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Mietvertrag – Kündigung wegen Zahlungsverzugs – Zulässigkeit

LG Berlin, Az.: 63 S 66/17

Urteil vom 24.11.2017

In dem Rechtsstreit hat die Zivilkammer 63 des Landgerichts Berlin, Littenstraße 12-17, 10179 Berlin (Mitte), auf die mündliche Verhandlung vom 13. Oktober 2017 für Recht erkannt:

Die Berufung der Beklagten zu 1. gegen das am 18. Januar 2017 verkündete und als Versäumnisteilund Schlussurteil bezeichnete Urteil des Amtsgerichts Schöneberg – 6 C 326/16 – wird zurückgewiesen.

Die Beklagten haben die Kosten der Berufung zu tragen. Der Beklagten zu 1. wird eine Räumungsfrist bis zum 30. April 2018 gewährt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte zu 1. darf die Vollstreckung der Räumungsverpflichtung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,– EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen dürfen die Beklagten die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags zuzüglich 10 % leistet.

Gründe:

I.

Mietvertrag - Kündigung wegen Zahlungsverzugs - Zulässigkeit
Foto: Kritchanut/Bigstock

Die Beklagten mieteten mit Vertrag vom 23./29. Dezember 2014 von der Zwangsverwalterin die streitgegenständliche Wohnung. Die Klägerin hat das Objekt im Wege der Zwangsversteigerung mit Zuschlagsbeschluss vom 18. Februar 2016 erworben. Dies wurde den Beklagten mit Schreiben der Zwangsverwalterin vom 31. März 2016 und Schreiben der Klägerin vom 19. Mai 2016 mitgeteilt.

Die Klägerin kündigte das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs mit den Mieten für Juli und August 2016 mit Schreiben vom 8. August 2016 und in der Klage sowie wegen dieser und weiterer Rückstände mit Schreiben vom 9. September 2016 und im Schriftsatz vom 7. November 2016, jeweils fristlos, hilfsweise ordentlich. Sie verlangt von den Beklagten Räumung der von diesen innegehaltenen Wohnung.

Das Amtsgericht hat den Beklagten zu 2. mit Versäumnisteilurteil vom 10. November 2016 antragsgemäß zur Räumung verurteilt. Der Beklagte zu 2. hat hiergegen keinen Einspruch eingelegt.

Die Beklagte zu 1. hat es mit dem als „Versäumnisteil- und Schlussurteil“ bezeichneten Urteil zur Räumung verurteilt, weil die Kündigung vom 8. August 2016 aufgrund der Rückstände für Juli und August 2016 begründet sei.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie machen geltend, dass die Zahlungen für Juli und August 2016 vom Jobcenter an die Zwangsverwalterin geleistet worden seien, obgleich sie am 27. Mai 2016 unter Vorlage des am 26. Mai 2016 erhaltenen Schreibens der Klägerin vom 19. Mai 2016 dem Jobcenter den neuen Vermieter mitgeteilt hätten. Die an die Zwangsverwalterin geleisteten Zahlungen seien von dieser an die Klägerin weitergeleitet worden. Sie hätten unter diesen Umständen den Verzug nicht zu vertreten.

Der Beklagte zu 2. hat die Berufung zurückgenommen.

Die Beklagte zu 1. beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten zu 1. ist zulässig.

Mangels einer Säumnislage der Beklagten zu 1. handelt sich der Sache nach um ein Schlussurteil nach dem vorangegangenen Versäumnisteilurteil gegen den Beklagten zu 2.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Die Beklagte zu 1. ist gemäß § 546 Abs. 1 BGB zur Räumung und Herausgabe der von ihr innegehaltenen Wohnung verpflichtet. Denn das Mietverhältnis der Parteien ist beendet.

Das Amtsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass jedenfalls die Kündigung vom 8. August 2017 als fristlose Kündigung begründet gemäß § 543 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 BGB in beiden Alternativen ist.

Die Beklagten befanden sich bei Ausspruch der Kündigung mit den Mieten für Juli und August 2017 jeweils in voller Höhe im Rückstand. Die Weiterleitung der an die Zwangsverwalterin geleisteten Zahlungen ist erst am 19. August 2016 erfolgt.

Die vorherige Zahlung an die Zwangsverwalterin hat die Beklagten nicht befreit. Gemäß § 566 c BGB setzte dies voraus, das die Zahlungen ohne Kenntnis vom Eigentumswechsel erfolgt sind. Das ist hier nicht der Fall. Die Beklagten hatten, wenn nicht bereits aufgrund des Schreibens der Zwangsverwalterin vom 31. März 2016, jedenfalls mit Schreiben vom 19. Mai 2016 Kenntnis. Die danach erfolgten Zahlungen an die Zwangsverwalterin befreien deshalb nicht.

Die Wirkungen der fristlosen Kündigung sind nicht durch Zahlungsausgleich innerhalb der Schonfrist geheilt worden. Soweit ersichtlich, sind lediglich die an die Zwangsverwalter vom Jobcenter geleisteten Zahlungen an die Klägerin nachträglich weitergeleitet worden. Das Jobcenter hat indes nur einen Teil der Miete in Höhe von monatlich 808,– EUR gezahlt. Eine verbleibender Restbetrag von monatlich 55,– EUR (bis Juni 2016) bzw. 70,– EUR (ab Juli 2016) ist von den Beklagten nicht gezahlt worden. Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten waren jedenfalls für April 2016, Juli 2016 und August 2016 monatlich 55,– EUR offen. Bereits diese Rückstände (fast 20 % einer Monatsmiete) stehen einer wirksamen Schonfristzahlung gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB entgegen, und zwar unabhängig davon, ob zwischenzeitlich weitere Mieten fällig geworden und ausgeglichen worden sind.

In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob die Beklagten alle aus ihrer Sicht Erforderliche zur Zahlung des Jobcenters an die Klägerin getan haben. Denn es handelt sich um eine fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs, bei der es, wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, in Bezug auf den Verzug nur auf ein Vertreten im Sinne von § 286 Abs. 4 BGB, nicht auf ein Verschulden ankommt (BGH, Urteil vom 04.02.2015 – VIII ZR 175/14).

Die weiteren Kündigungen der Klägerin wegen Zahlungsverzug vom 30. August 2016 (Klage), 9. September 2016 und 7. November 2016 (Schriftsatz) wären aus den oben genannten Gründen ebenfalls begründet, weil der kündigungsrelevante Rückstand für Juli und August 2016 zuvor niemals komplett ausgeglichen war.

Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte zu 1. auf ein behauptetes Guthaben bei der Zwangsverwalterin in Höhe von 379,71 EUR. Die Klägerin hat die von der Beklagten zu 1. behauptete Auskehrung dieses Guthabens durch die Zwangsverwalterin an die Klägerin bestritten. Einen Beweis hat die Beklagte zu 1. nicht angetreten. Im Übrigen hat die Beklagte zu 1. insoweit erstmals in der Berufungsbegründung die Aufrechnung mit den restlichen Rückständen erklärt. Zu diesem Zeitpunkt war indes die zweimonatige Schonfrist gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB längst abgelaufen, nachdem die Klage am 28. September 2016 zugestellt worden war.

Aus diesem Grund kommt es auch nicht darauf an, dass am 3. Februar 2017 letztlich alle Rückstände ausgeglichen waren.

Es kann dahinstehen, ob die von der Klägerin eingewandten Härtegründe aufgrund von Depressionen ausreichend substantiiert sind, weil die von ihr eingereichten Atteste über die bloße Diagnose hinaus keine hinreichenden weitergehenden Aussagen enthalten und insbesondere sich nicht zu den tatsächlichen Auswirkungen verhalten. Denn sie greifen gegenüber einer fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs von vornherein nicht durch. Härtegründe können nur bei einer auf § 543 Abs. 1 BGB gestützten Kündigung bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Interessen und der Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls Eingang finden. Im Gegensatz hierzu schließen die in § 543 Abs. 2 geregelten Kündigungsgründe eine Berücksichtigung von persönlichen Umständen und Zumutbarkeitserwägungen grundsätzlich aus (BGH, Urteil vom 09.11.2016 – VIII ZR 73/16; Urteil vom 04.02.2015 – VIII ZR 175/14).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gemäß § 721 ZPO war der Beklagten zu 1. eine Räumungsfrist bis zum 30. April 2018 zu gewähren. Die Kammer hielt diese nach einer Kündigung wegen Zahlungsverzug großzügige Frist angesichts der gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Beklagten zu 1. für angemessen, damit sie sich auf den Umzug einrichten und Ersatzwohnraum finden kann.

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