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Mietvertragskündigung bei Verweigerung von Modernisierungsarbeiten

LG Berlin – Az.: 67 S 21/20 – Urteil vom 28.05.2020

Auf die Berufung des Klägers wird das am 9. Dezember 2019 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mitte – 20 C 113/19 – abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, die von ihm innegehaltene Wohnung X zu räumen und im geräumten Zustand an den Kläger herauszugeben.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits I. und II. Instanz zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 31. August 2020 bewilligt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Tatbestand entfällt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO.

II.

Die Berufung ist begründet. Der Beklagte ist dem Kläger gemäß §§ 985, 546 Abs. 1, 566 Abs. 1 zur Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung verpflichtet.

Das Mietverhältnis ist durch die Kündigung vom 25. Juni 2018 wirksam beendet worden. Die Kündigung ist jedenfalls als ordentliche Kündigung gemäß § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB wirksam. Danach liegt ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses vor, wenn der Mieter seine Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

Dem Beklagten fällt eine Pflichtverletzung zur Last, da er die mit Schreiben vom 7. März 2016 angekündigten Modernisierungsmaßnahmen im Umfang der rechtskräftigen Verurteilung durch die Kammer vom 1. August 2017 nicht geduldet hat.

Dass er seinen Mitwirkungspflichten nicht gerecht geworden ist, steht zur zweifelsfreien Überzeugung der Kammer als Ergebnis der im zweiten Rechtszug durchgeführten Beweiserhebung fest. Der Beklagte hat jedenfalls am 5. Juni 2018 dem vom Kläger beauftragten Zeugen Y trotz unmissverständlicher Abmahnung vom 28. Mai 2018 keinen Zutritt zu seiner Wohnung zur Durchführung der im Schreiben vom 28. Mai 2018 angekündigten Maßnahmen gewährt. Das ergibt sich zur Überzeugung der Kammer aus den Bekundungen des Zeugen Y, der bekundet hat, ihm sei am besagten Tage trotz mehrfach deutlich vernehmbaren Klopfens an die Wohnungstür des Beklagten nicht geöffnet worden. Die Aussage des Zeugen war glaubhaft, da er den von ihm bekundeten Geschehensverlauf unter Heranziehung seiner Unterlagen ruhig, bestimmt, widerspruchsfrei und hinreichend detailliert geschildert hat. Der Zeuge war auch glaubwürdig, da er unbeschadet seiner bisherigen Geschäftsbeziehungen zum Kläger kein unmittelbares oder mittelbares Eigeninteresse am Ausgang des Verfahrens hatte und auch keine weiteren Anhaltspunkte bestehen, die der Kammer hätten Anlass geben müssen, an der Glaubwürdigkeit des Zeugen zu zweifeln.

Ein dem Beklagten günstigeres Beweisergebnis ist nicht aufgrund seiner eigenen Einvernahme als Partei gerechtfertigt, die die Kammer zur Beseitigung seiner nicht anderweitig zu behebenden Beweisnot angeordnet hat (st. Rspr. der Kammer, vgl. nur Urt. v. 25. September 2014 – 67 S 198/14, NJW 2014, 3585). Zwar hat der Beklagte bekundet, am 5. Juni 2018 sei niemand bei ihm erschienen, doch mangelte es seinen Äußerungen bereits an den für eine glaubhafte Bekundung sprechenden realitätstypischen Details. Weder wußte der Beklagte zu bekunden, wie lange er sich am besagten Tage in seiner Wohnung aufgehalten, noch wann er sie zu welchem Zweck verlassen hat. Er wusste ebenfalls nicht zu bekunden, wo genau er sich in der Wohnung zum Zeitpunkt des vom Zeugen Y behaupteten Eintreffens befunden hat. Dasselbe gilt für seine angeblichen Kalendernotizen für den 5. Juni 2018, an deren tatsächlichen Hintergrund er sich – nach eigenem Bekunden – nur hinsichtlich des vom Klägers behaupteten Geschehensablaufs hinreichend sicher erinnern konnte, nicht aber hinsichtlich des übrigen Tagesverlaufs. Auch dieses nur auf das unmittelbare Beweisthema beschränkte Erinnerungsvermögen spricht nicht für, sondern gegen die Glaubhaftigkeit seiner Bekundungen. Es kommt hinzu, dass der von dem Beklagten geschilderte Geschehensverlauf in hohem Maße unwahrscheinlich ist. Denn es fehlte jeglicher plausible Grund für den Kläger, die von ihm auch nach Erwirkung des Duldungsurteils mit Schreiben vom 17. Oktober 2017, 7. Dezember 2017, 8. Dezember 2017, 25. Januar 2018, 11. Mai 2018 und 18. Mai 2018 immer wieder mit der dringlichen Bitte um Mitwirkung des Beklagten thematisierten Vorbereitungs- und Modernisierungsmaßnahmen mit weiterem Scheiben vom 28. Mai 2018 für den 5. Juni 2018 anzukündigen, um diese sodann trotz der mittlerweile mehr als zweijährigen Modernisierungsaufschubs nicht durchzuführen. Dass der Kläger den Termin nur zum Schein angekündigt hätte, um in der Folge eine verhaltensbedingte Kündigung gegen den Beklagten wegen einer – tatsächlich nicht erfolgten – Vereitelung der Modernisierungsmaßnahmen aussprechen zu können, erachtet die Kammer für ausgeschlossen. Dagegen spricht bereits das Prozessverhalten des Klägers, der sich selbst im zweiten Rechtszug noch bereit erklärt hat, das Mietverhältnis mit dem Beklagten zu dem für diesen annehmbaren Bedingungen im Vergleichswege fortzusetzen.

Der Beklagte hat auch schuldhaft gehandelt. Der Beklagte hat am 5. Juni 2018 vorsätzlich keinen Zutritt zur Wohnung gewährt. Es steht aus obigen Erwägungen zur zweifelsfreien Überzeugung der Kammer fest, dass der Beklagte zum Zeitpunkt des Eintreffens des vom Kläger beauftragten Zeugen entweder die Wohnung zuvor willentlich und wissentlich verlassen oder dem Zeugen trotz seiner Anwesenheit in der Wohnung ebenso willentlich und wissentlich keinen Zutritt gewährt hat. Dass er das Klopfen des Zeugen überhört hat, ist ebenso zweifelsfrei auszuschließen, da dieser nach seinen glaubhaften Bekundungen laut und vernehmlich geklopft hat und der Beklagte eingeräumt hat, dass ein solches Klopfen von ihm nicht zu überhören gewesen wäre.

Die dem Beklagten zur Last zu legende Pflichtverletzung war auch hinreichend erheblich. Für die Beurteilung der Erheblichkeit der Pflichtverletzung ist die Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls erforderlich. Dazu zählen die beanstandungsfreie Dauer des bisherigen Vertragsverhältnisses, das Gewicht und die nachteiligen Auswirkungen der Vertragspflichtverletzung, eine mögliche Wiederholungsgefahr und der dem Mieter zur Last zu legende Grad des Verschuldens. Daneben können besondere persönlichen Umstände des Mieters oder ein pflichtwidriges (Vor-)Verhalten des Vermieters zusätzliche Berücksichtigung finden (st. Rspr. der Kammer, vgl. nur Urt. v. 22. August 2019 – 67 S 109/19, ZMR 2019, 944, beckonline Tz. 4 m.w.N.).

Gemessen daran hat der Beklagte die Erheblichkeitsschwelle des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB mit seinem Verhalten weit überschritten.

Die Pflichtverletzung des Beklagten wiegt bereits für sich genommen schwer, da Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen für die Erhaltung des Mietobjekts und seines wirtschaftlichen Werts von wesentlicher Bedeutung sein können, so dass der Vermieter an deren alsbaldiger Durchführung in der Regel ein erhebliches wirtschaftliches Interesse hat (vgl. BGH, Urt. v. 15. April 2015 – VIII ZR 281/13, NJW 2015, 2417, beckonline Tz. 22). Diesem – auch hier gegeben – Interesse hat der Beklagte beharrlich zuwidergehandelt, indem er die Durchführung der Maßnahmen über mehr als zwei Jahre vereitelt hat. Es kommt erschwerend hinzu, dass der Beklagte jedenfalls am 5. Juni 2018 nicht lediglich fahrlässig, sondern mit Vorsatz gehandelt hat (vgl. LG Berlin, Urt. v. 3. Juli 2018 – 67 S 20/18, WuM 2018, 562, beckonline Tz. 17). Denn spätestens seit Eintritt der Rechtskraft des am 1. August 2017 verkündeten Duldungsurteils wusste er, dass er zur Duldung der tenorierten Maßnahmen verpflichtet war. Gleichwohl hat er dem Duldungsanspruch des Klägers auch weiterhin nicht genügt, sondern diesen stattdessen noch mit Schreiben vom 23. Mai 2018 darüber belehrt, Maßnahmen allenfalls dann dulden zu müssen, wenn der Kläger diese „längerfristig und planbar“ und nicht lediglich „mit einem Vorlauf von einer Woche ankündige“, er die „auszuführenden Arbeiten“ aufzähle und beschreibe und „ein Zeitfenster für die Ausführung“ vorgebe. Ausweislich des zu diesem Zeit bereits seit geraumer Zeit rechtskräftigen Duldungsurteil indes war die Duldungspflicht des Beklagten nicht von seinen nunmehr gemachten Vorgaben, sondern lediglich von einer „vorherigen Ankündigung“ abhängig. Eine solche ist ihm mit Schreiben vom 28. Mai 2018 zugegangen. Dass er dem vom Kläger beauftragten Zeugen gleichwohl keinen Zutritt gewährt, sondern den Fortgang der Maßnahmen weiter vereitelt hat, begründet in der gebotenen Gesamtschau eine für den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung hinreichende Erheblichkeit der Pflichtverletzung, selbst wenn das Mietverhältnis zuvor über einen langen Zeitraum unbeanstandet gewährt haben sollte. Denn eine ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses ist gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB grundsätzlich gerechtfertigt, wenn der Mieter die Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen vereitelt, obwohl er rechtskräftig zu deren Duldung verpflichtet ist. Diese Wertung gilt hier ebenfalls. Es tritt hinzu, dass der Beklagte durch die Verweigerung des Zutritts auch der unmittelbar zuvor ausgesprochenen Abmahnung des Klägers zuwider gehandelt hat. Deren bewusste Missachtung hat seiner Pflichtverletzung ein zusätzliches Gewicht verliehen (vgl. BGH, Urt. v. 28. November 2007 – VIII ZR 145/07, NJW 2008, 508, beckonline Tz. 28). Darauf kam es wegen der übrigen zu seinen Lasten sprechenden Umstände des Einzelfalls im Ergebnis allerdings nicht mehr wesentlich an.

Die Entscheidung zu den Kosten und zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 10 Satz 1, 713 ZPO. Gründe, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO zuzulassen, bestanden nicht. Dem Beklagten war gemäß § 721 Abs. 1 ZPO die aus dem Tenor ersichtliche Räumungsfrist zu gewähren; sie ist zur Beschaffung von Ersatzwohnraum auch angesichts der zusätzlichen pandemiebedingten Erschwernisse erforderlich, aber auch ausreichend (vgl. Kammer, Beschl. v. 26. März 2020 – 67 S 16/20, COVuR 2020, 29).

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