mit 1/3 der Altmiete (von 690,- € = 230,- €).

Die monatliche Differenz schätzt das Gericht somit auf 139,50 € vom 25. November bis Jahresende 2013, je 188,98 € für die Folgezeit bis März 2014, je 166,56 € für die Folgezeit bis Oktober 2014 und sodann auf je 142,23 €.

Für die Zeit vom 25.11.2013 bis 12.12.2013 entrichtete die Klägerin noch anteilig die Miete an den Beklagten und bereits die Miete für die neue Wohnung. Für diese Zeit ist somit nicht nur die Differenz zwischen beiden Mieten sondern die volle Miete der neuen Wohnung, nach § 254 gekürzt um den hälftigen Anteil der Lebensgefährtin ersatzfähig.

Hieraus ergibt sich folgende Berechnung:

25.11. bis 30.11.2013 (1199,- € : 30 x 5 Tage =  199,83 € : 2 =) 99,92 €.

1.12. bis 12.12.2013 (1199,- € : 31 x 12 Tage : 2 =) 232,06 €.

13.12. bis 31.12. 2013 anteilige Mietdifferenz für 19 Tage (139,50 : 31 x 19=) 85,50 €.

Januar bis März 2014 (3 x 188,98 € =) 566,94 €.

April bis Oktober 2014 (7 x 166,56 €=) 1165,92 €.

November und Dezember 2014 (2 x 142,23 € =) 284,46 €.

Januar bis April 2015 (4 x 142,23 € =) 568,92 €.

5.

Zu Recht lässt sich die Klägerin mit der Klageschrift die Ausgleichszahlung auf ihrer Ersatzforderung anrechnen. Denn für die Berechnung gelten die allgemeinen Vorschriften der Vorteilsausgleichung (Schmidt-Futterer/Blank, a.a.O., Rz. 118 zu § 542 BGB).

Nach dem oben zu 4.a) bis f) Gesagten ergaben sich Ersatzansprüche in Höhe von 1510,61 €, welche durch Teilverrechnung der Ausgleichszahlung von 5000,- € vollständig getilgt sind. Der geltend gemachte Restbetrag von 193,94 € ist damit nicht mehr zuzusprechen.

Die zu oben 4 g) errechnete weitere Ersatzforderung beträgt 3003,72 €, gegen sie ist nach § 254 BGB der Rest der geleisteten Ausgleichszahlung von (5000,00 – 1510,61=) 3489,39 € zu verrechnen, so dass kein Zahlbetrag offen bleibt.

B.

1.

Der Feststellungsantrag der Klägerin ist zulässig nach § 256 ZPO. Sie hat ein rechtliches Interesse daran, gegenüber dem Beklagten, welcher ihren Anspruch zurückweist, auch für die Zukunft die Reichweite ihres Schadensersatzanspruchs gerichtlich klären zu lassen.

2.

Der Antrag ist teilweise begründet. Die Mehrkosten für die neue Wohnung sind auch zukünftig noch ersatzfähig, allerdings nicht zeitlich unbegrenzt sondern nur für eine Dauer von vier Jahren.

Das ergibt sich nach der zutreffenden Entscheidung des LG Darmstadt (WuM 1995,156) aus einem Abgleich mit der Verjährungsvorschrift für die Rückstände von Mietzinsen. Diese verjähren gemäß § 197 BGB nach vier Jahren. Der zitierten Entscheidung ist darin zuzustimmen, dass mit wachsendem Zeitablauf eine immer größere hypothetische Komponente die Berechnung des Schadensumfangs erschwert. Eine objektivierbare Zeitgrenze zur Berechnung von Differenzmietzinsschäden liefert ein Blick auf die Verjährungsvorschriften. Da diese den Zweck haben, dem Rechtsfrieden und der Sicherheit des Rechtsverkehrs zu dienen und Hintergrund dessen die Überlegung ist, dass sich durch Zeitablauf die Rechtslage unabhängig vom Willen einzelner Parteien verändern kann, erscheint es im Umkehrschluss vertretbar, in analoger Anwendung dieses Rechtsgedankens eine an den jeweiligen gesetzlichen Vorschriften eng angelehnte Zeitbegrenzung insoweit vorzunehmen. Dies rechtfertigt sich durch die Überlegung, dass die Verjährungsfrist denjenigen Zeitraum definiert, innerhalb dessen dem Gesetzgeber die Geltendmachung eines entsprechenden Schadensersatzes noch zulässig erscheint (LG Darmstadt a.a.O.).

Weniger überzeugend erscheinen demgegenüber die restriktivere Ansicht des LG Köln (WuM 1992,14) und die weite Auffassung von Blank (in Schmidt-Futterer, a.a.O., Rz. 118 zu § 542 BGB). Die von ihm vorgeschlagene Anpassung der Schadensberechnung in zeitlich angemessenen Abständen von etwa zwei Jahren ist nicht nur unpraktikabel, sie vermag auch nicht das spekulative Element der fortlaufenden Schadensschätzung zurückzudrängen. Dagegen stützt sich das LG Köln auf die Frist bis zur nächstmöglichen ordentlichen Kündigung des Vermieters, was in den Eigenbedarfsfällen zu fortlaufenden Rechtsstreitigkeiten führen dürfte und im Übrigen das Spekulationsproblem dann nicht löst, wenn eine ordentliche Kündigung dauerhaft ausscheidet.

 

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Hierbei wird für die Klägerin von einem Obsiegen im Feststellungsantrag ausgegangen. Dieser ist allerdings betragsmäßig und zeitlich begrenzt, sodass der Gewinn der Klägerin gerundet mit 42 x 150,- = 6300,- € angenommen wird. Dem steht der Rest des geltend gemachte Feststellungsinteresses von (17.284,85 € – 6300 €=) 10.984,85 € und der bezifferte Antrag zu 1) zugunsten des Beklagten gegenüber.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 48 GKG, 3,9, ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit basiert auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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