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Rückzahlung bereits gezahlter Nettokaltmiete

LG Itzehoe – Az.: 9 S 97/20 – Urteil vom 30.07.2021

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Pinneberg vom 17.11.2020, Az. 81 C 18/20, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 253,61 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 13.06.2020 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, für das von ihr genutzte Gewerbeobjekt im … für den Monat April 2020 eine Miete von mehr als 1.754,93 € netto kalt zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Klägerin 76 % und die Beklagte 24 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 3.041,87 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Rückzahlung bereits gezahlter Nettomiete für die zweite Hälfte des Monats März 2020 in Anspruch. Ferner begehrt sie die Feststellung, dass die nicht gezahlte Miete für den Monat April 2020 nicht geschuldet ist.

Es wird zunächst in vollem Umfang auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO).

Ergänzend und zusammenfassend stellt die Kammer Folgendes fest:

Die Klägerin betreibt in von der Beklagten gemieteten Gewerberäumen im … in … eine Gaststätte. Der Mietvertrag vom 20.12.2012, in den die Klägerin als Neumieterin am 10./13.02.2015 eingetreten ist, enthält unter anderem die folgenden Regelungen:

§ 1 Ziff. 5. Das Mietobjekt wird ausschließlich zur Nutzung als Gastronomiebetrieb vermietet (Mietzweck).

§ 1 Ziff. 6. Behördliche Genehmigungen, Anordnungen und/oder Auflagen, die ausschließlich auf der allgemeinen Beschaffenheit und/oder Lage des Mietobjektes sowie der allgemeinen Nutzung entsprechend dem vereinbarten Mietzweck beruhen, sind vom Vermieter zu erfüllen.

§ 1 Ziff. 7. Behördliche Genehmigungen, Anordnungen und/oder Auflagen, die auf den persönlichen oder besonderen betrieblichen Verhältnissen des Mieters oder seines Gewerbebetriebs beruhen, sind vom Mieter auf eigene Kosten und auf eigenes Risiko zu beantragen bzw. erfüllen. Dies gilt auch dann, wenn diese an den Vermieter gerichtet sind. In diesem Fall hat der Mieter den Vermieter im Innenverhältnis freizustellen. Der Vermieter übernimmt insoweit keine Haftung dafür, dass diese behördlichen Genehmigungen, Anordnungen und/oder Auflagen erteilt werden bzw. während der Dauer des Mietverhältnisses fortbestehen.

Gemäß § 3 Ziff. 1 i.V.m. § 5 Ziff. 1 des Mietvertrags (MV) beträgt die monatliche Grundmiete für das Mietobjekt seit dem 01.01.2014 unter Berücksichtigung der vereinbarten Wertsicherung grundsätzlich 2.339,90 Euro netto kalt.

Aufgrund des sich verbreitenden SARS-CoV-2-Virus (Corona-Pandemie) erließ die Landesregierung von Schleswig-Holstein am 17.03.2020, auf der Grundlage von § 32 S. 1 IfSG die Landesverordnung über Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Schleswig-Holstein (SARS-CoV-2-Bekämpfungsverordnung – SARS-CoV-2-BekämpfVO), gemäß dessen § 3 Abs. 1 in Schleswig-Holstein Gaststätten i.S.d. § 1 des Gaststättengesetzes zu schließen waren. Gemäß § 3 Abs. 2 dieser Verordnung war der Außerhausverkauf unter bestimmten Voraussetzungen zulässig.

Die SARS-CoV-2-BekämpfVO vom 17.03.2020 trat gemäß ihres § 6, nach Ersatzverkündung vom selben Tag, am 18.03.2020 in Kraft und wurde durch die SARS-CoV-2-Bekämpfungsverordnungen vom 18.04.2020 und vom 01.05.2020 ersetzt, welche die Schließung von Gaststätten jeweils in § 5 Abs. 1 festlegten, wobei auch hierin im jeweiligen Abs. 2 der Außerhausverkauf unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen wurde.

Durch die Landesverordnung zur Neufassung der Corona-Bekämpfungsverordnung vom 16.05.2020 wurden in § 7 der Landesverordnung zur Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2 (Corona-Bekämpfungsverordnung – Corona-BekämpfVO) Anforderungen für den Betrieb von Gaststätten i.S.d. § 1 des Gaststättengesetzes aufgestellt, die unter anderem eine Öffnung der Einrichtung zwischen 5:00 Uhr und 22:00 Uhr vorsehen. Die Corona-BekämpfVO trat am 18.05.2020 in Kraft.

Mit Schreiben vom 30.03.2020 stundete die Beklagte der Klägerin die Mieten für die Monate April und Mai 2020.

Die Klägerin erzielte im Jahr 2020 ein negatives Betriebsergebnis in Höhe von (minus) 16.604,16 €. Demgegenüber beliefen sich die (positiven) Betriebsergebnisse für das Jahr 2017 auf 27.876,43 €, für das Jahr 2018 auf 17.582,01 € und für das Jahr 2019 auf 16.415,07 € (Anlagen K 4 bis 7). Die Klägerin erhielt eine staatliche Soforthilfe in Höhe von 15.000 €. Diese ist in das Betriebsergebnis für 2020 (Anlage K7) einkalkuliert.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, aufgrund der angeordneten Schließung von Gaststätten sei der Beklagten die Gewährung der Mietsache zum vertraglich vereinbarten Gebrauch aufgrund eines in ihren Risikobereich fallenden Umstands unmöglich gewesen, was dazu führe, dass die Klägerin für die zweite Hälfte des Monats März 2020 sowie den Monat April 2020 von ihrer Mietzahlungspflicht befreit sei.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von 1.169,95 Euro verurteilt. Zudem hat es festgestellt, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, für das von ihr genutzte Gewerbeobjekt für den Monat April 2020 die Miete zu zahlen.

Das Amtsgericht hat das Vorliegen eines Sachmangels bejaht. Da der Gesetzgeber zur Einschränkung der Covid-19-Pandemie im streitgegenständlichen Zeitraum den Betrieb einer Gastronomie untersagt habe, führe die gesetzgeberische Maßnahme zu einer Gebrauchsbeschränkung, die sich unmittelbar auf den vertraglichen Nutzungszweck auswirke. Nach dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck des § 536 Abs. 1 S. 1 BGB liege damit ein Mangel vor, der die Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufgehoben habe.

Mit ihrer Berufung macht die Beklagte geltend, aufgrund der wegen der COVID-19-Pandemie verordneten Schließung von Gaststätten habe kein zur Mietminderung führender Mangel des Mietobjekts vorgelegen. Die hoheitliche Maßnahme in Gestalt einer verordneten Schließung knüpfe nicht an die konkrete Beschaffenheit der Mietsache selbst oder seine Beziehung zur Umwelt an, sondern allgemein an die Nutzungsart sowie den Umstand, dass in den betroffenen Flächen Publikumsverkehr stattfinde und dadurch Infektionen begünstigt würden. Zudem sei die Mietsache als solche für den vertraglich vereinbarten Zweck des Betriebs einer Gaststätte weiterhin in gleicher Weise geeignet wie vor den hoheitlichen Maßnahmen. Untersagt sei lediglich deren Betrieb, losgelöst von Fragen der Beschaffenheit oder Lage der Mietsache. Dieser Umstand falle in den Risikobereich des Mieters. Auch hätte der Mietgegenstand weiterhin dem Vertragszweck entsprechend als Gastronomiebetrieb genutzt werden können, insbesondere durch einen Außerhausverkauf.

Zudem ergebe sich aus dem Umkehrschluss der in Art. 240 § 7 EGBGB neu geregelten gesetzlichen Vermutung einer Störung der Geschäftsgrundlage, dass die Regelungen zur Störung der Geschäftsgrundlage für den streitgegenständlichen Zeitraum keine Anwendung fänden. Jedenfalls könne die Klägerin nicht wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage eine Vertragsanpassung und eine Reduzierung der Miete verlangen, da dies nur ausnahmsweise bei einer Existenzbedrohung des Mieters in Betracht käme, die vorliegend nicht vorgetragen sei.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Pinneberg vom 17.11.2020 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die pandemiebedingte Schließung der Gaststätte begründe einen Mangel der Mietsache, der zur Minderung der Miete auf 0,- Euro führe. In diesem Zusammenhang sei auch die in § 8 MV geregelte Betriebspflicht zu berücksichtigen.

Sofern kein Sachmangel vorliege, sei jedenfalls von einer Unmöglichkeit der Gebrauchsgewährung auszugehen. Darüber hinaus bestünde ein Anspruch der Klägerin auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage.

II.

Die nach §§ 511 Abs. 2 Nr. 1, 517, 519, 520 ZPO zulässige Berufung hat überwiegend Erfolg. Ein Anspruch der Klägerin besteht nur in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen reduzierten Umfang. Insoweit rechtfertigen die im Berufungsrechtszug nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung als das Amtsgericht getroffen hat.

1.

Der Feststellungsantrag ist zulässig; die Klägerin hat ein rechtliches Interesse daran, dass das Nichtbestehen eines Mietzahlungsanspruchs für den Monat April festgestellt wird. Für die – hier vorliegende – negative Feststellungsklage ist das erforderliche Feststellungsinteresse gegeben, wenn sie zur Abwehr einer Forderung, auf deren Bestehen sich die Gegenseite beruft, erhoben ist (BGH, Urt. v. 13.06.2012 – I ZR 228/10, MDR 2012, 1426 Rn. 12). Die Beklagte macht für den Monat April 2020 Mietzahlung geltend, wozu sie aus Sicht der Klägerin nicht berechtigt ist.

2.

Die Klage ist hinsichtlich des Zahlungs- und Feststellungsantrags teilweise begründet, denn der zwischen den Parteien bestehende Mietvertrag ist wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage dahingehend anzupassen, dass die monatliche Miete für den streitgegenständlichen Zeitraum der behördlich angeordneten pandemiebedingten Schließung um 1/4 reduziert ist. Dies zugrunde gelegt, kann die Klägerin Rückzahlung von 25 % der hälftigen Nettomiete für März 2020 verlangen. Trat die Schließungsanordnung am 18.03.20 in Kraft, so betraf sie allerdings nur 14 von 31 Tagen des Monats März. Der Rückzahlungsbetrag beläuft sich damit auf 253,61 € (2.339,90 / 31 x 14 x 25 %). Der Anspruch ergibt sich aus § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB. Aufgrund des spätestens mit Erhebung der Klage geltend gemachten Vertragsanpassungsanspruchs der Klägerin hat sich bereits die März-Miete in der vorstehenden Höhe reduziert. Für den Monat April ist die Klägerin lediglich zur Zahlung einer um 25 % reduzierten Miete verpflichtet.

Der Anspruch der Klägerin auf Vertragsanpassung ergibt sich aus § 313 Abs. 1 BGB. Nach dieser Vorschrift kann jede Vertragspartei Anpassung des Vertrags verlangen, soweit ihr unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, ein Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann, weil sich die Umstände, die zur Grundlage dieses Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit einem anderen Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten. Hiervon geht die Kammer im vorliegenden Fall grundsätzlich aus.

Geschäftsgrundlage sind die bei Vertragsschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien oder die vom Geschäftsgegner unbeanstandet gebliebenen Vorstellungen einer Vertragspartei von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf dieser Vorstellung aufbaut (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 14.10.1992 – VIII ZR 91/91, BGHZ 120, 10 = NJW 1993, 259 m.w.N.). Von § 313 BGB erfasst sind dadurch auch die Erwartung, dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen des Vertrags nicht etwa durch Revolution, Krieg, Vertreibung, Hyperinflation oder eine (Natur-)Katastrophe ändern, und dass die Sozialexistenz nicht erschüttert werde (Finkenauer, in: MünchKommBGB, 8. Aufl. 2019, § 313 BGB Rn. 17). Entsprechendes gilt für eine schwere, die bestehenden gesellschaftlichen Gegebenheiten hochgradig erschütternde Pandemie.

Die Kammer geht davon aus, dass der Vertragsschluss der Parteien von der Vorstellung getragen war, der von der Klägerin als Mieterin beabsichtigte Gastronomiebetrieb, der im Mietvertrag als Mietzweck vereinbart ist, sei generell möglich und werde nicht unabhängig vom Mietobjekt und unabhängig vom Mieter untersagt (vgl. OLG München, Beschl. v. 17.02.2021 – 32 U 6358/20, NJW 2021, 948 Rn. 15; Brinkmann/Thüsing, NZM 2021, 5, 7).

Die konkrete vertragliche Risikoverteilung steht einer Anwendung von § 313 Abs. 1 BGB nicht entgegen. Die Parteien haben in ihrem Mietvertrag keine Bestimmung aufgenommen, die den Fall einer behördlichen Schließungsanordnung für Gaststätten konkret regelt. Ohne eine solche Regelung sind Belastungen infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie jedoch weder der Sphäre des Vermieters noch des Mieters zuzuordnen (vgl. BT-Drs. 19/25322, S. 21).

Die Anwendung von § 313 Abs. 1 BGB ist ebenfalls nicht durch das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27.03.2020 (BGBl S. 569) ausgeschlossen. Darin sind keine gesetzlichen Sonderregelungen vorhanden, die eine Anwendung des § 313 Abs. 1 BGB ausschließen. Eine Sperrwirkung kann insbesondere der in Art. 240 § 2 EGBGB eingeführten Regelung nicht entnommen werden, die lediglich das Recht der Vermieter zur Kündigung von Mietverhältnissen zeitlich einschränkt hat. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu: „Wegen Mietschulden aus dem Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 dürfen Vermieter das Mietverhältnis nicht kündigen, sofern die Mietschulden auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruhen. Die Verpflichtung der Mieter zur Zahlung der Miete bleibt im Gegenzug im Grundsatz bestehen“ (BT-Drs. 19/18110, S. 4). Der Gesetzgeber hat damit lediglich eine vorübergehende Besserstellung des Mieters bezweckt; eine abschließende Regelung über die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien, insbesondere die Mietzahlungspflicht, wollte er hingegen gerade nicht treffen (OLG München, Beschl. v. 17.02.2021 – 32 U 6358/20, NJW 2021, 948 Rn. 19 f. m.w.N.).

Für eine generelle Anwendbarkeit von § 313 BGB spricht zudem der am 01.01.2021 in Kraft getretene Art. 240 § 7 EGBGB. Nach dieser Vorschrift wird eine Störung der Geschäftsgrundlage i.S.d. § 313 Abs. 1 BGB vermutet, wenn Gewerberäume infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar sind. Nach der Vorstellung der Gesetzesinitiatoren soll diese Regelung lediglich klarstellen, dass § 313 Abs. 1 BGB in der besonderen Situation der COVID-19-Pandemie grundsätzlich anwendbar ist; indes soll von Art. 240 § 7 EGBGB keine Sperrwirkung ausgehen (BT-Drs. 19/25322, S. 19 ff.). Dann aber kann dieser Vorschrift – entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten – nicht der Umkehrschluss entnommen werden, dass vor ihrer Geltung § 313 BGB auf staatliche Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie keine Anwendung finden soll. Hierfür spricht auch, dass die Geschäftsgrundlage eines Gewerberaummietvertrags auch schon vor dem 01.01.2021 durch Naturereignisse erschüttert sein konnte; maßgebend sind stets die Umstände des Einzelfalls. Daran will Art. 240 § 7 EGBGB auch im aktuellen Fall der Corona-Pandemie nichts ändern.

Die Kammer geht davon aus, dass sich durch die pandemiebedingte Schließungsanordnung, die generell den Betrieb von Gaststätten u.a. im streitgegenständlichen Zeitraum untersagt hat, Umstände i.S.v. § 313 Abs. 1 BGB, die zur Grundlage des Mietvertrags geworden sind, schwerwiegend geändert haben. Dies ergibt sich bereits daraus, dass in den von der Schließungsanordnung betroffenen Zeiten die gemieteten Räumlichkeiten zum vereinbarten Mietzweck, einer „Nutzung als Gastronomiebetrieb“ (§ 1 Ziff. 5 MV) nicht verwendbar gewesen sind.

Weiterhin nimmt die Kammer an, dass die Vertragsparteien den Vertrag auch mit einem anderen Inhalt geschlossen hätten, wenn sie die Veränderung der Umstände durch die pandemiebedingte Schließungsanordnung vorhergesehen hätten. Maßgebend ist, was redliche Vertragsparteien in diesem Fall vereinbart hätten (BGH, Urt. v. 14.10.1992 – VIII ZR 91/91, NJW 1993, 259, 262). Hätte die Klägerin vorhergesehen, dass der Gaststättenbetrieb für längere Zeiträume durch behördliche Anordnung allgemein untersagt werden würde, hätte sie den Mietvertrag mit der Beklagten annehmbar nicht ohne eine Möglichkeit einer Mietreduzierung für derartige Ereignisse abgeschlossen (vgl. OLG München, Beschl. v. 17.02.2021 – 32 U 6358/20, NJW 2021, 948 Rn. 33 m.w.N.). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Klägerin staatliche Hilfeleistungen erhalten hat und diese sich anteilig reduziert hätten, sofern sie keine Mietaufwendungen gehabt hätte. Wie sich aus der klägerseits vorgelegten Anlage K 7 ergibt, vermögen diese Hilfeleistungen allenfalls die von der Klägerin zu tragenden Unkosten des Betriebs zu kompensieren. Sie verschaffen ihr jedoch keinen Gewinn, dessen Erzielung den eigentlichen Zweck der Anmietung eines Gewerberaumobjekts bildet. Aus den klägerseits vorgelegten Betriebsergebnissen für die Jahre 2017 bis 2020 ergibt sich, dass in letzterem – von der Pandemie betroffenen – Kalenderjahr ein Verlust erwirtschaftet worden ist (nämlich 16.604,16 €), der den Gewinn des Vorjahres (i.H.v. 16.415,07 €) sogar noch übersteigt.

Der Hinweis der Beklagten auf die Möglichkeit bzw. den Ausbau eines Außerhausverkaufs durch die Klägerin, um die gemieteten Räumlichkeiten trotz der pandemiebedingten Einschränkungen geschäftlich nutzen zu können, kann bereits deshalb nicht verfangen, da auf diese Weise ein angemessener Interessenausgleich zwischen den Parteien nicht hergestellt werden könnte. Denn das von der Klägerin betriebene Steakhouse ist auf einen stationären Betrieb ausgerichtet. Mietgegenstand ist eine Gewerberaumfläche von nahezu 420 qm. Eine Fläche dieser Größe in einem „zur Nutzung als Gastronomiebetrieb“ vermieteten Objekt dient ersichtlich dem Aufstellen von zahlreichen Tischen und Sitzgelegenheiten, um ein Servieren der Speisen am Tisch zu ermöglichen. Ein Außerhausverkauf ist bei einem derartigen Gastronomiebetrieb, wie die Klägerin ihn etabliert hat, hingegen eine gänzlich untergeordnete Einnahmequelle. Eine derartige Erweiterung bzw. Umstellung des stationären Restaurantbetriebs auf einen Außerhausverkauf oder Lieferservice, mit dem sich annähernd derartige Gewinne erzielen lassen, wie sie bei regulärem Gastronomiebetrieb generierbar gewesen wären, stellt daher vorliegend eine unzumutbare Belastung der Klägerin dar.

Angesichts der fehlenden Nutzbarkeit der Räumlichkeiten zu dem vorstehend erläuterten Betriebszweck eines entgeltlichen Servierens von zubereiteten Speisen am Tisch, ist der Klägerin – auch unter Berücksichtigung der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung – ein Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zumutbar. Dies würde zu einem mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin unvereinbaren Ergebnis führen (vgl. BGH, Urt. v. 11.10.1994 – XI ZR 189/93, BGHZ 127, 212 = NJW 1995, 47, 48). Das bedeutet aber nicht, dass die Klägerin in dem von der behördlichen Schließungsanordnung betroffenen Zeitraum von der Pflicht zur Zahlung der gesamten Miete befreit wäre. Liegt das die Geschäftsgrundlage des Mietvertrags störende Ereignis gerade außerhalb der Sphäre beider Parteien, müssen die daraus resultierenden wirtschaftlichen Einbußen auch von beiden Parteien getragen werden. Maßgebend für Art und Umfang der Vertragsanpassung sind wiederum sämtliche Umstände des Einzelfalls. Dem wird eine grundsätzlich dahingehende Anpassung des Mietvertrags, dass die vertraglich vereinbarte Kaltmiete für den Zeitraum der pandemiebedingten Schließungsanordnungen auf die Hälfte reduziert wird (so OLG Dresden, Urt. v. 24.02.2021 – 5 U 1782/20, COVuR 2021, 212 Rn. 35 ff.), nicht gerecht. Vielmehr sind insbesondere aufseiten der Klägerin die konkreten möglichen und tatsächlich erlangten staatlichen Hilfeleistungen sowie ihre schließungsbedingte wirtschaftliche Situation zu berücksichtigen (OLG München, Beschl. v. 17.02.2021 – 32 U 6358/20, NJW 2021, 948 Rn. 37).

Dabei berücksichtigt die Kammer zunächst, dass die Beklagte der Klägerin jedenfalls für den Monat April die Miete bereits gestundet hat. Auch trägt die Kammer dem Umstand Rechnung, dass die Klägerin – in nennenswertem Umfang, auch wenn die Belastungen offensichtlich nicht hinreichend aufgefangen worden sind – staatliche Unterstützungsleistungen erhalten hat und ihr überdies – wenngleich nur als Notbehelf und annehmbar in einem eingeschränkten Umfang – ein Außerhausverkauf möglich war. Nicht außer Acht bleiben darf auch, dass die Beklagte im Falle einer Krise der Klägerin über eine geraume Zeit mit dem Risiko eines totalen Mietausfalls belastet wäre.

Dies zugrunde gelegt geht die Kammer davon aus, dass die Parteien, hätten sie den Vertrag unter Berücksichtigung des – von Ihnen seinerzeit nicht realisierten – Risikos einer pandemiebedingten Betriebsschließung abgeschlossen, für den betreffenden Zeitraum eine reduzierte Miete vereinbart hätten. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen legt die Kammer hier unter Berücksichtigung des mutmaßlichen Willens der Parteien eine Reduzierung der Mietzahlung von 25 % zugrunde.

3.

Weitergehende Ansprüche stehen der Klägerin nicht – auch nicht auf anderer Rechtsgrundlage – zu. Es liegen weder die Voraussetzungen einer Mietminderung gemäß § 535 Abs. 1 BGB vor (a), noch die von der Beklagten als Vermieterin geschuldete Leistung unmöglich geworden, sodass Ihr Anspruch auf Mietzahlung nach § 326 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BGB entfallen wäre (b).

a) Gemäß § 536 Abs. 1 BGB ist die vereinbarte Miete kraft Gesetzes gemindert, wenn die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel aufweist, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder erheblich mindert, oder ein solcher Mangel während der Mietzeit entsteht. Die nach den jeweils gültigen SARS-CoV-2-BekämpfVO im Zeitraum vom 18.03.2020 bis zum 17.05.2020 geltenden Regelungen über die Schließung von Gaststätten führen nicht zu einem während der Mietzeit entstandenen Mangel i.S.d. § 536 Abs. 1 BGB.

Unter einem solchen Mangel ist die für den Mieter nachteilige Abweichung der tatsächlichen (Ist) von der vereinbarten (Soll-)Beschaffenheit zu verstehen. Dabei kommen sowohl tatsächliche Umstände als auch rechtliche Verhältnisse in Bezug auf die Mietsache in Betracht, wobei außer reinen Beschaffenheitsfehlern u.a. auch behördliche Gebrauchshindernisse und -beschränkungen ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufheben oder mindern können (BGH, Urt. v. 20.11.2013 – XII ZR 77/12, NJW-RR 2014, 264 Rn. 20, vgl. auch BGH, Urt. v. 13.07.2011 – XII ZR 189/09, NJW 2011, 3151 Rn. 8). Letztere stellen nach der Rechtsprechung des BGH jedoch nur dann einen Mangel dar, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit der Mietsache beruhen und nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters ihre Ursache haben (BGH, Urt. v. 20.11.2013 – XII ZR 77/12, NJW-RR 2014, 264 Rn. 20, vgl. auch BGH, Urt. v. 13.07.2011 – XII ZR 189/09, NJW 2011, 3151 Rn. 8). Voraussetzung ist dabei, dass die durch die gesetzgeberische Maßnahme bewirkte Gebrauchsbeschränkung unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Mietobjekts im Zusammenhang steht. Die Annahme eines Mangels i.S.d § 536 Abs. 1 BGB erfordert somit einen Objektbezug der Gebrauchsbeschränkung. Gerade daran fehlt es hier.

Die verordnete Schließung führt zwar zu einer Gebrauchsbeschränkung, beruht aber weder auf der konkreten Beschaffenheit bzw. Substanz noch auf dem Zustand des Mietobjekts. Sie berücksichtigt aufgrund der landesweiten Geltung der Verordnungen auch nicht dessen individuelle Lage (vgl. OLG München, Beschl. v. 17.02.2021 – 32 U 6358/20, NJW 2021, 948 Rn. 6; OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.02.2021 – 7 U 109/20, NJW 2021, 945 Rn. 16 f.). Die Schließung betrifft vielmehr allein die generelle Untersagung des Betriebs von Gaststätten „angesichts des dort typischerweise bestehenden besonderen Ansteckungsrisikos“ (Begr. SARS-CoV-2-BekämpfVO v. 01.05.2020, S. 18 zu § 5).

Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts folgt aus dem „ausschließlich zur Nutzung als Gastronomiebetrieb“ vereinbarten Mietzweck in § 1 Ziff. 5. MV keine andere rechtliche Wertung in Bezug auf die Mangelhaftigkeit der Mietsache aufgrund der verordneten Schließung. Der Umfang der mit der Vereinbarung eines Mietzwecks übernommenen Leistungspflicht des Vermieters ist durch Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont gemäß §§ 133, 157 BGB aus Sicht eines Mieters zu ermitteln. Danach darf ein redlicher Mieter den Umfang der mit der Vereinbarung eines Mietzwecks übernommenen Leistungspflicht des Vermieters im Zweifel nicht dahingehend verstehen, dass ihm die vereinbarte Nutzung vom Vermieter unter allen erdenklichen Umständen gewährleistet wird (OLG München, Beschl. v. 17.02.2021 – 32 U 6358/20, NJW 2021, 948 Rn. 7 m.w.N.). Dies gilt auch im vorliegenden Fall einer dem Mieter auferlegten Betriebspflicht der Gaststätte in § 8 MV. Denn diese begründet entgegen der Ansicht der Klägerin ebenfalls keine dahingehende Beschaffenheitsvereinbarung der Mietsache. Vielmehr soll eine vereinbarte Betriebspflicht in aller Regel lediglich verhindern, dass das Mietobjekt durch eine Nichtbenutzung an Wert verliert, eine Anschlussvermietung erschwert wird, weil durch die Nichtbenutzung der Kundenstamm verloren geht, oder durch eine Nichtbenutzung der Eindruck entsteht, der Betrieb lohne sich finanziell nicht (Jendrek, NZM 2000, 526, 527).

Die Klägerin durfte aus dem vereinbarten Mietzweck daher nicht auf eine unbedingte Einstandspflicht der Beklagten im Falle einer allgemeinen pandemiebedingten Schließungsanordnung der Landesregierung für Gaststätten schließen. Eine vertragliche Regelung der Parteien zur Soll-Beschaffenheit des Mietobjekts in Bezug auf staatliche Schließungsanordnungen enthält der Mietvertrag auch nicht in § 1 Ziff. 6 MV. Darin geht es u.a. um behördliche Genehmigungen, Anordnungen und/oder Auflagen für die allgemeine Nutzung des Mietobjekts entsprechend dem vereinbarten Mietzweck, wovon eine aufgrund von § 32 S. 1 IfSG verordnete generelle Schließung von Gaststätten nicht erfasst ist.

b) Der Anspruch der Beklagten auf die Mietzahlung der Klägerin für die zweite Hälfte des Monats März sowie den Monat April 2020 ist auch nicht nach §§ 326 Abs. 1, 275 BGB entfallen. Nach § 326 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BGB entfällt bei einem gegenseitigen Vertrag der Anspruch auf die Gegenleistung, wenn der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB nicht zu leisten braucht. Der Anspruch auf Leistung ist nach § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.

Eine Unmöglichkeit, die den Anspruch auf die ursprünglich geschuldete Leistung betrifft (Caspers, in: Staudinger, BGB, 2019, § 275 BGB Rn. 1), ist hier jedoch nicht gegeben. Vielmehr hat die Beklagte ihre vertraglichen Pflichten in dem streitgegenständlichen Zeitraum vom 18.03.2020 bis zum 30.04.2020, in dem die Schließung der von der Klägerin betriebenen Gaststätte angeordnet wurde, erfüllt. Wie bereits ausgeführt, hat die Beklagte als Vermieterin keine Pflicht, eine allgemeine pandemiebedingte Schließungsanordnung der Landesregierung für Gaststätten zu verhindern oder zu beseitigen, um der Klägerin als Mieterin den Betrieb des Mietobjekts entsprechend dem Mietzweck zu ermöglichen.

4.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 S. 1 BGB.

Die prozessualen Nebenforderungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1 S. 1, 708, 711, 713 ZPO. Der Streitwert für den Feststellungsantrag hat die Kammer auf 1.871,92 € (2.339,90 € x 80 %) festgesetzt.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Es fehlt an einer Grundsatzbedeutung i.S.d. § 543 Abs. 2 S, 1 ZPO. Die Frage einer Anwendbarkeit des § 313 BGB bei der Gewerberaummiete wegen einer Schließungsanordnung anlässlich der Corona-Pandemie ist mittlerweile durch die obergerichtliche Rechtsprechung geklärt. Gegenansichten, die für die praktische Rechtsanwendung relevant wären, sind nicht mehr erkennbar. Sämtliche übrigen Rechtsfragen des Vorgangs betreffen den Einzelfall und sind daher einer Verallgemeinerung nicht zugänglich.

 

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