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Schätzmethode bei nicht abgelesenem Heizwärme- und Kaltwasserverbrauch

AG Charlottenburg – Az.: 73 C 47/17 – Urteil vom 24.11.2017

1. Der Beschluss 2017-01 (Abrechnung 2016) der Wohnungseigentümerversammlung vom 06. Juli 2017 der Wohnungseigentümergemeinschaft … … in … Berlin wird in den Positionen Abrechnung Heizung und Abrechnung Kaltwasser für ungültig erklärt.

2. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien sind die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft … 2… in Berlin … . Die Klägerin ist Eigentümerin der Wohnung Nr. 69.

Auf Ladung der aus dem Rubrum ersichtlichen bestellten Verwalterin der Wohnanlage fand die Wohnungseigentümerversammlung vom 06. Juli 2017 statt. Dort wurde als Beschluss 2017-01 die von der Verwaltung gefertigte Jahresabrechnung 2016 (Gesamt- und Einzelabrechnungen) mehrheitlich beschlossen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Eigentümerversammlung vom 06. Juli 2017 wird auf das Protokoll Bl. 3 bis 13 d. A. verwiesen.

Bestandteil der Jahresabrechnung sind die Positionen Heizung und Kaltwasser. Das Kaltwasser wird in dieser Gemeinschaft verbrauchsabhängig abgerechnet.

Mit der Ablesung und Erstellung der Heiz- und Kaltwasserabrechnung hat die Gemeinschaft die Firma … beauftragt. Zu zwei angekündigten Ableseterminen im Februar und März 2017 erhielten die Mitarbeiter der Firma keinen Zutritt zu der Wohnung der Klägerin. Ein dritter Ablesetermin kam aus zwischen den Parteien streitigen Gründen nicht zustande. Für die streitgegenständliche Abrechnung wurden die Verbrauchszahlen der Klägerin daher geschätzt. Als Schätzgrundlage nahm die Firma … dabei die Verbrauchszahlen der vergleichbaren Räume desselben Abrechnungszeitraums. In die Einzelabrechnung der Klägerin wurden daraufhin bei den Wasserkosten 829,01 € eingestellt. Bei den Kaltwasserkosten Kosten in Höhe von 238,17 €. Dies stellt im Ergebnis eine beträchtliche Erhöhung der betreffenden Kostenpositionen gegenüber den Jahresabrechnungen der vorangegangenen Jahre dar, die sämtlich auf abgelesenen Werten beruhten. Wegen der Einzelheiten der Gesamtabrechnung 2016 und der Einzelabrechnung der Klägerin wird auf die Ablichtung Bl. 18 bis 27 d. A. verwiesen.

Die Klägerin greift diesen Beschluss bezüglich der Heiz- und Wasserkosten mit ihrer Klage an, die am 04. August 2017 bei Gericht einging und mit einem am 05. September 2017 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz näher begründet wurde. Die Klägerin behautet, sie habe ihren Hauptwohnsitz in … und habe die streitgegenständliche Wohnung im Jahre 2016 als Zweitwohnung nur an wenigen Tagen genutzt. An einigen anderen Tagen habe sie die Wohnung Freunden überlassen. Insgesamt sei die Wohnung aber an mindestens 11 Monaten im Jahr 2016 unbewohnt gewesen. Auch in den Vorjahren habe sie die Wohnung nur als Zweitwohnung genutzt. Deshalb hätte die Schätzung hier aufgrund der Vorjahreszeiträume vorgenommen werden müssen, was zu erheblich niedrigeren Werten in ihrer Einzelabrechnung geführt hätte.

Die Klägerin beantragt, den Beschluss 2017-01 der Versammlung der Wohnungseigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft … … Berlin vom 06. Juli 2017 (Abrechnung 2016, und zwar Gesamtabrechnung und Einzelabrechnung der Klägerin) in den Positionen Abrechnung Heizung und Abrechnung Kaltwasser für ungültig zu erklären.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Anfechtungsklage ist gemäß § 43 Nr. 4 WEG zulässig. Sie wurde auch innerhalb der Fristen des § 46 Abs. 1 WEG in Verbindung mit § 167 ZPO erhoben und begründet.

Die Klage ist auch inhaltlich begründet. Dabei weist das Gericht zunächst darauf hin, dass es den Klageantrag dahingehend auslegt, dass die Klage von Anfang an auf die Positionen Heizung- und Warmwasser beschränkt war. Soweit die Beklagten darauf hinweisen, dass im Klageantrag auch die Gesamtabrechnung in diesen Punkten angefochten wurde, obwohl in der nachfolgenden Klagebegründung die in die Gesamtabrechnung eingestellten Gesamtverbrauchswerte nicht angegriffen werden, steht dies einer vollständigen Klagestattgabe nicht entgegen, denn die Klägerin war gehalten, um die Kosten gering zu halten, im Klageantrag klar herauszustellen, welche Positionen der einheitlich beschlossenen Gesamt- und Einzelabrechnungen angefochten werden sollen. Die genauen Rügen, die sie gegen diese Positionen erheben wollte, durfte sie der Klagebegründung überlassen. Auf einen rechnerisch selbständigen und abgrenzbaren Teil der Abrechnung kann die Anfechtung beschränkt werden (BGH NJW 2010, 2127). Die Anfechtung und die nunmehr erklärte Ungültigerklärung der Position hat auch Auswirkungen auf die Abrechnung insgesamt, da die auf die Klägerin unzulässig umgelegten Beträge nunmehr auf die anderen Eigentümer umgelegt werden müssen. Der Antrag ist nämlich regelmäßig dahingehend auszulegen, dass die Partei mit ihrer Prozesshandlung das begehrt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und ihrer rechtverstandenen Interessenlage entspricht (BGH ZWE, 2013, 47, 48).

Schätzmethode bei nicht abgelesenem Heizwärme- und Kaltwasserverbrauch
(Symbolfoto: Von andres barrionuevo lopez/Shutterstock.com)

Die Klägerin dringt mit der Rüge durch, bezüglich ihrer Wohnung sei die falsche Schätzmethode verwandt worden. Die Parteien sind sich darüber einig, dass hier eine Schätzung des Heizkostenverbrauchs für die Wohnung der Klägerin notwendig ist, da eine Ablesung in ihren Räumen nicht stattgefunden hat. Aus welchen Gründen die Ablesung letzten Endes endgültig gescheitert ist, kann dabei dahingestellt bleiben und es kann als wahr unterstellt werden, dass dies aus Gründen erfolgt ist, die die Klägerin zu vertreten hat. Auch in diesem Fall ist nämlich gemäß § 9a Abs. 1 S. 1 Heizkostenverordnung der Verbrauch auf Grundlage des Durchschnittsverbrauchs der betroffenen Räume in vergleichbaren Zeiträumen oder des Verbrauchs vergleichbarer anderer Räume oder aber des Durchschnittsverbrauchs des Gebäudes schätzen. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Eigentümermehrheit gemäß §§ 3, 6 Abs. 4 HeizkostenVO nicht völlig frei in der Wahl ihrer Schätzmethode. Sie muss sich gemäß § 315 BGB im Rahmen billigen Ermessens halten, da es Zweck der HeizkostenVO ist, möglichst individuelle und dem tatsächlichen Verbrauch nahekommende Werte in die Abrechnung einzustellen, ist das individuelle Vergleichsverfahren regelmäßig vorrangig vor dem generellen anzuwenden (Lammel in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Auflage 2017, § 9 a Heizkostenverordnung Rdnr. 7; AG Charlottenburg, ZWE 2014, 226). Die erste Alternative des § 9 a Abs. 1 kann hier angewandt werden, da für die Wohnung der Klägerin unstreitig für die Vorjahre abgelesene Werte vorliegen. Besondere Gründe, die dies unter dem Gesichtspunkt des § 315 BGB als unangemessen erscheinen lassen würden, sind weder vorgebracht noch ersichtlich. Das bloße Bestreiten der Beklagten, dass die Klägerin ihre Wohnung ebenso wie in den Vorjahren nur an wenigen Tagen als Zweitwohnung genutzt habe, genügt dafür jedenfalls nicht.

Auch die Kaltwasserkosten sind mit dieser Schätzmethode im Ergebnis falsch abgerechnet worden. Die Heizkostenverordnung gilt ihrem Anwendungsbereich nach zwar nur für die Kosten von Heizung und zentral aufbereitetem Warmwasser. § 9a HeizkostenVO kann jedoch analog angewandt werden, soweit dessen weitere Voraussetzungen vorliegen, wenn in einem Gebäude das Kaltwasser, wie hier unstreitig der Fall, verbrauchsabhängig abzurechnen ist. Daneben oder vielleicht sogar vorrangig dazu kann eine Differenzmethode angewandt werden, wenn nur der Verbrauch für eine einzige Wohnung nicht ermittelt werden konnte und für alle anderen Einheiten abgelesene Verbrauchswerte vorliegen. Unter der Differenzmethode ist dann zu verstehen, dass die abgelesenen Werte vom Gesamtverbrauch des Hauses abgezogen werden und der verbleibende Überschuss dann der nicht abgelesenen Wohnung zugesprochen werden (Beck OK Mietrecht, Schacht-Schulz, 9. Edition, § 556 BGB Rdnr. 436 zur vergleichbaren Problematik im Mietrecht). Auch diese Methode ist hier aber unstreitig nicht gewählt worden. Da es aber auch bei der verbrauchsabhängigen Wasserkostenabrechnung in erster Linie darum geht, dass jeder Nutzer möglichst nur mit Kosten belastet wird, die nah an seinem Verbrauch sind, schließt sich das Gericht dieser Meinung an. Die Alternative wäre, dass trotz verbrauchsabhängiger Wasserkostenabrechnung die Gesamtkosten nach dem allgemein gültigen Kostenverteilungsschlüssel (Miteigentumsanteile oder Flächen) umgelegt werden müssten, obwohl für die meisten Einheiten abgelesene Verbrauchswerte vorliegen. Dies liegt letztlich nicht im Interesse der Mehrheit der Eigentümergemeinschaft und der ordnungsmäßigen Verwaltung der gesamten Wohnanlage.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

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