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Mietvertragskündigung durch einen von zwei Vermietern wirksam?

LG Wuppertal, Az.: 9 S 128/15, Urteil vom 10.12.2015

Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Amtsgerichts Wuppertal, 96 C 238/12, vom 30.4.2015 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Der an einem Asperger Syndrom leidende Beklagte, für den u.a. 2011 eine Betreuung (Aufgabenkreis: u.a. Wohnungsangelegenheiten) eingerichtet wurde, bewohnt seit 2008 eine Mietwohnung der Klägerinnen. Beginnend mit dem 16.1.2012 wurde durch die Klägerin zu 1) wiederholt die – teils fristlose, teils ordentliche Kündigung – des Mietverhältnisses wegen Ruhestörungen erklärt. Das Amtsgericht hat die auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichtete Klage abgewiesen. Wenn der kündigende Vertragspartner aus mehreren Personen bestehe, müsse auch die Kündigung von allen Vermietern ausgesprochen werden, während vorliegend alle Kündigungen lediglich von der Klägerin zu 1) ausgesprochen worden seien. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin zu 1) allein berechtigt und bevollmächtigt sein sollte, sämtliche im Zusammenhang mit dem Mietverhältnis stehenden Erklärungen für die Vermieterseite abzugeben, da hierfür eine ausdrückliche Vollmacht erforderlich wäre, die jedoch nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich sei.

Hiergegen richten sich die Klägerinnen mit ihrer Berufung. Über einen Zeitraum von ca. 3 Jahren hätten sich insgesamt 6 Richter bzw. Richterinnen mit dem Rechtsstreit beim Amtsgericht befasst. Keiner habe die nunmehr im Urteil vertretene Rechtsauffassung mitgeteilt. Selbst der Beklagte habe diese Rechtsansicht zu keinem Zeitpunkt vertreten. Aus der Vermieterbezeichnung im Mietvertrag würden sich individuelle Personen in Ermangelung der Angaben des Vornamens nicht erkennen lassen. Maßgeblich sei deshalb ausschließlich die in Vertretung („vertreten durch“) geleistete Unterschrift der Klägerin zu 1). Wenn man dieser Ansicht nicht folge, bleibe lediglich als Auslegung, dass die Klägerin zu 1) generalbevollmächtigt gewesen sei für alle Handlungen das Mietverhältnis betreffend.

Im Übrigen wird von der Darstellung eines Tatbestandes gemäß §§ 540 II, 313a ZPO, 26 Nr. 8 S. 1 EGZPO abgesehen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Beklagte hat ein bislang nicht in Fortfall geratenes Recht zum Besitz an der streitgegenständlichen Mietwohnung.

1. Sein Recht zum Besitz gemäß §§ 535 I 1, 986 BGB folgt aus einem Mietvertrag, der zwischen ihm und beiden Klägerinnen zustande gekommen ist.

Von dem Bestehen eines Mietverhältnisses wäre schon deshalb auszugehen, weil der Beklagte die Wohnung Jahre lang entgeltlich genutzt hat (vgl. Blank in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Auflage, Vorbem. § 535, Rn. 16).

Darauf kommt es allerdings nicht an, weil der schriftliche Mietvertrag vom 13.5.2008 (Bl. 7 ff d.A.) wirksam ist. Dem steht letztlich nicht entgegen, dass als Vermieter nur die Nachnamen der Klägerinnen verbunden mit einem + angegeben worden sind. Dies führt nämlich nicht dazu, dass ein Vertrag allein mit der Klägerin zu 1) geschlossen worden wäre, weil deren Vorname zwar in der Rubrik „Vermieter … vertreten durch“ angegeben worden ist, es sich bei der den Mietvertrag unterzeichnenden Vertreterin (D) T nicht um die vermietende Person T gehandelt haben muss. Beide Klägerinnen waren aber als Vermieter dadurch objektiv identifizierbar, dass ihre – ausweislich der Klageschrift zutreffende – gemeinsame Anschrift und eine gemeinsame Kontoverbindung angegeben worden sind. Dass die Klägerin zu 1) nicht vertretungsberechtigt gewesen wäre, behaupten die Klägerinnen selbst nicht, sodass unerheblich ist, dass die Klägerin zu 2) den Mietvertrag nicht selbst unterschrieben hat.

2. Die streitgegenständlichen Kündigungserklärungen haben das Mietverhältnis nicht beendet und eine Rückgabepflicht des Beklagten begründet (§ 546 I BGB). Unbeschadet dessen, ob ein Kündigungsgrund gegeben war, erfolgt dies bereits aus formalen Gründen.

Mietvertragskündigung durch einen von zwei Vermietern wirksam?
Symbolfoto: fizkes/Bigstock

Im Falle eines Wohnraummietverhältnisses, wie hier, bedarf die Kündigung gemäß § 568 I BGB der schriftlichen Form. Besteht mithin die Vermieterseite aus mehreren Personen, können diese nur gemeinsam eine Kündigung erklären (Blank/Börstinghaus, Miete, 4. Auflage, § 542, Rn. 45). Es müssen alle die Kündigungserklärung unterschreiben. Eine Stellvertretung bei der Unterschrift ist zwar zulässig. Deshalb kann beispielsweise einer von mehreren Mietern oder Vermietern zugleich für die übrigen Mieter oder Vermieter unterzeichnen. Auch hier gilt allerdings der Grundsatz, dass das Vertretungsverhältnis erkennbar sein muss. Aus der Sicht des Kündigungsempfängers darf kein Zweifel bestehen, dass der Unterzeichnende nicht nur für sich selbst, sondern auch für die übrigen Mieter oder Vermieter tätig werden wollte (Blank/Börstinghaus, Miete, 4. Auflage, § 568, Rn. 13; Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Auflage, § 68, Rn. 15).

Diesen Anforderungen wird keine der streitgegenständlichen Kündigungserklärungen gerecht.

Ob die Klägerin zu 1) bevollmächtigt war, kann dahin stehen, da sie jeweils im eigenen Namen und nicht zweifellos – auch – in Vertretung der Klägerin zu 2) gehandelt hat. Ausdrücklich im Namen auch der Klägerin zu 2) ist nicht gehandelt worden. Zwar ist für ein solches Handeln im Namen eines anderen nicht zwingend Ausdrücklichkeit erforderlich. Vielmehr kann sich das nach allgemeinen Auslegungsregeln auch aus den Umständen ergeben. So liegt der Fall hier jedoch nicht. Während der Mietvertrag ausdrücklich „vertreten durch“ unterzeichnet worden ist, hat die Klägerin zu 1) die Abmahnungen vom 23.5.2011 und vom 10.8.2011 ausdrücklich in der Ich-Form ausgesprochen (Bl. 27 und 26 d.A.). Der jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen hat unter dem 12.12.2011 eine weitere Abmahnung in Sachen „T ./.H“ für die „Vermieterin, Frau T vorgenommen (Bl. 28 d.A.). In gleicher Weise hat er mit Schreiben vom 16.1.2012 die fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung erklärt und angekündigt, nach fruchtlosem Verstreichen der Räumungsfrist werde er seiner Mandantin empfehlen, Räumungsklage einzureichen (Bl. 38f d.A.). Nach Anhängigkeit des Räumungsrechtsstreites hat die Klägerin zu 1) mit Schreiben vom 16.4.2012 mitgeteilt: „Die vorgenannten Vorfälle nehme ich nunmehr zum Anlass, das mit ihnen bestehende Mietverhältnis erneut fristlos, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin, zu kündigen“ (Bl. 45 d.A. ). Die weiteren Kündigungsschreiben vom 22.4.2012, vom 29.1.2013, vom 6.4.2013, vom 30.4.2013, vom 18.7.2013, vom 17.12.2013 und vom 23.5.2014 haben insoweit denselben Wortlaut (Bl. 50, 86, 103, 112, 129, 156 und 188 d.A.). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss das Wort Kündigung nicht unbedingt gebraucht werden, so dass die Kammer auch noch in Betracht zu ziehen hatte, ob etwa in der Klageerhebung als solcher oder in einem späteren Schriftsatz der Klägerinnen eine erneute Kündigungserklärung – in diesem Falle beider Klägerinnen – zu erblicken ist. Aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Empfängers (§§ 133, 157 BGB) ist diese Frage jedoch im Ergebnis zu verneinen, obwohl in der Klageschrift auch auf Vorfälle nach Zugang des Kündigungsschreibens vom 16.1.2012 abgestellt und ausgeführt wird, der ganze Verlauf zeige, dass der Beklagte nicht willens sei, sein störendes Verhalten zu ändern; zur Wahrung des Hausfriedens bestehe keine andere Möglichkeit für die Klägerinnen, als das Mietverhältnis zu beenden (dort Seite 5f = Bl. 5f d.A.). Denn anders als in den ausdrücklichen Kündigungsschreiben fehlt in der Klageschrift der Hinweis auf den möglichen Kündigungswiderspruch (vergleiche § 568 II BGB). Zudem muss zur Annahme einer Kündigungserklärung der Wille zur einseitigen Vertragsbeendigung hinreichend klar zum Ausdruck kommen. Der Begriff „Kündigung“ muss zwar nicht verwendet werden. Es genügt, wenn sich aus der Erklärung mit hinreichender Deutlichkeit ergibt, dass die einseitige Vertragsbeendigung gewünscht wird, wobei an die Eindeutigkeit der Erklärung aus Gründen der Rechtssicherheit nicht zu geringe Anforderungen gestellt werden dürfen (Schmidt-Futterer, a.a.O., § 542, Rn. 13). Dass eine eindeutige Erklärung erforderlich ist, ist auch deshalb zu fordern, weil der Mieter wissen muss, ob er eine Kündigungserklärung unverzüglich gemäß § 174 BGB zurückweisen kann, und weil das betreffende Gericht klar erkennen muss, wenn es aufgrund einer schriftsätzlich erklärten Kündigung eine Sozialbehörde zwecks Erhaltung des Wohnraums bzw. zur Abwendung von Obdachlosigkeit einschalten muss (§ 36 II SGB XII).

3. Ergänzend und vorsorglich ist zum außerdem erforderlichen Kündigungsgrund auszuführen: Selbst bei einem schuldlos handelnden Mieter, der durch sein Verhalten den Hausfrieden nachhaltig stört, kann grundsätzlich eine außerordentliche fristlose Kündigung des Wohnungsmietvertrages aus wichtigem Grund erklärt werden. Die Belange des Mieters und des Vermieters sind dabei allerdings abzuwägen und die Wertentscheidungen des Grundgesetzes sind zu berücksichtigen; § 543 I 2 BGB (BGH, VIII ZR 218/03, bei juris).

Das Ergebnis der von dem Amtsgericht durchgeführten Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen war nicht eindeutig. Zwar hat die Zeugin L die Lärmbelästigungen und die inadäquate Reaktion des Beklagten auf Vorhaltungen, weniger Lärm zu verursachen, bestätigt. Der Zeuge M hat demgegenüber bekundet, er habe von den Lärmbelästigungen nichts oder kaum etwas mitbekommen. Vor 1,5 – 2 Jahren sei das allerdings noch anders gewesen. Zu diesem Zeitpunkt habe er häufiger laute Musikgeräusche oder Computer-Musik aus der Wohnung vernommen, wenn er nachts nachhause gekommen sei. Der Zeuge E hat ausgesagt, der Beklagte lebe sein Leben unabhängig von den Bedürfnissen seiner Mitmenschen. Die Musik, die er über den Game-Boy höre, sei in der Lautstärke nicht regulierbar. Die Musik sei in der Regel auf Zimmerlautstärke, sei aber eine elektronische Musik, die halt andere erheblich von ihrer Art her störe. Als sich eine Mitmieterin einmal beschwert habe, sei die Musik seiner Meinung nach auch auf Zimmerlautstärke gewesen. Die Zeugin Y hat ausgesagt, sie wohne 2 Etagen über dem Beklagten, sie würde nicht allzu gut hören, so dass sie von angeblichen Lärmbelästigungen nichts mitbekomme. Wenn sie sich selbst im Keller befinden würde, dann würde sie, wenn sie die Musik hören würde, nicht sagen, dass diese übermäßig laut sei. Ob vor diesem Hintergrund ein Kündigungsgrund anzunehmen wäre, kann jedoch im Ergebnis dahinstehen, da es, wie ausgeführt, an einer ordnungsgemäßen Kündigungserklärung mangelt.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 I, 708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO.

Den Klägerinnen die durch die erstinstanzlich durchgeführte Beweisaufnahme verursachten Kosten nicht aufzuerlegen, war nicht möglich. Zwar bestimmt § 21 I 1 GKG, dass Gerichtskosten, also Gebühren und Auslagen, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben werden. Eine unrichtige Sachbehandlung in diesem Sinne kommt im Hinblick auf die Durchführung einer Beweisaufnahme nur in Betracht, soweit diese offensichtlich überflüssig war. Dazu reicht es nicht aus, soweit das Gericht eine Beweisaufnahme aus vertretbaren Gründen anordnet, ihr Ergebnis aber wegen einer Veränderung der tatsächlichen oder, wie hier, rechtlichen Beurteilung nicht verwertet (Hartmann, Kostengesetze, 45. Auflage, § 21 GKG, Rn. 18, Stichwort „Beweisaufnahme“). Angesichts dessen, dass keine der Parteien Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Kündigungserklärung als solcher geäußert hatte und dass durchaus zu prüfen war, ob in der Klageerhebung eine – erneute – Kündigungserklärung zu sehen war, liegt eine Offensichtlichkeit im dargestellten Sinne nicht vor.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 2.040 EUR (§§ 41 I, 43 I, 48 I GKG ZPO).

Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 I Nr. 1, II ZPO), bestand nicht. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

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