Nutzung von Wohnraum für Videodrehs und die Anfechtbarkeit bei unrichtigen Angaben zum Familienstand
Im Mietrecht sind die Grenzen des zulässigen Wohngebrauchs und die Anforderungen an die Richtigkeit von Angaben bei Vertragsabschluss von zentraler Bedeutung. Ein Mietvertrag kann unter bestimmten Voraussetzungen angefochten werden, insbesondere wenn unrichtige Angaben gemacht wurden, die für den Vertragsabschluss maßgeblich waren. Ein weiterer kritischer Punkt ist die Nutzung der Mietsache: Inwieweit darf eine Wohnung für Aktivitäten genutzt werden, die über den normalen Wohngebrauch hinausgehen, wie beispielsweise die Produktion und Vermarktung von pornografischen Videoclips? Und welche Rolle spielen dabei externe Verpflichtungen des Vermieters, etwa gegenüber der katholischen Kirche? Diese Fragen betreffen sowohl die Rechte und Pflichten des Mieters als auch des Vermieters und sind daher von großer Relevanz für die Praxis. Das vorliegende Urteil beleuchtet diese Aspekte und gibt Aufschluss über die rechtlichen Rahmenbedingungen und Grenzen im Mietrecht.
Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 4 C 76/18 >>>
✔ Das Wichtigste in Kürze
Trotz unrichtiger Angaben zum Familienstand und der Nutzung der Wohnung für den Dreh von pornografischen Videoclips, bestanden keine ausreichenden Gründe für eine Kündigung des Mietvertrags.
Die zentralen Punkte aus dem Urteil:
- Beklagte Mieter nutzten die Wohnung für den Dreh von pornografischen Videoclips und vermarkteten diese online. Einige Szenen wurden sogar auf dem Balkon und im Treppenhaus gedreht.
- Die Klägerin (Vermieterin) kündigte den Mietvertrag, da sie der Meinung war, die Wohnung werde nicht nur zu Wohnzwecken genutzt und verstoße gegen den Erbbauvertrag mit der katholischen Kirche.
- Die Klägerin behauptete weiterhin, die Mieter hätten sie über die geplante Nutzung der Wohnung und ihren tatsächlichen Familienstand getäuscht.
- Die Mieter argumentierten, dass ihre Aktivitäten künstlerisch seien und daher keine gewerbliche Nutzung darstellen.
- Das Gericht entschied, dass der Mietvertrag weder aufgrund einer Anfechtung unwirksam sei noch aufgrund einer Kündigung erloschen sei.
- Die Herstellung von pornografischen Videoclips in der Wohnung und deren Vermarktung stellten noch Wohngebrauch dar, da sie nach außen nicht in Erscheinung traten.
- Das Urinieren der Beklagten im Treppenhaus ging über den Wohngebrauch hinaus, rechtfertigte jedoch keine Kündigung ohne vorherige Abmahnung.
- Persönliche moralische Bewertungen der Klägerin und externe Verpflichtungen sollten nicht in die Beurteilung eines Mietverhältnisses einfließen.
Übersicht
Unrichtige Angaben und ihre Folgen
Die Beklagten, Mieter einer Wohnung, gaben bei Vertragsabschluss unrichtige Angaben zu ihrem Familienstand an, indem sie behaupteten, verheiratet zu sein, obwohl die Heirat erst nach Vertragsschluss erfolgte. Dies führte zu einer rechtlichen Auseinandersetzung, da solche falschen Angaben grundsätzlich zur Anfechtung des Mietvertrags führen könnten. Doch der eigentliche Kern des Streits lag in der Nutzung der Wohnung durch die Beklagten. Sie nutzten die angemietete Wohnung zum Dreh von pornografischen Videoclips, die sie im Internet vermarkteten. Einige dieser Clips wurden sogar auf dem Balkon oder im Treppenhaus der Wohnung gedreht, wobei in einem Fall die Beklagte im Treppenhaus urinierte.
Konflikt zwischen Mietrecht und Moral
Die Klägerin, die Vermieterin, sah darin einen Verstoß gegen den Mietvertrag, da die Wohnung nicht nur zu Wohnzwecken genutzt wurde. Sie argumentierte weiter, dass sie durch einen Erbbauvertrag mit der katholischen Kirche daran gebunden sei, dass das Gebäude nicht für Handlungen genutzt werden dürfe, die gegen die katholische Sittenlehre verstoßen. Die Klägerin kündigte daraufhin das Mietverhältnis und behauptete, dass die Beklagten sie sowohl über die geplante Nutzung der Wohnung als auch über ihren tatsächlichen Familienstand getäuscht hätten.
Rechtliche Bewertung der Sachlage
Das rechtliche Problem in diesem Fall liegt in der Frage, ob die Nutzung der Wohnung zum Dreh von pornografischen Videoclips und die unrichtigen Angaben zum Familienstand ausreichende Gründe für eine Kündigung des Mietvertrags darstellen. Hierbei sind sowohl das Mietrecht als auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die Vertragsfreiheit zu berücksichtigen.
Das Gericht entschied, dass der zwischen den Parteien geschlossene Mietvertrag weder aufgrund einer wirksamen Anfechtung unwirksam sei noch aufgrund einer fristlosen oder ordentlichen Kündigung erloschen sei. Obwohl die Beklagten unrichtige Angaben über ihren Familienstand gemacht hatten, war diese Täuschung nicht rechtswidrig, da die Frage nach dem Familienstand unzulässig sei. Zudem stellte das Gericht fest, dass die Herstellung von pornografischen Videoclips und deren Vermarktung aus der Wohnung heraus noch als Wohngebrauch gelten und somit nicht gegen den Mietvertrag verstoßen.
Das Gericht begründete seine Entscheidung weiter damit, dass die Dreharbeiten in der Wohnung und auf dem Balkon nicht nach außen in Erscheinung traten und somit keinen Einfluss auf die Verwertbarkeit des Objekts hatten. Allerdings ging die Aufnahme im Treppenhaus, bei der die Beklagte urinierte, über den Wohngebrauch hinaus. Dennoch sah das Gericht in dieser einmaligen Handlung keinen ausreichenden Grund für eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung.
Schlussfolgerung und Bedeutung des Urteils
Abschließend stellte das Gericht fest, dass die persönlichen moralischen Bewertungen der Klägerin und ihre Verpflichtungen gegenüber der katholischen Kirche nicht Gegenstand des Mietvertrags waren und daher für die Kündigungsmöglichkeiten irrelevant seien.
Das Fazit des Urteils ist, dass trotz der unrichtigen Angaben zum Familienstand und der Nutzung der Wohnung zum Dreh von pornografischen Videoclips, keine ausreichenden Gründe für eine Kündigung des Mietvertrags vorlagen. Das Urteil betont die Bedeutung des Mietrechts und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und stellt klar, dass persönliche moralische Bewertungen und externe Verpflichtungen nicht in die Beurteilung eines Mietverhältnisses einfließen sollten.
✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
Wohngebrauch: Nutzung einer Mietwohnung zu Wohnzwecken
Wohngebrauch bezieht sich auf die Nutzung einer Mietwohnung zu Wohnzwecken. Das bedeutet, dass die Mieter die Wohnung als ihren Lebensmittelpunkt nutzen und dort wohnen. Geschäftliche Aktivitäten, die in der Wohnung stattfinden und nach außen nicht in Erscheinung treten, können ebenfalls als Wohngebrauch gelten.
Im Kontext des vorliegenden Urteils wurde diskutiert, ob die Herstellung und Vermarktung von pornografischen Videoclips aus der Wohnung heraus noch als Wohngebrauch gelten oder ob sie über den vereinbarten Wohnzweck hinausgehen. Laut einem Urteil des Amtsgerichts Lüdinghausen (Az.: 4 C 76/18) stellt die Herstellung von pornografischen Videoclips keine Nutzung dar, die über den Wohngebrauch hinausgeht.
Es ist wichtig, zwischen Wohngebrauch und gewerblicher Nutzung zu unterscheiden. Gewerbliche Nutzung liegt vor, wenn jemand in der Wohnung seinen Lebensunterhalt komplett verdient und seinen Beruf ausschließlich in der Wohnung ausübt. In solchen Fällen kann der Vermieter die Zustimmung zur gewerblichen Nutzung verweigern, es sei denn, die Tätigkeit hat keine nach außen in Erscheinung tretenden Auswirkungen und beeinträchtigt weder die Mietsache noch die Mitmieter.
Anfechtung: Rechtliche Bedeutung und Anwendung
Die Anfechtung ist ein rechtliches Mittel, das es ermöglicht, ein Rechtsgeschäft, wie beispielsweise einen Mietvertrag, rückwirkend zu beseitigen. Dies kann unter bestimmten Voraussetzungen geschehen, wie zum Beispiel wenn der Anfechtende bei Vertragsschluss durch Täuschung oder Drohung zu einer Willenserklärung verleitet wurde oder wenn er sich bei der Abgabe der Willenserklärung geirrt hat. Im Kontext des vorliegenden Urteils wurde die Anfechtung wegen angeblicher Täuschung über den Familienstand und die geplante Nutzung der Wohnung in Erwägung gezogen.
Es gibt vier Hauptgründe für die Anfechtbarkeit von Rechtsgeschäften:
- Irrtum bei einer Willenserklärung (§ 119 BGB)
- Falsche Übermittlung einer Willenserklärung (§ 120 BGB)
- Abgabe einer Willenserklärung aufgrund einer Täuschung (§ 123 BGB)
- Abgabe einer Willenserklärung aufgrund einer Drohung (§ 123 BGB).
Für eine wirksame Anfechtung muss ein Anfechtungsgrund vorliegen. Dann muss die Anfechtung gegenüber dem Anfechtungsgegner erklärt werden. Schließlich muss die Anfechtung fristgemäß erfolgen. Die Anfechtungserklärung selbst ist eine formfreie, empfangsbedürftige Willenserklärung. Der Anfechtende muss bei der Anfechtungserklärung zu erkennen geben, dass er das vorausgegangene Rechtsgeschäft nicht gelten lassen will.
Die Anfechtungsfristen variieren je nach Anfechtungsgrund. Bei Anfechtung wegen Irrtum oder falscher Übermittlung muss das Rechtsgeschäft sofort angefochten werden, wenn der Fehler bemerkt wird. Bei Anfechtung wegen Täuschung oder Drohung beginnt die Frist ab dem Zeitpunkt, zu dem die Täuschung entdeckt wurde oder die Bedrohung geendet hat. In beiden Fällen darf die Willenserklärung nicht länger als 10 Jahre zurückliegen.
Wenn ein Rechtsgeschäft erfolgreich angefochten wurde, wird es so gesehen, als wäre es von Anfang an nichtig, also unwirksam, gewesen. Dies bedeutet, dass der Vertrag so betrachtet wird, als hätten die beteiligten Parteien ihn nie abgeschlossen.
Im Falle einer erfolgreichen Anfechtung eines Mietvertrags wird das Mietverhältnis von Anfang an unwirksam und muss rückabgewickelt werden. Bereits gezahlte Mieten sind gegebenenfalls zurückzuerstatten.
Das vorliegende Urteil
AG Lüdinghausen – Az.: 4 C 76/18 – Urteil vom 11.10.2018
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt jedoch nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung iHv 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit iHv 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.
Der Streitwert wird auf 10.680,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Fortbestand eines Mietvertrags über Wohnraum. Dieser wurde am 31.01./01.02.2017 geschlossen, das Mietverhältnis begann am 01.05.2017.
Lt. Mietvertrag erfolgte die Nutzung „zur ausschließlichen Nutzung als Wohnraum“, die vereinbarte Miete betrug 890,00 EUR. Die Beklagten gaben auf Nachfrage der Klägerin, der Vermieterin, wahrheitswidrig an, verheiratet zu sein; tatsächlich erfolgte die Heirat kurze Zeit nach Vertragsschluss.
Wie von Anfang an geplant nutzten die Beklagten die angemietete Wohnung zum Dreh von pornografischen Videoclips, die von ihnen aus der Wohnung heraus im Internet vermarktet werden. In einzelnen Fällen wurden Szenen auf dem Balkon gedreht. In einem Fall wurde eine Szene im Treppenhaus gedreht, bei welcher die Beklagte dort urinierte. Zuvor hatten sich die Beklagten versichert, dass keine weiteren Personen im Treppenhaus anwesend waren, dieses wurde im Anschluss gereinigt.
Hinsichtlich der Art der Vermarktung einzelner Szenen wird auf die von den Klägern zur Akte gereichten Ausdrucken der Homepage der Beklagten (Bl. 37ff. d.A.) Bezug genommen.
Die Beklagte ist unter dem Künstler-Namen … zudem in der „Model-Kartei“ im Internet gemeldet, wo es unter ihrem Eintrag u.a. heißt: „Ich stehe nun schon seit über fünf Jahren regelmäßig vor der Kamera und es macht mir viel Spaß. […] Wenn Du Interesse an einem Shooting (Pay) mit mir hast, schreibe mir einfach eine Nachricht und wir können gerne alles Weitere besprechen“. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den von der Klägerseite zur Akte gereichten Ausdruck aus dem Eintrag der Beklagten, der im Internet abrufbar ist (Bl. 36 d.A.) Bezug genommen.
Die Klägerin hat das Mietverhältnis durch anwaltlichen Schriftsatz vom 03.04.2018 fristlos, hilfsweise fristgerecht, gekündigt. Sie haben diese Kündigung darauf gestützt, dass die Wohnung nicht nur zu Wohnzwecken genutzt würde. Sie selbst sei durch den Erbbauvertrag mit der katholischen Kirche daran gebunden, dass das Gebäude nicht zu Handlungen genutzt werden dürfe, die nachhaltig gegen die katholische Sittenlehre verstoßen. Auch gegen ihren eigenen, durch die katholische Kirche geprägte, Sittenkodex verstießen die Beklagten, sodass ihr eine Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar sei.
Die Klägerin meint unter Berufung auf den Eintrag in der Model-Kartei, dass die Beklagten sexuelle Dienstleistungen aus ihrer Wohnung gegen Entgelt iSe „Online-Puffs“ anböten.
Sie meint, sie sei außerdem berechtigt, den Mietvertrag anzufechten, weil die Beklagten sie über die geplante Nutzung ebenso getäuscht hätten, wie über den Umstand der Heirat.
Sie behauptet weiter unter Antritt von Zeugenbeweis, dass die „Aktivitäten in einer Lautstärke ausgeführt [würden], dass zB am Sonntag, den 06.05.2018 nachbenannter Zeuge die Polizei rief, weil er Schreie aus der Wohnung der Beklagten vernommen hat, welche auf häusliche Gewalt schließen ließen, die aber offensichtlich Ausdruck sexueller und im Internet angebotener Aktivitäten waren“. „Die übrigen Nachbarn hörten ebenfalls wiederholt aus der Wohnung der Beklagten lautstarke Auseinandersetzungen, die auf derartige sexuelle Aktivitäten schließen lassen“.
Sie behauptet schließlich, die Tochter der Nachbarn hätte Kenntnis über die Pornofilme, die die Beklagten im Internet verbreiteten.
Die Klägerin beantragt, die Beklagten zu verurteilen, die im Hause … in … im Ober- und Dachgeschoss gelegene Wohnung, bestehend aus 1 Wohnzimmer, 1 Küche, 2 Schlafzimmern, 1 Schlafzimmer mit begehbarem Kleiderschrank, 1 Bad, 1 Duschbad, 1 Gäste-WC, Diele, Balkon, Abstellraum, zu räumen und einschließlich des Pkw-Stellplatzes besenrein an die Klägerin herauszugeben und sie von Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung iHv 958,19 EUR freizustellen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Sie sind der Auffassung, dass sie sich künstlerisch betätigten, sodass keine gewerbliche Nutzung vorliege. Diese Tätigkeit trete auch nicht nach außen in Erscheinung.
Sie kündigen an, dass Drehs auf dem Balkon oder dem Treppenhaus in Zukunft nicht mehr stattfinden.
Sie behaupten, dass der Außenbereich auf den auf dem Balkon gedrehten Szenen nicht individualisierbar erkennbar sei. Auch seien diese Videos von der Webseite gelöscht worden.
Sie behaupten letztlich, dass sie bei der Anmietung ihre Pläne offen gelegt hätten, die Klägerin sei damit einverstanden gewesen.
Der von den Nachbarn wahrgenommene Lärm sei auf einen heftigen Streit zwischen ihnen zurückzuführen.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
1.
Der zwischen den Beteiligten geschlossene Mietvertrag ist weder aufgrund wirksamer Anfechtung als von Anfang an unwirksam anzusehen (§§ 142, 123 BGB) noch aufgrund einer durchgreifenden fristlosen oder ordentlichen Kündigung erloschen (§§ 543, 569, bzw. 573 BGB). Die Beklagten sind daher nicht zur Räumung des Objekts verpflichtet.
a)
Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung greift nicht durch, weil ein Anfechtungsgrund iSv § 123 BGB nicht vorliegt.
aa)
Zwar haben die Beklagten unrichtige Angaben über ihren Familienstand gemacht und die Klägerin insoweit arglistig getäuscht. Die Täuschung ist jedoch nicht rechtswidrig, weil schon die Frage nach dem Familienstand wegen Verstoßes gegen die Wertungen des AGG und aufgrund eines Verstoßes gegen das allgemeine Persönlichkeitsgesetz unzulässig (vgl. Arnold, in: Erman, BGB, 15.Aufl. 2017, § 123 Rn. 21, 22 mwN.) und die Beklagten daher nicht zu einer wahrheitsgemäßen Antwort verpflichtet waren.
bb)
Auch nach dem Klägervortrag liegt in dem (behaupteten) Unterlassen der Aufklärung über die geplante Nutzung der Wohnung keine arglistige Täuschung. Denn da sich, wie unten gezeigt, die Nutzung (im Wesentlichen) im Rahmen des vereinbarten Wohnzwecks hält, war eine entsprechende Aufklärung nicht geschuldet. Soweit vereinzelt – durch die Aufnahme im Treppenhaus – eine hierüber hinaus gehende Nutzung tatsächlich stattgefunden hat, so ist nicht ersichtlich oder vorgetragen, dass entsprechende Szenen schon bei Vertragsschluss geplant waren.
b)
Auch die erklärte fristlose (§§ 543, 569 BGB) bzw. ordentliche Kündigung (§ 573 BGB) greift nicht durch, weil jedenfalls kein so relevanter Vertragsverstoß vorliegt, der eine Kündigung ohne vorhergehende Abmahnung rechtfertigen würde.
aa)
Die Behauptung der Klägerin, dass die Beklagten sexuelle Dienstleistungen aus der Wohnung heraus anböten, wird durch nichts belegt. Aus der Model-Kartei ergibt sich vielmehr nur, dass die Beklagte sich auf bezahlte Jobs als Erotik-Model bewirbt. Hinweise für eine Betätigung im Sinne von Prostitution („Online-Puff“ in der Diktion der Klägerseite) ergeben sich ebenso wenig, wie ein irgendwie gearteter Zusammenhang dieser Jobs mit dem vermieteten Objekt. Eine Einflussnahme auf die berufliche Tätigkeit der Mieter außerhalb der Wohnung kommt dem Vermieter unter keinem Gesichtspunkt zu; eine solche Tätigkeit kann daher auch keine Kündigung begründen.
bb)
Im Grundsatz stellt die Herstellung von pornografischen Videoclips und deren Vermarktung aus der Wohnung heraus noch keine Nutzung dar, die über den Wohngebrauch hinausgeht.
Insoweit ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass auch eine geschäftliche Aktivität des Mieters in der Wohnung, die nach außen nicht in Erscheinung tritt, in Räumen erlaubt ist, die „ausschließlich zu Wohnzwecken“ vermietet werden (BGH WuM 2009, 517; BGH WuM 2013, 349). Darüber hinaus können nach außen in Erscheinung tretende Aktivitäten zwar nicht mehr unter den Wohngebrauch fallen, jedoch kann den Vermieter insoweit eine Genehmigungspflicht treffen, falls sich die Auswirkungen in dem auch bei Wohngebrauch zu erwartenden Rahmen von Auswirkungen halten (BGH aaO).
Unter Anwendung dieser Grundsätze stellen die Dreharbeiten zu und die Vermarktung von pornografischen Clips in der Wohnung und auf dem Balkon noch Wohngebrauch dar. Denn weder war die Herstellung der Bilder war von außen wahrnehmbar noch hat die Vermarktung im Internet Auswirkungen auf die Verwertbarkeit des Objekts, etwa dadurch, dass dieses auf den Bildern erkennbar gewesen wäre und so „in Verruf“ kommen könnte.
(1)
Die Herstellung von pornografischen Clips in der Wohnung tritt nach außen nicht in Erscheinung.
Dass der Dreh von außen sichtbar gewesen sei, hat die Klägerin nicht dargelegt.
Soweit die Klägerin nunmehr einen beim Dreh entstandenen Lärm behauptet, erfolgt dies – samt des nicht wirklich zuzuordnenden Beweisantritts – ersichtlich ins Blaue hinein. Die benannten Zeugen haben – auch nach dem klägerischen Vortrag – einen Streit wahrgenommen, was sich mit der Darstellung der Beklagten deckt. Die Behauptung eines Zusammenhangs mit dem Dreh pornografischer Szenen oder „sexuelle Aktivitäten“ ist pure Spekulation der Klägerseite, die Vernehmung der benannten Zeugen wäre daher eine unzulässige Ausforschung des Sachverhalts.
Dass die Nachbarn und deren Kind Kenntnis von den Aktivitäten der Beklagten haben sollen, wird auch von der Klägerin nicht auf eine unmittelbare Wahrnehmung der Dreharbeiten zurückgeführt und ist daher für die hier zu entscheidende Frage irrelevant.
Auch die Vermarktung der in der Wohnung gedrehten Clips hat keine Auswirkungen für das Objekt. Dritte, die die Clips ansehen, können den Innenraum der Wohnung nicht mit dem für sie sonst nur von außen wahrnehmbaren Objekt in Verbindung bringen.
(2)
Das soeben Gesagte gilt im Ergebnis auch für den Dreh auf dem Balkon. Weder die Herstellung dieser Clips noch deren Vermarktung haben wahrnehmbare Auswirkungen auf das Objekt.
Die Klägerin hat zunächst nicht dargelegt, dass die Dreharbeiten auf dem Balkon von Dritten hätten beobachtet werden können.
Insbesondere auf dem Bild Bl. 39 d.A. ganz rechts, auf welchem die Beklagte auf dem Balkon über ein Schleckeis uriniert bzw. sich mit diesem selbst befriedigt, ist erkennbar, dass der Dreh in einer Ecke zwischen einem Blumenkübel und der undurchsichtigen Balkonumrandung stattgefunden hat, wodurch die Szene von außen nicht einsehbar gewesen sein dürfte. Jedenfalls hat die Klägerin nichts Anderes substantiiert behauptet. Die weiteren Szenen – mit der Ausnahme des Urinierens im Treppenhaus, dazu sogleich – sind in der Wohnung selbst aufgenommen worden.
Den angekündigten Stick mit (weiteren) Videoaufnahmen hat die Klägerin im Termin nicht vorgelegt, sodass insoweit kein weiterer Beweis geführt werden konnte.
Weiter kann das Gericht nicht feststellen, dass die Vermarktung der auf dem Balkon gedrehten Clips eine wahrnehmbare Auswirkung auf das Objekt hätte.
Zwar ist hier das Objekt von außen sichtbar. Jedenfalls auf den eingereichten Fotos genügt der sichtbare Teil jedoch nicht zu einer Identifikation des Objekts, sodass eine – auch nur mittelbare – Auswirkung der Aktivitäten der Beklagten auf Vermietbarkeit und Wert des Objekts nicht erkennbar ist.
cc)
Über den Wohngebrauch hinaus ging allerdings die Aufnahme im Treppenhaus, die möglicherweise auf Bl. 38 ganz links zu sehen ist, und bei welcher die Beklagte unstreitig in das gemeinschaftlich genutzte Treppenhaus urinierte. Dieser Dreh trat nach außen in Erscheinung und wäre für Besucher im Haus sichtbar gewesen.
Bereits die absichtliche Verschmutzung des Treppenhauses mit Urin stellt im Übrigen unabhängig von der Vermietung zu Wohnzwecken eine – durchaus gravierende – Verletzung von Pflichten aus dem Mietvertrag dar.
Gleichwohl erreicht diese mit dem einmaligen Dreh verbundene Beeinträchtigung der Interessen der Klägerin nach Überzeugung des Gerichts noch nicht ein Ausmaß, welches es rechtfertigen würde, das Mietverhältnis ohne Abmahnung zu kündigen.
Zwar drängt sich einerseits jedem normalen Mieter unmittelbar die Erkenntnis auf, dass man nicht in fremde Treppenhäuser uriniert, andererseits haben die Beklagten sich unstreitig bemüht, das Entdeckungsrisiko zu minimieren und die Sauerei unverzüglich wieder entfernt.
Vor diesem Hintergrund konnte nicht darauf verzichtet werden, ihnen die Schwere des Vertragsverstoßes durch eine Abmahnung vor Augen zu führen.
Auch auf diesen Verstoß kann daher die ausgesprochene Kündigung nicht gestützt werden.
dd)
Schließlich ist für die Frage irrelevant, wie die Klägerin die Aktivitäten der Beklagten in ihrem eigenen Sittensystem bewertet, da dieses nicht Gegenstand des Mietvertrages ist. Auch Verpflichtungen der Klägerin gegenüber dem (kirchlichen) Erbbaurechtgeber sind nicht Gegenstand des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags geworden und im Innenverhältnis zu den Beklagten daher irrelevant. Für die Kündigungsmöglichkeiten der Klägerin bleiben sie daher ebenfalls ohne Bedeutung.
2.
Mangels Verzugs mit der Räumung der Wohnung haben die Beklagten auch die außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten der Klägerin nicht zu tragen.
II.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.