AG Stuttgart-Bad Cannstatt – Az.: 5 C 800/17 – Urteil vom 27.02.2018
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerseite hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerseite kann die Vollstreckung des Urteils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagtenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Der Streitwert wird auf 1.440,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung für ihre Mietwohnung in Anspruch.
Zwischen den Parteien besteht ein Mietvertrag vom 08.08.2015 über die streitgegenständliche 3-Zimmer-Wohnung im 2. OG des Gebäudes … in Stuttgart mit dem Kläger als Vermieter und den Beklagten als Mietern. Das Mietverhältnis begann am 01.09.2015.
Unstreitig wurde das Haus … in Stuttgart im Jahr 1956 gebaut und wurde im Jahr 2002 umfassend renoviert und saniert (im Einzelnen vgl. insoweit die Angaben aus der Klage vom 13.04.2017, dortige Ziffer 2, zwischen den Parteien unstreitig). Unstreitig ist beträgt die Wohnungsgröße 98 m2. Hinzu kommt, dass die Wohnung einen großen Balkon besitzt.
Die Beklagten zahlen eine monatliche Kaltmiete von 740,00 €.
Mit Anwaltsschreiben datiert vom 13.12.2016 wurden die Beklagten von dem Kläger aufgefordert, mit Wirkung ab dem 01.03.2017 einer Erhöhung der monatlichen Kaltmiete von bisher 740,00 € auf 860,00 € zuzustimmen. Die Beklagten haben dem Mieterhöhungsverlangen nicht zugestimmt. Der Zugangszeitpunkt des Mieterhöhungsverlangens und dessen Wirksamkeit ist zwischen den Parteien streitig.
Der Kläger ist der Ansicht, dass eine wirksame Mieterhöhung erfolgt ist. Zur Begründung des Mieterhöhungsverlangens beruft sich der Kläger darauf, dass nach dem Mietspiegel der Stadt Stuttgart für die Jahre 2015/2016 für eine vergleichbare Wohnung ein monatlicher Mietzins zwischen 7,60 € und 10,60 € pro m2 verlangt werden könne und nach dem Mietspiegel für die Jahre 2017/2018 sogar ein solcher zwischen 8,30 € und 11,20 € gerechtfertigt sei. Dagegen werde in dem streitgegenständlichen Mieterhöhungsverlangen lediglich ein Quadratmeterpreis von 8,80 € pro Quadratmeter geltend gemacht.
Die Lage der Wohnung sei zweifelsfrei als vorteilhaft zu bewerten, da sämtliche Geschäfte des täglichen Bedarfs fußläufig zu erreichen seien und Erholungsgebiete sich gleichfalls in der Nähe befänden und auch die Anbindung mit Bus und Bahn als hervorragend zu bewerten sei. Unter Bezugnahme auf die umfangreiche Renovierung und Sanierung der Wohnung aus dem Jahr 2002, die in dem Mieterhöhungsverlangen im Einzelnen ausgeführt wird, wird die Wohnungsausstattung als „gut“ bewertet von Klägerseite.
Der Kläger beantragt: Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, der Erhöhung der Nettomiete für die im 2. OG des Hauses … Stuttgart gelegene 3-Zimmerwohung von bisher monatlich Eur 740,00 zzgl. Betriebskostenvorauszahlung wie bisher auf monatlich EUR 860,00 netto mit Wirkung ab dem 01.03.2017 zuzustimmen.
Die Beklagten beantragen: Die Klage wird abgewiesen.
Die Beklagten bestreiten zunächst die von Klägerseite durchgeführte Eingruppierung. Die Wohnungsausstattung sei lediglich im mittleren Bereich und auch die Lage sei lediglich im mittleren Bereich einzustufen. Es ergebe sich deshalb maximal ein monatlicher Mietzins von 8,00 € und damit von insgesamt 784,00 €.
Desweiteren wird beanstandet, dass die Mieterhöhung erst am 03.01.2017 zugegangen sei, sodass sie frühestens zum 01.04.2017 wirksam werden könne.
Darüber hinaus sind der Ansicht die Beklagten, dass für die streitgegenständliche Mieterhöhung der Mietspiegel 2017/2018 maßgeblich sei. Die Mieterhöhung entspreche jedoch nicht den dortigen Erfordernissen und sei deshalb formell unwirksam. Die Mieterhöhung bestehe aus einer völlig undifferenzierten, im Hinblick auf die Vorgaben des Mietspiegels, erfolgten Aufzählung der Ausstattung, ohne dass die Beklagten als Mieter erkennen könnten, welche Kriterien genau zu welchem Bewertungsergebnis führten. Man könne nicht konkret anhand der auf die Kriterien des Mietspiegels bezogenen Ausstattung erkennen, wie die Gewichtung aussehe. Entsprechend sei auch die Bewertung der Lage nicht den Vorgaben des Mietspiegels entsprechend.
Die Beklagten verweisen darauf, dass sich die Struktur des neuen Mietspiegels für Stuttgart komplett verändert habe, ohne dass dies von Klägerseite zur Kenntnis und zur Grundlage der Mieterhöhung genommen worden sei.
Die Kläger bestreiten den Zugang der Mieterhöhungserklärung erst im Januar 2017 und verweisen darauf, dass der Zugang wesentlich früher gewesen sein müsse im Hinblick auf die Absendung. Im Übrigen sind sie der Ansicht, dass es für die Wirksamkeit der Mieterhöhung unschädlich sei, dass noch auf den alten Mietspiegel Bezug genommen wurde, da dieser zur Zeit der Erstellung der Erklärung noch gültig gewesen sei.
Wegen des weiteren Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist abzuweisen.
Der Kläger kann von den Beklagten keine Zustimmung der streitgegenständlichen Mieterhöhung verlangen, da die Mieterhöhung formal unwirksam ist. Benennt der Vermieter gar keine oder evident falsche Einordnungskriterien, die eine auch nur ansatzweise Überprüfung des Mieters vereiteln, ist das Mieterhöhungsverlangen mangels hinreichender Begründung gem. § 558a Abs. 1 Satz 1 BGB formal unwirksam.
Die Mieterhöhung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen im Sinne einer ordnungsgemäßen Begründung. Ein Mieterhöhungsverlangen ist nach § 558a Abs. 1 Satz 1 BGB in Textform zu erklären und zu begründen. Zur Begründung kann nach § 558 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BGB auf einen Mietspiegel i.S.d. §§ 558c, 558 d BGB Bezug genommen werden (vgl. LG Stuttgart, Urteil vom 10.12.2014 – 13 S 114/14 – WuM 2016, 361).
Die Mieterhöhung nimmt Bezug auf den Mietspiegel der Stadt Stuttgart, jedoch wurde hier fälschlicherweise der Mietspiegel 2015/16 zugrunde gelegt, obwohl zum Zeitpunkt des Zugangs am 03.01.2017 (sowie ohnehin des Wirksamwerdens der Mieterhöhung) bereits der neue Mietspiegel 2017/18 maßgeblich war. Beschlussfassung bzgl. des neuen Mietspiegels 2017/18 erfolgt am 16.12.2016 und Inkrafttreten am 01.01.2017.
Der Zugang der Mieterhöhung vor dem 03.01.2017 ist nicht nachgewiesen. Für einen Zugang des Mieterhöhungsverlangens zu einem Zeitpunkt vor dem 03.01.2017 ist die Klägerseite beweispflichtig. Entsprechender Beweis wurde nicht erbracht. Allgemeine Erwägungen sind insoweit nicht ausreichend. Entscheidend ist nicht die Aufgabe bei der Post, sondern der Zugang beim Empfänger. Es ist für den Absender problemlos möglich, diesen Nachweis sicherzustellen, wenn er das Schreiben mit Empfangsnachweis versendet, so dass Beweiserleichterungen insoweit nicht in Betracht kommen.
Die BGH-Rechtsprechung zur Wirksamkeit der Mieterhöhung bei Bezugnahme auf den vorherigen Mietspiegel trotz kurz zuvor veröffentlichtem neuem Mietspiegel ist vorliegend nicht anwendbar. In der Entscheidung des BGH vom 06.07.2011, Aktenzeichen VIII ZR 337/2010, stellte der neue Mietspiegel eine Fortschreibung des alten Mietspiegels im Sinne einer Anpassung nach § 558 d Abs. 2 BGB dar, während es sich im hiesigen Verfahren nicht nur um eine entsprechende Anpassung handelt, sondern eine völlig neue Struktur des Mietspiegels mit neuer Kategorisierung erfolgt. Insoweit liegt eine andere Sachlage vor, die dazu führt, dass die Mieterhöhung anders zu beurteilen ist. Dies muss vor dem Hintergrund der Funktion des Begründungserfordernisses des Mieterhöhungsverlangen gesehen werden.
Das Begründungserfordernis soll dem Mieter die Möglichkeit geben, die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens zu überprüfen, um überflüssige Gerichtsverfahren zu vermeiden. Hierfür ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erforderlich, dass die Begründung dem Mieter konkrete Hinweise auf die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens gibt, damit er während der Überlegungsfrist die Berechtigung des Erhöhungsverlangens überprüfen und sich darüber schlüssig werden kann, ob er dem Erhöhungsverlangen zustimmt oder nicht (BGH, Urteil vom 13.11.2013 – VII ZR 413/12 – NJW 2014, 1173 Rn. 10). Das Erhöhungsverlangen muss – in formeller Hinsicht – Angaben über die Tatsachen enthalten, aus denen der Vermieter die Berechtigung der geforderten Mieterhöhung herleitet, und zwar in dem Umfang, wie der Mieter solche Angaben benötigt, um der Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens nachgehen und diese zumindest ansatzweise überprüfen zu können (BGH, Urteile vom 13.11.2013 – VII ZR 413/12 – NJW 2014, 1173 Rn. 10 und vom 12.12.2007 – VIII ZR 11/07 – NJW 2008, 573 Rn. 12 m.w.N.).
Benennt der Vermieter gar keine oder evident falsche Einordnungskriterien, die eine auch nur ansatzweise Überprüfung des Mieters vereiteln, ist das Mieterhöhungsverlangen mangels hinreichender Begründung gem. § 558a Abs. 1 Satz 1 BGB formal unwirksam (ebenso AG Stuttgart-Bad Cannstatt, 7 C 260/17, Urteil vom 30.03.2017).
Da im neuen Mietspiegel hier völlig andere Kategorien verwendet werden ist, ohne dass das streitgegenständliche Mieterhöhungsverlangen hierauf Bezug nimmt, sondern vielmehr die alte Kategorien anwendet ist dies nicht vergleichbar mit einer Einordnung in eine falsche Kategorie (z.B. durchschnittliche Ausstattung statt einfache Ausstattung), sondern es ist anhand der in der Mieterhöhung genannten Kriterien gar keine Einordnung seitens des Mieters in die maßgeblichen Kriterien des neuen Mietspiegels möglich, wonach die Bewertung nach eine Punktesystem in Verbindung mit in Verbindung mit 6 Lagekategorien (Innen 1-3 und Außen 1-3) erfolgt. Insofern kann hier auch keine ansatzweise Begründung gesehen werden bezogen auf den maßgeblichen neuen Mietspiegel. Die oben genannten Erwägungen sind dem Mieter und damit der Beklagtenseite hier gerade nicht möglich. Ergänzend wird auf die Erwägungen der Entscheidung des Amtsgerichts Stuttgart-Bad Cannstatt vom 30.03.2017,Aktenzeichen 7 C 260/17 Bezug genommen.
Eine Beweiserhebung ist deshalb nicht angezeigt, weshalb der Beweisbeschluss vom 24.10.2017, wie bereits angekündigt, aufgehoben wird. Im Falle eine formellen Unwirksamkeit der Mieterhöhung erfolgt keine Beweiserhebung über die ortsübliche Vergleichmiete, die Mieterhöhung aus formalen Gründen auch dann unwirksam ist, wenn die ortsübliche Vergleichsmiete nicht überschritten wird. Vgl. insoweit die gerichtliche Verfügung vom 29.11.2017 (Bl. 63 d.A.)
Die Klage ist damit abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.