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Schadensersatzpflicht Vermieter bei schuldhaftem Ausspruch unwirksamer Kündigung

OLG Bamberg – Az.: 4 U 191/19 – Beschluss vom 06.11.2019

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Coburg vom 03.05.2019, Az. 15 O 639/18, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat.

2. Es ist beabsichtigt, den Wert des Berufungsverfahrens auf 59.718,36 € festzusetzen.

3. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 28.11.2019.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche der Klägerin nach der Kündigung eines Gewerbemietvertrages durch den Beklagten.

Die Parteien schlossen am 29.10.2015 einen Mietvertrag über Räume im Anwesen C., die von der Klägerin zum Betrieb der Kinderbetreuungseinrichtung F. genutzt wurden. Aufgrund von Investitionskosten der Klägerin wurde der Mietvertrag befristet auf zehn Jahre geschlossen und eine Reduzierung des Mietzinses von 300,– Euro auf 175,– Euro vereinbart.

Am 04.04.2018 erhielt die Klägerin eine schriftliche Kündigung zum 30.06.2018, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Als Kündigungsgrund wurde der Verkauf der Immobilie angegeben. Die Klägerin mietete ab 01.07.2018 Ersatzräume zu einem monatlichen Mietzins in Höhe von 600,– Euro an, für die sie Renovierungskosten in Höhe von 22.318,36 Euro aufwenden musste. Unstreitig sind der Klägerin bis März 2019 Aufwendungen in Höhe von 36.018,36 Euro entstanden (22.318,36 € + 11.000,00 € Investitionskosten C. + 9 x 300,00 € erhöhter Mietzins). Daneben hat die Klägerin Darlehenszinsen in Höhe von 412,86 Euro an die Bank gezahlt.

Die Klägerin hat in erster Instanz folgende Anträge gestellt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 36.431,22 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.08.2018 zu zahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ab April 2019 bis einschließlich Oktober 2025 jeweils monatlich, spätestens zum dritten Werktag eines jeden Monats, 300,– Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab jeweiliger Fälligkeit zu zahlen.

3. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 1.954,46 € für vorprozessuale Anwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.06.2018 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Landgericht Coburg hat den Klageanträgen Ziffer 1 in Höhe von 36.018,36 Euro nebst Zinsen und Ziffer 2 stattgegeben und die Klage bezüglich der Darlehenszinsen (412,86 €) sowie der vorgerichtlichen Anwaltskosten (Antrag Ziffer 3) abgewiesen. Hinsichtlich der Urteilsbegründung wird auf die Ausführungen im angefochtenen Endurteil Bezug genommen.

Der Beklagte hat gegen das am 27.5.2019 zugestellte Urteil am 27.6.2019 Berufung eingelegt und diese form- und fristgerecht begründet. Er ist der Auffassung, die Kündigung sei als Verwertungskündigung rechtmäßig, zumindest habe er davon ausgehen dürfen, dass es sich um eine wirksame Kündigung handelt. Jedenfalls sei die hilfsweise ausgesprochene Kündigung zum nächstmöglichen Termin als Kündigung zum Ablauf der 10-jährigen Laufzeit anzusehen. Er rügt weiter, dass es der Klägerin ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen wäre, Erkundigungen über die Wirksamkeit der Kündigung einzuholen und rechtliche Schritte einzuleiten. Sie habe zudem gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen, indem sie keine Makleranfragen gestartet und keine eigenen Inserate aufgegeben habe, um Renovierungskosten sowie höhere Mietkosten zu vermeiden.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Beklagten hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, weil das angefochtene Urteil weder auf einer Rechtsverletzung beruht noch die nach § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§§ 522 Abs. 2 Nr. 1, 513 Abs. 1, 546 ZPO).

Gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht an die Tatsachenfeststellungen des erstinstanzlichen Gerichts gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb erneute Feststellungen durch das Berufungsgericht gebieten. Zweifel im Sinne dieser Vorschrift liegen nur dann vor, wenn – aufgrund konkreter Anhaltspunkte – aus der Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Falle erneuter Tatsachenfeststellungen die erstinstanzlichen Feststellungen keinen Bestand haben werden, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (BGH, Urt. v. 03.06.2014, VI ZR 394/13, Rn. 10 ff. m.w.N.).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist der Senat im vorliegenden Fall an die Tatsachenfeststellungen der ersten Instanz gebunden. Die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung hat auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens keinerlei entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfehler ergeben.

Ergänzend ist folgendes auszuführen:

1.

Das Erstgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich der Vermieter durch eine schuldhaft unberechtigte Kündigung nach § 280 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig machen kann, wenn der Vermieter daraufhin auszieht und infolgedessen Vermögenseinbußen erleidet (BGH, Urteil vom 29.3.2017, VIII ZR 44/16, Rn. 18).

2.

Die Kündigung vom 04.04.2018 war materiell unwirksam. Die Voraussetzungen einer Verwertungskündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB liegen nicht vor. Unabhängig davon, dass es sich ohnehin um Gewerberäume handelte, steht hier die von den Parteien vereinbarte Befristung der Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB entgegen. Durch den Abschluss eines Zeitmietvertrags ist das Erlangungsinteresse des Vermieters ausreichend gesichert (Häublein in MüKo-BGB, 7. Aufl., § 573, Rn. 17). Eine ordentliche Kündigung war daher nicht möglich.

3.

Die Feststellung des Landgerichts, dass der Beklagte die Pflichtverletzung zu vertreten hat und dabei vorsätzlich gemäß § 276 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB handelte, ist nicht zu beanstanden. Sie folgt aus der Erklärung im Termin vom 19.03.2019.

4.

Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, wonach ein relevantes Mitverschulden der Klägerin nach § 254 BGB nicht vorliegt. Das Vorgehen des Beklagten zielte gerade darauf ab, den Anschein einer wirksamen Kündigung zu erwecken und die Beklagte zum Auszug zu bewegen. Er trägt daher auch die Verantwortung dafür, dass diese Strategie aufging und die Klägerin aufgrund ihrer Verantwortung für die von ihr betriebene Kinderbetreuungseinrichtung möglichst schnell Ersatzräume suchte, statt sich auf eine rechtliche Auseinandersetzung einzulassen. Insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil, denen er in vollem Umfang beitritt.

5.

Ebenso wenig ist ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht seitens der Klägerin anzunehmen. Dem steht bereits die für den Senat bindende Feststellung des Landgerichts entgegen, dass andere geeignete Alternativen nicht zur Verfügung standen.

6.

Die eingelegte Berufung hat demnach keine Aussicht auf Erfolg.

III.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht (§ 522 Abs. 2 Nr. 3). Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten, weil auszuschließen ist, dass in einer mündlichen Verhandlung neue, im Berufungsverfahren zuzulassende Erkenntnisse gewonnen werden können, die zu einer anderen Beurteilung führen.

Der Senat regt deshalb die Rücknahme des Rechtsmittels an.

Auf die bei einer Berufungsrücknahme in Betracht kommende Ermäßigung der Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 (vgl. KV Nr. 1220, 1222) wird vorsorglich hingewiesen.

Die beabsichtigte Streitwertfestsetzung entspricht der Festsetzung in erster Instanz (60.131,22 €) abzüglich der nicht von der Verurteilung umfassten Darlehenszinsen (412,86 €).

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