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Wohnraummiete – Bei Kautionsrückgabe Verlust von Schadensersatzansprüchen?

AG Marburg – Az.: 9 C 737/20 – Urteil vom 08.07.2021

In dem Rechtsstreit hat das Amtsgericht Marburg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29.04.2021 für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i. H. v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand:

Die Kläger haben ursprünglich, mit einem von den Klägern mittlerweile für erledigt erklärten Antrag die Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus einem am 9.6.2020 zwischen den Parteien geschlossenen Vergleich begehrt, nunmehr machen sie Ansprüche wegen angeblicher Beschädigungen der streitgegenständlichen Mietsache sowie angeblicher Mietzinsrückstände geltend.

Zwischen den Parteien bestand vom 1.8.2011 bis zum 30.7.2020 ein Mietverhältnis über eine Wohnung in ###.

Ein gemeinsames Übergabeprotokoll wurde der bei der Übergabe am 30. Juli nicht gefertigt. Die Kläger haben ein nicht unterzeichnetes „Abnahmeprotokoll“ (BI. 21ff d. A.) zu den Akten gereicht. In einem von beiden Parteien unterzeichneten handschriftlichen Dokument, das mit dem Datum 30.6.2020 versehen war, aber unstreitig am 30.7.2020 gefertigt wurde, wurde festgehalten:

„Ursprungsschließanlage wieder drin

3 Schlüssel zurückgegeben

(Schloss 2020 gemäß Rechnung Schlüssel zurückgegeben nicht dabei)

zweimal Briefkasten

zweimal Schuppen“

Im Verfahren 9 C 1/20 (81) wurde zwischen den Parteien am 9.6.2020 ein Vergleich geschlossen (BI. 13ff d. A.), nach dem den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von 30.000 Euro im Falle der Übergabe des Mietobjekts bis zum 30.7.2020 eingeräumt wurde. Der Geldbetrag sollte ,2 Werktage nach Räumung und Schlüsselübergabe fällig und auf das Konto der Beklagten‘ überwiesen werden. Darüber hinaus enthielt der Vergleich folgende Vereinbarung: „Die Kautionsbürgschaftsurkunde wird 3 Monate nach Rückgabe des Objekts herausgegeben, sofern keine Schäden festgestellt wurden für die eine Mietbürgschaftssicherheit gibt.‘ Eine Endrenovierung sollte nach dem Vergleich nicht geschuldet sein.

Die Kautionsbürgschaftsurkunde wurde am 30.10.2020 vorbehaltlos an die Beklagten übergeben.

Zum Zeitpunkt der Klageerhebung betrieben die Beklagten die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich in Höhe von insgesamt 9.207,54 Euro (9.122,29 Euro zuzüglich Gerichtsvollzieherkosten i. H. v. 85,25 Euro). Die Kläger zahlten am 3.8.2020 einen Betrag von 20.000 Euro.

Mit E-Mail vom 8.9.2020 übersandte der Kläger zu 1) dem Beklagten zu 2) eine Mängelaufstellung und teilte mit, dass die Schäden von dem einbehaltenen Betrag abgezogen würden und zeitgleich die Differenz von 1.909,10 Euro überwiesen werde. Der angekündigte Betrag wurde am 17.9.2020 gezahlt.

Die Kläger behaupten, es seien die im Schriftsatz vom 30. Januar 2021 (BI. 96ff d. A,) aufgeführten und in dem Musterübergabeprotokoll eingetragenen Schäden, Mängel etc. vorhanden, die bei der Begehung am 30.7.2020 mit allen Beteiligten erörtert worden und von der Zeugin Born eingetragen worden seien (BI. 139 ff d. A.).

Für den Monat April stünde den Klägern ein restlicher Mitzinsanspruch i. H. v. 280,50 Euro zu.

Die Kläger sind der Auffassung, mit der restlichen Forderung aus dem Vergleich i. H. v 8.090,90 Euro sei durch die E-Mail vom 8.9.2020 die Aufrechnung erklärt worden.

Nachdem die Kläger den Rechtsstreit hinsichtlich des ursprünglich gestellten Antrags,

die Zwangsvollstreckung aus dem Protokoll der öffentlichen Sitzung des Amtsgerichts Marburg vom 9.6.2020, Az. 9 C 1/20 (81), wird für unzulässig erklärt, nach Zahlung des Restbetrages aus dem Vergleich in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, beantragen sie nunmehr, die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Kläger 8.371,40 Euro nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.2.2021 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie erheben die Einrede der Verjährung gem. § 548 BGB (BI. 196ff d. A.).

Sie behaupten, das von den Klägern vorgelegte angebliche Übergabeprotokoll sei ihnen nicht bekannt.

Sie sind der Auffassung, bei den geltend gemachten angeblichen Schäden handele es sich um Schönheitsreparaturen, die nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Vergleich nicht geschuldet seien. Im Übrigen könne der Mieter nur für Schäden haftbar gemacht werden die im Abnahmeprotokoll festgehalten seien (BI. 201ff d. A.).

Im Übrigen seien die Fenster seit dem Einbau nicht gewartet worden. Die Wartungen seien jedoch grundsätzlich vom Vermieter durchzuführen.

Die Geltendmachung von Mietzinsansprüchen sei mit dem Vergleich, in dem sämtliche wechselseitigen Ansprüche erledigt worden seien, ausgeschlossen (BI. 204 d. A.).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Soweit die Kläger den ursprünglich gestellten Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung für erledigt erklärt haben, ist eine Erledigung der Hauptsache durch die Zahlung der Kläger nicht eingetreten. Der Antrag war von Anfang an unbegründet, da der Zahlungsanspruch der Beklagten bereits 2 Werktage nach der Räumung fällig und damit vollstreckbar geworden war. Für die geltend gemachten angeblichen Schadensersatzansprüche stand primär die Kautionsbürgschaft zur Verfügung.

Das Gericht geht vorliegend nicht davon aus, dass der von den Klägern behauptete Ersatzanspruch gemäß § 548 Abs. 1 BGB verjährt ist. Die Kläger haben mit ihrer E-Mail vom 8.9.2020 eine Mängelaufstellung übermittelt und erklärt, dass „die Schäden (..) von dem einbehaltenen Betrag“, d. h. von dem aus dem Vergleich nach der Räumung noch zu zahlenden Betrag, abgezogen werden und die Differenz i. H. v. 1.909,10 Euro überwiesen werden sollte.

Die Erklärung der Aufrechnung gemäß § 388 BGB erfordert nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum nicht die Wahl bestimmter Worte; es genügt die klare Erkennbarkeit des Aufrechnungswillens (BVerfG, NJW-RR 1993, 764 m. w. N.), wobei vorliegend durchaus die Frage gestellt werden könnte, ob die von den Klägern erklärte Aufrechnung nicht dem Vergleichszweck zuwiderlief und damit unzulässig war (vgl. Rüßmann, PK-BGB Band 2 9. Aufl. Rn. 77 m. w. N.; BGHZ 120, 387). Der von den Klägern nach durchgeführter Räumung zu zahlende Betrag von 30.000 Euro sollte nach dem Vergleich 2 Werktage nach Räumung und Schlüsselübergabe fällig werden. Eine Endrenovierung sollte nicht geschuldet sein und für festgestellte Schäden war vorgesehen, dass die Kautionsbürgschaftsurkunde 3 Monate nach Rückgabe des Objekts herausgegeben werden sollte, sofern keine Schäden festgestellt worden sein sollten, für die eine Mietbürgschaftssicherheit galt. Aus der Zusammenschau der getroffenen Regelungen kann geschlossen werden, dass der zu zahlende Betrag ein Anreiz dafür sein sollte, dass das Mietobjekt möglichst zügig von den Beklagten geräumt wurde. Dieser Anreiz hätte dann nicht mehr bestanden, wenn der Forderung der Beklagten mögliche aufrechenbare Gegenansprüche in erheblichem Umfang entgegengestanden hätten. Der angestrebte Anreiz konnte nur mit der in Aussicht gestellten zügig vorgenommenen aufrechnungsfreien Auszahlung des vereinbarten Betrages erreicht werden. Dass die Parteien nicht mit der Möglichkeit der Aufrechnung mit Gegenansprüchen rechneten, belegt die kurze Fälligkeitsfrist des von den Klägern zu zahlenden Betrages. Die Aufrechnung konnte Abrede widrig auch nur erfolgen, weil sich die Kläger mit der Zahlung im Verzug befanden. Für die Geltendmachung möglicher Schäden haben die Parteien ausdrücklich im Vergleich die Kautionsbürgschaft vorgesehen. Darüberhinausgehende Ansprüche der Kläger hätten innerhalb der Frist des § 548 BGB eigenständig geltend gemacht werden müssen. Letztlich kann jedoch dahingestellt bleiben, ob die Aufrechnung zulässig war.

Entgegen der Auffassung der Beklagten kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sie lediglich für Schäden haftbar gemacht werden konnten, die in einem Abnahmeprotokoll festgehalten wurden. Das gilt nämlich nur dann, wenn ein Abnahmeprotokoll bei der Wohnungsübergabe erstellt wurde (vgl. LG Potsdam, Urteil vom 26. Februar 2009 – 11 S 127/08 -; LG Hamburg, ZMR 1999, 405; BGH, NJW 1983, 446ff), was vorliegend gerade nicht der Fall war.

Die Kläger haben jedenfalls mit der Rückgabe der Bürgschaftsurkunde am 30.10.2020 auf die Geltendmachung weiterer Forderungen und damit auch aus den zuvor in der Mängelaufstellung aufgelisteten angeblichen Schäden verzichtet. Entgegen der Auffassung der Kläger kann die Zurückbehaltung der Kaution nicht nur bei rechtskräftig festgestellten Ansprüchen erfolgen. Die Kaution und damit auch die Kautionsbürgschaft ist eine Sicherheitsleistung des Mieters für künftige Ansprüche des Vermieters aus dem Mietverhältnis (Palandt-Weidenkaff, BGB, 78. Aufl., Einf. vor § 535, Rn.121). Lediglich während des bestehenden Mietverhältnis darf der Vermieter nicht wegen einer bestrittenen Forderung auf die Kaution zugreifen. Nach Beendigung des Mietverhältnisses hat der Vermieter jedoch ein Zurückbehaltungsrecht bis zur Klärung streitiger Ansprüche (a. a. 0., Rn. 123). Mit der Rückgabe der Kautionsbürgschaft haben die Kläger aus Sicht der Beklagten schlüssig zu erkennen gegeben, dass derartige streitige Ansprüche nicht mehr bestanden und damit auf die Geltendmachung weiterer Ansprüche verzichtet werde. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass vor der Rückgabe der Kautionsbürgschaft bereits Schadensersatzforderungen der Kläger im Raum standen und die Rückgabe dennoch erfolgte. Die Beklagten konnten daher davon ausgehen, dass keine weiteren Schäden geltend gemacht werden sollten.

Im Übrigen dürften die Schadensersatzforderungen nach vorläufiger Einschätzung des Gerichts größtenteils Ansprüche betreffen, die durch den Verzicht auf die Endrenovierung durch die Beklagten im Vergleich vom 9.6.2020 ausgeschlossen wurden. Dies gilt insbesondere bezüglich der angeblich durch Nichtreinigung der Fenster verursachten Schäden, die soweit überhaupt in die Zuständigkeit der Beklagten fallend, Gegenstand einer solchen gewesen sein dürften. Die Erforderlichkeit eines Austauschs der Dachfenster ausschließlich aufgrund eines Fehlverhaltens der Beklagten ist weder ausreichend substantiiert vorgetragen noch unter Beweis gestellt worden.

Soweit die Kläger eine rückständige Mietzinsforderung für April 2020 geltend machen, ist den Beklagten zuzustimmen, dass der Vergleich vom 9.6.2020 nur dahingehend ausgelegt werden kann, dass alle bis dahin bestehenden gegenseitigen Forderungen abgegolten sein sollten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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