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Nebenkostenvereinbarung – Keine konkludente Vereinbarung

AG Bremen, Az.: 9 C 36/18, Urteil vom 16.08.2018

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 167,32 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.11.2017 sowie 41,77 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6.03.2018 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Rückzahlung von 167,32 Euro aus einer Nebenkostenabrechnung.

Der Kläger bewohnt seit dem 01.09.1976 eine Wohnung in der … Straße …, 2. Etage rechts. Der auf den 20.08.1976 datierte Mietvertrag mit der „Neuen Heimat“ sieht eine monatliche Kaltmiete von 164,92 DM sowie 30,29 DM für Heizung und Warmwasser vor. Eine Abrechnungsposition „Gebäudeversicherung“ ist nicht vorgesehen. Hinsichtlich des weiteren Inhalts des Mietvertrags wird auf Anlage K1 (Blatt 7-18 der Akte) verwiesen.

Die Beklagte ist seit Oktober 2012 Eigentümerin der Immobilie, unmittelbar zuvor war die G… Vermieterin/Rechtsnachfolgerin.

Nebenkostenvereinbarung - Keine konkludente Vereinbarung
Foto: FreedomTumZ/Bigstock

Im Rahmen der Nebenkostenabrechnung wurden durch die Beklagte für das Jahr 2016 167,32 Euro für die Position „Gebäudeversicherung“ eingezogen. Dies erfolgte – wie bereits in den Jahren zuvor – auf Grundlage einer vom Kläger erteilten Einzugsermächtigung, die mittlerweile durch den Kläger widerrufen wurde.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 3.11.2017 rügte der Kläger die Nebenkostenposition „Gebäudeversicherung“ und forderte die Beklagte zur Rückzahlung der 167,32 Euro bis zum 10.11.2017 auf.

Der Kläger behauptet, die streitgegenständliche Position „Gebäudeversicherung“ sei erstmalig in den Nebenkostenabrechnungen für die Jahre 2015 und 2016 ausgewiesen worden. Zuvor habe er nicht gewusst, dass eine solche Versicherung überhaupt bestehe. Er ist der Ansicht, dass allein aus der rügelosen Zahlung nicht auf einen Rechtsbindungswillen hinsichtlich der Übernahme der Kosten der Gebäudeversicherung geschlossen werden könne, schon gar nicht bei Vorliegen einer Einzugsermächtigung.

Der Kläger beantragt,

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Euro 167,32 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.11.2017 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere Euro 41,77 (vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, sie habe die Versicherungsbeträge seit 2012 jährlich im Rahmen der Nebenkostenabrechnung abgerechnet. Dies sei auch bei der vorherigen Vermieterin, der G… der Fall gewesen. Die Gebäudeversicherung bestehe seit 1988. Der Kläger habe diesen Posten niemals gerügt und jedes Jahr bezahlt. Er habe mehrfach wegen der einzelnen Nebenkostenpositionen Kontakt zur G… und zur Beklagten aufgenommen, wobei es ihm stets um die Höhe, nicht jedoch um die einzelnen Positionen gegangen sei. Die Positionen seien ihm erklärt worden und er habe die Abrechnungen akzeptiert. Die Abrechnung der Gebäudeversicherung sei vor der Abrechnung für 2015 stets unter dem Posten „Versicherungen“ erfolgt. Neue Kosten seien mithin nicht hinzugekommen. Insofern seien die mietvertraglichen Zahlungspflichten des Beklagten konkludent erweitert worden.

Die Klage ist der Beklagten am 05.03.2018 zugestellt worden. Das Gericht hat den Parteien im Termin vom 22.06.2018 einen rechtlichen Hinweis erteilt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung von 167,32 Euro aus § 812 I 1 Alt. 1 BGB i.V.m. § 535 BGB.

Die von der Beklagten für das Betriebsjahr 2016 eingezogenen, auf die Position „Gebäudeversicherung“ entfallenden, 167,32 Euro wurden von dem Kläger ohne Rechtsgrund geleistet.

Eine ausdrückliche Vereinbarung, dass die Kosten einer Gebäudeversicherung durch den Kläger zu übernehmen seien, findet sich weder in dem ursprünglichen Mietvertrag, noch wurde sie später ausdrücklich, konkludent oder stillschweigend getroffen.

Im schriftlichen Mietvertrag vom 20.08.1976 sind die geschuldeten Nebenkosten unter § 3 II geregelt worden (Bl. 8 d.A.). Demnach ist nur die Position „Abschlagzahlung für Heizung und Warmwasser DM 30,29“ geschuldet gewesen. Die Positionen a) bis d) sind nicht ausgefüllt worden und betreffen im Übrigen auch keine Versicherungskosten. An den Inhalt dieser Ursprungsvereinbarung sind die Rechtsnachfolgerinnen und also auch die Beklagte gemäß § 566 BGB gebunden.

Auch aus § 3 IV des Mietvertrags i.V.m. Ziffer 2 VII der AGB (Bl. 14 d.A.) ergibt sich nichts anderes: Diese Verweisung bezieht sich lediglich auf die unter § 3 II des Vertrags vereinbarten Abschlagszahlungen, namentlich Abschlagszahlungen für Heizung und Warmwasser. Eine Erweiterung der Nebenkostenpositionen wurde nicht vorbehalten. Lediglich der Verteilungsschlüssel soll geändert werden können und eine Anpassung an etwaige Kostenveränderungen vorbehalten bleiben. Damit sehen die Allgemeinen Bestimmungen nur vor, dass die Berechnung und Höhe der vertraglich geschuldeten Abschlagszahlungen, geändert werden können, nicht jedoch, dass (unbegrenzt) neue Positionen hinzukommen dürfen. Darüber hinaus führt die BVO lediglich diejenigen Positionen auf, die vom Vermieter auf den Mieter grundsätzlich umgelegt werden können; die BVO stellt für sich genommen jedoch keine Rechtsgrundlage für eine Umlage dar. Diese muss vielmehr vertraglich vereinbart werden. Eine Prüfung der Wirksamkeit des Inhalts der Klausel (§§ 305 ff. BGB) kann somit dahinstehen.

Eine Vereinbarung über die Umlage weiterer Nebenkostenpositionen ist auch nicht schon dadurch zustande gekommen, dass die Beklagte beziehungsweise deren Vorgängerin neue Nebenkostenpositionen in die Abrechnungen aufgenommen hat, zu deren Umlage der Mietvertrag sie – jedenfalls ursprünglich – nicht berechtigte, und der Kläger diese anstandslos bezahlt hat. Denn einer solchen Betriebskostenabrechnung, die neue Positionen aufweist, kann der Mieter nur unter besonderen Umständen ein Angebot des Vermieters entnehmen, eine vertragliche Änderung vornehmen zu wollen (vgl. BGH, Urt. v. 9.7.2014, VIII ZR 36/14 m.w.N.).

Solche besonderen Umstände liegen hier nicht vor. Eine ausdrückliche Ankündigung der Erweiterung der umlagefähigen Nebenkostenpositionen hat nach Beklagtenvortrag nicht stattgefunden. Die streitgegenständliche Position „Gebäudeversicherung“ findet sich zum ersten Mal in der Anlage zu einer Abrechnung der Beklagten vom 18.06.2015 (Blatt 53) und später in der Abrechnung für das Betriebsjahr 2015 vom 24.10.2016 (Blatt 54). In einem Schreiben vom 18.02.2015, in dem auf Wunsch des Klägers die Nebenkosten aufgelistet wurden, werden neben den „Heizkosten“ pauschal weitere „Nebenkosten“ benannt, ohne dass auf die jeweils abgerechneten Positionen gesondert eingegangen wird (Anlage B7, Bl. 84 d.A.); diese Erklärung der Beklagten war gemäß § 133 BGB deshalb im Zweifel dahingehend auszulegen, dass mit den weiteren Nebenkosten nur die im schriftlichen Vertrag bezeichneten Kosten für „Warmwasser“ gemeint waren. Jedenfalls unterblieb eine schriftliche Klarstellung der Geltendmachung von (schriftvertraglich nicht geschuldeten) Versicherungskosten.

Die neue Position Gebäudeversicherung wurde zudem nicht bereits mit der ersten Abrechnung durch die Beklagte als neue Vermieterin im Jahr 2013 benannt, woraus unter Umständen ein Änderungswille hätte ersichtlich werden können, sondern später. Vielmehr scheint die Beklagte die abgerechneten Positionen von der G… zunächst unverändert übernommen zu haben.

Hinzu kommt, dass die Beklagte die Nebenkosten auf Basis der ursprünglich erteilten Einzugsermächtigung vom Konto des Klägers schlicht abbuchte. Eine konkludente Vertragsänderung (Erweiterung der Zahlungspflicht des Beklagten um weitere Nebenkostenpositionen) wäre denkbar, wenn der Kläger, nach dezidierter Erklärung der Beklagten, dass nunmehr auch Versicherungskosten umgelegt würden, die abgerechneten Nebenkosten durch einen aktiven Akt ohne Vorbehalt überwiesen hätte. Schweigen, fehlender Widerspruch bzw. Nichthandeln, hat im Rechtsverkehr mit einem Verbraucher, als welcher der Kläger zu bewerten ist, jedoch grundsätzlich keinen Erklärungswert. Insofern war den Beweisangeboten der Beklagten nicht nachzugehen. Denn selbst wenn Mitarbeiter der Beklagten dem Kläger erläutert hätten, dass in die Nebenkostenabrechnungen irgendwann (und anfänglich zumindest rechtswidrig!) u.a. die neue Position Gebäudeversicherung aufgenommen worden wäre, so hätte eine diesbezügliche Kenntnisnahme bzw. das Unterlassen eines sofortigen Widerrufs der erteilten Lastschrift, keinen Erklärungswert im Sinne einer fristgemäßen Annahme nach § 147 BGB.

Aus diesem Grund scheitert ein Rückforderungsanspruch des Klägers auch nicht an § 814 BGB bzw. unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung (§ 242 BGB): Es ist nicht erwiesen, dass der Kläger zu den Zeitpunkten der jeweiligen Abbuchungen Kenntnis davon hatte, dass abgebuchte Nebenkosten auch für Gebäudeversicherungsauslagen verwendet werden und diesbezüglich keine rechtliche Zahlungspflicht des Klägers bestand. Wenn der Kläger, wie von der Beklagten behauptet, mehrfach bei der Beklagten sowie bei deren Vorgängerin vorstellig geworden ist, um die Nebenkostenabrechnung zu rügen, ließe sich daraus vielmehr sein Unwille erkennen, den Vertrag zu seinen Lasten zu ändern; der Kläger hätte also konkludent seinen Widerspruch gegen nicht vertragsgemäße Abbuchungen zum Ausdruck gebracht. Dass der Kläger über die ursprünglich rechtswidrige, weil einseitige, Aufnahme neuer Abrechnungspositionen und sein Recht zum Widerspruch aufgeklärt worden wäre, trug die Beklagte im Übrigen nicht vor.

Es bleibt hervorzuheben, dass der Kläger lediglich auf die nachträgliche Abrechnung neuer Positionen nicht mit einem expliziten Widerspruch reagierte. Diese Abrechnungen wären jedoch bereits pflichtwidrig gewesen, weil die vorab eingezogenen Gelder vertragswidrig auf neue – bislang nicht konkludent genehmigte – Abrechnungspositionen umgelegt worden wären. Richtigerweise hätte die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin den Kläger vorab anschreiben und um Zustimmung zur künftigen Erweiterung der Nebenkostenumlagen bitten müssen; allenfalls dann hätte ein Schweigen des Klägers billigerweise ein Erklärungswert beigemessen werden können. Warum im Jahr des erstmaligen Anfalls der Versicherungskosten (1988) keine diesbezügliche Information an die Altmieter erfolgte, die Vermieterseite sich vielmehr erst sehr viel später entschloss, vorhandene Kosten auf Altmieter umzulegen, bleibt offen.

Der Kläger hat die Abrechnung für das Jahr 2016 mit Schreiben vom 3.11.2017 und damit unter Einhaltung der Frist des § 556 III 5 BGB gerügt.

Der Kläger hat zudem einen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten aus §§ 535, 280 I BGB. Der Einzug von 167,32 Euro auf die nicht vertraglich umgelegte Position „Gebäudeversicherung“ stellt eine Pflichtverletzung des Mietvertrages dar; das Verschulden wird vermutet.

Der Zinsanspruch hinsichtlich der Rückzahlung in Höhe von 167,32 Euro ergibt sich aus §§ 288 I, 286 I BGB und hinsichtlich der Anwaltskosten aus §§ 291, 288 I BGB.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 I, 708 Nr. 11 ZPO.

Die Berufung war ausnahmsweise zuzulassen, da die vorliegende Rechtsfrage auch das zukünftige Mietverhältnis der Parteien berührt; zudem dürften weitere Altvertragsmietverhältnisse mit derselben Problematik bestehen; der Zessionarin/Beklagten stehen möglicherweise Regressansprüche gegenüber der Zedentin zu (§ 511 IV ZPO).

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