Skip to content
Menü

WEG – Anbauten als grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage

Heidelberger Wohnanlage: Grundlegende Umgestaltung und unbillige Benachteiligung führen zur Aufhebung des WEG-Beschlusses

Das Urteil des AG Heidelberg (Az.: 45 C 119/21) vom 16.03.2022 hebt einen Beschluss der WEG-Versammlung auf. Dieser hatte die von einem Eigentümer durchgeführten Anbauten (Sauna, Container, Eingangstor, Schneckendusche) im Innenhof genehmigt. Das Gericht erklärte den Beschluss für ungültig, da die Anbauten eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage darstellen und die Kläger unbillig benachteiligen. Es ordnete die Beseitigung der baulichen Veränderungen an.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 45 C 119/21  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Aufhebung des WEG-Beschlusses: Die Genehmigung der Anbauten durch die WEG-Versammlung wurde aufgehoben.
  2. Grundlegende Umgestaltung: Das Gericht sah in den Anbauten eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage.
  3. Unbillige Benachteiligung: Die Kläger wurden durch die Anbauten unbillig benachteiligt.
  4. Beseitigungsklage: Das Gericht ersetzte den Beschluss durch eine gerichtliche Beseitigungsklage gegen den bauenden Miteigentümer.
  5. Kosten des Rechtsstreits: Die Beklagte muss die Kosten des Rechtsstreits tragen.
  6. Sonderrechte nicht ausreichend: Trotz bestehendem Sondernutzungsrecht des beklagten Eigentümers wurde sein Vorgehen als rechtswidrig bewertet.
  7. Ermessensreduktion auf Null: Die Wohnungseigentümergemeinschaft muss gegen die ungenehmigten Veränderungen vorgehen.
  8. Schutz des ursprünglichen Charakters: Die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes der Wohnanlage wurde als notwendig erachtet.

WEG: Grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage durch bauliche Veränderungen

Die grundlegende Umgestaltung einer Wohnanlage im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) ist ein viel diskutiertes Thema. Eine eindeutige gesetzliche Definition gibt es nicht, weshalb bei der Beurteilung einer baulichen Veränderung alle Umstände des Einzelfalls betrachtet werden müssen. Anbauten, die den optischen Gesamteindruck der Wohnanlage verändern, können beispielsweise als grundlegend eingestuft werden.

Eine solche Umgestaltung kann auch dazu führen, dass einzelne Wohnungseigentümer unbillig benachteiligt werden. In solchen Fällen kann ein Beschluss der Eigentümergemeinschaft erforderlich sein, um eine einvernehmliche Entscheidung zu treffen. Bei Unstimmigkeiten kann es jedoch zu rechtlichen Auseinandersetzungen kommen, weshalb sich die betroffenen Wohnungseigentümer über die rechtlichen Rahmenbedingungen und mögliche Konsequenzen informieren sollten. Im weiteren Verlauf dieses Artikels wird ein konkretes Urteil zum Thema „grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage“ vorgestellt und besprochen.

Konflikt um WEG-Anbauten in Heidelberger Wohnanlage

In einem bemerkenswerten Rechtsstreit vor dem Amtsgericht Heidelberg (Az.: 45 C 119/21) stand die Genehmigung von Anbauten in einer Wohnanlage im Mittelpunkt. Ein Eigentümer hatte auf dem Gelände der Wohnanlage diverse Bauteile errichtet – eine Sauna mit Überdachung, zwei Container, ein Eingangstor zur Terrasse und eine feststehende Schneckendusche. Diese baulichen Veränderungen, genehmigt durch einen Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) vom 22. November 2021, wurden nun durch das Gericht als ungültig erklärt.

Die WEG-Versammlung und ihre Entscheidung

Die ursprüngliche Genehmigung dieser Bauteile durch die WEG-Versammlung führte zu erheblichem Widerspruch bei anderen Miteigentümern. Sie argumentierten, dass diese Anbauten eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage darstellen und dadurch die Terrasse vollständig bebaut wurde. Sie betonten auch, dass diese baulichen Veränderungen erhebliche Nachteile für ihre Sondereigentumseinheiten mit sich bringen würden, insbesondere in Bezug auf die Außenansicht des Gebäudes, den Blick von außen und eine erhöhte Einbruchsgefahr.

Gerichtliche Entscheidung: Ungültigkeit und Beseitigungsklage

Das Gericht stimmte den Klägern zu und erklärte den Beschluss für ungültig. Es befand, dass die Maßnahmen über die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen und sowohl eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage als auch eine unbillige Benachteiligung der Kläger bedeuten. Daraufhin ersetzte das Gericht den WEG-Beschluss durch eine gerichtliche Beseitigungsklage gegen den bauenden Miteigentümer, um die ungenehmigten baulichen Veränderungen zu entfernen.

Gründe für die gerichtliche Entscheidung

Das Gericht berief sich auf § 20 Abs. 1 WEG, wonach bauliche Veränderungen beschlossen oder einem Wohnungseigentümer durch Beschluss gestattet werden können. Jedoch verstieß der vorliegende Beschluss gegen § 20 Abs. 4 WEG. Das Gericht betonte, dass bei der Bewertung, ob eine grundlegende Umgestaltung vorliegt, die Umstände des Einzelfalls entscheidend sind. Die errichteten Bauteile wurden als nicht typisch für die genutzte Freifläche angesehen und stellten eine erhebliche optische Veränderung dar. Darüber hinaus lag eine unbillige Benachteiligung der Kläger vor, da ihnen Nachteile zugemutet wurden, die nicht durch die Vorteile der baulichen Veränderung ausgeglichen werden konnten.

In der Schlussfolgerung dieses Urteils wird deutlich, dass das Gericht den Schutz des ursprünglichen Charakters der Wohnanlage und die Interessen der anderen Eigentümer als vorrangig ansah. Damit setzt es ein klares Zeichen für die Bedeutung der ordnungsmäßigen Verwaltung und die Beachtung individueller Rechte innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft.

Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt


Was bedeutet die grundlegende Umgestaltung einer Wohnanlage im Kontext des Wohnungseigentumsrechts?

Eine „grundlegende Umgestaltung“ einer Wohnanlage im Kontext des Wohnungseigentumsrechts bezieht sich auf bauliche Veränderungen, die das Gesamtbild oder die Nutzung der Wohnanlage erheblich verändern. Es handelt sich dabei um eine rechtliche Kategorie, die in § 20 Abs. 4 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) erwähnt wird. Dieser Paragraph besagt, dass bauliche Veränderungen nicht beschlossen und nicht verlangt werden können, wenn sie zu einer grundlegenden Umgestaltung der Wohnanlage führen.

Die genaue Definition einer „grundlegenden Umgestaltung“ ist gesetzlich nicht festgelegt und muss daher im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände entschieden werden. Bezugspunkt ist dabei die Wohnanlage als Ganzes. Eine grundlegende Umgestaltung wird nur in Ausnahmefällen angenommen und typischerweise nicht bei den in § 20 Abs. 2 WEG genannten privilegierten Maßnahmen.

Beispiele für Maßnahmen, die zu einer grundlegenden Umgestaltung führen könnten, sind die Hinzufügung neuer Räume, wie etwa einem Wintergarten oder einem Ausbau des Spitzbodens unter Veränderung des Grundrisses, oder die Anlegung einer Terrasse oder der Abriss einer Veranda. Es ist jedoch zu betonen, dass nicht jede bauliche Veränderung, die die Eigenart der Wohnanlage ändert, auch zu einer grundlegenden Umgestaltung führt.

Die Rechtsprechung wird in Zukunft klären müssen, welche spezifischen Voraussetzungen für eine „grundlegende Umgestaltung“ erfüllt sein müssen.

Welche Rolle spielt das Sondernutzungsrecht bei der Beurteilung baulicher Veränderungen in einer Wohnanlage?

Das Sondernutzungsrecht spielt eine wichtige Rolle bei der Beurteilung baulicher Veränderungen in einer Wohnanlage. Es ist die Befugnis eines Eigentümers, bestimmte Gebäudeteile und Flächen, die zum Gemeinschaftseigentum gehören, allein zu nutzen. Typischerweise werden Sondernutzungsrechte für Terrassen, Stellplätze und Garagen, Gartenflächen, Kellerräume, Dachböden, Schwimmbäder oder Saunen erteilt.

Wenn es um bauliche Veränderungen geht, ist es dem Eigentümer grundsätzlich untersagt, diese ohne die Genehmigung der Miteigentümer vorzunehmen. Der Berechtigte kann die Sondernutzfläche nach seinem Belieben nutzen, allerdings nicht verändern oder umbauen. Nur temporäre, also nicht dauerhafte Veränderungen sind ohne die Zustimmung der anderen Eigentümer zulässig.

Eine Ausnahme bildet jedoch eine vereinbarte Öffnungsklausel, die die Begründung von Sondernutzungsrechten durch einen Mehrheitsbeschluss erlaubt. Wird ein Sondernutzungsrecht nachträglich vereinbart, entfaltet dies gegenüber einem Rechtsnachfolger eines Wohnungseigentümers (z. B. Käufer) nur Wirkung, wenn es beim Berechtigten als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragen ist.

Es ist auch zu beachten, dass das Sondernutzungsrecht nur innerhalb der Gemeinschaft übertragbar ist und nicht isoliert. Bei Streitigkeiten kann die Eigentümergemeinschaft das Nutzungsrecht entziehen oder dem Berechtigten die Nutzung untersagen, wenn alle Eigentümer einverstanden sind und die Teilungserklärung, in der das Sondernutzungsrecht begründet wurde, geändert wird.

In Bezug auf die Kosten für Instandhaltung und Reparaturen, fallen diese in der Regel der Eigentümergemeinschaft zur Last, es sei denn, es wurde etwas anderes vereinbart. In der Praxis hat es sich jedoch bewährt, dass der Eigentümer, der das Sondernutzungsrecht innehat, die Kosten für Instandhaltung, Reinigung, Reparatur und Bewirtschaftung der Sondernutzungsfläche trägt.

Schließlich ist es wichtig zu beachten, dass bauliche Veränderungen, die den Charakter der Wohnanlage „grundlegend verändern“ würden, nicht zulässig sind. Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn zusätzliche Stockwerke hinzugefügt, größere Anbauten wie ein großes Gewächshaus errichtet oder ganze Gebäudeteile abgerissen werden.


Das vorliegende Urteil

AG Heidelberg – Az.: 45 C 119/21 – Urteil vom 16.03.2022

1. Der unter TOP 1 der WEG-Versammlung vom 22.11.2021 gefasste Beschluss, die vom Eigentümer X auf dem Boden im hinteren Innenhof der Wohnanlage errichteten Bauteile (Sauna mit Überdachung, zwei Container, ein Eingangstor zur Terrasse, eine feststehende Schneckendusche) zu genehmigen, wird für ungültig erklärt.

2. Es wird folgender Beschluss ersetzt: Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer… , geht vertreten durch die WEG-Verwaltung gegen den Miteigentümer X im Wege einer gerichtlichen Beseitigungsklage gegen die von diesem im hinteren Innenhof der Wohnanlage errichteten Bauteile (Sauna mit Überdachung, zwei Container, ein Eingangstor zur Terrasse, eine feststehende Schneckendusche) vor, um die Entfernung der ungenehmigten baulichen Veränderungen zu erreichen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 20.000,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Kläger sind Miteigentümer in der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer … . Sie sind Eigentümer der Sondereigentumseinheit Nr. 5.

Ein weiterer Miteigentümer, Herr …, Eigentümer der Sondereigentumseinheit Nr. 6, hat im Bereich einer pflasterten Freifläche, die als Sondernutzungsrecht zu seiner Wohnung gehört und zwischen dem Gebäude der Wohnungseigentümergemeinschaft und einem Nachbargrundstück liegt, eine Fass-Sauna mit Überdachung, zwei Container, ein Eingangstor zur Terrasse und eine feststehende Schneckendusche errichtet. Andere Bauteile, die den errichteten Bauteilen entsprechen, sind auf der gesamten sonstigen Freifläche nicht vorhanden.

Auf der WEG-Versammlung vom 22.11.2021 hat die WEG unter TOP 1 beschlossen, dass diese baulichen Veränderungen genehmigt werden. Unter TOP 2 wurde der klägerische Antrag, dass die WEG gegen den Miteigentümer … gerichtlich vorgeht, um die Beseitigung der ungenehmigten baulichen Veränderungen zu erreichen, abgelehnt.

Die Kläger tragen wie folgt vor:

Die vorgenommenen baulichen Veränderungen stellen eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage dar, da die Terrasse vollkommen zugebaut ist. Durch die errichteten Anlagen entstehen darüber hinaus für die Sondereigentumseinheit der Kläger grob unbillige Nachteile. Die Nachteile für die Einheit der direkt über der Einheit des Miteigentümers … gelegenen Sondereigentumseinheit der Kläger bestehen nicht nur darin, dass die Außenansicht des Gebäudes und der Blick aus ihrer Einheit nach außen stark beeinträchtigt wird, sondern insbesondere auch darin, dass über die aufgestellten Container und insbesondere über das aufgebaute Vordach der Fass-Sauna unbefugte Dritte in die Wohnung der Kläger unschwer eindringen können und hierdurch eine erhebliche Einbruchsgefahr hervorgerufen wird. Vom Dach aus lässt sich ohne weiteres der Außenbereich der Wohnung der Kläger betreten.

Die WEG muss gegen die ungenehmigten und nicht genehmigungsfähigen baulichen Veränderungen vorgehen. Es besteht hier eine Ermessensreduktion auf „null“, da dann, wenn die Eigentümergemeinschaft gegen derart erhebliche bauliche Veränderungen nicht vorgehen würde, die Gefahr bestehen würde, dass auch andere Eigentümer entsprechende gravierende bauliche Veränderungen ohne die erforderliche Genehmigung vornehmen würden. Darüber hinaus ist die Umgestaltung derart grundlegend, dass der ursprüngliche Charakter der Wohnanlage in diesem Bereich nicht mehr vorhanden ist, so dass nur die Wiederherstellung des ursprünglichen Charakters der Wohnanlage und die Geltendmachung entsprechender Ansprüche gegen den rechtswidrig handelnden Miteigentümer ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen kann.

Die Kläger beantragen:

1. Der unter TOP 1 der WEG-Versammlung vom 22.11.2021 gefasste Beschluss, die vom Eigentümer … auf dem Boden im hinteren Innenhof der Wohnanlage errichteten Bauteile (Sauna mit Überdachung, zwei Container, ein Eingangstor zur Terrasse, eine feststehende Schneckendusche) zu genehmigen, wird für unwirksam erklärt.

2. Das Gericht erlässt anstelle der Wohnungseigentümerversammlung folgenden Beschluss:

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer …, geht vertreten durch die WEG-Verwaltung gegen den Miteigentümer … im Wege einer gerichtlichen Beseitigungsklage gegen die von diesem im hinteren Innenhof der Wohnanlage errichteten Bauteile (Sauna mit Überdachung, zwei Container, ein Eingangstor zur Terrasse, eine feststehende Schneckendusche) vor, um die Entfernung der ungenehmigten baulichen Veränderungen zu erreichen.

Die Beklagte beantragt, Klageabweisung.

Sie trägt wie folgt vor: Zunächst wird bestritten, dass die baulichen Maßnahmen im Widerspruch zur Teilungserklärung stehen. Nach der WEG-Reform können gemäß § 20 Abs. 1 WEG bauliche Veränderungen durch Mehrheitsbeschluss genehmigt werden. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass vorliegend ein Sondernutzungsrecht betroffen ist. Einen konkreten Nutzungszugriff auf den räumlich gegenständlichen Bereich haben die Kläger nicht. Des Weiteren ist allein der rückwärtige Bereich der Wohnanlage betroffen. Eine besondere Störungslage ist nicht gegeben. Es liegt weder eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage noch eine unbillige Benachteiligung eines Wohnungseigentümers vor. Die bestehende Terrasse existiert weiterhin fort.

Lediglich funktionale Aufbauten sind hinzugekommen, die nicht dauerhaft mit dem Boden verbunden sind. Auch Lagermöglichkeiten sind nur geordneter Natur. Straßenseitig sind die Änderungen überhaupt nicht zu sehen. Auch die Gesamtanlage verändert hierdurch nicht ihren zentralen Charakter. Eine Vergrößerung der Einbruchsgefahr kann nicht gesehen werden. Bereits der Balkon im ersten Obergeschoss führte zu einer gleichwertigen Einbruchsgefahr. Diese war jedoch von Anfang an vorhanden. Das Ermessen wurde fehlerfrei ausgeübt. Eine Ermessensreduktion auf Null besteht hier nicht. Insofern kann sich die Beklagte auch aus Kostengesichtspunkten gegen eine Durchsetzung von etwaigen Ansprüchen entscheiden.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen. Das Gericht hat die in der Akte befindlichen Lichtbilder in Augenschein genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage (§ 44 WEG) ist begründet.

1. Die Genehmigung der Baulichkeiten entspricht nicht ordnungsmäßiger Verwaltung.

Maßnahmen, die über die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen (bauliche Veränderungen), können allerdings beschlossen oder einem Wohnungseigentümer durch Beschluss gestattet werden, § 20 Abs. 1 WEG. Der vorliegende Beschluss verstößt aber gegen § 20 Abs. 4 WEG. Es liegt sowohl eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage als auch eine unbillige Benachteiligung der Kläger vor.

Nach den Gesetzesmaterialien ist die Frage, ob eine grundlegende Umgestaltung vorliegt, im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände zu entscheiden (BR-Drs. 168/20, 72. Dötsch/Schulzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 6 Rn. 50). Der Begriff der grundlegenden Umgestaltung ist enger zu verstehen als der Begriff der Eigenartsänderung i.S.v. § 22 Abs. 2 WEG aF (BR-Drs. 168/20, 72; Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 20 Rn. 148).

Das Verbot grundlegender Umgestaltungen der Wohnanlage durch bauliche Veränderungen bezweckt das Vertrauen des Erwerbers auf den wesentlichen inneren und äußeren Bestand der Wohnanlage, das in der Regel Grundlage seiner Entscheidung für den Erwerb der Wohnung war. Dass eine bauliche Veränderung die Wohnanlage grundlegend umgestaltet, kann nur im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände durch Vergleich der Gestaltung der Wohnanlage vor und nach der im Streit stehenden baulichen Veränderung objektiv entschieden werden. Bezugspunkt ist dabei die Anlage als Ganzes, die im Einzelfall auch durch die Änderung von Teilbereichen insgesamt grundlegend verändert werden kann (Hogenschurz in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 7. Aufl. 2021, § 20 WEG, Rn. 87).

Eine grundlegende Umgestaltung des Aussehens kann darin bestehen, dass ein Haus mit Flach- ein Walmdach erhalten soll, es aufgestockt wird, ein weiterer Bauteil angebaut wird oder Teile des Hauses abgerissen werden sollen. Die Änderung eines Teiles des äußeren Aussehens, etwa der Anbau von Balkonen, wird in der Regel noch keine Änderung des charakteristischen Aussehens sein (s. a. LG Frankfurt a. M. NJOZ 2019, 1467 Rn. 21; AG Hannover ZWE 2011, 145; aA LG Lüneburg ZMR 2011, 830). Entsteht ein uneinheitlicher Gesamteindruck, wenn z.B. nur einzelne und nicht alle Balkone an der Front eines Hauses verglast werden oder wenn beim Bau von Dachgauben in einer vorhandenen Dachgeschosswohnung die Symmetrie des Hauses nicht eingehalten wird, liegt darin noch keine grundlegende Umgestaltung; allerdings kann darin eine unbillige Benachteiligung liegen (Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 20 Rn. 151).

Hier ist die Situation dem Anbau eines weiteren Bauteils vergleichbar. Ein ehemals unbebauter Bereich ist nahezu stockwerkshoch so massiv gefüllt durch das Sauna-Fass und die beiden großen Container sowie die Überdachung und die Schneckendusche, dass dies einer Bebauung gleichkommt. Das Glasdach macht aus der offenen Terrasse eine Carport-artig überdachte Anlage. All dies zieht sich ausweislich der in Augenschein genommenen Lichtbilder und der Erläuterungen der Beklagtenseite über die gesamte Breite des Anwesens im Bereich der Balkone der Kläger und der Eigentümer … hin. Dadurch wird die Wohnanlage als Ganze grundlegend umgestaltet.

Zugleich werden die Kläger gegenüber anderen Wohnungseigentümern unbillig benachteiligt.

Eine solche Benachteiligung liegt vor, wenn einem Wohnungseigentümer Nachteile zugemutet werden, die bei wertender Betrachtung nicht durch die mit der baulichen Veränderung verfolgten Vorteile ausgeglichen werden (BT-Drs. 168/20, 72; s. a. BGH NJW-RR 2018, 1165 Rn. 29). Die bauliche Veränderung muss zu einer treuwidrigen Ungleichbehandlung der Wohnungseigentümer führen, indem die Nachteile einem oder mehreren Wohnungseigentümern in größerem Umfang zugemutet werden als den übrigen Wohnungseigentümern (BT-Drs. 168/20, 72). Der Begriff „Benachteiligung“ ist erheblich restriktiver auszulegen als eine bloße Beeinträchtigung i.S.v. § 20 Abs. 3 WEG (Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 20 Rn. 154). Unbillig sein sollen nur darüber hinausgehende Nachteile, die bei wertender Betrachtung und in Abwägung mit den mit der baulichen Veränderung verfolgten Vorteilen einem verständigen Wohnungseigentümer zumutbarer Weise nicht abverlangt werden dürfen (Dötsch/Schulzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 6 Rn. 59), wie bei der Installation des Kälteaggregats einer Klimaanlage oder eines Außenaufzugs im Hinblick auf Lärm und Verschattung neben dem Balkon eines Wohnungseigentümers, die Erschwerung des Zugangs zum Sondereigentum, schließlich die Einsehbarkeit einzelner Wohnungen bei Anbau eines verglasten Außenlifts (Hogenschurz in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 7. Aufl. 2021, § 20 WEG, Rn. 93) Gemeint ist ein nicht hinzunehmendes Sonderopfer (Hogenschurz in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 7. Aufl. 2021, § 20 WEG, Rn. 93).

Hier ist im Rahmen der wertenden Betrachtung und der Abwägung mit den verfolgten Vorteilen (vgl. Dötsch/Schulzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 6, Rn. 59) zu berücksichtigen, dass es sich nicht um eine Verbesserung der gesamten Wohnanlage, sondern ausschließlich um allein von den Eigentümern … nutzbare Bauteile handelt, die nur diesen einen Vorteil bringen und auf deren Genehmigung diese Eigentümer nach § 20 Abs. 3 WEG keinen Anspruch hatten. Denn die Veränderung des optischen Gesamteindrucks des Gesamtanwesens durch die massiven Vorbauten stellt eine Beeinträchtigung im Sinn von § 20 Abs. 3 WEG dar. Im Gegensatz zu einem Aufzug oder einer Klimaanlage stellt die Sauna einen überflüssigen außerwohnlichen Vorteil dar, der in der Lage der Wohnung gerade nicht angelegt ist. Es handelt sich um Aufbauten, die für eine solche Freifläche untypisch und daher auch nicht zur Verwirklichung des Sondernutzungsrechts an der Terrasse erforderlich sind. Die Kläger erleiden außerdem besondere Nachteile. Nur ihr neben dem Balkon der Eigentümer … gelegener Balkon grenzt direkt an das Glasdach an, wie sich aus den in Augenschein genommenen Lichtbildern ergibt. Von ihrem Balkon aus haben die Kläger aus kürzerer Distanz als andere Eigentümer einen Blick auf die gesamten Baulichkeiten.

Auch die Einbruchsgefahr steigt. Wer erst einmal auf dem Glasdach ist, kommt einfacher auf den Balkon als wer dies von der Terrasse aus versucht. Ein Einbrecher muss ohne das Dach erst den Zaun überwinden und dann von der Terrasse zu dem Balkon im 1. OG klettern; mit Dach genügt die Überwindung des Zauns und der Balkonbrüstung.

Der Beschluss war daher für ungültig zu erklären.

2. Auch die Beschlussersetzungsklage hat Erfolg.

Die Kläger haben einen Anspruch auf den beantragten Beschluss, § 18 Abs. 2 WEG. Gemäß § 1004 BGB haben die Kläger einen Anspruch auf Beseitigung der störenden Veränderungen des Gemeinschaftseigentums. Die Terrasse gehört zum Gemeinschaftseigentum; das Sondernutzungsrecht ändert daran nichts. Die Kläger können diesen Anspruch aber nicht ausüben, § 9a Abs. 2 WEG. Da gemäß § 9a Abs. 2 WEG die eigentlich mit dem Eigentum verbundene Ausübungsbefugnis der Wohnungseigentümer für aus ihrem Miteigentum an dem Grundstück herrührende Rechte den Wohnungseigentümern entzogen ist und beim Verband liegt, ist die Gemeinschaft grundsätzlich zur Rechtsdurchsetzung verpflichtet (Dötsch/Schulzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 3 Rn. 147). Sie ist auch verpflichtet, zur Durchsetzung nötigenfalls gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen und entsprechende Prozesse sorgfältig zu führen, um Rechtsverluste zu vermeiden (Dötsch/Schulzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, aaO).

Auch hier reduziert sich das Ermessen der Wohnungseigentümer auf Null. Sie haben keine nachvollziehbaren Gründe angeführt, von einer Durchsetzung des Beseitigungsanspruchs abzusehen.

Die Klage hat daher auch insoweit Erfolg.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 49 GKG.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Mietrecht & WEG-Recht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Mietrecht und Wohneigentumsrecht. Vom Mietvertrag über Mietminderung bis hin zur Mietvertragskündigung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Rechtstipps aus dem Mietrecht

Urteile aus dem Mietrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!