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Verlust des Minderungsrechts bei vorbehaltloser und ungekürzter Mietzinszahlung

AG Pforzheim, Az.: 6 C 63/16, Urteil vom 04.07.2016

1. Es wird festgestellt, dass sich der Herausgabeanspruch der Klägerin gegen die Beklagte hinsichtlich des Erdgeschosses der Immobilie … str. …, … Königsbach-Stein durch Herausgabe der Schlüsse erledigt hat.

2. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin rückständige Miete im Zeitraum August bis November 2015 in Höhe von 3.800,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. aus 950,00 € seit 06.08.2015, aus weiteren 950,00 € seit 04.09.2015, aus weiteren 950,00 seit 06.10.2015 und aus weiteren 950,00 € seit 05.11.2015 zu bezahlen.

3. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin rückständige Miete im Zeitraum Dezember 2015 bis Januar 2016 in Höhe von 1.900 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. aus 950,00 € seit dem 04.12.2015 sowie aus weiteren 950,00 € seit dem 08.01.2016, zu bezahlen.

4. Die Klage hinsichtlich der Nebenkosten in Höhe von EUR 791,77 nebst Zinsen wird zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung abgetrennt.

5. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin vorgerichtlich entstandene Gerichtsvollzieherkosten in Höhe von 30,25 € zu bezahlen.

6. Die Beklagten tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Rechtsstreits, mit Ausnahme der durch die Anrufung des unzuständigen Landgerichts Karlsruhe entstandenen Kosten, diese trägt die Klägerin.

7. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe 110 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

8. Der Streitwert wird auf EUR 53.491,77 festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin als Vermieterin macht gegen die Beklagten als Mieter Ansprüche aus einem gemischten Vertrag über gewerbliche Räume und Wohnräume geltend.

Mit Datum vom 28.07.2010 haben die Parteien einen Mietvertrag mit Beginn 01.09.2010 abgeschlossen. Die monatliche Gesamtmiete beträgt EUR 950, wobei auf die Nebenkostenvorauszahlungen EUR 200 entfallen. Mit Ergänzungsvereinbarung vom 28.07.2010 sind sich die Parteien einig geworden, dass eine Teilfläche zur wohnlichen Nutzung genutzt werden durfte.

Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, wegen der nicht bezahlten Miete für die Monate August und September 2015 ist das Mietverhältnis außerordentlich gekündigt worden. Zwischenzeitlich sei ein Zahlungsrückstand in Höhe von EUR 3.800 aufgelaufen.

Die Nebenkosten in Höhe von EUR 3.191,77 wurden mit Schreiben vom 19.10.2015 abgerechnet. Unter Berücksichtigung der von den Beklagten geleisteten Vorauszahlungen in Höhe von EUR 2.400 errechnet die Klägerin eine Nachzahlungsverpflichtung in Höhe von EUR 791,77.

Zuletzt hat die Klägerin den Räumungsantrag für erledigt erklärt und beantragt:

1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin rückständige Miete im Zeitraum August bis November 2015 in Höhe von 3.800,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. aus 950,00 € seit 06.08.2015, aus weiteren 950,00 € seit 04.09.2015, aus weiteren 950,00 € seit 06.10.2015 und aus weiteren 950,00 € seit 05.11.2015 zu bezahlen.

2. Der Klagantrag Ziffer 3 wird wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin rückständige Miete im Zeitraum Dezember 2015 und Januar 2016 in Höhe von 1.9000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. aus 950,00 € seit dem 04.12.2015 sowie aus weiteren 950,00 € seit dem 08.01.2016 zu bezahlen.

3. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin 791,77 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

4. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin vorgerichtlich entstandene Gerichtskosten in Höhe von 30,25 € zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Für den Fall der Bewilligung der Prozesskostenhilfe beantragen die Beklagten im Wege der Eventualwiderklage: Die Klägerin wird verurteilt, an die Beklagten als Gesamtgläubiger € 25.104,29 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagten wenden ein, zu Beginn des Mietverhältnisses am 01.09.2010 seien keine nassen Flecken oder sonstigen Anzeichen für einen Feuchtigkeitseintritt oder die Schimmelpilzbildung ersichtlich gewesen. Im Vertrauen darauf, mangelfreie Räume gemietet zu haben und die Räume langfristig nutzen zu können, sei mit der Klägerin vereinbart worden, die Räumlichkeiten auch teilweise zu Wohnzwecken zu nutzen. Im Dezember 2014 seien die ersten feuchten Stellen an den Wänden im Bürobereich entdeckt worden. Daraufhin sei festgestellt worden, dass die gesamten Wände durchnässt und mit Schimmel befallen gewesen seien. Die Mängel hätten zu den typischen gesundheitlichen Anzeichen, wie z. B. dauerhaften Kopfschmerzen geführt. Weil die Mängel nicht beseitigt worden seien, sei das Mietverhältnis am 18.12.2015 außerordentlich gekündigt worden.

Die Nebenkostenabrechnung vom 19.10.2015 sei fehlerhaft. Die tatsächliche Fläche betrage nur 168 m2. Zudem seien von ihnen 87,9 % der Heizkosten zu tragen, obwohl das Anwesen aus drei Wohneinheiten mit einer angeblichen Gesamtfläche von 248 m2 Nutzfläche bestehe. Auch die Warmwasserkosten seien mit 85,43 % zu Lasten der Beklagten nicht nachvollziehbar.

Die Beklagten vertreten die Auffassung, dass die Räumlichkeiten bereits zu Beginn des Mietverhältnisses mangelhaft gewesen seien. Sie seien daher berechtigt gewesen, die Miete von Beginn an zu mindern. Mit Schreiben vom 18.12.2015 sei daher eine Minderung von 50 % erklärt worden. Die gesamte Fläche sei mit Schimmel befallen. Zum Zeitpunkt der Kündigung sei von ihnen bereits ein Betrag in Höhe von EUR 41.300 an Mietzahlungen geleistet worden. Den Minderungsbetrag berechnen die Beklagten mit EUR 22.400 und kommen daher zu einer Überzahlung in Höhe von (EUR 41.300 – EUR 22.400) EUR 18.900. Zudem sei ihnen ein Schaden in Höhe von EUR 6.204,29 entstanden. Für den Ausbau der Räume seien insgesamt Kosten in Höhe von EUR 20.000 entstanden. Ein Teil der Investitionen seien ausgebaut und weiterverkauft worden. In Höhe eines Betrages von EUR 12.408,58 bleibe der Ausbau jedoch in den Räumlichkeiten erhalten. Diese bestehen insbesondere aus Materialkosten und Kosten für die Handwerkerleistungen für die Errichtung der Sanitäranlagen und Räumlichkeiten, die Verlegung der Elektrizität und sonstige Anschlüsse und den Trockenbau. Dieser Schaden sei von den Beklagten zu ersetzen.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist im zuerkannten Umfang begründet. Es war festzustellen, dass sich der Herausgabeanspruch der Klägerin gegen die Beklagten hinsichtlich des Erdgeschosses des streitgegenständlichen Anwesens durch die Herausgabe der Schlüssel im Januar 2016 erledigt hat. Der rückständige Mietzins für den Zeitraum August bis November 2015 und Dezember 2015 bis Januar 2016 war zuzusprechen. Wegen der vorbehaltlosen Zahlung des Mietzinses bis einschließlich Juli 2015 haben die Beklagten ihr Minderungsrecht verloren. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten wurden die ersten feuchten Stellen im Dezember 2014 von ihnen an den Wänden im Bürobereich entdeckt. Erst mit Schreiben vom 29.06.2015 haben die Beklagten mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten erklärt, dass alle Mietzahlungen für die Zukunft unter Vorbehalt der Rückforderung bestehen, da die bestehenden Mängel eine Mietminderung in Höhe von 100% rechtfertigen. Das Gericht verkennt nicht, dass die Parteien nach Dezember 2015 über die Ursache der Feuchtigkeitssituation gesprochen haben, jedoch wurde der Mietzins vorbehaltlos von den Beklagten bezahlt. Wenn ein Mieter nach der Übergabe der Mietsache einen Mangel entdeckt, verliert er sein Recht zur Minderung des Mietzinses, wenn er in Kenntnis des Mangels den Mietzins vorbehaltlos und ungekürzt über einen Zeitraum von wenigstens sechs Monaten weiter bezahlt (Vergleiche OLG Naumburg, NZM 2002, S. 251). Diese Voraussetzungen liegen vor.

Wegen des Zahlungsverzuges durfte die Klägerin den Mietvertrag außerordentlich kündigen. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Räumungsklage im Zeitpunkt der Klageerhebung zulässig und begründet gewesen. Der Einwand der Beklagten, dass die Klägerin die Rückgabe der Mietsache bis in den Januar 2016 hinein verzögert habe, kann keine Berücksichtigung finden. Im Falle eines beendeten Mietverhältnisses obliegt es dem rückgabepflichtigen Mietern ggf. den Vermieter in Gläubigerverzug zu setzen. Die Beklagten tragen selbst nicht vor, dass sie die Voraussetzungen für diesen Gläubigerverzug geschaffen haben. Die Mietsache wurde daher erst durch Rückgabe der Schlüssel im Januar 2016 an die Klägerin zurückgegeben. Die Beklagten haben daher bis in den Januar 2016 hinein den rückständigen Mietzins zu bezahlen.

Über die Eventualwiderklage war nicht zu entscheiden, weil die innerprozessuale Bedingung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nicht eingetreten ist.

Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 284, 288 BGB, 91, 709 ZPO.

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