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Minderungsrechts des Mieters bei Verweigerung der Mangelbeseitigung

AG Stuttgart, Az.: 32 C 2842/11, Urteil vom 08.11.2011

1. Die Beklagte wird verurteilt, 975,75 Euro an die Klägerin nebst Jahreszinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz aus 486,24 Euro seit 05.06.2010, aus 54,16 Euro seit 06.07.2010, aus 41,99 Euro seit 04.09.2010, aus jeweils 42,04 Euro seit 05.08.2010, 05.10.2010, 04.11.2010, 06.01.2011, 04.02.2011, 04.03.2011, 05.04.2011, 05.05.2011, sowie aus 15 Euro seit 26.07.2011 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagtenseite trägt die Kosten des Rechtsstreits zu 17%, die Klägerseite zu 83%.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Seite kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages, wenn nicht vorher die andere Seite Sicherheit in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages leistet.

Streitwert: 5.262,63 Euro.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Räumung wegen Kündigung auf Zahlungsverzug sowie rückständige Miete, wobei die Beklagtenseite Minderung wegen Mietmängeln geltend macht.

Die Klägerseite ist Vermieterin, die Beklagtenseite Mieterin der streitgegenständlichen Wohnung in der Forststr. 140 in Stuttgart. Seit Juni 2010 kürzt die Beklagte die Bruttomiete von 501,24 Euro in unterschiedlicher Höhe.

Minderungsrechts des Mieters bei Verweigerung der Mangelbeseitigung
Foto: fizkes/Bigstock

Die Miete für Juni 2010 wurde nicht gezahlt (501,24 Euro). Die Miete für Juli 2010 wurde um 69,16 Euro gekürzt. Die Miete für September 2010 wurde um 56,99 Euro gekürzt. Die Miete für August 2010 wurde um 57,04 Euro gekürzt. Die Miete für Oktober 2010 bis einschließlich Mai 2011 wurde um jeweils 57,04 Euro gekürzt. Dies ergibt insgesamt einen Rückstand im Vergleich zur ungekürzten Bruttomiete von 1.140,75 Euro. Weiter erfolgten zu Lasten der Beklagten Bankrücklastkosten in Höhe von 15.- Euro, weil drei zur Lastschrift vorgelegten Mieten nicht eingelöst werden konnten. Daraus errechnet sich die Beklagte eine Forderung von 1.155,75 Euro.

Die Klägerseite erklärte mit Schreiben vom 13.05.2011 die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs (Anlage K 2, Bl. 9 d.A.). Die Beklagte hat die Wohnung nicht geräumt und auch die geforderten Rückstände nicht bezahlt.

Die Klägerseite trägt mehrfach unter Beweisantritt vor (etwa Schriftsatz v. 10.10.2011, Bl. 138 ff. d.A.), dass die Beklagte die Mängelbeseitigung, insbesondere das Auswechseln des Bodens verhindert habe bzgl. der behaupteten Mängel innerhalb der Wohnung, insbesondere an Küche und PVC-Boden.

Die Klägerseite beantragt daher,

1. die Beklagte zu verurteilen, die im Gebäude Forststr. 140, in 70193 Stuttgart im 2. Obergeschoss rechts gelegene Wohnung, mit Wohnungs-Nr. 10104/114/34 (vormals 10104.034.02) zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.

2. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.155,75 Euro nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 501,24 Euro seit 05.06.2010, aus 69,16 Euro seit 06.07.2010, aus 56,99 Euro seit 04.09.2010, aus jeweils 57,04 Euro seit 05.08.2010, 05.10.2010, 05.11.2010, 04.12.2010, 06.01.2011, 04.02.2011, 04.03.2011, 05.04.2011 und 05.05.2011, sowie aus 15.- Euro seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagtenseite beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagtenseite trägt vor, Mietrückstände bestünden nicht, da die Wohnung Mängel habe. Mängel seien mit Schreiben vom Mieterverein Stuttgart vom 17.09.2009 (Anlage B2, Bl. 25 d.A.) gerügt worden. In Anlage B2, Bl. 25 d.A. heißt es u.a. „Die Spüle in der Küche ist mangelhaft, die Schubladen sind defekt. Am vermieteten Spiegelschrank sind die Türen heruntergefallen. Der PVC in Flur und Küche ist auf Grund des jahrelangen Gebrauchs verschlissen und muss ausgetauscht werden. Die Wohnungstüren sind renovierungsbedürftig, da sie seit 20 Jahren nicht mehr gestrichen wurden.“

Diese gerügten Mängel seien teilweise noch vorhanden, hinzu träten weitere. Bezüglich der Mängel wird im Verfahren vorgetragen, im Einzelnen könnten die Schubladen der mitvermieteten Küche nicht mehr aufgezogen werden, die Böden der Schubladen brächen durch. Die Schubladen könnten nicht mehr benutzt werden. Darüber hinaus seien die Kanten der mitvermieteten Küchenmöbel abgestoßen. Der PVC-Boden in Flur und Küche, der seit mindestens 1983 in der Wohnung ist, weise Risse auf und müsse ausgetauscht werden. Der PVC-Boden habe einen Riss bei der Balkontüre sowie im Übergang zwischen Flur und Küche. Im Flur befänden sich Risse im Übergang zwischen Flur und Wohnzimmer sowie ein langer Kratzer im Flur. Die Wohnungseingangstüre sei seit mindestens 20 Jahre nicht mehr gestrichen worden und dringend streichbedürftig, daneben seien sämtliche in der Wohnung befindlichen Türen und Türzargen dahingehend beschädigt, dass die Farbe abblättere.

Auf den Vortrag der Klägerseite, die Beklagtenseite habe die Mangelbeseitigung nicht verhindert, erwidert die Beklagtenseite, dies stimme nicht, man habe darauf hingewiesen, dass nur ein Boden in mit der ursprünglichen Farbe vergleichbarer Farbe akzeptiert werde.

Die Beklagtenseite meint, die Kündigung sei wegen der nicht rückständigen Miete nicht gerechtfertigt.

Zum weiteren Vortrag wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und die Protokolle der mündlichen Termine verwiesen.

Das Gericht hatte nach schriftlichem Vorverfahren am 14.09.2011 mündlich verhandelt. Ein widerruflich geschlossener Vergleich kam nicht zustande. Das Gericht hat mehrfach darauf hingewiesen, dass weitere Beweise nötig seien zur Sachaufklärung und es davon ausgeht, dass eine Verweigerung der Mangelbeseitigung seitens der Mieterin mit Hinweis darauf, dass sie nur eine Mangelbeseitigung insgesamt zu dulden habe, wenn ihr nicht grauer, sondern brauner Boden verlegt werde, fehl gehen dürfte. Am 05.10.2011 wurde Beweis durch Augenschein des Bildmaterials, das die Beklagtenseite zur Verfügung gestellt hat, erhoben.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nur im tenorierten Teil begründet, im Übrigen war sie abzuweisen.

A

Die Klage ist zulässig. Das Amtsgericht Stuttgart ist gem. § 29a ZPO örtlich ausschließlich zuständig. Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 23 Ziff. 2 a) GVG unabhängig vom Streitwert.

B

Die Klage ist nur im tenorierten Teil begründet. Die geltend gemachte Minderung liegt in Höhe von 3% vor. Die klägerische Forderung war insoweit zu kürzen, die erklärte Kündigung daher nicht wirksam.

I.

Die Beklagtenseite kann der Mietzinsforderung gem. § 535 BGB keine Mietminderung im Maße der faktisch vorgenommenen Mietkürzung entgegenhalten gem. § 536 Abs. 1 BGB, sondern nur in Höhe von 3 % der Bruttomiete, mithin 180 Euro für den streitgegenständlichen Zeitraum. Im Übrigen war der Klägerseite die Zahlungsforderung auf rückständige Miete zuzusprechen.

Die Minderung ist nur bezüglich der mangelhaften Wohnungseingangstür begründet und zwar in Höhe von 3% des Bruttomietzinses. Denn die Türe ist zerkratzt, dies stellt eine erhebliche optische Beeinträchtigung dar. Andere Minderungsgründe dringen nicht durch, da sie entweder nicht gerügt wurden oder die Beklagte unberechtigt die Beseitigung verweigert hat.

1.

Das Minderungsrecht an behaupteten Mängeln innerhalb der Wohnung, insbesondere den angeblich defekten Küchenschubladen und dem PVC-Boden ist ausgeschlossen, da die Beklagte die Mangelbeseitigung zu Unrecht verwehrt hat. Denn die unberechtigte Verhinderung der Mangelbeseitigung lässt die Minderung nach herrschender Meinung, der sich das Gericht anschließt, entfallen, Eisenschmid in Schmidt/Futterer, MietR, 10. Aufl., § 536 BGB Rz. 573 m.w.N. Es kann daher dahinstehen, ob diese Punkte gerügt worden sind oder die behaupteten Mängel vorliegen. Etwas anderes gilt nur bezüglich der Wohnungseingangstüre.

a)

Die Beklagtenseite hat spätestens ab dem 03.05.2010 vereitelt, dass die Klägerseite die behaupteten Mängel innerhalb der Wohnung beseitigt. Davon muss das Gericht aufgrund des Vortrags der Parteien ausgehen, ohne dass eine Beweisaufnahme dazu angezeigt ist. Sie hat die Mangelbeseitigung mit der Begründung verweigert, dass sie keine Renovierung hinzunehmen habe, solange ihr nicht der angekündigte graue, sondern ein brauner Boden zugesagt und verlegt werde. Dies ergibt sich aus dem Vortrag der Parteien, wobei auch noch die Schriftsätze der Beklagtenseite vom 24.10.2011 nebst Anlagen und vom 28.10.2011 gewürdigt werden konnten.

Die Klägerseite hatte mehrfach unter Beweisantritt vorgetragen, dass die Behebung des angezeigten Mangels vereitelt worden sei durch die beklagte Mieterin. So habe diese, insbesondere unter dem Hinweis darauf, sie habe nur das Einbringen eines braunen Bodens zu dulden und nicht die Einbringung des angekündigten grauen, eine Behebung vereitelt. Zwar habe man am 12.11.2009 zur Mangelbeseitigung die Wohnung betreten und inspizieren können; die Behebung von Mängeln habe man aber zunächst wegen Verschmutzung der Wohnung nicht durchführen können (vgl. Bl. 139 d.A, Zeugenbeweis ist angeboten). Im Weiteren habe man die Mängelbeseitigung nochmals vorbereitet, aber es sei durch mangelnde Kooperation der Beklagten nicht möglich gewesen, die Mängel zu beseitigen, vgl. Bl. 139 d.A. (jeweils unter Beweisantritt). Bis Mai 2010 und auch später sei daher keine Beseitigung möglich gewesen. So sei auch am 03.05.2010 das Betreten verweigert worden, weiter seien telefonische Ansinnen abgewiesen worden (jeweils unter Beweisantritt, vgl. Bl. 155ff d.A.).

Die Beklagtenseite hat dies zwar bestritten, wobei sie den Beweismitteln der Gegenseite (u.a. verschiedene Schreiben, vgl. v.a. Anlage K7, Bl. 147 d.A.) nicht hinreichend entgegentreten konnte. Sie hat jedoch nicht substantiiert bestritten, dass die Beklagte die Behebung abgelehnt habe, auch hat sie zu ihren Ausführungen dahingehend keinen Beweis angeboten.

Der Vortrag der Beklagtenseite geht vielmehr dahin (Schriftsatz vom 06.07.2011, Bl. 19 u. Anlage B15), dass die Klägerseite zwar die mangelhafte Mitwirkung moniert habe, aber dass dies (die mangelhafte Mitwirkung) unter dem Hinweis der Beklagtenseite geschehen sei, dass man nur einen Ersatz des braunen beschädigten Bodens durch einen Boden mit gleicher Qualität und Farbe zu dulden habe. Zu diesem Vortrag wurde Beweis angeboten.

Dass das Gericht dieser Rechtsansicht nicht zugeneigt war, wurde bereits mit einem ausführlichen schriftlichen Hinweis durch Verfügung vom 23.09.2011 (Bl. 124 d.A.) unter Nennung einer vergleichbaren Entscheidung kenntlich gemacht. Danach war das Gericht der vorläufigen Ansicht (die es hier bestätigt), dass bei einem Ersatz des Bodens im hiesigen Fall ein grauer Boden zu tolerieren ist, vgl. Bl. 124 a.E.: „… auf den Boden übertragen ist ein Farbwechsel damit angemessen, solange es sich um eine neutrale Farbgebung, etwa grau, handelt.“ Der Vortrag, die Beklagte habe nur die Beseitigung verhindert unter Hinweis darauf, dass sie nur die Einbringung eines braunen Bodens zu dulden habe, kann also als wahr unterstellt werden, ohne dass dies den Ausgang des Verfahrens ändert.

b)

Die Verweigerung der Mangelbeseitigung innerhalb der Wohnung (also insbesondere Küche und PVC-Boden), erfolgte zu Unrecht. Die Beklagte hatte es zu dulden, dass insbesondere ein grauer Boden anstatt des verschlissenen, ursprünglichen braunen Bodens verlegt werden sollte.

Verweigert der Mieter die Ausbesserung eines Mangels unter Verweis darauf, es müsse der ursprüngliche optische Zustand wieder hergestellt werden, so verliert er die Minderungsrechte, wenn der optisch vom Vermieter geplante Zustand hinzunehmen ist. Letzteres gilt insbesondere dann, wenn die optische Veränderung eine Anpassung an den modernen Zeitgeschmack ist, ohne modisch zu sein oder eine stimmige Komposition ungünstig aufzubrechen.

Zwar hat grundsätzlich die Mangelbeseitigung den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Allerdings ist auch eine Anpassung an den Zeitgeschmack möglich und hinzunehmen, vgl. LG Berlin vom 21.12.2010 – 65 S 318/09 (juris). Ein grauer Boden ist zeitgemäß, ohne modisch zu sein, also Gefahr zu laufen, bald wieder optisch außerhalb der Aktualität zu liegen. Allerdings reicht es nicht aus, den auszuwechselnden Gegenstand isoliert zu betrachten. Er muss auch einem kritischen Blick auf das Gefüge, in das er zwangsläufig eingepasst wird, stand halten. Auch dies ist jedoch der Fall. Zwar ist es grundsätzlich denkbar, dass eine Erneuerung teilweise Gegenstände an einen aktuelleren Zeitgeschmack anpasst und teilweise in einem älteren belässt. Dies ist nicht per se abzulehnen, doch ist dann besonderes Augenmerk auf die optische Konstellation zu legen. Hier liegt eine Anpassung vor, die auch unter diesem Gesichtspunkt hinzunehmen ist. Denn eine optische Einheit wird hier nicht etwa dadurch verschlechtert, dass sie dadurch ungünstig aufgebrochen wird, durch teilweise Versetzung in einen aktuellen Zustand des allgemeinen Geschmacks und teilweise Belassung in dem Zustand vergangenen Geschmacks und damit Schaffung einer optisch unstimmigen Komposition. Denn ein grauer Boden passt sich optisch und thematisch in die Gesamtkomposition der Küche, die ansonsten in Brauntönen gehalten ist, ein. Zwar spielt sich der Boden außerhalb der bisherigen Farbkomposition (Brauntöne) ab, doch handelt es sich nach der gemeinhin gängigen Farbenlehre um eine neutrale Farbe bzw. Nicht-Farbe, die grundsätzlich mit allen (echten) Farben optisch stimmig kombiniert werden kann. Weiter ist auch bei einer Farbkomposition es in allen Zeiten üblich gewesen, dass jedenfalls Teile, insbesondere Decken- und Bodenfarbe anders, v.a. neutral (etwa weiß oder grau) gestaltet waren. Nichts anderes ergäbe aber die vom Vermieter gewünschte Ausbesserung.

2.

Aufgrund der Kratzer in der Wohnungstür, die einen erheblichen Mangel aufgrund der darin liegenden optischen Beeinträchtigung darstellen, ist die Bruttomiete gem. § 536 BGB in Höhe von 3% gemindert.

a)

Der Mangel wurde gerügt. § 536c Abs. 1, Abs. 2 S. 2 Ziff. 1 BGB ist eingehalten. Gerügt wurde laut dem unwidersprochenen Beklagtenvortrag mit Schreiben vom 17.09.2009, Anlage B 2, Bl. 25 d.A., dort sind die optischen Beeinträchtigungen der Türe erwähnt. Rüge, vorgetragene Tatsachen und gerichtlich festgestellte Tatsachen entsprechen einander hinreichend.

b)

Der behauptete Mangel liegt vor. Durch den Augenschein konnte sich das Gericht einen ausreichenden Eindruck verschaffen dahingehend, dass ein erheblicher Mangel aufgrund der Kratzer vorliegt. Auf den in Augenschein genommenen Lichtbildern sind eindeutig erhebliche Kratzer zu erkennen, wie sie jenseits der üblichen Abnutzungen liegen und auch nicht mehr von Schönheitsreparaturen erfasst sind. Es zeigen sich durch die Kratzer selbst auf Bildern erkennbare Farbunterschiede an der Türe, die über eine größere Fläche verlaufen und dreidimensionale Riefen hinterlassen.

c)

Die Mangelbeseitigung dieser Mängel wurde nicht durch die Beklagte verhindert. Es ist weder erkennbar oder vorgetragen, dass das Streichen oder sonstige Bearbeiten der Außenfläche der Wohnungseingangstüre der Mitwirkung der Beklagten bedurfte noch dass die Beklagte eine solche Mitwirkung verweigerte.

d)

Die im Augenschein ersichtlichen Mängel und Kratzer rechtfertigen eine Mietminderung in Höhe von 3%. Die Mängel überschreiten gerade eben den Bagatellbereich des § 536 Abs. 1 S. 3 BGB. Zwar rechtfertigen geringfügige optische Mängel die Minderung nicht, vgl. AG Saarburg, 28.11.2001 – 5 C 473/01, doch dies gilt nicht in jedem Fall, vgl. LG Berlin, 24.01.2008 – 32 O 84/07. Daher ist eine Minderung von 3 % für die Zeit ab Erhebung des Minderungseinwands und Zurückhaltens der Miete, mithin ab Juni 2010 bis zum heutigen Tag angemessen. Die Schätzung erfolgte gem. § 287 ZPO unter Zugrundelegung der Schätzgrundlagen nach Börstinghaus, Mietminderungstabelle, 2. Aufl. 2010.

Zwar wird ist bei vergleichbaren Fällen optischer aber nicht funktioneller Beeinträchtigung teilweise keine Minderung zugesprochen worden, vgl. LG Köln, 4. August 2005, 6 S 26/05 (Verschmutzung des Balkongeländers); LG Berlin, 4. Juni 1984, 61 S 204/83 (Abgetretene Türschwellen innerhalb der Wohnung); KG Berlin, 16. August 2004, 12 U 310/03 (Schäden am Fußbodenbelag ohne Verschulden des Vermieters); AG Hamburg, 23. Juli 1974, 40 C 305/73 (Farbspritzer im Bad); AG Hamburg, 23. Juli 1974, 40 C 305/73 (Türangel ist nicht lackiert ); AG Münster, 20. Juli 1982, 3 C 20/82 (Unansehnliche Hausfassade und Treppenhaus); doch ist im hiesigen Fall gerade noch eine Minderung von 3 % erreicht. Denn bei den zitierten Urteilen ist zu beachten, dass sie teils sehr betagt sind und daher die mittlerweile stattgefundene Entwicklung, nach der der Ästhetik einer Wohnung größere Bedeutung zukommt, noch nicht aufnehmen konnten. Bezüglich der o.g. Urteile jüngeren Datums ist zu berücksichtigen, dass sich aus den Feststellungen der Urteile ergibt, dass es sich hier um marginale Beeinträchtigungen handelte, wie sie aber im hiesigen Fall überschritten sind. Der Fall entspricht vermehrt folgenden, die auch meist jüngeren Datums sind und daher jetzige Gepflogenheiten besser repräsentieren, AG Hamburg-Altona, 30. April 2007, 314A C 72/06 (Diverse optische Mängel im Bad); LG Hamburg, 19. Dezember 1989, 16 S 208/89 (Wasserfleck im Schlafzimmer). Denn die Kratzer sind erheblich und beeinträchtigen zwar nicht die Brauchbarkeit aber das Erscheinungsbild. Es kommt dabei nicht darauf an, wer die Kratzer verursacht hat, denn der Vermieter haftet grundsätzlich auch, wenn Dritte, die der Mieterseite nicht zuzurechnen sind, Schäden verursachen.

3.

Andere Minderungsgründe sind nicht ersichtlich. Zwar wurden neben den o.g. auch andere Mängel seinerzeit gerügt. Doch sind sie entweder nicht streitgegenständlich, v.a. da jene Mängel behoben wurden. Teilweise sind aber auch Mängel streitgegenständlich gemacht worden, die nicht im Vorfeld gerügt wurden, etwa angeblich mangelhafte Türen innerhalb der Wohnung. Mietmindernd können aber grundsätzlich im hiesigen Verfahren nur Mängel berücksichtigt werden, die sowohl streitgegenständlich sind als auch gerügt wurden, § 536c Abs. 2 S. 2 Ziff. 1 BGB. Solche behaupteten Mängel sind jenseits der oben behandelten nicht ersichtlich.

4.

Dass die Mietkürzung nicht einheitlich erfolgte, tut der Minderung, die von Gesetzes wegen eintritt, keinen Abbruch, da es nicht zu Lasten des Mieters gehen kann, wie exakt die Minderung zu bemessen ist, vgl. etwa Eisenschmid in Schmidt/Futterer, MietR, 10. Aufl., § 536 BGB Rz. 366. Die Minderung war daher auch nicht relativ an die tatsächlichen Kürzungsbeträge anzupassen.

5.

Die gesamte Minderung von 3 % gerechnet auf eine Monatsbruttomiete von 501,24 Euro beträgt 15 Euro/Monat. Insgesamt bedeutet dies für den streitgegenständlichen Zeitraum von 12 Monaten eine Minderung in Höhe 180 Euro.

Die Mietzahlungen wurden um insgesamt 1.140 Euro gekürzt, berechtigt war aber nur eine Kürzung um insgesamt 180 Euro. Mithin wurden 960 Euro zu wenig gezahlt. Diese waren noch zuzusprechen und sind tenoriert.

II.

Die unstreitigen Rücklastschriftkosten in Höhe von 15 Euro hatte die Beklagtenseite ebenfalls zu zahlen im Wege des Verzuges, § 286 BGB. Die Verzugszinsen ergeben sich aus §§ 286, 288 BGB.

III.

Die Kündigung ist dagegen nicht wirksam. Denn aufgrund der Minderung ergab sich ein Rückstand, der noch nicht zwei vollen Monatsmieten erreicht, demnach war kein Kündigungsgrund gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 b BGB oder nach einer anderen Norm gegeben. Denn zwei Monatsmieten ergeben 1002,48 Euro. Es wurden aber lediglich 960 Euro zu wenig bezahlt, mithin ein geringerer Betrag als der eine Kündigung rechtfertigende.

Daher war der Klagantrag in Ziffer 1 abzuweisen, denn die Beklagte hat gem. § 535 BGB ein Recht am Besitz. Auf den Grundsatz, dass eine falsch bemessene Minderung des Mieters die Kündigung aus Zahlungsverzug grundsätzlich nicht rechtfertigen können soll, braucht daher nicht zurückgegriffen werden, Eisenschmid in Schmidt/Futterer, MietR, 10. Aufl., § 536 BGB Rz. 366.

IV.

Die tenorierten Nebenentscheidungen insb. zu Kosten und Vollstreckbarkeit waren zu erlassen.

1.

Die Entscheidung über die Kosten ergab sich nach § 92 ZPO.

2.

Der Streitwert bezüglich des Klagantrags Ziffer 1, mit dem die Klägerseite unterlag beträgt 4.106,88 Euro (12 x 342,24 Euro monatliche Kaltmiete), der Klagantrag Ziffer 2 beträgt 1.155,75 Euro. Hier unterlag die Beklagtenseite in der tenorierten Höhe von 975,75 Euro, im Übrigen obsiegte die Klägerseite bezüglich des Klagantrags Ziffer 2. Die Beklagtenseite obsiegte daher mit 83%, die Klägerseite mit 17%.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

3.

Die Entscheidung über den Gebührenstreitwert ergibt sich nach §§ 3, 41 Abs. 1 S. 1 GKG.

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